Tiberius und Kajus Gracchus. 275
Hause zu Aemtern gelangte; ein solcher (homo novus) galt ihnen als
kecker Eindringling. Ohnedies konnte ein armer Mann kaum mehr zu
Aemtern gelangen; seit dem ersten punischen Kriege mußten die Aedilen
die Festspiele selbst bezahlen und da die Kosten sich sehr hoch beliefen, so
war für alle weniger Begüterte eine Schranke vor den Staatsämtern
aufgerichtet. Die Nobiles aus den plebejischen Familien kümmerten sich
so wenig um das licinische Ackergesetz als die aus den patricischen,
sie okkupierten wie diese und kauften die kleinen Güter zusammen, um
daraus ein großes Familiengut zu bilden. In Rom stehen also nicht
mehr Patricier und Plebejer einander gegenüber, sondern das gemeine
und arme Volk den reichen Familien der Nobiles. Armes Volk gab
es nach den großen Kriegen in Nom so gut als vor denselben, ja
noch mehr, denn die Kriegsbeute macht den gemeinen Soldaten nie
reich, wohl aber verschwenderisch, und wenn er aus einem vieljährigen
Kriegsleben zurückkommt, so befreundet er sich selten mehr mit den
Geschäften des Landbaues und der Werkstätte. Das gemeine Volk hatte
sich aber verändert wie das vornehme; der gemeine Soldat hatte in
Asien und Griechenland gelernt wie der Feldherr, und er trat ungerne
in das armselige Plebejerleben zurück. Er hielt sich lieber in der Stadt
auf als auf dem Lande, und in die Stadt strömten auch diejenigen, die
ihr kleines Gut verkauften oder verloren, denn in der Stadt gab es
Verdienst, gab es Versammlungen, Festspiele und — Spenden. Die
Herren nämlich, welche Aemter suchten , erhielten dieselben durch das
Stimmenmehr der Bürgerschaft, und von dieser bildete das gemeine
Volk einen beträchtlichen Theil; diesem machte man nun Geschenke, theilte
Geld oder Lebensmittel aus oder bereitete ihm Freude durch Schauspiele
nach seinem Geschmacke. Und gerade bei der müßigen Bevölkerung der
Stadt griff der Gedanke die tiefsten Wurzeln, daß der Römer zu etwas
Besserem da sei, als daß er den Karst und das Grabscheit zur Hand
nehme, wenn er eben das Schwert weggelegt habe. Das ging noch an,
so lange man mit den hartnäckigen Sabinern und Galliern kämpfte und
auf italienischem Boden stand, aber seit alle Länder ringsum zinsbar
wurden, schien es dem gemeinen Manne billig, daß er auf Kosten der
eroberten Welt erhalten werde und die Unterworfenen für ihn ar-
beiteten. So verlangte das gemeine Volk seinen Antheil an der großen
Beute und um so heftiger, je mehr es den Reichthum und die Pracht
der Vornehmen anschwellen sah; je mehr diese die alte einfache Sitte
verließen, um so weniger hielt auch das Volk in der Stadt an derselben
fest, denn das Beispiel der Vornehmen reißt die Gemeinen immer mit
sich fort, und wenn sie ihnen nicht nachmachen können, so greifen Un-
zufriedenheit, Neid und Zorn um sich. Das gemeine Volk war damit
nicht zufrieden, wenn es bald von dieser, bald von jener vornehmen
18*
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Kajus_Gracchus
Römische Kunde von den Germanen.
339
skandinavischen Norden einwanderten; zu ihnen gehören die suevischen
und gothischen Völker, welche bald eine sehr wichtige Rolle zu spielen
berufen wurden. Die Germanen verehrten den Thuisko und dessen
eingebornen Sohn „Mann" als Stammväter der Nation. Sie hatten
verschiedene Götter und Göttinen; die Verschiedenheit ihrer Religion
scheint in der Verschiedenheit ihrer Stämme und deren Wanderungen
gewurzelt zu haben. Den meisten gemein war jedoch die Verehrung des
Wodan (ihr Zeus; im angelsächsischen Wedensday und im Wodansheer,
wildes Heer, des Volksglaubens hat sich eine Spur erhalten), des Thor
(Donnergott, der Fruchtbarkeit gibt) und des Kriegsgottes Thyr, Ziu oder
Erk (daher Zinstag oder Erktag). Einige Stämme bauten Tempel,
andere verehrten ihre Götter in heiligen Wäldern; sie opferten auch
Menschen, besonders Kriegsgefangene. Den Willen der Götter erkann-
ten sie aus verschiedenen Anzeichen, hierin waren sie den alten Völkern
überhaupt gleich. Die Seele hielten sie für unsterblich; die Tupfern
gelangten nach ihrem Glauben zu den Göttern Ln Walhalla (Wohnung
der Starken), wo sie schmausten und sich an Kampfspielen ergötzten;
Kampf und Schmaus galten auch als das höchste Glück in diesem Leben.
