22. Deutschlands Zustand nach dem 30jährigen Krieg. 57
nur ein großer, sondern der größte Teil seiner Bewohner umfam, ist begreiflich, wenn man bedenkt, daß sich das verworfenste Gesindel Europas ein Menschenalter lang auf dem blutgetränkten Boden Deutschlands herumtrieb, sengend, plündernd, mordend, allen Lastern frönend und vorher nie gekannte Grausamkeiten ausübend. Städte und ganze Landstriche waren verödet*). In der Gegend von Freising standen ganze Dörfer leer. „Innerhalb ganzer Quadratmeilen befanden sich in manchen Gegenden kein Pferd, feine Kuh, fein eßbares Tier, aber Bären, Wölfe in großer Anzahl; fein Fruchtbaum, fein Haus: Dickicht und Waldbäume standen auf Grund und Boden, welchen noch vor drei Jahrzehnten die Pflugschar durchzog;" ebenso in andern Gegenden Deutschlands. Das Schwert, der Hunger, Krankheit und Seuchen hatten Deutschlands Bevölkerung von etwa 16 Millionen auf ungefähr 4 Millionen gebracht.
c. Verwilderung.
Zn all' dem kommt noch, daß die den Krieg überlebenden Menschen geistig und sittlich verkommen, verwildert waren. Der Hunger hatte so überhand genommen, daß die Verstorbenen verzehrt, ja daß die Kinder von ihren Eltern geschlachtet und gegessen wurden. Ganze Banden bildeten sich, die auf Menschen Jagd machten, um ihr Leben zu fristen.
d. Landwirtschaft.
Daraus ergibt sich, welch' großen Rückgang die Landwirtschaft nehmen mußte. Ans blühenden Gärten und wohlangebauten Gegenden waren traurige Wüsteneien, waren Wälder geworden. Mangel an Menschen, Vieh und Getreide ließ erst allmählich eine Besserung zu. Nicht selten mußten Weiber und Kinder den Pflug ziehen.
6. Gewerbe.
Ebenso hatte das deutsche Gewerbe gelitten. Die Wollweberei blühte vor dem Kriege jahrhundertelang und brachte
*) Augsburg hatte vor dem Kriege gegen 90 000 Einwohner, nach demselben noch 6000; Berlin sank von etlun 25 000 ebenfalls auf 6000. Sachsen verlor von 1631—1632 etwa 1 Million Menschen; die Psalz sank von V2 Million aus 50000; Böhmen verlor etwa 2v2 Million.
ß**
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Europas Deutschlands Deutschlands Deutschlands Berlin Sachsen
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— m —
bis auf wenige Familien gestorben oder verdorben. Ohne Unterricht, ohne Gottesdienst war das junge Volk aufgewachsen in Roheit und Sittenlosigkeit; von den Soldknechten der Heere hatte es Gewalttätigkeit und Verbrechen aller Art gelernt.
Über den ehemaligen Acker war Wald gewachsen; angebaut wurde nur so viel Feld, als 3um (Ertrage der nötigen Nahrung erforderlich war. Der wert der Grundstücke war ungemein gesunken. Ost weigerten sich Nachbarn, anstoßende herrenlose Acker schenkungsweise anzunehmen, um die darauf lastenden Bodenabgaben nicht zahlen zu müssen.
