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1. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 39

1911 - Magdeburg : Creutz
Die Höhen. 39 sie in zwei einzelnen Höhen, den Gegensteinen. Die Bode und die Selke durchbrechen die Teufelsmauer. Von den Gegensteinen erzählt die Soge: Ein Bauer fuhr einst sein Getreide zum Verkauf nach Quedlinburg. Während er in der Schoßkelle schlief, kamen die Pferde vom rechten Wege ab; und als er erwachte, hielt der Wagen vor einer großen Höhle im dichten Walde. Nachdem das Bäuerlein sich vom ersten Schreck erholt hatte, ging es in die Höhle, um sich darin umzuschauen. Hier sah es zu seinem Erstaunen einen Kessel von blinkendem Golde und daneben eine Peitsche. Diese nahm der Bauer zuerst, dann wollte er die Taschen voll Gold füllen. Allein ein großer Hund mit glühenden Augen bewachte den Kessel. Als aber der Bauer sah, daß das Tier ruhig blieb, griff er dreist zu. Doch jetzt erwachte in ihm der Geiz. Zum ersten Male, zum zweiten Male füllte er die Taschen und leerte sie draußen auf seinem Gefährt; als er aber zum dritten Male kam, erhob der Hund ein fürchterliches Geheul und fletschte die Zähne. Der Geizhals ließ vor Schreck die Hand voll Gold fallen und stürzte aus der Höhle. Hier sank er ohnmächtig zu Boden. Unterdessen tat sich die Erde aus, Feuer sprühte hervor, und aus der Tiefe wuchsen zwei mächtige Felsen, „die Gegensteine". Als das Bäuerlein erwachte, sah es, wie der große Hund in Teufelsgestalt in den einen Felsen kroch. Hier foll er noch heute sitzeu und die Vorübergeheuden äffen und ver- spotten, indem er ihnen ihre Worte als Echo nachruft. Als das Bäuerlein nach feinem Golde auf dem Wagen sah, fand es nur Kieselsteine; und betrübt fuhr es weiter. 2. Der Regenstein, a) Name. Wer Sinn für Naturschönheiten und Verständnis für geschichtliche Merkwürdigkeiten besitzt, versäumt nicht, aus einer Harzreise den Regenstein zu besuchen. Wir schauen von dem Berge, auf dem das Schloß Blanken- bürg liegt, über die am Abhänge liegende Stadt hinweg. Dort im N. erhebt sich stolz 295 rn über dem Meeresspiegel der Regenstein. Er liegt nördlich vom Harz allein, noch ein Stück von der Teuselsmauer entfernt, wodurch er jedem Harzbesucher gleichsam in die Augen fällt. Sein Name Regenstein kommt her von dem altdeutschen Wort ragin = hochragend; und frei erhebt er sich 100 m (so hoch wie der Magdeburger Dom) über die Ebene. Ein Regenstein ist er mit Recht, denn hoch übereinander- geschichtete Sandsteinblöcke bilden einen 2 km langen Felskamm, der besonders auf der Nordfeite so schroff in die Höhe steigt, „daß nicht eine Katze hinaufklettern kann". Der erste Bewohner soll auch Graf von Regen- stein geheißen haben. b) Was erinnert uns noch an die alte Ritterburg und die Festung? In einer guten halben Stunde wandern wir von Blankenburg hinauf nach dem Regenstein, der nur von dieser Seite allmählich ansteigt. Nachdem wir uns auf dem herrlichen Platze vor dein Gasthaufe aus- geruht und gestärkt haben, folgen wir dem Führer. Wir sehen auf dem Bilde sofort, daß die Burg aus einem tiefer und einem höher gelegenen Teile besteht. Auf dem höheren Teile lagen in früherer Zeit noch die Gebäude des Burgbewohners. Im Vordergrunde sehen wir den Bergfried. Er ist nur uoch 6 m hoch; früher war er höher. Wir lassen unsern

2. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 47

1911 - Magdeburg : Creutz
Die Niederungen. 47 Getreide und die Vorratskammern befanden sich alle unter einem Dache. Wir treten durch das hohe Tor ein und befinden uns auf der Tenne oder Diele. Zur linken Hand sind die Stallungen für die Kühe und Pferde. Darüber sind die Räume für das Getreide. Aus dem Stroh, das vor der Scheune liegt, suchen der Hahn und die Hühner die Körner heraus. Eine Treppe führt auf den Futterboden. Wir gehen gerade aus und erreichen das Flet (der zwischen Diele und Wohnhaus liegende Haus- slur). Am Herde steht die Hausfrau und bereitet das einfache Mittags- brot. Von hier aus kann sie alles beobachten. Die Tochter trägt in diesem Augenblicke in einem großen Korbe den Kühen Futter hin. Über dem Herde erhebt sich der gewaltige Rauchsaug, in dem verschiedene Schinken und andere Fleischwaren hängen. Von hier aus gelangen wir in die Wohnräume und Kammern. Um das Einzelgehöft liegen die Gärten, Felder und Wiesen. Um den Hof zieht sich ein mit Buschholz be- wachsener Damm, der vor Überschwemmungen schützen soll (Wische). Bei dem fränkischen Gehöfte lagen die Wohn- und Wirtschafts- gebäude gesondert. Die Giebelspitze überragt häufig ein Balken mit einem Sterne. In einzelnen Wischeorten vertritt ein kleines, viereckiges Brettchen (40—25 cm), zu dem zwei Holzhämmerchen gehören, die Tischglocke. Das Brett hängt neben der Haustür des Wohnhauses. Zur Mahlzeit nimmt eine Magd die beiden Hämmer und trommelt auf dem Brettchen. Die weithin schallenden Töne rufen das Gesinde zu Tisch. Rätsel: Im Ratlebenschen Dom, da steit 'ne gele Blom, wer de gele Blom will pflücken, de mut den ganzen Dom terdrücken.*) Der Hansjochenwinkel. Südwestlich von Salzwedel liegt ein wenige km langes und breites Land, in dem vorzeiten die Leute eine besondere Vorliebe für die Vornamen Hans Joachim, kurz Hansjochen (Hanschom) gehabt haben sollen. Als Spitzname übertrug sich der Name Hansjochen auf die Gegend, die seitdem Hansjochenwinkel heißt. Weil die Bewohner fern von jeder größeren Stadt und Verkehrsstraße wohnen, be- wahrten und entwickelten sie soviel Eigenart und Besonderheit in Sprache, Sitte und Kleidung, daß man sich in einer ganz anderen Gegend glaubt. Selbst der, welcher des Plattdeutschen recht mächtig ist, kann sich mit einem echten Hansjochen- winkler schlecht verständigen. Ein Teil der Urbewohner des Hansjochenwinkels waren Wenden. Der Hansjochenwinkel ist außerordentlich reich an Grabdenkmälern der Vor- zeit. Wann und von wem diese Grabstätten, kurz Hünengräber, erbaut sind, weiß niemand zu sagen. Die gewaltigen Wanderblöcke, die die Eisschollen vor Jahrtausenden hier absetzten, dienten zu ihrem Bau. Auf eiuem Hügel setzte man in Form eines Rechtecks Stein bei Stein senkrecht und belegte den Boden mit Steinplatten oder Ton. Über die senkrecht stehend»» Steine fügte man gewaltige Decksteine. In den Grabkammern findet man allerlei Geräte aus Stein, Bronze und Eisen und die Gerippe der Bestatteten oder ihre Asche in Urnen. Danach unterscheidet man Hünengräber aus der Steinzeit, Kegelgräber aus der Bronzezeit und Wendenkirchhöfe aus der Eisenzeit. Einige von den Grabstätten sind über 30 m lang und 9 m breit. *) Das Ei.

3. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 49

1911 - Magdeburg : Creutz
Sagen. 49 einem Male der wüste Lärm in schallendes Gelächter, denn ein Ratsherr hatte auf eine Tafel in großen Lettern geschrieben: „Der Roland soll stehen bleiben, wir wollen ihn nur nicht länger haben, weil er uns schon lang genug ist!" Damit war das Mißverständnis aufgeklärt. Die guten Bürger sahen, daß sie von dem ver- meintlichen Künstler arg genasführt waren. Kein Wunder also, daß sich ihr Unmut gegen ihn wandte. Als sie den Schalk griffen, steckten sie ihn zur Strafe in den Wendenturm. Im Nu aber entwich er mit einem Hohngelächter; und jeder wußte nun, daß der vermeintliche Künstler der leibhaftige Teufel gewesen war. Der Roland war in der früheren Zeit für die Stadt Stendal das Zeichen der eigenen Gerichtsbarkeit. Die im Jahre 1525 am Rat- hause errichtete Stein- sigur gehört zu den größten, die wir besitzen. Der gewaltige Körper ruht auf starken Beinen, dessen Waden stärker sind als der Brustumfang eines kräftigen Mannes. Durch den schweren Pan- zer wird der Körper ge- schützt. Die erhobene, rechte Hand hält das 4 m lange Schwert, das Werkzeug des strafenden Rechts; die linke Hand umfaßt den Schild mit dem brandenburgischen Adler, das Sinnbild des Schutzes. So erinnert der Roland an die frühere Größe und Selbstständig- keit der Stadt Stendal. Der Roland am Rathaus in Stendal. 2. Der wunderbare Mug im Schlosse zu Calbe a. M. In einer Nacht erschien der Schloßherrin eine Frauengestalt mit einem Lichte und flehte sie an um Hilfe und Beistand bei einer Kranken. Als die Edelfrau ein- willigte, bat die Erscheinung, von der Kranken weder Essen noch Trinken noch irgend ein Geschenk anzunehmen, da sonst Unglück über das Schloß und die Familie kommen würde. Die Herrin tat nach dem Gebote, und die Kranke wurde wieder gesund. Da kam eines Tages der Mann der Kranken und überreichte der Schloßherrin eine Schüssel mit gemünztem Golde. Doch die Herrin dachte an das Gebot der Er- Henze-Kohlhase, Die Provinz Sachsen. Ausgabe A. 4

4. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 53

1911 - Magdeburg : Creutz
Die Höhen. 53 sie in gtret einzelnen Höhen, den Gegensteinen. Die Bode und die Selke durchbrechen die Teufelsmauer. Von den Gegensteinen erzählt die Sage: Ein Bauer fubr einst sein Getreide znm Verkauf nach Quedlinburg. Während er in der Sckoßkeue schlief, kamen die Pferde vom rechten Wege ab; und als er erwachte, hielt der Wagen vor einer großen Höhle im dichten Walde. Nachdem das Bäuerlein sich vom ersten Schreck erholt hatte, ging es in die Höhle, um sich darin umzuschauen. Hier sah es zu seinem Erstaunen einen Kessel von blinkendem Golde und daneben eine Peitsche. Diese nahm der Bauer zuerst, dann wollte er die Taschen voll Gold sülleu. Allein ein großer Hund mit glühenden Augen bewachte den Kessel. Als aber der Bauer sah, daß das Tier ruhig blieb, griff er dreist zu. Doch jetzt erwachte in ihm der Geiz. Zum ersten Male, zum zweiten Male füllte er die Taschen uut> leerte sie draußeu aus seinem Gefährt; als er aber zum dritteu Male kam, erhob der Hund ein fürchterliches Geheul und fletschte die Zähne. Der Geizhals ließ vor Schreck die Hand voll Gold fallen und stürzte aus der Höhle. Hier sank er ohnmächtig zu Boden. Unterdessen tat sich die Erde auf, Feuer sprühte hervor, und aus der Tiefe wuchsen zwei mächtige Felsen, „die Gegensteiue '■ Als das Bäuerlein erwachte, sah es, wie der grosse Hund in Teuselsgestalt in den (inert Felsen kroch. Hier soll er noch beute sitzeu nud die Vorübergehenden äffen imb ver- spotten, indem er ihnen ihre Worte als Echo nachruft. Als da? Bäuerleiu lmch seinem Golde aus dem Wagen sah, fand es nur Kieselsteine; und betrübt suhr es weiter. 2. Der Negenstein. a) Name. Wer Sinn für Naturschönheiten und Verständnis für geschichtliche Merkwürdigkeiten besitzt, versäumt nicht, auf einer Harzreise den Regen stein zu besuchen. Wir schauen von dem Berge, auf dem das Schloß Blanken- bürg liegt, über die am Abhänge liegende Stadt hinweg. Tort im N. erhebt sich stolz 295 m über dem Meeresspiegel der Negenstein. Er liegt nördlich vom Harz allein, noch ein Stück von der Teufelsmauer entfernt, wodurch er jedem Harzbesucher gleichsam in die Augen fällt. Sein Name Regellstein kommt her von dem altdeutschen Wort ragin — hochragend; und frei erhebt er sich 100 in (so hoch wie der Magdeburger Dom) über die Ebene. Ein Regenstein ist er mit Recht, denn hoch übereinander- geschichtete Sandsteinblöcke bilden einen 2 km langen Felskamm, der besonders auf der Nordseite so schroff in die Höhe steigt, „daß nicht eine Katze hinaufklettern kann". Der erste Bewohner soll auch Gras von Regen- stein geheißen haben. b) Was erinnert uns noch an die alte Ritterburg und die Festung? In einer guten halben Stunde wandern wir von Blankenburg hinauf nach dem Negenstein, der nur von dieser Seite allmählich ansteigt. Nachdem wir uns auf dem herrlichen Platze vor dein Gasthause aus- geruht und gestärkt haben, folgen wir dem Führer. Wir sehen auf dem Bilde sofort, daß die Burg aus einem tiefer und einem höher gelegenen Teile besteht. Auf dem höheren Teile lagen in früherer Zeit noch die Gebäude des Burgbewohners. Im Vordergrunde sehen wir den Bergsried. Er ist nur noch 6 rn hoch; früher war er höher. Wir lassen unsern