Die Römer erschöpfen sich in der Beschreibung des gewaltigen Glieder-
baues ihrer Gegner; sie gestanden ihnen eine eigenthümliche nordische
Schönheit zu, behaupteten aber sie seien keiner großen Ausdauer fähig
und erlägen der Sonnenhitze Italiens sehr leicht. Der germanische
kühne, fast wilde Muth war den römischen Heeren schon furchtbar, als
die Germanen noch sehr schlecht bewaffnet waren und von der römischen
Kriegskunst noch nichts erlernt hatten. Ihrer Reiterei war die römische
nie gewachsen, den Keil des Fußvolkes zersprengten die Legionen nur
durch ihre Manövrierkunft, und was die Römer nie gestehen, manchmal
durch ihre Ueberlegenheit an Mannschaft. Als Nationallaster tadeln die
Römer die Trunksucht der Germanen und den Hang zum Würfelspiele,
dagegen rühmen sie ihre Keuschheit und ihre Treue im Worthalten.
Bei allen germanischen Stämmen waren fürstliche Geschlechter, aus
denen sie ihre Könige wählten, ein erblicher Adel, freie Leute und Leib-
eigene. Die Freiheit war eins mit dem Waffenrechte; wenn der Jüng-
ling wehrbar gemacht wurde, trat er auch in den Genuß aller Rechte
eines Freien ein und wurde zählendes Mitglied seiner Sippe, die aus
den verwandten Familien bestand, gemeinsame Opfermahle hatte, im
Kriege neben einander focht und Ehre, Leben, Eigenthum jedes einzelnen
Mitgliedes gegen jedermann beschützte.
Die Sippe übte die Blutrache gegen jeden, der einen aus ihr er-
schlug oder beleidigte; jedoch stand es bei dem Gerichte, ob der Friedens-
bruch durch Blut oder durch Gut gesühnt werden sollte. An dem Ge-
richte hatte aber jeder freie Mann Antheil; wer sich dem Spruche nicht
22*
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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318
Das Reich der Cäsaren.
Eingebornen bewegte und mischte und die römische Sprache wenigstens
in den Bezeichnungen für das gewöhnliche Leben und Treiben von dem
gemeinsten Provinzialen erlernt wurde. Gerade diesen traf aber das
Schicksal, sechszehn Jahre unter der römischen Fahne zu dienen, am häu-
figsten, und während einer so langen Zeit mußte er römisch werden und
wäre er vom härtesten Stamme gewesen.
Brachen die Römer in der Regel schon durch ihre Eroberung die
physische Stärke einer Nation, durchdrangen sie den Nest derselben durch
Militär, Kolonieen und das Verkehrsleben mit römischen Elementen, so
verstanden sie es auch, die fremde Nationalität dadurch aufzulösen, daß
sie dieselbe zu sich emporhoben, wie sie sich wenigstens ausdrückten.