Die Ortsgeschichten belegen diese 2lngaben mit (Einzelbeispielen. So schreibt die dhronif von Gerolzhofen:
„(Ein jammervolles Bild boten Stadt und Markung von Gerolzhofen nach den Drangsalen des Krieges. Die Mittel des Stadthaushaltes waren völlig erschöpft, Stadt- und Landgemeinden an den Bettelstab gebracht. Greulichen Anblick bot das Gebiet der Stadtmarhmg, der Umgebung, dessen ausgebrannte, totenstille Dörfer Lindelach, Rügsbofen, Stockheim, Alitzheim, Mittelmühle in Trümmern lagen. Rügshofen erlangte feinen früheren Umfang nicht wieder, Lindelach erhob sich überhaupt nicht mehr. Auren und wiesen waren nach langem Verwildern ertraglos, Acker und Weingärten von wildem Buschwerk überwuchert. Auch der sittliche Zustand der gelichteten Bevölkerung hatte begreiflicherweise sehr stark gelitten unter den (Eindrücken endloser blutiger Greuel, unbeschreiblicher Ausschreitungen, jammervoller Seuchen, He$enverfolgungen und Kriegsläufe. Zahlreiche Güter waren herrenlos und fanden tatsächlich keinen Herrn."
In der Ortsgeschichte von Untererthal ist zu lesen:
„Zwischen \652 und \650 verschwanden Nachbarn mit Familienangehörigen. Gegen (Ende der Kriegstvirren waren an die 50 Hofstätten verödet. Von 25 dem Frhrn. von (Erthal zustehenden Häusern standen 20 leer. Die unbewohnten Häuser waren teilweise abgebrannt oder verfallen. Steine und Holz verwendeten die den Krieg überlebenden Nachbarn zum Ausbessern ihrer baufälligen Heimstätten. Felder, wiesen und Weinberge lagen größtenteils brach; sie waren vielfach mit Hecken und Stauden verwachsen. Auf Hetzloser Markung waren \658 von 295 Morgen (Erthaljcher Acker nur ungefähr 40 Morgen bebaut, „das übrige mit Hecken und Holz verwachsen". Von \03 Morgen wiesen konnten nur 35 Morgen genutzt werden, die übrigen waren verwachsen und verwildert. Noch um 1?oo lagen \56 Morgen Feld bei Hetzlos wüst und das Dorf zählte noch ^6 öde Hofstätten.
Hier wie überall wurde die Markung neu vermessen, da sie „mit Holz, Hecken und Sträuchern dergestalt verwachsen, daß sich darinnen schwerlich mehr zu finden".
Die Stadt Karlstadt hatte ^670 {7? leere Häuser. Infolge der großen Verarmung der (Einwohnerschaft wurde der Gemeindewald verteilt.
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165. Die Krammetsvogel und der Dohnenstrich.
359
quer durch's Kartoffelfeld, über Berg
und Thal, hinein in den dunkel-wunder-
vollen Wald.
Doch nicht lange, da umhüllt uns
rings dichter Nebel, welcher jeden Um-
blick bis auf wenige Schritte raubt und
dann als feiner Staubregen herabrieselt.
Dies ist so recht das Bild des Herbstes
— das trostlose, weithin Alles um-
hüllende Grau des Nebels, dazu der
einförmige Regen und all überall die
die lautloseste, gleichsam trauernde Stille,
welche kaum hier und da von einem
Lockton vorüberziehender Vögel unter-
brochen wird.
Wir wandern weiter, dem Dickicht
vorbei, bis zu den innerhalb des Wald-
saumes sich hinziehenden Höhen. Hier
finden wir das, was wir suchen, den
mit vieler Umsicht und Ortskenntniß
vom Jäger angelegten Dohnenstieg oder
Dohnenstrich, den Fangort der geschätzten
Krammetsvögel. Die Dohnen sind
einfache, zu beiden Seiten eines Fuß-
steiges in kurzen Zwischenräumen und
in der Höhe von etwa drei Fuß ange-
brachte Fangwerkzeuge, in denen ver-
mittelst starker Pferdehaarschlingen und
eines Büschels lockender rother Eberesch-
beeren die armen Arglosen dem Tode
und der Küche der Leckermäuler über-
liefert werden. — Gleich vornan hängen,
schon todt, steif und starr, eine Anzahl
Weindrosseln, welche wir an dem
Roth der inneren Flügel erkennen. Wahr-
scheinlich sind sie heute ganz früh hungrig
und ermattet hier eingetroffen und haben
gleich willkommene Nahrung, doch auch
den Tod gefunden.
