Die Griechen vor dem Kampfe mit den Persern. 157
Hand eine neue Ordnung zu gründen, so läßt sich die Zahl dieser
Schaar doch nicht klein genug voraussetzen, um als ein ausgewanderter
Theil der Bevölkerung des späteren Doris gelten zu können. Hinsicht-
lich ihrer Religion waren die Dorer ausgezeichnet durch den -ei ihnen
herrschenden Dienst des Apollo und des Herakles. Der Dienst des
Apollo hielt sie, ohne daß er allein sie von den übrigen Griechen unter-
schieden hätte, fortwährend in ihren verschiedenen Sitzen in besonderer
Verbindung mit dem Orakel zu Delphi. Wie der Dienst des Apollon
war auch der des Herakles ihnen von alter Zeit her eigen und es ist
nur eine unter dem Einflüsse ihrer Einwanderung in den Peloponnes
erfolgte Umbildung der Mythe, wenn dieser Heros einer dort heimischen
Heroenfamilie einverlcibt worden ist. Dadurch gewannen die Unter-
worfenen den Trost, die Ankömmlinge in eine bei ihnen bestehende Ord-
nung ausgenommen zu haben und diese erlangten, indem sie bei ihrer
Besitznahme von Nachkommen des einst aus dem Peloponnes widerrecht-
lich vertriebenen Heros geführt worden zu sein Vorgaben, für ihre Er-
oberungen eine höhere Berechtigung, wie sie denn auch ihr Erscheinen
im Peloponnes die Rückkehr der Herakliden nannten. Der mythische
Charakter des Herakles als eines die Länder durchwandernden und mit
der Rohheit der Menschen und den Schrecken der Natur kämpfenden
Helden, ist zunächst ein Erzengniß der Eigenthümlichkeit des dorischen
Stammes, der sich in der Geschichte seines Heros abspiegelte. Die Ver-
tilgung dessen, was geordnetem Leben widerstrebte, ist die Vorbereitung
und Ergänzung der von dem Dienste des Apollon ausgehenden sittlichen
Regelung menschlicher Verhältnisse. Wenn aber in der Mythe die
Göttin Here als seine Feindin erscheint und ihn einem schlechteren
Manne, dem in Herakles Erbe eingedrungenen Eurysthens dienstbar
macht, so gehört dies mit zu der mythischen Begründung des dorischen
Anspruches auf Gegenden, in welchen Here Landesgöttin war und aus
welchen Herakles gleichsam nur vertrieben war, um im Kampfe mit
unaufhörlichen Hindernissen das höchste Maß irdischer Kraft zu entfalten.
Diese Vorstellungen gestatteten zugleich eine so allgemeine Anwendung
und standen in solcher Uebereinstimmung mit der Erinnerung an den
Uebergang der Griechen zu geordneten Verhältnissen, daß sich eine
Menge von Heldcnthaten, in welchen die dichtende Einbildungskraft den
Sieg menschlicher Kraft über verschiedenartige Feinde menschlicher Ord-
nung darstellte, an den Namen dieses Heros knüpfte. Je mehr er
dadurch vermenschlicht wurde, desto mehr ward die Einbildungskraft da-
hin gedrängt, ihm als den Preis seines Ringens die Aufnahme in den
Olymp zu gewähren, die am Ende der mühevollen Laufbahn erfolgt.
Der Heros des dorischen Stammes erweiterte sich aber nicht bloß zu
einem Heros der griechischen Nation, der als solcher durch seine Thaten
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336 Das Reich der Seleuciden bis auf Antiochus Vii.
Abhängigkeit von Eumenes gebracht, da Asien ihnen noch zu fern lag,
um sie selbst eine Hoheit dort ausüben zu lassen. Das Reich machte
einen Versuch, sich gleich dem ägyptischen durch Pflege griechischer
Bildung zu erheben und Eumenes stiftete mit den Ptolemäern wetteifernd
in seiner Hauptstadt eine Bibliothek, wodurch zur Anfertigung der Bücher
die Erfindung des Pergaments gemacht wurde, indem man, um den
ägyptischen Papyrus zu ersetzen, Thierhäute zur Aufnahme der Schrift
zubereitete. Eine Anzahl von griechischen Städten, Jlium, Cyme, Pho-
cäa, Smyrna, Erythrä, Klazomenä, Kolophon und Milet wurden für
selbstständig erklärt, wie es im Beginn des Krieges allen verheißen
worden war.
