165. Die Krammetsvogel und der Dohnenstrich.
359
quer durch's Kartoffelfeld, über Berg
und Thal, hinein in den dunkel-wunder-
vollen Wald.
Doch nicht lange, da umhüllt uns
rings dichter Nebel, welcher jeden Um-
blick bis auf wenige Schritte raubt und
dann als feiner Staubregen herabrieselt.
Dies ist so recht das Bild des Herbstes
— das trostlose, weithin Alles um-
hüllende Grau des Nebels, dazu der
einförmige Regen und all überall die
die lautloseste, gleichsam trauernde Stille,
welche kaum hier und da von einem
Lockton vorüberziehender Vögel unter-
brochen wird.
Wir wandern weiter, dem Dickicht
vorbei, bis zu den innerhalb des Wald-
saumes sich hinziehenden Höhen. Hier
finden wir das, was wir suchen, den
mit vieler Umsicht und Ortskenntniß
vom Jäger angelegten Dohnenstieg oder
Dohnenstrich, den Fangort der geschätzten
Krammetsvögel. Die Dohnen sind
einfache, zu beiden Seiten eines Fuß-
steiges in kurzen Zwischenräumen und
in der Höhe von etwa drei Fuß ange-
brachte Fangwerkzeuge, in denen ver-
mittelst starker Pferdehaarschlingen und
eines Büschels lockender rother Eberesch-
beeren die armen Arglosen dem Tode
und der Küche der Leckermäuler über-
liefert werden. — Gleich vornan hängen,
schon todt, steif und starr, eine Anzahl
Weindrosseln, welche wir an dem
Roth der inneren Flügel erkennen. Wahr-
scheinlich sind sie heute ganz früh hungrig
und ermattet hier eingetroffen und haben
gleich willkommene Nahrung, doch auch
den Tod gefunden.
Sie hängen fast in einer Reihe, hier
und da auch zwei in derselben Dohne
neben einander. Es ist merkwürdig, daß
sich die armen Thierchen nicht durch das
Beispiel ihrer Gefährten belehren lassen.
Der eine fängt sich, merkt es erst dann,
wenn er weiter fliegen will, daß er das
Todesband am Halse hat, flattert nun
einige male im Todeskampf hin und
her und hängt dann schlaff und ruhig
herunter; einige Augenblicke später
kommt ein anderer, durch das Geflat-
ter aufgescheucht, wieder herbei, setzt
sich ruhig neben den Todten, frißt und
würgt sich die Schlinge ebenfalls um
den Hals. Ja, alte Jäger wollen be-
obachtet haben, daß die armen Wesen
arglos und einfältig genug seien, um
mit den tödtlichen Haaren zu spielen
und sie sich absichtlich umzuschlingen.
Es macht einen eigenthümlichen Ein-
druck, wenn man die schönen Vögel so
reihenweise, steif und doch im Tode noch
so zierlich, dahängen sieht.
2. Die Weindrossel ist einer der
nur vorüberziehenden Gäste, welche im
hohen Norden, bei uns nur höchst selten,
nistet. Sie singt gar nicht, sondern
läßt nur zuweilen einen wenig melodi-
schen Locklaut hören. Ihren Namen
hat sie wohl daher, weil sie im Spät-
sommer und Herbst in großen Schaaren
in den Weinbergen sich einfindet, wo
sie aber wirklich nicht den großen Scha-
den anrichtet, dessen man sie beschuldigt,
da ihre Hauptnahrung kleine Beeren
und schädliche Insekten sind, welch letz-
terer Umstand den Verlust einer bei-
läufig verspeisten Weinbeere doch gewiß
vollständig ausgleichen dürfte.
Um eine Ecke biegend, laufen wir
schnell hinzu, denn vor uns flattert
schreiend ein Gefangener noch lebendig
in der Schlinge. Behutsam ausgelöst,
haben wir einen unserer lieblichsten
Frühlingssänger, die Singdrossel,
in der Hand. Sie unterscheidet sich von
der vorigen dadurch, daß ihre innere
Flügelwand statt roth gelb ist. Sonst
hat sie dasselbe olivenbraune Kleid an,
welches auf dem Rücken fast schwarz,
dagegen an der Brust, dem Halse und
Bauche gelblichweiß und mit großen
rostbraunen Punkten übersäet ist. Sie
nistet meistens im Wachholdergebüsch,
und legt in ein großes, wie bei allen
Droffelarten mit Thon oder Lehm aus-
gemauertes, künstliches Nest 4—6 hell-
grüne, dunkelbraun punktirte Eier. Sie
stellt die größte Anzahl zu den Krammets-
vögeln, unter welcher Bezeichnung man
eigentlich alle die in den Dohnen ge-
fangenen Vögel versteht, doch oft aus-
schließlich auch nur diese Drossel meint.
