Sparta. Verfassung des Lykurg.
97
Fünftes Kapitel.
Sparta.
Verfassung des Lykurg (? 800 v. Chr.).
Unter den vielen griechischen Völkerschaften und Städten, welche
in Freundschaft und viel öfter in Eifersucht und Fehde neben einander
lebten, ist die dorische Stadt Sparta im Peloponnes zuerst zu großer
Macht und Ehre gelangt. Die dorischen Einwanderer bemächtigten sich
der ganzen Halbinsel sehr langsam, im Laufe mehrerer Jahrhunderte,
da sie nicht sehr zahlreich waren und die Achäer in ihren Festungen
hartnäckigen Widerstand leisteten. Daher mußten die Spartaner (Spar-
tiaten) beständig in kriegerischer Bereitschaft stehen, weil sie vor einem
Angriffe der noch freien Achäer oder einem Aufstande der unterworfenen
nie sicher waren. Dies erhielt zwar den kriegerischen Geist wach und die
Waffen in beständiger Uebung, war aber nicht geeignet die angeborene
Härte zu mildern, welche alle dorische Stämme gegen Nachbarn und
Besiegte übten. Ehe noch die Eroberung Lakoniens durch die Spartaner
ganz vollendet war, wurden diese durch langjährige Unruhen ermüdet,
bis ein Mann aus königlichem Geschlechte, Lykurg (wir wissen von seinen
Lebensumständen nichts, selbst nicht genau, wann er lebte, zwischen
1000 und 600 v. Ehr.), die zerrüttete Verfassung wieder herftellte und
durch neue Gesetze so ausbildete, daß sie zu den wunderbarsten Einrich-
tungen gehört, welche je auf der Erde bestanden haben. Er wollte, daß
die Spartaner ihre eroberte Heimath behaupten, frei sein und frei blei-
den sollten; deßwegen mußten sie arm, kriegskundig und todesverachtend,
den Gesetzen getreu und Obrigkeiten und Eltern gehorsam leben und
jede fremde Beimischung ferne halten. Darauf zielen alle Einrichtungen
der lykurgischen Verfassung, die jeder Spartaner kennen und auch ihrem
Zwecke nach verstehen mußte.
Die ganze Landschaft (mit dem später eroberten und vertheilten
Messene ungefähr 150 Q.-M. groß, kein Drittheil größer als der Kanton
Bern) wurde in 39,000 Stücke (Kleren) getheilt, wovon 9000 auf
die Spartaner kamen, 30,000 den unterworfenen Achäern blieben
(den P e r i ö k e n); die zu Sklaven gemachten Achäer, die Heloten,
erhielten kein Grundeigenthum. In der eigentlichen Stadt, die sich aus
vier neben einander liegenden Dörfern: Pitaña, Mesoa, Kynosura und
Limne gebildet hatte, wohnte der dorische Adel (die Spartiaten), die
Gleichen genannt, zu allen Aemtern befähigt. Die Periöken (die eigent-
lichen Lakedämonier) bewohnten die offenen und befestigten Flecken des
Landes, die Heloten saßen auf den Kleren der Spartiaten, oder folgten
Bumüller, Gesch. d. Alterth. 7
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240
Die Römer.
mit sich, wo immer sie angelegt wurde, und ebenso das römische Recht.
Der Kolonist war römischer Bürger, konnte aber von seinem Stimm-
rechte in der Regel keinen Gebrauch machen; er bezahlte Kopfsteuer
und Grundsteuer (der Staat hatte ihm von seinem Eigenthume verliehen,
der Kolonist war demnach Lehensmann des Staates), wenn die Kolonie
nicht ausdrücklich befreit war (das jus iialicum gewährte Befreiung
von der Grundsteuer, das jus immunitatis gänzliche Steuerfreiheit),
konnte aber nur dann römische Staatsämter begleiten, wenn er freien
Grundbesitz in Italien hatte. Die Kolonieen waren ein Hauptmittel,
durch welches das republikanische Rom seine Eroberungen festhielt und
die Einwohner an römische Sprache, Sitte und römisches Recht gewöhnte.
Kein Wunder, daß Fregellä die Samniter ärgerte; sie unterstützten da-
her insgeheim kampanische Städte, z. B. Neapolis, welche den Römern
Trotz boten, und diese erklärten den Krieg. Er wurde grimmig; Pa-
pirius Kursor und Q. Fabius Marimus brachten den Sammlern blutige
Niederlagen bei, aber 321 erlitten die Römer einen großen Unfall. Beide
Konsuln drangen nämlich in das samnitische Gebirge vor, wurden jedoch
von dem samnitischen Feldherrn Pontius in den Engpässen von Kaudium
eingeschlossen. Die Römer suchten mit verzweifelter Anstrengung durch-
zubrechen, sie opferten ihre besten Soldaten, allein sie mußten endlich
den Kampf aufgeben und ihr Schicksal von den Samnitern abwarten.
Pontius ließ seinen greisen Vater fragen, was er mit den eingeschlos-
senen Römern anfangen solle und dieser ließ zurücksagen: „tödte alle!"