5. So ist das Seleucidenreich, nachdem es die lange erstrebte
ägyptische Grenze gewonnen, von Europa weit zurückgedrängt. Damit
hat das aus der macedonischen Herrschaft hervorgegangene Staaten-
system sein Ende erreicht. Denn die Wechselbeziehungen zwischen Ma-
cedonien und Asien hören auf und in keinem Reiche mehr entwickelt der
Hellenismus eine Kraft, die auf eines der andern gestaltend einwirkte.
Der Punkt, von welchem aus mit Berechnung an den Verhältnissen der
hellenistischen Welt gearbeitet wird, ist Rom geworden. Dieses hat
dadurch, daß es vor Unterwerfung Macedoniens und Griechenlands durch
die pergamenischen Könige und den rhodischen Staat seinen Einfluß
nach Asien erstreckte, nicht allein das hellenistische Staatensystem zer-
sprengt, sondern das westlichste Glied desselben, indem es ihm in den
Rücken gekommen, sich schon als Beute gesichert. Hatte zwischen der
östlichen und westlichen Welt durch Pyrrhus eine vorübergehende Be-
rührung im Bereich der westlichen stattgefunden, so faßte jetzt die west-
liche für die Dauer festen Fuß im Gebiete der östlichen. Das westliche
Griechenthum in Italien, Sicilien und darüber hinaus ist bereits zur
Zeit, da Carthago vor Rom niedersinkt, ohne staatliche Selbstständigkeit
und der hellenistische Osten fühlt Roms Macht, wie einst das persische
Reich von Griechenland aus Gefahren gegen sich heranwachsen gesehen.
Doch während das Griechenthum gegen das Perserthum feilte höhere
Bildung geschützt und sie Ln dessen Länder getragen, hat Roms Vordrin-
gen nach Osten die Folge, daß es die Ergebnisse der griechischen Bil-
dung in sich aufnimmt. Das Griechenthum dient, besiegt wie siegend,
nach Westen wie nach Osten, mit der in ihm entwickelten Kraft einem
und demselben Zwecke, derjenigen Ausgleichung menschlicher Bildung,
durch welche dem Lichte der Gotteserkenntniß, sobald Gott es neu ent-
zünden wird, Empfänglichkeit bereitet sein soll. Wenn auf dem Wege
zu diesem Ziele das Uebergreifen der Römer uach Asien ein Schritt ist,
so erscheint die vorhergegangene allmälige Schwächung der hellenistischen
Reiche, welche dieses Uebergreifen möglich machte, ungeachtet der trüben
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Extrahierte Ortsnamen: Jlium Smyrna Milet Europa Asien Rom Griechenlands Italien Sicilien Griechenland Roms Gotteserkenntniß
12
seitwärts an dem Senklothe, die Erde senkrecht abwärts
gegen den Mittelpunkt der Erde; weil der Mittelpunkt
aber 860 Meilen entfernt ist, die Gebirgsmasse jedoch ganz
in der Nähe, so vermag sie das Senkloth von der senk-
rechten Linie abzulenken, wiewohl nur sehr wenig.
Senkrecht. Oben und unten.
Fig. 1. Jeder Körper fällt
senkrecht zur Erde
(wenn er in seinem
Falle oder Sinken
nicht gestört wird),
oder er fällt in der
Richtung gegen den
Mittelpunkt der Erd-
kugel; würde er nicht
* an der Oberfläche der
Erde Widerstand fin-
den, so würde er bis
an den Mittelpunkt
der Erde fallen. Das
gilt von jeder Seite
der Erdkugel, wie die Zeichnung 1 veranschaulicht (es
liegt viel daran, daß man sich dies recht klar mache).