Sie hängen fast in einer Reihe, hier
und da auch zwei in derselben Dohne
neben einander. Es ist merkwürdig, daß
sich die armen Thierchen nicht durch das
Beispiel ihrer Gefährten belehren lassen.
Der eine fängt sich, merkt es erst dann,
wenn er weiter fliegen will, daß er das
Todesband am Halse hat, flattert nun
einige male im Todeskampf hin und
her und hängt dann schlaff und ruhig
herunter; einige Augenblicke später
kommt ein anderer, durch das Geflat-
ter aufgescheucht, wieder herbei, setzt
sich ruhig neben den Todten, frißt und
würgt sich die Schlinge ebenfalls um
den Hals. Ja, alte Jäger wollen be-
obachtet haben, daß die armen Wesen
arglos und einfältig genug seien, um
mit den tödtlichen Haaren zu spielen
und sie sich absichtlich umzuschlingen.
Es macht einen eigenthümlichen Ein-
druck, wenn man die schönen Vögel so
reihenweise, steif und doch im Tode noch
so zierlich, dahängen sieht.
2. Die Weindrossel ist einer der
nur vorüberziehenden Gäste, welche im
hohen Norden, bei uns nur höchst selten,
nistet. Sie singt gar nicht, sondern
läßt nur zuweilen einen wenig melodi-
schen Locklaut hören. Ihren Namen
hat sie wohl daher, weil sie im Spät-
sommer und Herbst in großen Schaaren
in den Weinbergen sich einfindet, wo
sie aber wirklich nicht den großen Scha-
den anrichtet, dessen man sie beschuldigt,
da ihre Hauptnahrung kleine Beeren
und schädliche Insekten sind, welch letz-
terer Umstand den Verlust einer bei-
läufig verspeisten Weinbeere doch gewiß
vollständig ausgleichen dürfte.
Um eine Ecke biegend, laufen wir
schnell hinzu, denn vor uns flattert
schreiend ein Gefangener noch lebendig
in der Schlinge. Behutsam ausgelöst,
haben wir einen unserer lieblichsten
Frühlingssänger, die Singdrossel,
in der Hand. Sie unterscheidet sich von
der vorigen dadurch, daß ihre innere
Flügelwand statt roth gelb ist. Sonst
hat sie dasselbe olivenbraune Kleid an,
welches auf dem Rücken fast schwarz,
dagegen an der Brust, dem Halse und
Bauche gelblichweiß und mit großen
rostbraunen Punkten übersäet ist. Sie
nistet meistens im Wachholdergebüsch,
und legt in ein großes, wie bei allen
Droffelarten mit Thon oder Lehm aus-
gemauertes, künstliches Nest 4—6 hell-
grüne, dunkelbraun punktirte Eier. Sie
stellt die größte Anzahl zu den Krammets-
vögeln, unter welcher Bezeichnung man
eigentlich alle die in den Dohnen ge-
fangenen Vögel versteht, doch oft aus-
schließlich auch nur diese Drossel meint.
So finden wir nach und nach noch
eine beträchtliche Anzahl ihrer Schwestern,
die meisten schon todt und steif, durch
ein schnelles Ende ihrer Qual befreit;
doch leider zeigt sich uns auch ein Bild
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54
I. Erzählungen.
34. Der Unzufriedene.
(Parabel.)
In einem schattigen Thälchen, nicht
weit von der Heerstraße, war eine Baum-
schule angelegt. Ein schöneres Plätzchen
hätte auch Niemand dazu finden können.
Die jungen Pflänzlinge erfreuten sich der
Morgensonne, während ein naher, stark
bewaldeter Berg Nachmittags erquicken-
den Schatten gab. Von der Landstraße
war das Thal gerade weit genug ent-
fernt, um vor lästigem Staube gesichert
zu sein, und seine Seitenwände schützten
die jungen Bäumchen vor scharfen Winden.