So finden wir nach und nach noch
eine beträchtliche Anzahl ihrer Schwestern,
die meisten schon todt und steif, durch
ein schnelles Ende ihrer Qual befreit;
doch leider zeigt sich uns auch ein Bild
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
54
I. Erzählungen.
34. Der Unzufriedene.
(Parabel.)
In einem schattigen Thälchen, nicht
weit von der Heerstraße, war eine Baum-
schule angelegt. Ein schöneres Plätzchen
hätte auch Niemand dazu finden können.
Die jungen Pflänzlinge erfreuten sich der
Morgensonne, während ein naher, stark
bewaldeter Berg Nachmittags erquicken-
den Schatten gab. Von der Landstraße
war das Thal gerade weit genug ent-
fernt, um vor lästigem Staube gesichert
zu sein, und seine Seitenwände schützten
die jungen Bäumchen vor scharfen Winden.
Es war ein fröhliches Leben in der
Baumschule. Junge Pappeln, Kirschen-
und Apfelbäume, Kastanien-, Ahorn-,
Pflaumen- und Nnßbänme, alle wuchsen
in geregelten Reihen munter empor und
sahen so frisch und kräftig aus, daß
jeder Wanderer überrascht stehen blieb
und die liebliche Pflanzung mit Freuden
betrachtete.
Nur ein Kirschbäumchen war mit
seiner Stellung nicht zufrieden. „Ach,"
seufzte es oft, „wie eng und gedrückt
stehe ich doch hier, nach keiner Seite
hin habe ich Aussicht ins Freie! Und
lebt man einmal ein bischen auf, macht
man sich nur ein klein wenig breit, so
kommt flugs der Gärtner mit seinem
scharfen Messer und schneidet Einem die
besten Zweige vom Stamme herunter,
daß man laut aufschreien möchte. Und
wenn er nicht an mir herumschneidet,
so hackt er mir doch an den Wurzeln,
daß ich über und über erzittere, oder er
schnürt mich so fest an einen Pfahl, daß
mir das Blut stocken möchte und ich mich
nach keiner Seite hin frei bewegen kann."
So seufzte und klagte das Bäumchen
oft und wünschte nichts sehnlicher, als
endlich aus dem Thale erlöst zu sein
und an die Heerstraße versetzt zu wer-
den, wo mehr Freiheit herrschte, wo die
großen Bäume standen und ihm öfters
zuzuwinken schienen.
Dieser Wunsch sollte auch bald er-
füllt werden; denn eines Tages kam der
Gärtner, säuberte den Boden um das
Bäumchen, hob es mit einigen kräftigen
Spatenstichen aus der Erde und trug
es vorsichtig hinauf an die Heerstraße.
Hier wartete seiner schon eine Vertie-
fung, in welche es alsbald eingesetzt und
mit Erde umschüttet wurde, die der
Gärtner festtrat. Dann schlug er einen
Pfahl ein, band es daran fest, gab ihm
noch einmal zu trinken und ging seines
Weges. Das Alles kam so schnell und
plötzlich, daß das Bäumchen gar nicht
recht wußte, wie ihm geschah und seinen
Jugendgefährten nicht einmal Lebewohl
sagen konnte.
Ob's unser Kirschbäumchen nun wirk-
lich besser hatte; — ob es nun recht
zufrieden war? Anfangs und nachdem
das bischen Heimweh vorüber, schien es
so, und das Bäumchen wuchs zusehends
und machte sich recht breit und schaute
mit stolzem Selbstgefühle ins Thal hinab
auf seine Jugendgenossen. Aber nach
einigen Wochen umwölbte sich der Him-
mel, ein heftiger Wind erhob sich mit
Regenschauer begleitet, und hätte unser
Kirschbäumchen nicht den Stab zur Seite
gehabt, so würde es ihm schlimm er-
gangen sein. Aber auch dieses Beistan-
des sollte es sich nicht lange mehr freuen,
denn eines Abends spät kam ein die-
bischer Mensch, schnitt die Weiden, mit
denen das Bäumchen festgebunden war,
hastig durch, riß den Pfahl aus der
Erde und lief damit rasch von dannen.