Daß der gemeinste Provinziale der Ehre des Legionendienstes und dadurch
regelmäßig des Bürgerrechts theilhaftig wurde, ist schon gesagt worden;
der vornehmere erhielt außerdem militärische Würden und bürgerliche
Auszeichnungen. Selbst auf die vornehme provinziale Zugend erstreckte
sich die Sorgfalt des Cäsars; sie wurde nach Rom eingeladen und dort
gebildet, oder wenigstens in die Provinzialstädte gezogen, wo sie in
römischen Instituten ihre Ausbildung erhielt; der gleiche römische Schrift-
steller, welcher zu seinen Göttern betet, daß die unbezwingbaren Ger-
manen sich fortwährend selber aufreiben möchten, erzählt mit schadenfroher
Lust, wie die kaum besiegten Britannen ihre Jünglinge aus den vor-
nehmen Familien römisch erziehen ließen und wie sich diese wetteifernd
römische Bildung aneigneten! Noch tiefer griff aber das römische Ge-
richtswesen in die fremden Nationalitäten ein; der Provinziale wurde
von römischen Richtern nach römischem Rechte und in römischer Sprache
gerichtet; der Gerichtsort selbst war ein Municipium, eine Kolonie oder
Präfektur, das heißt ein römischer Ort; da mußte wohl jeder Provin-
ziale, der als Grundbesitzer, Handwerker, Geschäftsmann u. s. w. an
dem bürgerlichen Verkehre Antheil hatte, sich nothgedrungen mit der rö-
mischen Sprache und dem Gesetze vertraut machen, wenigstens bis auf
einen gewissen Grad. Ueberdies bemächtigten sich die Römer des reli-
giösen Lebens der unterworfenen Völker; sie machten die fremden Götter
zu den ihrigen; entweder fanden sie m einem fremden Gotte einen ihrer
eigenen wieder, was meistens der Fall war, dann trat der römische
Kult an die Stelle des einheimischen oder vermischte sich mit demselben,
oder der fremde Gott wurde als ein neuer in die Reihe der römischen
ausgenommen, neben denselben verehrt und auf diese Weise der unter-
worfenen Nation entrissen. So eroberte Nom mit der Welt auch deren
Götter; nur der zu Jerusalem verehrte mußte ihm fremd bleiben,
weil dieser ausschließliche Anerkennung und Verehrung forderte; das Zu-
denvolk selbst im römischen Reiche war durch kein Mittel in den römi-
schen Guß einzuschmelzen und zudem den Römern eine ganz verachtete
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Der Adel und das Ritterwesen.
195
Der Adel und das Ritterwesen.
Die Zeit der Kreuzzüge ist das Heldenalter des Adels. Seitdem
der Heerbann aufgehört hatte, weil die Zahl der gemeinen Freien mehr
und mehr schwand, bildete sich ein eigener Stand aus, der mit dem
Adel verwuchs, der Ritterstand. Diejenigen Freien nämlich, welche so
viel Eigenthum besaßen oder so viel Gut zu Lehen trugen, daß sie den
Heeresdienst zu Rosse thun konnten, wurden nun das eigentliche Kriegs-
Volk; daher heißen sie auch in den Urkunden milit68, während sie sich
selbst von ihrem Dienste zu Rosse „Ritter" nannten. Diese Krieger
erhielten für ihre Kriegsdienste von den Königen, Herzogen und Gra-
fen, dem hohen Adel, Sold, und wie oben bei dem Römerzuge beispiel-
weise angegeben worden ist, Saumpferde, Pferdebeschläge, Felle und an-
dere Kriegsbedürfnisse, oder auch, was viel erwünschter sein mußte, Le-
hen, wodurch der Ritter, der manchmal als jüngerer Sohn außer Na-
men und Rüstung nichts sein nannte, zu einem Gutsherrn wurde, dem
zinsbare Bauern dienten. Der Sohn des Ritters erhielt durch seine
Geburt das Lehenrecht, während andere freie Leute, Bauern und Bür-
ger, dasselbe thatsächlich verloren, weil sie dem Könige oder einem Lan-
desherrn nicht regelmäßig und auch nicht zu Rosse Kriegsdienste thaten.
Nach der Weise des Mittelalters, wo sich der Gleiche dem Gleichen an-
schloß und diese Verbindung genau regelte, bildete nun auch die Ritter-
schaft eine Genossame, in welche die Berechtigten feierlich ausgenommen
wurden, wenn sie nach den Gesetzen vorbereitet waren und gelobt hatten, die
Verpflichtungen der Ritterschaft gewissenhaft zu erfüllen. Während der
Kreuzzüge trafen sich die Ritter aller Nationen in Palästina, und die
ausgebildetere Regel der französischen Ritterschaft wurde auch von den
Deutschen angenommen, was bei der englischen, niederländischen und