Es war ein fröhliches Leben in der
Baumschule. Junge Pappeln, Kirschen-
und Apfelbäume, Kastanien-, Ahorn-,
Pflaumen- und Nnßbänme, alle wuchsen
in geregelten Reihen munter empor und
sahen so frisch und kräftig aus, daß
jeder Wanderer überrascht stehen blieb
und die liebliche Pflanzung mit Freuden
betrachtete.
Nur ein Kirschbäumchen war mit
seiner Stellung nicht zufrieden. „Ach,"
seufzte es oft, „wie eng und gedrückt
stehe ich doch hier, nach keiner Seite
hin habe ich Aussicht ins Freie! Und
lebt man einmal ein bischen auf, macht
man sich nur ein klein wenig breit, so
kommt flugs der Gärtner mit seinem
scharfen Messer und schneidet Einem die
besten Zweige vom Stamme herunter,
daß man laut aufschreien möchte. Und
wenn er nicht an mir herumschneidet,
so hackt er mir doch an den Wurzeln,
daß ich über und über erzittere, oder er
schnürt mich so fest an einen Pfahl, daß
mir das Blut stocken möchte und ich mich
nach keiner Seite hin frei bewegen kann."
So seufzte und klagte das Bäumchen
oft und wünschte nichts sehnlicher, als
endlich aus dem Thale erlöst zu sein
und an die Heerstraße versetzt zu wer-
den, wo mehr Freiheit herrschte, wo die
großen Bäume standen und ihm öfters
zuzuwinken schienen.
Dieser Wunsch sollte auch bald er-
füllt werden; denn eines Tages kam der
Gärtner, säuberte den Boden um das
Bäumchen, hob es mit einigen kräftigen
Spatenstichen aus der Erde und trug
es vorsichtig hinauf an die Heerstraße.
Hier wartete seiner schon eine Vertie-
fung, in welche es alsbald eingesetzt und
mit Erde umschüttet wurde, die der
Gärtner festtrat. Dann schlug er einen
Pfahl ein, band es daran fest, gab ihm
noch einmal zu trinken und ging seines
Weges. Das Alles kam so schnell und
plötzlich, daß das Bäumchen gar nicht
recht wußte, wie ihm geschah und seinen
Jugendgefährten nicht einmal Lebewohl
sagen konnte.
Ob's unser Kirschbäumchen nun wirk-
lich besser hatte; — ob es nun recht
zufrieden war? Anfangs und nachdem
das bischen Heimweh vorüber, schien es
so, und das Bäumchen wuchs zusehends
und machte sich recht breit und schaute
mit stolzem Selbstgefühle ins Thal hinab
auf seine Jugendgenossen. Aber nach
einigen Wochen umwölbte sich der Him-
mel, ein heftiger Wind erhob sich mit
Regenschauer begleitet, und hätte unser
Kirschbäumchen nicht den Stab zur Seite
gehabt, so würde es ihm schlimm er-
gangen sein. Aber auch dieses Beistan-
des sollte es sich nicht lange mehr freuen,
denn eines Abends spät kam ein die-
bischer Mensch, schnitt die Weiden, mit
denen das Bäumchen festgebunden war,
hastig durch, riß den Pfahl aus der
Erde und lief damit rasch von dannen.
Nun hatte das Bäumchen keinen Schutz
mehr und war öfters in großer Gefahr,
vom Sturme gebrochen zu werden. End-
lich legte sich dieser, aber bald kamen
neue Leiden. Wochenlang brannte die
Sonne vom wolkenlosen Himmel herab,
unser Bäumchen verschmachtete fast vor
Durst, aber mehr noch plagte es der
Staub, den jeder Luftzug oder Wagen
und jede Viehheerde aufwirbelte, der sich
ihm dann auf alle Blätter und Zweige
setzte, ihm den Athem erschwerte und
einen großen Theil seiner Blüthen er-
stickte. Auch dieses Leid wurde über-
standen, denn endlich kam ein erfrischen-
der Regen, wusch den Staub hinweg
und stärkte unser Bäumchen so, daß es
wieder wachsen und Früchte ansetzen
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122
günstigsten Lagen, hat noch keinen Wein gezogen,
der mit den besseren Weinen des alten Continents ei-
nen Vergleich aushalten könnte.