Fig. 2. Wenn also ein Schiff auf
<i dem Meere segelt (2), zuerst
in der Stellung a, so wird
es mit allen seinen Theilen
gegen den Mittelpunkt der
Erde gezogen; das gleiche
ist der Fall bei der Stellung
b; es findet kein Zug statt
gegen die Richtung x x;
ebenso in der Stellung c;
auch da geht aller Zug ge-
gen den Mittelpunkt der
Erde, nicht in der Richtung
von 2 z; es hat also mit
dem Hinunterfallen keine
Gefahr. Stellt einen Men-
schen auf diese Punkte, so
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53
Stunden einen Raum von 5400 Meilen durchläuft, so
muß sich in dem Weltmeere unter dem Aequator noth-
wendig eine Strömung zeigen, weil die flüssige Masse,
das Meer, dem gewaltigen Umschwünge wegen der Ver-
schiebbarkeit der Wassertheile nicht so leicht folgen kann
als die fest zusammenhängende, nicht verschiebbare Erb-
masse. Wirklich findet man auch unter dem Aequator
eine Strömung, wir können sie aber aus verschiedenen
Gründen nicht als einen vollständigen Beweis von der
Achsendrehung der Erde gelten lassen. Das Wasser an
dem Aequator ist beträchtlich wärmer als das Wasser
unter höheren Breiten und in den Polgegenden, wo es
bekanntlich an seiner Oberfläche zu ewigem Eise gefroren
ist. Nun zeigt die Naturkunde, daß das kalte Wasser
schwerer ist als ein wärmeres, und daraus folgt, daß das
Meer von den höheren Breiten gegen das Meerwasser
unter dem Aequator, das schwerere gegen das leichtere,
einen Druck üben muß. Das kältere, schwerere Wasser
fließt in Folge dieses Druckes von den nördlichen und
südlichen Breiten gegen den Aequator hin, während um-
gekehrt das wärmere Wasser von dem Aequator gegen
die nördlichen und südlichen Breiten hinströmt. Auf diese
Weise entsteht nicht bloß eine Aequator-, sondern es ent-
stehen auch Polarströmungen, so daß der ganze Ocean
von verschiedenen, zum Theil nach der Jahreszeit wech-
selnden Strömungen durchkreuzt werden muß, deren genaue
Kenntniß dem Seefahrer von großem Nutzen ist. Diese
Strömungen beweisen demnach keine Achsendrehung der
Erde, sind aber für den Erdball selbst von großer Wich-
tigkeit; denn die Polarströmungen erfrischen Meer und
Luft unter dem Aequator, und die lauen Ströme, welche
von dem Aequator in höheren Breiten ausgehen, erwär-
men Meer und Luft in jenen Gegenden. Einer solchen
Strömung, welche aus dem atlantischen Meere an die
Küsten von Norwegen, Lappland u. s. w. ankommt, ver-
dankt es der europäische Norden, daß er nicht wie die
nördlichen Küstenländer Asiens unter den gleichen Breiten-
graden eine unbewohnbare Eiswüste ist, sondern noch
Nadelhölzer, Birken und mancherlei Kräuter hervorbringt,
so daß noch nutzbare Thiere ihr Fortkommen finden, und
der Mensch zu leben vermag. Jene Strömung hat näm-
lich immer noch 7° Wärme mehr als das Meereswasser
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jener Breiten, und dieser laue Wasserstrom theilt der
Luft von seiner Wärme mit, und verhindert andererseits,
daß die aus dem Eismeere herantreibenden Eismassen sich
an der Küste anhäufen und sie vergletschern.
2. Die Passatwinde.
Was von der Einwirkung des Erdumschwunges auf
das Weltmeer gesagt wurde, gilt aus demselben Grunde
auch auf das Element der Luft, das noch leichter ver-
schiebbar ist, als das Wasser. Wir kennen auch wirklich
eine Luftströmung, die sogenannten Passatwinde, welche
auf beiden Seiten des Aequators als Nordest und Südost
wehen und von den Schiffern wohl benutzt werden. Es
ist aber eben so gewiß, daß durch die große Wärme in
den Gegenden des Aequators die erwärmte Luft in die
Höhe steigen, und nord- und südwärts abfließen muß,
während die kältere und deßwegen schwerere Luft gegen
den Aequator hinströmen und so die Passatwinde ver-
ursachen muß, wenn die Erde sich auch nicht um ihre Achse
drehte. Zudem sind die Passatwinde nicht die einzigen
regelmäßigen Lufströmungen, sondern es gibt deren nach
dem Wechsel der Jahreszeiten noch verschiedene andere,
und wir haben also abermals keinen bestimmten Beweis
für die Achsendrehung unserer Erde.
3. Versuche mit dem senkrechten Falle.
Es ist schon einmal gesagt worden, daß ein fallender
Stein, Apfel u. s. w. während seines Falles die Bewe-
gung in der Richtung des Gegenstandes beibehält, von
welchem aus er geworfen wird; ein Ball, hieß es, wel-
cher auf einem schnellfahrenden Dampfschiffe in die Höhe
geworfen wird, fliegt während seines Steigens und Fal-
lens zugleich in derselben Richtung weiter, in welcher das
Dampfschiff fährt; wirft ein Matrose von dem Mast-
korbe eines Schiffes, das schnell dahin segelt, ein Tau
oder sonst etwas auf das Verdeck herunter, so fällt es
senkrecht herunter auf das Verdeck und folgt also während
seines Falles dem Gange des Schiffes. Diese allgemein
bekannte Thatsache hat man vielmal, zuletzt Professor
Benzenberg auf dem seitdem niedergebrannten Michaelis-
thurme in Hamburg, zu geistreichen Versuchen angewandt.