italienischen noch schneller geschah; so entstand eine europäische ritterliche
Kameradschaft, und der Ritter fand überall Genossen, die sein ritter-
liches Recht anerkannten und nöthigenfalls vertheidigten, so daß der
kriegsgefangene Ritter sich ritterliches Gefängniß und ritterliche Be-
handlung ausbitten durfte. Wer Ritter werden wollte, mußte Nach-
weisen, daß er ehelicher Geburt und freien Geschlechtes sei, ritterlichen
Waffendienst und ritterliche Sitte ordnungsmäßig erlernt habe. Zum
Empfang des feierlichen Ritterschlags bereitete er sich vor durch Gebet,
Fasten und den Genuß der heiligen Sakramente. Dann gelobte er, täg-
lich die Messe zu hören, für den christlichen Glauben zu streiten, die
Kirche und deren Diener gegen ihre Feinde zu vertheidigen, Wittwen,
Waisen und Minderjährige bei ihrem Gute zu schützen, ungerechten Krieg
zu meiden, für die Befreiung eines jeden Unschuldigen mit dem Schwerte
einzutreten, Turniere nur zum Zwecke kriegerischer Uebung zu besuchen,
13*
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T167: [Fest Tag Kirche Jerusalem Spiel Stadt Hofer Volk Jahr Zeit], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Das Zeitalter der Kreuzzüge. Der Adel und das Ritterwesen. 215
Verkehr verbreitete besonders in den Städten Reichthum und Bildung,
die Isolierung der Nationen hörte auf, Wissenschaft und Kunst bauten
gemeinschaftliche Herde, so daß eine europäische Kunst und Literatur
aufblühtc. Es war in jener Zeit ein reiches und bewegtes Leben,
und wir sehen überall in allen Kreisen eine Kraftfülle schaffen und
walten, die uns ganz wunderbar erscheint. Damit ist nicht gesagt,
daß damals alles schön und gut gewesen sei; die Leidenschaften
trieben damals ihr Spiel wie zu jeder Zeit und um so verderb-
licher, weil jenes Zeitalter so kräftige, Willensstärke und thatenlustige
Menschen hegte; ein heißer Sommer ist ein fruchtbarer, aber auch ge-
witterreicher, und je höher ein Baum ist, um so weiter wirft er seinen
Schatten.
Her Ä-cl und das Nittrrwejcn.
Die Zeit der Kreuzzüge ist das Heldenalter des Adels. Seitdem
der Heerbann aufgehört hatte, weil die Zahl der gemeinen Freien
mehr und mehr schwand, bildete sich ein eigener Stand aus, der mit
dem Adel verwuchs, der Ritterstand. Diejenigen Freien nämlich, welche
so viel Eigenthum besaßen oder so viel Gut zu Lehen trugen, daß
sie den Heeresdienst zu Rosse thun konnten, wurden nun das eigentliche
Kriegsvolk; daher heißen sie auch in den Urkunden milites, während
sie sich selbst von ihrem Dienste zu Rosse „Ritter" nannten. Diese
Krieger erhielten für ihre Kriegsdienste von den Königen, Herzogen
und Grafen, dem hohen Adel, Sold, und wie oben bei dem Römer-
zuge beispielweise angegeben worden ist, Saumpferde, Pferdebeschläge,
Felle und andere Kriegsbedürfnisse, oder auch, was viel erwünschter
sein mußte, Lehen, wodurch der Ritter, der manchmal als jüngerer
Sohn außer Namen und Rüstung nichts sein nannte, zu einem Guts-
herrn wurde, dem zinsbare Bauern dienten. Der Sohn des Ritters
erhielt durch seine Geburt das Lehenrecht, während andere freie Leute,
Bauern und Bürger, dasselbe thatsächlich verloren, weil sie dem Könige
oder einem Landesherrn nicht regelmäßig und auch nicht zu Rosse Kriegs-
dienste thaten.
Nach der Weise des Mittelalters, wo sich der Gleiche dem Gleichen
anschloß und diese Verbindung genau regelte, bildete nun auch die
Ritterschaft eine Genossenschaft oder einen Orden, in welche die Be-
rechtigten feierlich ausgenommen wurden, wenn sie nach den Gesetzen
vorbereitet waren und gelobt hatten, die Verpflichtungen der Ritterschaft
gewissenhaft zu erfüllen. Während der Kreuzzüge trafen sich die Ritter
aller Nationen in Palästina, und die ausgebildetere Regel der französischen
Ritterschaft wurde auch von den Deutschen angenommen, was bei der
englischen, niederländischen und italienischen noch schneller geschah; so
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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360
Europa der dominierende Erdiheil.
legen, daß es eines dreißigjährigen Krieges bedurfte, um den National-
wohlstand zu ruinieren.
Europa der dominierende Erdtheil.