Die günstigsten Gegenden für das Gedeihen des
Steinobstes (Aprikosen, Pflaumen, Kirschen) sind
die zwischen dem 40. bis 65. Grad der Breite ge-
legnen. Das Kernobst (Aepfel, Birnen) reift in
Rußland noch jenseits dem 55. Grade gute Früchte.
Der Wallnußbaum hat zwar seine Heimath in
Arabien und Palästina, gedeiht aber noch sehr gut
bis zum 52. Grad der Breite und selbst jenseits
dieser Gränze; der Feigenbaum (im Freyen), so
wie der Granatapfel bis zum 47.; der Oel-
baum erscheint jenseits dem 45. Grade doch nur
als ein Fremdling, welcher häufig den Gefahren der
Winterkälte unterliegt.
Die Menge der Arten der Hülsenfrüchte,
z. B. Bohnen, Linsen, Erbsen, Lupinen, nimmt
außerordentlich zu, je näher man dem Aequator
kommt; namentlich ist die Roßbohne ein Haupt-
nahrungsmittel der ärmern Volksklasse von Aegypten,
doch baut man die gemeine Erbse in Europa bis
zum 62. Grade der nördlichen Breite.
Die Hauptmasse der Waldungen der nörd-
lichen Halbkugel bilden die verschiedenen Arten der
Fichten und Tannen. Die Gränze ihrer Ver-
breitung reicht in den Ebenen etwa von dem 30.
bis nahe an den 70. Grad der Breite. An dieser
nördlichen Gränze (in Norwegen) erscheinen die Na-
delholzbäume nur in verkrüppelter Form. Auf der
südlichen Halbkugel treten andre Familien der Bäume
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29
der Erde hervor; dann bringt jeder Monat andere
Blumen, bis im Herbste die Zeitlosen erscheinen.
In den Gärten sind die mancherley Primeln die
ersten Frühlingsblumen. Wie die Rosen und Nel-
ken ihre Zeit haben, so auch die übrigen Blumen.
Es folgt vom Frühlinge an den Sommer über Blume
auf Blume, bis in dem Herbste die Astern fast der
letzte Schmuck des Gartens sind.
Vor allen Gesträuchen in Wäldern prangt aer
Seidelbast, der jedoch giftig ist, zuerst mit seinen
rothen wohlriechenden Blüthen; auch die Hasel stan-
den bringen sehr zeitig herabhängende, gelb bestaubte
Blüthen hervor; in den Gärten blühen die Cornel-
kirschen, auch Dirlitzen genannt, vor allen andern
Bäumen mit schöner gelber Blüthe. Der Weinstock
blühet später als diese, fast in der Zeit der Rosen.
Von den Getreidarten reift eine nach der an-
deren. Würden alle aus einmal reif, so fände man
wedeb Hände noch Zeit genug, alle einzuärnten.
So ist es mit Beeren und Baumfrüchten. Die Erd-
beeren und Himbeeren werden zuerst reif, dann Kir-
schen und Frühpflaumen, hierauf Birnen und Aepfel;
die Weintrauben machen den Beschluß unter den ge-
segneten Gaben des Jahres.
Einige Pflanzen dauern nur ein Jahr und ver-
gehen dann für immer; andere dauern zwey Jahre
und tragen erst im zweyten Jahre Blüthen und
Früchte; noch andere dauern mehrere, ja viele Jahre.