Er ließ aus der Höhe von 340 Fuß Bleikugeln herunter»
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73
Sonnenstrahl die meiste Wärme entwickelt, so haben
die Tropengegenden die größtmögliche Sonnenwärme,
wenn die Sonne senkrecht über ihnen steht. Die Sonnen-
wärme mindert sich, je schiefer der Sonnenstrahl auffällt.
Für den Aequator beträgt die größte Abweichung des
Sonnenstrahls von der senkrechten Richtung nur 23*/2°;
dies ist der Fall, wenn die Sonne auf einem der Wenve-
kreise steht, daher ist auch die Abnahme der Wärme auf
dem Aequator nicht besonders merkbar, insofern die Wärme
von der Sonne abhängt und nicht durch Winde und an-
dere Ursachen bedingt wird. Daher findet auf dem
Aequator kein eigentlicher Wechsel der Jahreszeiten statt;
es ist dort immer Sommer, der aber durch gewaltige
Regengüsse gekühlt wird. Beträchtlicher aber ist der Ab-
stand der Sonne für die beiden Wendekreise; steht z. B.
die Sonne auf dem südlichen Wendekreise, so ist sie von
dem nördlichen nicht weniger als 47° entfernt und so viel
beträgt die Abweichung des ihn treffenden Sonnenstrahls
von der senkrechten Linie., was schon eine beträchtliche
Verminderung der entwickelten Wärme zur Folge hat.
Indessen ist auch dort kein eigentlicher Winter, weil diese
Entfernung der Sonne nur kurze Zeit dauert, und es
tritt daher auch dort kein eigentlicher Wechsel der Jahres-
zeiten ein, insofern derselbe von der Sonne und nicht
von den Luftströmungen und örtlichen Ursachen abhängt.
Je höher die Gebirge sind, um so mehr mindert sich die
Wärme, während Sandwüsten dieselbe steigern. Sind
die Luftströmungen aus den Aequatorgegenden ausge-
schlossen oder gehemmt, ist die Gegend wasserreich und
waldig, so wird die Sonnenwärme bedeutend geschwächt,
während unter den umgekehrten Verhältnissen das Gegen-
theil stattfindet. (Man vergleiche den klimatischen Unter-
schied Oberägyptens und Arabiens mit den Gebirgsge-
genden Ostindiens, die wie jene unter dem nördlichen
Wendekreise liegen, des südlichen Afrikas und des südlichen
Amerikas.)
In der heißen Zone, die ein so bedeutendes Stück des
Erdballs einnimmt, sind die Erzeugnisse des Thier- und
Pflanzenreichs am größten und manigfaltigsten; der Ele-
phant, die Giraffe, das Nilpferd, Nashorn, der Löwe und
Tiger, das Krokodil, die Riesenschlange haben dort ihre
Heimath und ebenso die größten Insekten und Würmer,
Lesebuch Vh. 4
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Kreise um sie herumgeht. Da nun die Erde schon eine
so große Masse ist, daß wir sie uns gar nicht vorstellen
können, wie groß muß nun erst die Sonne sein, welche
in einer solchen Entfernung die Erdkugel, die beinahe
3000 Millionen Kubikmeilen Inhalt hat, anziehen und
bewegen kann! Der Erddurchmesser beträgt in runder
Zahl 1720 Meilen, der Sonnendurchmesser aber 188,000
Meilen, ihre Oberfläche 111 Millionen Quadratmeilen,
ihr Inhalt 3500 Billionen Kubikmeilen. Erst 1,400,000
Erdkugeln würden die Sonnenkugel ausfüllen. Denkt man
sich die Sonnenkugel hohl und in deren Mitte die Erd-
kugel, so könnte der Mond in einer Entfernung von
51,000 Meilen noch um die Erde kreisen, ohne das Kugel-
gewölbe der Sonne zu berühren. Weil die Masse der
Sonne so groß ist, so ist auch ihre Anziehungskraft eine
gewaltige; auf unsere Erde fällt ein Stein in der ersten
Sekunde 15 Fuß, in der zweiten 3 mal und in der dritten
5 mal so viel, auf der Sonne aber in der ersten Sekunde
430 Fuß, in der zweiten 3 mal und in der dritten 5 mal
so viel u. s. w., ihre Anziehungskraft ist daher 29 mal
so groß als die der Erde. Die Masse der Sonne ist
aber nicht so dicht als die Maffe unserer Erde, oder der
Sonnenkörper ist lockerer als der Erdkörper und zwar
dreiviertelmal lockerer. Mancher wird nun sagen: Woher