5. Die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt - S. 8

1911 - Magdeburg : Creutz
8 Ii. Kreis: Wanderungen im Heimatorte. Bäcker Stiefel, dieser aber liefert ihm Eßware; beide bedürfen wieder des Kaufmanns, des Schneiders und des Arztes. Ein Mensch ist des andern Stütze und Hilfe. Verrichtet er seine Arbeit, sein Werk hauptsächlich mit der Hand, so heißt er ein Handwerker (Glaser, Drechsler, Klempner). — Nach unseren Hauptbedürfnissen gibt es Handwerker, die sür unsere Nahrung, solche, die für unsere Kleidung und solche, die sür unsere Wohnung sorgen. In unserem Orte sind viele Handwerker tätig, und jeder sucht etwas Gutes zu schaffen. Oft leisten dem Handwerksmeister (furz Meister) Gesellen und Lehrlinge Hilse bei seiner Arbeit in der Werkstatt. Es gibt in unserem Heimatorte aber auch große Werkstätten, in denen viele Arbeiter und Maschinen tätig sind. Hier werden Gegenstände in großen Mengen hergestellt. Oft find diese Arbeitsstätten durch gewaltige Schorn- steine schon von ferne zu erkennen. Sie heißen Fabriken, die Arbeiter Fabrikarbeiter und die Besitzer Fabrikanten. Nennt Dinge, die hier angefertigt werden! Ein Ort, der viele Fabriten hat, heißt ein Fabrikort (Fabrikstadt). In jedem Haushalte finden sich auch Dinge, die nicht aus der Heimat stammen, z. B. Kaffee, Kakao, Rosinen, Reis, Pfeffer und Zitronen. Diese Waren lassen sich manche Leute auf dem Wasserwege und der Eisenbahn in großen Mengen aus fremden Ländern kommen. Solche Leute heißen Kaufleute, und ihre Arbeit wird Handel genannt. Die Kaufleute sind entweder Groß- oder Kleinhändler. Erstere verkaufen ihre Wareu nur in größeren Mengen an andere Kaufleute. Die Kleinhändler verabfolgen sie aber in kleinen Posten an die Lente, die sie ver- brauchen. Die Handeltreibenden, die mit ihren Waren in Stadt und Dorf von Haus zu Haus ziehen, heißen Hausierer. Mit welchen Gegenständen wird in unserm Orte besondere Handel getrieben? Viele Waren sind von auswärts hierher gebracht. Die meisten Handels- gegenstände holen wir von —. Ein Ort, in dem allerlei Waren in großen Mengen gekauft und verkauft werden, heißt ein Handelsort (eine Handelsstadt). Post, Telegraph und Telephon bringen den Groß- kaufleuten täglich aus der Nähe und Ferne Bestelltingen auf Waren; täglich kommen aber auch viele Fremde zu ihnen, um einzukaufen oder Waren anzubieten. Große Hotels gebeu ihnen Unterkunft und sorgen für ihr leibliches Wohl. Alle Menfchen, die für die körperlichen Bedürfnisse der Bewohner sorgen, bilden den Nährstand. Zu ihm gehören die meisten Bewohner eines Ortes. — Andere Personen beschäftigen sich mit der Erziehung und Belehrung der Jugend und der Seelsorge der Bewohner unferes Heimatortes, z. B. die Lehrer und die Prediger. Sie bilden den Lehr- stand. Die Eltern schicken ihre Kinder zur Schule, damit sie sich allerlei für das Leben nützliche Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen. Eltern und Lehrer geben sich große Mühe, um die Kinder zu guten Menschen zu er- ziehen. Haben die Kinder die Schule verlassen, so hört ihr Lernen nicht