Die kleinen Pflänzchen des Schimmels entstehen
und vergehen in wenigen Stunden. Es gibt aber
auch Bäume, die schon unsern Vorältern Schat-
ten und Früchte gaben; man weiß sogar von Bäu-
men, die über tausend Jahre alt werden. Pflanzen,
96
nung. Eine solche Fliege legte nun diese Eyer und
befestigte sie an einem Stiele. Allein wie macht sie
das? Das scheint unbegreiflich. Es geht aber so
Zu: Das Ey ist mit einem zähen Safte umgeben.
Sobald der Saft des gelegten Eyes das Blatt be-
rührt, hebt die Fliege das Ey mit dem Legstachel
in die Höhe und zieht ein kleines Fädchen. Augen-
blicklich wird das Fädchen hart, und das Ey schwebt
nun an dem Stielchen in der Luft. Der Wind kann
es hin und her wehen, aber nicht abknicken.
Durch diese Einrichtung ist sehr weise für die
Erhaltung des Eyes gesorgt. Die Jungen müssen
von den Blattläusen leben. Wenn aber die Fliege
unmittelbar ihre Eyer auf das Blatt legen wollte,
so würde der klebrichte Honigsaft die Eyer leicht er-
sticken. Legte hingegen die Fliege die Eyer, von den
Blattläusen weit genug entfernt, um sie vor diesem
Honigsafte zu sichern, so wäre die Reise dahin den
zarten Jungen zu weit. Welche sinnreiche glückliche
Auskunft fand nun die Fliege, oder vielmehr der
weise Schöpfer der Fliege, um beyde Gefahren v zu
vermeiden! — Wer muß nicht in solchen Kleinigkei-
ten die große Weisheit des Schöpfers und seine milde
Vorsorge für alle seine Geschöpfe bewundern! t
„Bisher habe ich, sprach der Vater, bloß von
einigen wenigen Insekten geredet, weil mir die No-
senstöcke in unserm Garten eine so schöne Gelegenheit
dazu gaben, und weil das Gesagte als eine Einler-
145
eine angenehme Musik? Um einzusehen, welche große
Wohlthat das Gehör schon im gewöhnlichen Leben,
und wie nöthig es bey dem Umgänge mit Menschen
sey, dürfen wir nur bedenken, wie übel ein Gehör-
loser daran sey! Welch ein wunderbares Mittel zur
Bildung unsers Verstandes und Herzens das Ohr
sey, wollen wir dann erwägen, wenn wir von der
Sprache reden.
5. Die Nase dient uns nicht nur zum Ath-
men; in ihr befindet sich auch der Sinn des Geru-
ches. Das Innere der Nase ist so fein und zart
beschaffen, daß wir damit die kleinen unsichtbaren
Theilchen, die z. B. eine wohlriechende Blume aus-
duftet, empfinden. Wir können damit die feinsten
Gerüche von einander unterscheiden; auch mit ver-
bundenen Augen könnten wir, wenn man uns eine
Blume vor die Nase hielte, sogleich sagen: Das ist
eine Rose, das ein Veilchen, das eine Nelke. Wohl-
gerüche haben für uns etwas sehr Angenehmes, ja
manche Wohlgerüche etwas Erquickendes und Stär-
kendes. Indeß haben auch üble Gerüche ihr Gutes.
Was übel riecht, z. B. manche giftige Blumen,
faulende Speisen, die verdorbene Luft in unreinlichen
Stuben, schaden auch der Gesundheit. Der Geruch
warnet uns also, ja nöthigt uns, solche Dinge zu
entfernen oder uns ferne davon zu halten.