Das schien dem Sohne zu hart, er fragte zum zweitenmale an; „laß
sie alle ziehen," war die Antwort. Das gefiel dem Pontius abermal
nicht und er wählte einen Mittelweg: die Konsuln beschworen einen
Frieden, wodurch Rom seine Eroberungen in Kampanien aufgab; 600
Ritter blieben als Geisseln zurück, das Heer aber mußte durch den Ioch-
galgen abziehen. Ein solcher Galgen bestand aus drei Lanzen, zwei
waren in den Boden gesteckt und eine dritte quer übergebunden. Zuerst
gingen die Konsuln und Hauptleute durch, dann folgte das ganze Heer
Mann für Mann, halb nackt, niedergeschlagenen Blickes. (Im Mittel-
alter ließen die Deutschen einen Feind, der sich auf Gnade ergeben hatte,
in bloßem Hemde, mit einem Stabe in der Hand, abziehen.) Das war
in Italien die größte Schmach, welche einem besiegten Heere angethan wer-
den konnte, und so war noch kein römisches heimgekehrt! Spät Abends
betraten die Schandbedeckten die Stadt, versteckten sich in ihre Häuser
und keiner ließ sich sehen. Ueberall war Trauer, aller Schmuck wurde
abgelegt, keine Gerichtssitzung mehr gehalten, die ganze Stadt schien
ausgeftorben. Der Senat aber trat zusammen und erklärte den mit
den Samnitern geschlossenen Frieden für ungiltig, weil die Konsuln ohne
den Senat keinen Frieden abschließen könnten. Die unglücklichen Feldherrn
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Extrahierte Personennamen: B._Neapolis
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Rom Kampanien Italien
Tiberius und Kajus Gracchus.
277
führung dieser Gesetze sollte eine Kommission von drei Männern er-
wählt werden, die zugleich anszuscheiden hätten, was bei den großen
Gütern Privatbesitz wäre und was ursprünglich dem Staatsacker ange-
hörte. Aber gerade diese Ausscheidung war eine Unmöglichkeit. Seit
Jahrhunderten war keine Kontrole über den alten Staatsacker geführt
worden, daher konnte der Nachweis nur bei neueren Erwerbungen ge-
liefert werden; zwar besaßen die Patricier ursprünglich nur Staatsackcr,
den ihre Klienten anbauten, aber die Klientel selber hatte sich von Grund
aus geändert und konnte für keine Familie mehr als Maßstab des ok-
kupierten Staatsackers angesehen werden; seitdem Plebejer und Patricier
gleichberechtigt geworden, hatten auch plebejische Familien von dem Staats-
acker erworben, erheirathet und ererbt, so daß plebejischer Besitz so wenig
ein Merkmal von Privateigenthum, als patricischer ein Kennzeichen
von okkupiertem Grundbesitze war. Auf den alten aus Staatsländereien
entstandenen Gütern waren zum Theil verschiedene Gebäude errichtet,
es waren auf diese Grundstücke Schulden kontrahiert worden — kurz,
man hatte sie als Privateigenthum behandelt. Das Gesetz des Gracchus
besagte also in der That nichts mehr und nichts weniger als: die
großen Grundeigenthümer geben von ihrem Landbesitze den größten
Theil heraus und werden dafür auf Staatskosten entschädigt, das ab-
getretene Land aber wird in kleinen Stücken unter die armen Bürger
vertheilt. Diese mußten sich natürlich des gracchischen Gesetzes freuen;
die großen Grundbesitzer hingegen, die Nobiles von patricischer und
plebejischer Herkunft, konnten nicht anders als im höchsten Grade er-
bittert werden, sonst wären sie keine Menschen, welche an Ehre und Gut
hängen, sondern Geschöpfe höherer Natur gewesen. Zudem bildete der
Grundbesitz die Grundlage ihres Vermögens; nun wäre ihnen derselbe
geschmälert worden, im Laufe der Zeit hätte er sich durch Erbtheilung
zerstückelt und so hätte der Abel nothwendig verarmen müssen, da der
Kapitalbesitz gar leicht verloren oder verschleudert werden kann, während
der Grundbesitz immer sicher bleibt. Der Adel glaubte also einen
Kampf für seine Eristenz wagen zu müssen und bot nun alle Mittel
auf. Zuerst gingen beide Theile auf dem gesetzlichen Wege. Ein Tribun
Oktavius setzte dem Gracchus sein veto entgegen und ließ sich nicht
umstimmen weder durch Bitten noch durch Drohungen; dafür hinderte
Gracchus durch sein veto den Gerichtsgang und versiegelte die Schatz-
kammer. Durch den Widerstand erbittert ließ er bei seinem zweiten
Vorschläge die Klauseln zu Gunsten der Inhaber von Staatsland weg;
Oktavius hinderte die Abstimmung. Die Aufregung des Volkes wurde
drohend und Gracchus ging in den Senat, um mit demselben die nö-
thigen Maßregeln zur Sicherheit der Stadt zu berathen, allein der Senat
hörte ihn gar nicht an. Er eilte in die Volksversammlung zurück und
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Kajus_Gracchus
320
Das Reich der Cäsaren.