Mit dem Seewege nach Ostindien und der Entdeckung Amerikas
beginnt die Herrschaft Europas über die andern Erdtheile. Europa ver-
mittelte seitdem den Verkehr des ganzen Menschengeschlechtes (erst in
unseren Tagen tritt Nordamerika mit Macht als Nebenbuhler auf) und
damit beginnt für die Völker Asiens, Amerikas und Afrikas eine neue
Zeit; sie werden Europa genähert und können sich seiner Einwirkung
in ihr innerstes Leben nicht länger mehr entziehen. Portugiesen und
Spanier gründen ungeheure Kolonialreiche; ganze Ströme europäischer
Bevölkerung ergießen sich nach Amerika und legen den Grund zu einer
neuen europäischen Welt, während Ostindien wenigstens tributpflichtig
wird und große Ansiedelungen so fest gegründet werden, daß sie keiner
asiatischen Macht mehr unterliegen können.
Der europäische Handel wird zum Welthandel und Europa zum
reichsten Erdtheile. Denn nun erschließt auch Amerika aus seinem Schooße
eine Masse edler Metalle, welche über den Ocean nach Europa wandern,
daselbst Handel, Gewerbe beleben und eine Lebensweise schaffen, von der
die Vorfahren keine Ahnung besaßen. Von der Masse des über den
Ocean gebrachten edlen Metalls kann man sich einen Begriff machen,
wenn Aler. v. Humboldt angibt, daß das spanische Amerika bis 18l 3
an Silber 5940 Mill. spanische Piaster lieferte, was eine Silberkugel
von 83,7 Fuß Durchmesser gäbe. Nehmen wir an, daß aus dem an-
dern Amerika, Asien und Afrika nur das Doppelte an edlem Metalle nach
Europa gekommen ist, so dürfen wir die ungeheure Summe von 30
Milliarden rechnen, und haben sie jedenfalls noch zu nieder angeschlagen.
Viel Geld erzeugt aber auch viele Bedürfnisse, die sonst unbekannt blei-
den, es setzt darum die mannigfaltigste Gewerbsthätigkeit in Schwung,
der Luxus macht sich mit neuen Bedürfnissen sichtbar und ruft dadurch
neue Thätigkeit in's Leben. Aus den fremden Erdtheilcn kamen die ver-
schiedenen Gewürze massenhaft nach Europa uild fanden Eingang in die
Küche des Bürgers und Bauers; neue Farbestoffe, Holzarten, Arzneien,
Blumen und Kräuter gesellten sich zu den europäischen, und endlich
kamen auch Zucker, Kaffee und Tabak, welche in Verbindung mit den
Gewürzen das physische Leben des Europäers wesentlich veränderten;
die Küche Karls des Großen war einfacher bestellt als jetzt die eines
mittelmäßigen Bürgers oder Bauers. Diese Veränderung trat allmählig,
aber merkbar genug ein; Zucker, Kaffee und Tabak bewirkten schon Un-
glaubliches, eine vollständige Umwälzung brachte aber in späterer Zeit
die Einführung der Kartoffeln und der Baumwolle zu Stande. -
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Extrahierte Personennamen: Karls
Extrahierte Ortsnamen: Europa Europa Ostindien Amerikas Europas Europa Nordamerika Asiens Amerikas Afrikas Europa Amerika Ostindien Europa Amerika Europa Amerika Amerika Asien Afrika Europa Europa
88 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc.
stand sich daher in jener Zeit wohl von selbst, daß er sich am Klerus er-
holte und deßwegen zum „Evangelium" griff; aber er that es mit äußer-
ster Behutsamkeit, denn er mißtraute dem Adel, der die Königsmacht
nicht gehoben sehen wollte, und den Bauern, welche dem alten Glauben
treu waren. Zuerst ließ er das „Evangelium" nur da und dort verkün-
den, sorgte für eine Bibelübersetzung in das Schwedische und erst 1526
ließ er in Upsala disputieren. Den Hauptschlag führte er auf dem
Reichstage von Westeräs 1527. Er erklärte, daß er nicht mehr
König sein wolle; er habe genug gethan für das Land und wolle sein
Vermögen nicht vollends ruinieren, denn die Krone habe keine Einkünfte,
aber Ausgaben genug; auch Thränen standen ihm zu Gebote, als die
Bürger und Bauern ihn baten, er möchte die Last der Königswürde
noch länger tragen. Er aber entgegnete, daß er Bürger und Bauern