6. Mit dem Munde nehmen wir Speise und
Trank zu uns. Er ist dazu aus das weiseste und
vollkommenste eingerichtet. Die Wangen bedecken
die Mundhöhlung zu beyden Seiten sehr zierlich. Die
Lippen dienen dazu, ihn leicht zu öffnen und zu
schließen. Die Zähne, von schönem, glänzend weißem
Lehr- u. Lesebuch. Ii. Abth. 10
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
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zarten Röhrchen, in denen der Saft auf und ab
fließt, ziehen mit ihren Wurzeln und Blättern aus
der Erde und aus der Lust Nahrung an sich, blühen
und tragen fruchtbaren Samen, welken dann und
sterben wieder dahin, wie wir denn von einem dürren
Baume sagen: Er ist abgestorben. Jene zarten Röhr-
chen, welche den Saft führen, so wie die Wurzeln,
Blätter, Blüthen und Früchte nennt man die Or-
gane der Pflanze und diese ist deßhalb, eben so wie
das Thier, ein organischer Körper.
8. Die Thiere haben Leben' und Empfin-
dung. Sie leben auf eine noch vollkommnere Art
als die Pflanzen. Wie in den Pflanzen der Saft,
läuft in ihren Adern das Blut um; sie sind erst klein,
wachsen dann 'größer und sterben endlich wieder ab,
wie die Pflanzen. Sie empfinden, sie haben Sinne,
mit denen sie wahrnehmen, was um sie her vorgeht;
sie sehen und hören, fühlen Hunger und Durst, Lust
und Schmerz. Ja viele haben ein schärferes Ge-
sicht, ein leiseres Gehör, und einen feineren Geruch,
als der Mensch. Sogar etwas Aehnliches von Ver-
stand kann man, wie ihr noch hören werdet, einigen
von ihnen nicht ganz absprechen.
9. Die unermeßliche Menge von Mineralien,
Pflanzen und Thieren ist an Vollkommenheit ihrer
Eigenschaften sehr verschieden. Die Mineralien wer-
den von den Pflanzen, und diese von den Thieren
übertroffen. Ja unter Mineralien, Pflanzen und
Thieren selbst nehmen wir eine Stufenfolge wahr.
Es herrscht von dem Sandkorn bis zum Diamant,
von dem kleinsten Moose bis zur Eiche, von der
kaum sichtbaren Milbe bis zum Elephanten eine sehr
so würde euch dieß sehr Wunder nehmen, und ihr
würdet es kaum glauben.
1. Die wunderbare Verwandlung, die mit den
Schmetterlingen, wie' mit den meisten Insekten vor-
geht, könnet ihr an dem gemeinen weißen Schmetter-
ling, dem Ko h lw eißli n g, der den ganzen Frühling
und Sommer über in allen Gärten umher fliegt, am
leichtesten beobachten. Er klebt seine gelben Eyer, die
kleinen Kegelchen gleichen, auf Kohl, und zwar, da-
mit ihnen der Regen nicht schade, auf die untere Seite
der Kohlblätter. Die Larven, die daraus kommen,
und die man bey den Schmetterlingen Raupen nennt,
sind anfangs kleine gelblich grüne Räupchen, die sehr
gefrässig sind, und überaus schnell wachsen. Die er-
wachsenen Raupen kriechen an Baumstämmen oder
Mauern hoch empor, um sich einzupuppen. Das
glätteste Glas der Fenster hält sie nicht auf. Wie sie
aber da klettern können, fällt euch wohl nicht ein! —
Sie spinnen, indem sie ihren Kopf beständig hin und
her bewegen, kleine Fädchen an; diese dienen ihnen
gleichsam zu einer Strickleiter. Aus der Puppe kommt
endlich der Schmetterling, der nicht mehr von grünen
Blättern, wie die Raupe, sondern von dem Safte
der Blumen lebt; dazu dient ihm sein künstlicher Säug-
rüssel, den er gerade ausstrecken, oder wie eine Uhr-
feder zusammen rollen kann. Sein Auge ist, wie fast
alle Insektenaugen, von denen ihr noch weiterhin hö-
ren werdet, aus mehreren tausend Aeuglein zusam-
men gesetzt.
2. Wenn wir einen solchen weißen Schmetterling
fangen, so bleibt uns eine mehr oder weniger große
Menge weißer Stäublein an den Fingern kleben.