Nun hatte das Bäumchen keinen Schutz
mehr und war öfters in großer Gefahr,
vom Sturme gebrochen zu werden. End-
lich legte sich dieser, aber bald kamen
neue Leiden. Wochenlang brannte die
Sonne vom wolkenlosen Himmel herab,
unser Bäumchen verschmachtete fast vor
Durst, aber mehr noch plagte es der
Staub, den jeder Luftzug oder Wagen
und jede Viehheerde aufwirbelte, der sich
ihm dann auf alle Blätter und Zweige
setzte, ihm den Athem erschwerte und
einen großen Theil seiner Blüthen er-
stickte. Auch dieses Leid wurde über-
standen, denn endlich kam ein erfrischen-
der Regen, wusch den Staub hinweg
und stärkte unser Bäumchen so, daß es
wieder wachsen und Früchte ansetzen
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen]]
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen]]
40
frawen, und suchte all bof der turney mit großer kostung. Dos kam er zum jüngsten ist vast große Ichuld. t£i* bett bey jeinei' ersten fretiveti von Zttayland ainen sun, genannt Ludwig (den Gebarteten), von dem mehr gesagt wird, und ein tochter, genannt fraw Margreth,]) die ward verheyrat dem großmächtigen "König Coys oder Ludwig zuverstan zu Franckreich. Nachdem starb Steffan fein bausfraw, die von Zhayiand, Da nam er aine von klef.2) (Er bett aber fainen erben mit Ir. Diser Hertzog Steffan was allzeit mit seinem wesen köstlich und wol erputzt, um das nannte in jedermann hertzog kneistl.
Ludwig, hertzog Steffaus sun, kam jung mit seiner schwester an des königs von frankreich Hof und ward von menigklich lieb gehabt. Im gab auch die sch wester groß gut, das er alles gen Bairn sannte, von gold silber gelt und dgl. (Er lebte auch gar köstlich. Nu hett der kunig an feinem Hof zwo juneffrauen, die im aemaget3) waren, gab er die ainen, genannt (Eharlotto, dem kunig von 5izilia, die andern, fretwen Ixatherina, gab er feinem fchwager hertzog Ludwig und gab im darzu die grafisch afft zu Martein. Dise fraw gepert im ainen sun, auch genannt Ludwig, der pugkel. Nun hett der kunig Loys zu zeyten ettlich nterctoch abgen gin seinem Haupt, also daß er feiner Vernunft beraubt ward. Das machte gar großen werfen4) und jrfal untter den Herrn umb den gemalt oder obrigkeit.
Nachdem kam hertzog Ludwig wider gen Bairn und hett au mästen köstlichen Hof, wann er zumal mächtig was. Nun hett, als ich vor gesagt hab , fein vater hertzog Steffan große schuld gemacht. Die ward nun an dem sun gefordert, der wolle darumb niemand aufrichtung thun. Mit dem ritten vil gutter ritter und knecht von im. Die huben an zukriegen, und ward vil unrue in dem lannd. Aus dem erwuchs ein große auffrur zwischen des bertzog Ludwigs und hertzog Kainrichs, hertzog Friedrichs sun aus nidern Bairn. Das fuegte sich also. Die zeit als kunig Siegmund mit allen £rtftlichen Fürsten zu ilostcxntz in dem £oncili was, kam es an aittem tag, daß der von Bohenlo, Bischof zu
*) Richtig 3fslbcha, (Semabliu "König Karls Vi. von Frankreich, die tu Schillers „Jungfrau von Orleans" eine Rolle spielt.
2) Kleve.
3j verwandt.
4) Oerreln) — Ärgernis, Zwietracht, Verwirrung.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann]]
TM Hauptwörter (200): [T79: [Ludwig Xiv Frankreich König Ludwigs Xvi Napoleon Xviii Xv. Philipp], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Ludwig_( Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwigs Friedrichs Bohenlo Karls Schillers
Extrahierte Ortsnamen: Margreth frankreich_Hof Friedrichs Karls Frankreich Kleve