nicht höher besteuern dürfe (von Besteuerung des Adels war keine Rede)
und daß der Krone nur zu helfen sei, wenn ihr von dem großen Gute
der Geistlichkeit nachgebessert werde. Als Bauern und Bürger dergestalt
lediglich die Wahl zwischen neuen Steuern oder der Abdankung des
Königs vor sich sahen, auf welche unfehlbar die alte Adelswirthschaft
mit Dänenherrschaft und Bürgerkriegen gefolgt wäre, opferten sie die
geistlichen Herren, welche sich um so weniger ernstlich zu wehren getrau-
ten, als sie Christian Ii. unterstützt hatten. Den Herren vom Adel,
welchen eine Abdankung des Königs, wenn sie je daran glaubten, nicht
halb so leid, als den Bürgern und Bauern gewesen wäre, hielt er einen
Köder vor: sie sollten die Kirchengüter, welche ihre Ahnen einst gestiftet
hätten, wieder an sich nehmen, sofern sie ihre Ansprüche Nachweisen könn-
ten. Dies wirkte; die Herren griffen zu und nahmen so viel an sich,
daß der König ihnen spater wieder das meiste entreißen mußte und den
Termin der Vergabung auf 1453 setzte; was seit dieser Zeit an die
Kirche gestiftet worden war, das allein blieb den Adeligen. Gustav ließ
bei seiner Reformation eine Art von Bischöfen bestehen, gab ihnen jedoch
Konsistorien bei und machte sie von der Krone abhängig, so daß ein
solcher Bischof sich von einem deutschen Superintendenten außer dem
alten Namen nur dadurch unterschied, daß er ein Neichsstand war und
auf dem Reichstage neben dem Adel saß. Daß die katholische Religion
aufs strengste, bei Landesausweisung, verboten wurde, versteht sich von
selbst (erst 1857 schlug der König den Reichsständen die Abschaffung
der Landesverweisung vor); einige unfügsame Geistliche wurden hinge-
richtet. Den Lübeckern bezahlte Gustav seine Schulden mit Kirchen-
glocken, und zum Danke für ihre Unterstützung entzog er den Hanseaten
ihre Handelsvortheile in Schweden und legte ihnen Zölle auf, während
er den schwedischen Handel entfesselte; ebenso schloß er zu Schwedens
Vortheil, aber zum großen Schaden der Hanseaten, einen Handelsver-
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T34: [Schweden König Gustav Dänemark Preußen Krieg Polen Adolf Frieden Holstein], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg]]
TM Hauptwörter (200): [T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T31: [Jahrhundert Schweden Norwegen Dänemark König Ende Jahr Anfang England Mitte]]
Extrahierte Personennamen: Christian_Ii Gustav Gustav Gustav Gustav
Die Reformation in Schweden, Dänemark, Norwegen, Polen. 89
trag mit England und den Niederlanden. Im Jahre 1544 erklärten
die Stände die Krone für erblich in seinem Hause und damit beginnt
die merkwürdige Dynastie der Wasa, der nichts fehlte, als ein zahl-
reicheres Volk, um Europa von Grund aus umzugestalten. Gustav
starb im Jahre 1560.
Ihm folgte sein Sohn Erich; von dessen Brüdern erhielt Johann
Finnland, Magnus Oftgothland, Karl Südermanland als beinahe unab-
hängige Statthalter, durch welche Einrichtung Gustav Wasa über sein
Haus alle die Nebel brachte, welche die alten germanischen Dynastieen
verheerten. Erich war ein leidenschaftlicher, Anfällen von Wahnsinn
unterworfener Mann, welcher seinen Bruder Johann eine Zeit lang ge-
fangen setzte. Dafür wurde er auf Befehl Johanns 1577 gefangen
und ermordet; dieser folgte als Johann Iii. auf dem Throne und er-
weiterte die Rechte des Adels, die Gustav Wasa geschmälert hatte. Sein
Weib Katharina, der letzte Sprosse der polnischen Jagellonendynastie,
gewann ihn halb und halb für die katholische Kirche, doch getraute er
sich nicht alle Folgen eines Uebertritts zu wagen, und verlangte von
Rom allzu große Zugeständnisse; 1583 wurde er wieder zurückhaltender
und blieb bei seinem väterlichen Glauben bis an seinen Tod (1592).