weiß man dies, da doch noch kein Astronom auf der
Sonne gewesen ist? Antwort: Wir können die Höhe eines
Berges oder Thurmes auch ausmessen, ohne daß wir auf
den Berg oder Thurm steigen, wir können die Geschwin-
digkeit eines Dampfwagens bestimmen, ohne daß wir ihm
nachlaufen; so bestimmen die Naturforscher d'ie Dichtigkeit
zweier Körper z. B. zweier Stücke Holz, zweier Metalle,
ohne daß sie dieselben in ihre kleinsten Theilchen, aus
denen sie zusammengesetzt sind, zerlegen können; sie wägen
dieselben und bestimmen nach dem Gewichte deren Dichtig-
keit. Das mehrwiegende Stück muß dichter sein als das
minderwiegende aber gleichgroße, oder das schwerere muß
aus mehr und näher bei einander liegenden Theilchen
bestehen als das leichtere. Nun können die Astronomen
die Sonne und andere Himmelskörper zwar nicht wägen,
aber sie wissen ihre Entfernungen von einander, sie kennen
ihren Umfang oder ihre Größe und sehen, wie diese Him-
melskörper einander gegenseitig anziehen, und daraus
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9
kraft der Erde an ihr festgehalten, und wir selbst, ob wir
stehen oder gehen, werden durch diesen Zug der unsicht-
baren Kraft an der Erde festgehalten. Freilich empfinden
wir diesen Zug nicht, aus dem ganz einfachen Grunde,
weil dieser Zug immer fort wirkt und immer gleich stark
ist. So empfindet z. B. auch keiner die Schwere seines
Kopfes, weil er ihn immer trägt, und Gott den Leib zu
diesem Tragen eingerichtet hat. Eben so wenig empfinden
wir den Druck der Luft, obwohl wir eine sehr große Last
tragen; kommen" wir aber auf einen sehr hohen Berg,
auf welchem eine um so viel tausend Fuß kürzere Luftsäule
auf uns drückt, als der Berg über dem Thale steht, aus
welchem wir emporgestiegen sind, so empfinden wir die
Verminderung des Druckes recht wohl. Ebenso verspüren
wir es, wenn wir in den tiefen Schacht eines Bergwerks
niederfahren, wo der Druck der Luft beträchtlicher ist als
auf der Oberfläche. Wenn man also etwas nicht sieht
oder empfindet, so darf man nicht gleich der Meinung
sein, es sei gar nicht vorhanden.
Man sagt gerne: Die Gelehrten sind nicht verlegen,
sie brüten allerlei Gedanken aus und glauben dann selbst
daran, verlangen aber noch dazu, daß auch andere Leute
an diese Gedanken glauben sollen. So haben sie nun eine
Anziehungskraft ausgedacht, von der kein Mensch etwas
spürt, die kein Mensch noch gesehen hat, und doch soll
man an diese Anziehungskraft glauben. Da kann man
antworten: 1) Man sieht und spürt eben gar oft eine
Sache nicht, weil man oft Augen hat und nicht sieht und
Ohren hat und nicht hört. 2) Es gibt außer der Anziehungs-
kraft der Erdkugel noch andere Anziehungskräfte, welche
man lange genug auch nicht gesehen und gekannt hat.
So weiß setzt jedermann, daß das Eisen und andere Me-
talle den Blitz anziehen. Der Blitz hat doch gewiß eine
furchtbare Gewalt und doch zieht ihn ein Eisendraht an
und leitet ihn fort; die Anziehungskraft des Eisens muß
also für den Blitz eine sehr starke sein. Dagegen hat
der Magnet eine sehr starke Anziehungskraft für das
Eisen, so daß man darüber erstaunen muß. Von diesen
beiden Anziehungskräften hat man mehrere tausend Zahre
nichts gewußt und doch sind sie da gewesen; — so ist es
auch mit der Anziehungskraft der Erde. Man sieht übri-
gens die Thätigkeit der Anziehungskraft der Erde oft
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versuchen; ein kurzer Zug oder Ruck bewegt nicht so schnell
als ein länger dauernder. Die Erde aber zieht oder reißt
den Stein oder die Kugel unaufhörlich und ohne Unterbre-
chung herunter an sich, daher muß er immer schneller fallen;
in der ersten Secunde beträgt der Fall 15 Fuß, in der
zweiten 60, in der dritten 135, in der vierten 240 u. s. w.