6. Der Erbe von Stübeckshorn - S. 109

1889 - Braunschweig : Bruhn (Appelhans & Pfenningstorff)
— 109 — und Wichmann herbeiholen, damit er sich verantworte vor öffentlicher Versammlung". Dem Befehle des Gaugrafen wurde augenblicklich Folge geleistet; vier Jünglinge warfen sich auf die schnellen Pferde und sprengten davon nach Emmingen, um Wich-mann zu der Versammlung zu holen, wenn es sein mußte, unter Anwendung von Gewalt. Wichmann hörte scheinbar gleichgültig die Botschaft an, die sie ihm brachten, und erklärte sich bereit, ihnen zu folgen. Er gab einem seiner Knechte den Befehl, ihm den schnellsten Renner zu satteln; während aber noch die vier Jünglinge sorglos am Herde saßen und sich den Imbiß, den Frau Hedwig, Wichmanns Weib, ihnen vorsetzte, wohl schmecken ließen, bestieg Wichmann das Pferd, und sprengte in entgegengesetzter Richtung davon, der Gaugrenze zu. Er hatte aus den Reden der Jünglinge erfahren, daß Hermann entschlossen war, die ganze Strenge des Gesetzes gegen ihn walten zu lassen, und er wußte recht wohl, welche Strafe ihn alsdann treffen mußte. Als die Boten endlich seine Flucht merkten, war es unmöglich, den Flüchtling noch zu verfolgen, und ohne ihn mußten sie wieder nach der Richtstätte zurückkehren. Stunde für Stunde harrten die bei den sieben Steinhäusern versammelten Männer der Rückkehr der Jünglinge; die Sonne sank im Westen hernieber und der Mond stieg über den Föhren empor. Endlich hörten sie das Anschlagen der Hufe auf der Heide, und gleich darauf kamen auch die Boten mit der Meldung, daß Wichmann geflohen sei. Damit hatte er sich selbst schuldig bekannt, und nun war es gestattet, auch ohne ihn zu hören ihn zu verurteilen. Die Ankläger traten vor und brachten ihre Klage an; Zeugen wurden aufgerufen, um die Anklage zu bestätigen. Dann wurde gefragt, ob jemand etwas zur Verteidigung des Angeklagten vorbringen könne, und als niemand sich meldete, wurde von dem Gaugrasen das Urteil gesprochen, welches auf Todesstrafe lautete. Alle waren erschüttert von dem Ernst des Augenblicks, und als Hermann das entscheidende Wort sprach,

7. Der Erbe von Stübeckshorn - S. 26

1889 - Braunschweig : Bruhn (Appelhans & Pfenningstorff)
— 26 — Stelle im ganzen Gau einnahm, und bei ihm wollte er sich, wenn möglich, einen Tag aufhalten, und zu erfahren suchen, ob die Leute des Lohengaues sich eines Einfalles in ihr Gebiet gewärtig hielten, oder ob sie, in Sicherheit eingewiegt, ihre waffenfähige Jugend zu dem neuen Könige ihres Stammes ziehen lassen würden. Es war am Tage nach den Ereignissen, die wir in den vorigen Kapiteln erzählt haben; der alte Gaugraf stand auf dem Hofe und schaute den Arbeiten seiner Leute zu; seine beiden Hunde standen neben ihm. Warm schien die Frühlingssonne vom blauen Himmel hernieder und spiegelte sich in unzähligen Tautropfen, die wie Diamanten an allen Blättern und Grashalmen hingen; die Vögel zwitscherten in den Zweigen der Eichbäume, und ein Storchenpaar, welches erst seit einigen Tagen aus dem fernen Süden heimgekehrt war, flog ab und zu, um das große Nest auf der First des Daches auszubessern. Alles atmete Frieden und Ruhe, und der alte Billung ließ mit zufriedenem Blick feine Augen über fein Besitztum schweifen. „Seid mir gegrüßt, Ihr alten Freunde", rief er den Störchen zu; „Eure Wiederkehr aus der Fremde soll mir die Bürgschaft sein, daß auch in diesem Jahre Gott der Herr mein Haus vor Blitzstrahl und ändern Unglück verschonen wird. Bauet ruhig Euer Nest aus und freuet Euch des Gedeihens Eurer Jungen, wie ich mich über das Gedeihen meines mir von Gott beschiedenen Wohlstandes und meiner Kinder freue". Und die Störche schienen seinen Gruß erwidern zu wollen; denn sie beugten den langen Hals zurück und klapperten lustig in die blaue Morgenluft hinein. In dieser friedlichen Betrachtung wurde der Gaugraf durch das Gebell seiner Hunde gestört; es galt dasselbe einem zerlumpten Bettler, welcher soeben durch das Hofthor schritt. Mühsam bewegte er sich auf feinen Krücken vorwärts, und bei jedem Schritte, den er machte, stöhnte er schmerzlich auf. Der alte Billung beruhigte die Hunde, welche Lust zeigten, den Bettler zu zerreißen, und fragte nach feinem Begehr. „Gnädiger Herr", sagte