Auf ihn folgte sein Sohn Sigismund, der zugleich König von
Polen und katholisch war; er blieb in Polen, während sein Oheim Karl
von Südermanland als schwedischer Regent in seinem Namen fungieren
sollte. Dieser trachtete aber nach der Krone und während Sigismund
sich auf den Adel stützte, wandte sich Karl an den Bürger- und Bauern-
stand und trat als Beschützer des Lutherthums auf. Auf dem Reichstag
von Upsala 1593 setzte Karl einen Beschluß durch, dem zufolge die Ab-
änderungen, welche Johann Iii. während seiner katholisierenden Periode
im Gottesdienste getroffen hatte, und anderes dergleichen wieder abge-
schafft wurde; ebenso traf den katholischen Kultus wieder ein strenges
Verbot. Sigismund wollte diese Beschlüsse anfangs nicht anerkennen,
mußte sich aber doch dazu verstehen; dafür vermehrte er die Vorrechte
des Adels und setzte Statthalter mit sehr weiten Vollmachten ein. Da-
gegen wehrte sich Karl durch den Bürger- und Bauernstand und ließ
die Katholiken mit Stockschlägen bekehren oder ans dem Lande jagen.
Als die lutherischen Bischöfe, namentlich der von Upsala, einen Geist
des Widerspruchs äußerten, bannte er ihn mit dem Spruche: „ich will
lieber den Papst als den Erzbischof von Upsala als Papst." Auf dem
Reichstage von Arboga zwang er Adel und Geistlichkeit durch die Bauern
und Bürger zum Nachgeben; von dieser Partei flüchteten nun viele zu
dem Könige Sigismund von Polen und forderten ihn auf, nach Schwe-
den zu kommen, um dem Bauernkönigthum sammt dem Lutherthum ein
Ende zu machen. Doch Sigismund war nicht der Mann, der es mit
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Gustav Gustav Erich Johann
Finnland Johann Magnus_Oftgothland Magnus Karl_Südermanland Karl Gustav_Wasa Gustav Johann Johanns Johanns Johann Gustav_Wasa Gustav Katharina Sigismund Karl
von_Südermanland Karl Sigismund Karl Karl Karl Karl Johann_Iii Johann Sigismund Karl Karl Upsala Sigismund_von_Polen Sigismund
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Rußland.
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der Menschenverlust wurde um so mehr empfunden, als die Bevölkerung
des Reichs ohnehin eine dünne ist, und die finanziellen Kräfte waren so
abgespannt, daß sie allein schon den Frieden als das einzige Heilmittel
rathsam machten. Unter Alerander ruhten daher von 1815 bis 1825
die russischen Waffen und die seit Peter I. traditionelle russische Politik
zeigte sich während dieses Decenniums nur dadurch, daß 1824 die Nord-
westküste von Amerika zum großen Aergeruisse der Briten und Nord-
amerikaner förmlich in Besitz genommen wurde; wie das Augenmerk der
russischen Herrscher unverrückt gegen Centralasien schaut, bewies die Ge-
schicklichkeit, mit der im gleichen Jahre 7 kirgisische und kalmückische Hor-
den sich dem chinesischen Reiche entziehen und zu russischen Schützlingen
machen ließen. Für den Ackerbau sorgte der Kaiser, insoweit dies über-
haupt ein Fürst thun kann, in dessen Lande die Mehrzahl der Bauern
Leibeigene sind. Den Ausfuhrhandel mit den Erzeugnissen des Acker-
baues, der Viehzucht, der Jagd, des Fischfangs, des Bergbaues (Hanf,
Lein, Talg, Häute, Pelzwerk, Hausenblase, Kaviar, Holz, Theer, Kupfer),
beförderte er durch weise Gesetze; die Industrie, die den Bedürfnissen
Rußlands bei weitem nicht genügte, versuchte er bereits durch die un-
mittelbare Betheiligung des Staats zu heben, indem er z. B. Wollen-
tuchfabriken auf Regierungskosten anlegte. Erst 1823 jedoch wurde durch
den Finanzminister Kankrin (einen Deutschen aus Hanau) das System
der russischen Handelspolitik in seinen Grundzügen aufgestellt, das jetzt
vollendet dasteht: Ausschließung jedes fremden Fabrikats, dessen Erzeu-
gung in Rußland nur irgendwie möglich ist; Herstellung einer einheimi-
schen Industrie nicht allein durch diese Sperre gegen das Ausland, son-
dern nöthigenfalls dadurch, daß aus den Leibeigenen Arbeiter für die
Fabriken wie Rekruten ausgehoben, gedrillt und eingetheilt werden; Ver-
schließung des alten Handelswegs nach Centralasien über Kolchis und
das kaspische Meer für alle nichtrussischen Maaren. Dadurch strebte Ruß-
land sein ungeheueres Gebiet der Abhängigkeit von fremder Industrie
zu entziehen, wie es auch andererseits als eine eigene Welt dastehen und
dem, was man in dem andern Europa den Zeitgeist zu nennen pflegt,
keine Opfergaben oder Tribute darbringen wollte. Anfangs gehörte Ale-
rander selbst der liberalen Richtung an (das beweisen die finnländische
und polnische Verfassung, die Manifeste im Kriege von 1812—15 re.),
er entzog ihr jedoch bald seine Gunst. Er gründete allerdings 5 Uni-
versitäten, 50 Gymnasien, 100 Kreis- und mehrere tausend Volksschulen,
aber er ließ den öffentlichen Unterricht streng überwachen und führte
eine scharfe Censur ein, Maßregeln, die unter seinem Nachfolger bis zur
äußersten Konsequenz ausgebildet wurden, so daß der Umfang des Wis-
sens jedem Russen der unteren Stände genau zugemessen ist. Religiö-
sen Bewegungen und Differenzen wurde er schon 1816 sehr abhold; in
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Extrahierte Ortsnamen: Amerika Hanau Kolchis Europa
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Die Zeit von 1815 bis 1857.