So zeigt sich die Thätigkeit der Anziehungskraft alle
Tage und alle Stunden; wir wollen sie aber auch noch
unter nicht alltäglichen Umständen sehen. Durch die Luft-
pumpe kann man aus einer gläsernen hohlen Kugel oder
einem gläsernen hohlen Cylinder die Luft auspumpen, wie
man durch eine gewöhnliche Pumpe Wasser oder eine
andere Flüssigkeit auspumpen kann. Wird nun aus einem
solchen Glase die Luft ausgepumpt und läßt man in dem
Glase eine Bleikugel und eine Flaumfeder niederfallen
(daß eine eigene Vorrichtung vorhanden sein muß, ver-
steht sich von selbst), so fallen beide zu gleicher Zeit auf,
oder die Flaumfeder fäll! so schnell als die Bleikugel.
Das heißt mit andern Wertem: die Flaumfeder wird
von der Erde angezogen wie die Bleikugel, und die Blei-
kugel wie die Flaumfeder, keine stärker und keine schwächer,
denn es ist die gleiche Kraft, welche beide faßt und zieht.
Ein anderes Beispiel von der nicht alltäglichen Wir-
kung der Anziehungskraft. Beim Feldmessen braucht man
das sogenannte Senkloth, auch wohl nur Senkel genannt.
Einmal waren nun mehrere Naturforscher mit einer großen
Messung beschäftigt und ihr Instrument mit dem Senklothe
war in der Nähe des großen Andesgebirges in Amerika
aufgestellt« Da bemerkte einer derselben (Condamine),
daß das Senkloth nicht senkrecht hing, sondern gegen das
Gebirge hin abwich. Das wiederholte sich bei jeder Auf-
stellung, jedesmal wich das Loth ab und zog seitwärts
gegen die Gebirgsmasse. Das geschieht nicht etwa blos
in Amerika, sondern überall in der Nähe von Gebirgs-
maffen, und man hat darüber die genauesten Beobach-
tungen angestellt. Äas bewirkt nun das Abweichen des
Senklothes von der senkrechten Linie? Die Anziehungs-
kraft der Erde zieht es senkrecht, aber die Gebirgsmasse
ist auch ein Stück Erde, und hat als ein Theil der Erde
auch Anziehungskraft, aber eine um so viel schwächere
als die Erde, um so viel sie kleiner ist, als die ganze
Erde. Die Anziehungskraft der Gebirgsmasse zieht nun
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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13
ist es ganz dasselbe; er merkt keinen Zug seitwärts oder
von der Oberfläche weg, eben weil kein solcher Zug statt
findet; er behält immer die Erde unter seinen Füßen und
den Himmel ob seinem Haupte, steht also nie schief oder
gar verkehrt, sondern immer aufrecht. Für alle Gegen-
stände auf der Oberfläche unserer Erde ist also „unten"
der Mittelpunkt, „oben" das Himmelsgewölbe oder das
Firmament.
Verschiedene Beweise, daß die Erde eine
Kugel ist.
Wir haben oben gezeigt, daß man sich unsere Erde
gar nicht anders denken kann, denn als freischwebend im
Weltenraume, und daß sie die Gestalt einer Kugel habe,
wie unsere Vorfahren zum Theil geahnt, zum Theil ge-
wußt haben; nun wollen wir die hauptsächlichsten Erfah-
rungen nachweisen, welche uns überzeugen müssen, daß
die Erde eine Kugel ist.
1.
Die Anwohner des Meeres und großer Landseen
machen folgende Erfahrung: wenn ein Schiff in der Ferne
sichtbar wird, so sehen sie zuerst die Spitzen der Mast-
bäume und die Fig. 3.
oberen Segel
(dies rührt nicht
etwa von der
Schwäche des
Gesichtes her,
als ob das Schiff
nicht deutlich ge-
nug wegen der
großen Entfer-
nung gesehen
werden könnte,
mit den schärfsten Fernröhren zeigt es sich so); all-
mählig kommen Masten und Segel höher herauf, end-
lich der Rumpf des Schiffes, bis es ganz und voll-
ständig sichtbar ist. Es ist gerade, als ob das Schiff
einen Berg herauf käme, und findet seine Erklärung nur
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