8. Der Erbe von Stübeckshorn - S. 27

1889 - Braunschweig : Bruhn (Appelhans & Pfenningstorff)
— 27 — der Bettler, „ich bitte Euch flehentlich um ein Almosen. Ich komme aus der Grenzgegend an der Elbe; bis vor kurzem nannte ich einen schönen Hof und eine stattliche Rinderherde mein. Aber die Wenden sind gekommen und haben mein Haus verbrannt, mein Weib und meine Kinder getötet, mein Vieh hinweggeführt, meine Aecker verwüstet, und mich selbst haben sie zum Krüppel geschlagen. Ach, hätten sie mich auch getötet, es wäre besser für mich gewesen. Den Anblick meines zerstörten Wohnsitzes, der das Grab meiner Lieben geworden war, konnte ich nicht ertragen, und mühsam habe ich mich von dort bis zu mildthätigen Menschen fortgeschleppt, die mich pflegten, bis meine Wunden, die der wilde Feind mir geschlagen, geheilt waren. Seit dieser Zeit gehe ich nun vor fremde Thüren und bitte um Almosen, und auch Euch bitte ich jetzt, erbarmt Euch» meiner und meiner Not". Das Herz des Gaugrafen wurde bei diesen Worten von Mitleid bewegt. „Kommt in mein Haus", sagte er zu dem Bettler; „Ihr sollt ein reichliches Almosen bekommen, auch ein Nachtlager sollt Ihr für die nächste Nacht bei mir finden und morgen mögt Ihr in Frieden weiter ziehen". Er ging dem Bettler voran in das Haus; dort bekam dieser von der Hausfrau ein reichliches Frühstück, und auch am Mittag setzte er sich mit dem Gesinde zu Tische. Doch verhielt er sich schweigsam, schien auch nicht auf das, was bei Tische gesprochen wurde, zu achten, sondern nur an seinen herben Verlust zu denken. Den Nachmittag brachte er auf dem Hofe zu; auch zu der Umzäunung, wo die Pferde und Rinder graseten, humpelte er; dann setzte er sich unter die Eichen und schien ganz in Schmerz versunken zu sein. Als es Abend geworden, begab er sich in das Haus und setzte sich auf einen Stuhl am Herde, wo auch die Familie des Gaugrafen und das Gesinde wieder Platz genommen. Doch die Wanderung am Morgen schien ihn müde gemacht zu haben; er schlief auf seinem Stuhle ein. „Laßt ihn schlafen", sprach der alte Billnng; „er ist ein vom Schicksale schwer heimgesuchter Mann, der im Schlafe auf kurze Zeit seines