noch schlimmer kommen. Die Bevölkerung des von der Natur außer-
ordentlich gesegneten Ländchens war zur Hälfte katholisch, zur Hälfte
protestantisch, jedoch so, daß der letztere Theil um etwa 5000 Seelen
überwog; die Verfassung hatte deßwegen vollständige Parität bestimmt,
so daß in allen Landesbehörden beide Theile gleich repräsentiert waren.
Bei Gelegenheit der Revision machte sich eine doppelte Agitation geltend;
auf katholischer Seite verlangte man Sicherstellung der konfessionellen
Rechte, namentlich in Betreff der Verwaltung des Kirchenguts, des Un-
terrichtswesens u. s. w., dagegen wollte der protestantische Theil gerade
hierin nichts geändert wissen und stimmte mit den Katholiken nur darin
überein, daß er eine demokratische Erweiterung der Volksrechte verlangte.
Daran hatte aber der Große Rath kein Wohlgefallen und daher kam es,
daß die von ihm vorgelegte neue Verfassung am 5. Oktober 1840 bei
der Volksabstimmung mit 23,095 Stimmen gegen 3171 verworfen wurde.
Der Große Rath versammelte sich sogleich wieder und brachte in sehr
kurzer Frist eine neue Verfassung zu Stande, in welcher die Parität der
konfessionellen Vertretung wegfiel, indem die Mehrzahl der katholischen
Repräsentanten gegen dieselbe stimmte und nur zwei einläßlich für die-
selbe zu sprechen wagten. Am 5. Januar 1841 ging die Volksabstim-
mung in Ruhe und Ordnung vor sich und ergab: in den reformierten
Bezirken Aarau, Brugg, Kulm, Lenzburg und Zofingen nahm die über-
wiegende Mehrheit an, in den katholischen: Baden, Bremgarten, Laufen-
burg, Rheinfelden und Muri verwarf sie; da aber die radikalen Katho-
liken zahlreicher für die neue Verfassung als die konservativen Protestanten
gegen sie stimmten, so zählten die Annehmenden 15,336, die Verwerfen-
den 11,454 Stimmen. Dadurch wurde klar: 1. daß die katholischen
Großräthe nicht im Sinne des katholischen Volks gestimmt hatten, 2.
daß die neue Verfassung dem katholischen Volke nur aufgezwungen wer-
den könne, 3. daß der protestantische Aargau dies nur mit der Hilfe
radikaler Nachbarkantone auözuführen vermöge. Die aargauische Regie-
rung schritt nun nach dem Muster von Solothurn vor, wozu sie beson-
ders von dem Regierungsrath Waller, einem Katholiken und radikalen
Fanatiker, gespornt wurde. Die Häupter des Komites von Bünzen,
das während der Revisionsbewegung für die Parität gearbeitet, aber
auch nicht einen ungesetzlichen Schritt gethan hatte, sollten mit Hilfe
der Gensdarmerie und der radikalen Schutzvereine verhaftet werden. Dies
geschah am 10. Januar morgens an einem Sonntage zu Bremgarten
und Muri, an welchen Ort Waller auf sein eigenes Begehren als Ne-
gierungskommissär geschickt wurde. Wegen dieser Verhaftungen rottete
sich das Volk zusammen, befreite die Gefangenen und sperrte Waller
sammt den Gensdarmen ein, aber schon am 11. rückten die von der Re-
gierung aufgebotenen Milizen aus den protestantischen Landestheilen ein,
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