9. Der Erbe von Stübeckshorn - S. 28

1889 - Braunschweig : Bruhn (Appelhans & Pfenningstorff)
— 28 — Unglücks vergißt; es wäre eine Sünde, ihn zu wecken". „Vater", sagte Hermann leise, „ich traue dem Fremden nicht; er hat einen uns fremden Ton in der Stimme; ich fürchte, er ist ein wendischer Kundschafter, der hierher kommt, um zu sehen, wo das Land offen ist". Doch der Alte sprach: „Deine Furcht ist grundlos, mein Sohn; ich habe keine Ursache, an seinen Worten zu zweifeln. Ja, und wäre er ein Kundschafter, so wollten wir ihm doch den Platz am Herde gönnen. Mag er dann hin- gehen und den Seinen sagen, daß wir gerüstet sind, ihnen einen üblen Empfang zu bereiten, wenn sie in den Lohengau einfallen wollen". Im leisen Flüsterton wurde nun die Unterhaltung am Herde fortgesetzt, um den Schlaf des Bettlers nicht zu stören. Man sprach von dem Maitage, der am Ende der nächsten Woche bei den sieben Steinhäusern abgehalten werden sollte; die Botschaft sollte am andern Tage an die Bewohner des Lohengaues gebracht werden, jeder sollte sich dazu einfinden, "denn wichtige Dinge gab es zu verhandeln; — die Königswahl in Fritzlar, die Gefahr vor den Wenden, die Mündigsprechung der jungen Krieger. Erst als alle sich zur Ruhe begeben wollten, weckten die Knechte auch den Bettler und wiesen ihm ein gutes Nachtlager in der Scheune auf dem Hofe an. Mitternacht war vorüber; auf dem Freihofe Stübeckshorn lag alles im tiefsten Schlafe. Da erhob sich Pribil, der Kundschafter, denn er war es, von seinem Lager. Bleich schien der Mond durch zerrissene Wolken; Pribil trat auf den Hof, vorsichtig nach allen Seiten spähend. Er lauschte; nichts regte sich; selbst die Hunde schliefen ruhig in ihren Hütten. Er hatte jetzt keine Krücken, seine Gestalt war jetzt nicht gebückt. „Ich sollte Feuer an das Haus legen", murmelte er zwischen den Zähnen; „ich sollte die Thüren von außen versperren, und es gelänge mir dann vielleicht, den Alten mit seiner ganzen Sippe zu verbrennen. O, wie ich sie alle hasse, wie ich besonders den Sohn des Alten hasse, welcher mich fast erkannt hätte. Doch nein, heute noch nicht; ich würde die beiden wilden Bestien, die Hunde, wecken, sie würden mich zerreißen; meine.

10. Der Erbe von Stübeckshorn - S. 29

1889 - Braunschweig : Bruhn (Appelhans & Pfenningstorff)
— 29 — Lage ist noch nicht ohne Gefahr". Leise wie eine Katze schlich er bis an den Zaun, welcher den Hof umgab, kletterte über denselben und lag dann eine kleine Weile an der andern Seite des Zaunes auf dem Boden, um abermals zu lauschen. Alles blieb ruhig wie zuvor; die Hunde hatten sein Fortgehen nicht bemerkt. Leise am Boden hinschleichend gelangte er bis zu dem Gehege, in welchem die Pferde weideten. Er öffnete die Pforte, welche in dasselbe führte, und näherte sich den in einer Koppel zusammenstehenden Pferden. Schnell wie der Blitz schwang er sich auf den Rücken einer schlanken dunkelbraunen Stute; diese erwehrte sich ihres Reiters nur wenig, denn mit liebkosenden Worten streichelte er dem schönen Tiere den Hals. Dann zog er unter seinem zerlumpten Wams einen Zaum hervor, den er am Nachmittag auf dem Hofe gestohlen hatte, legte ihn dem Tiere an und ritt ans dem Gehege. Noch einmal hielt er das Pferd an; drohend ruhten seine Blicke auf dem Freihofe. „Aus Wiedersehen, Herr Gaugraf, auf Wiedersehen auch, Du jugendlicher Held! Also Ihr seit gerüstet, uns zu empfangen? Nun wohl, wir werden nicht zögern zu kommen, und wir werden es so einzurichten wissen, daß wir hier sind, wenn Ihr bei den Steinhäusern seid. Wir wollen sehen, ob Ihr dann früh genug kommt, um das Unglück, welches Radegast, der mächtigste unserer Götter, über Eure Wohnstätten bringen soll, abwenden zu können". Höhnisch lachte er auf; dann drückte er dem Pferde die Fersen in die Weichen, und dahin stob er, querfeldein, dem Osten zu. Als am andern Morgen die Flucht Pribils und das Fehlen der braunen Stute entdeckt wurde, herrschte große Aufregung auf Stübeckshorn. Der Gaugraf rief sogleich seine Leute zusammen und sagte ihnen, daß der Maitag sofort berufen werden müsse; darum sollten seine vier Knechte noch an demselben Morgen nach allen Richtungen im Gau bekannt machen, was geschehen sei, und die Männer schon auf den kommenden Sonntag nach den Steinhäusern berufen; Hermann aber follte sich nach der Burg Soltau begeben, um auch dort das wichtige Er-
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