Kriege brachte Marcellus aus dem eroberten Syrakus eine Menge Kunst-
werke nach Rom, und wenn der Zerstörer Korinths, Mummius, den
Werth der Bilder aus Stein und Erz nicht besser zu tarircn wußte
als ein marsischer oder umbrischer Soldat, so schickte er doch einen tüch-
tigen Transport derselben nach Rom, wo es also Leute geben mußte,
welche auf solche Sachen einen sehr hohen Werth legten. Es ist wirk-
lich überraschend, wie schnell die gebildeten oder vornehmen Römer Kunst-
freunde und Kunstkenner wurden; schon zur Zeit des Sulla gehörten
Kunstwerke griechischer Meister zu den begehrtesten Schätzen, und Verres,
der Erpresser in Sicilien, welchen Cicero anklagte, griff nach ihnen mit
gleicher Gier wie nach den edeln Metallen. Durch die Statthalter in
den griechischen Provinzen wurden vielleicht ebenso viele Meisterwerke
den Eigenthümern weggeuommen oder abgezwungen, als durch Eroberung
und Kauf nach Rom kamen. Denn eigentliche Künstler wurden die
Römer nie; in den guten Zeiten der Republik nahm die Sorge für
Staat und Stand Patricier und Plebejer in Krieg und Frieden, letztere
auch die Anstrengung für ihr Hauswesen zu sehr in Anspruch, als daß
sie mit der Kunst sich hätten befreunden können; zudem hatte keines
der italienischen Völker, mit welchen die Römer zu thun bekamen, selbst
die Tusker nicht ausgenommen, sich in jenen Richtungen so weit ent-
wickelt, um den stahlharten politischen Geist der Römer dadurch zu
mildern; sie lernten von den Tuskern wahrscheinlich in der Baukunst,
welche durch ihren unmittelbaren Nutzen dem praktischen Römer'zusagte
und die er großartig weiter bildete, ebenso in den Geschäften des Feld-
baues, in welchen die Tusker Meister waren. Als durch die Schätze
Asiens die römischen Patricier sich von der einfachen und strengen Lebens-
weise ihrer Vorfahren abbringen ließen, so gewannen sie gleichzeitig
Geschmack an der griechischen Kunst und eigneten sich deren Schätze an,
wie sie die Neichthümer der Provinzen ausbeuteten. Vornehme Kunst-
freunde und Kunstkenner gab es bald in Menge, aber der römische Adel
erzeugte keine Künstler aus seiner Mitte (wie der Adel überhaupt nie;
sein Element ist Krieg und Politik, und entzieht er sich diesen, so stirbt
er ab), die römische Plebs wurde aber nur roher, begehrlicher und
niederträchtiger; sie verachtete den Stand des Handwerkers, aus dem
der Künstler erwächst, und suchte ihre Freude bei den Nennspielen,
Thier- und Gladiatorenkämpfen u. s. w., für welche der Staat oder
die Vornehmen sorgten. Das Meiste noch wirkte die griechische Kunst
auf den Handwerkerstand in den Provinzen; die verschiedenen Geräthe,
sowohl die zum Schmucke als die zu dem Bedarf und der Bequemlichkeit
des Hauses gehörigen, wurden bei den Römern ebenso zweckmäßig als
schön gearbeitet, wofür die Ausgrabungen in Pompeji das vollkommenste
Zeugniß ablegen.
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Extrahierte Personennamen: Marcellus Sulla
Extrahierte Ortsnamen: Syrakus Rom Rom Sicilien Rom Asiens Pompeji
Die lotharingisch-italienischen Karolinger.
75
Lothar behielt mit dem Kaisertitel Italien, den südlichen Theil von
Rhätien und Noricum, von Helvetien die heutigen schweizerischen Kan-
tone Wallis, Genf, Waadt, Freiburg, Neuenburg, Bern, Solothurn,
Aargau jenseits der Aare, Basel; den Länderstreifen an der Rhone bis
zum Genfersee, nordwärts den zwischen Saone, Maas und Schelde
einerseits und dem Rhein andererseits; diesseits des Rheins noch Fries-
land. Ludwig bekam Deutschland diesseits des Rheins, jenseits des-
selben die Bisthümer Mainz, Worms und Speier, den nordöstlichen
Theil von Helvetien und Rhätien; Karl endlich den von Lothars Herr-
schaft westlich gelegenen Theil des Reiches (Neustrien, Aquitanien, ein
Stück von Burgund, die spanische Mark), mußte aber noch längere Zeit
mit dem Aquitanier Pipin kämpfen.
Daß diese Theilung keineswegs die deutschen und romanischen Völ-
ker auseinander schied, ergibt der Augenschein, obwohl sich in Folge der
Theilung der Gegensatz zwischen deutsch und romanisch rascher entwickelte;
auch lag dem Vertrage von 843 der Gedanke, Karls des Großen Reich
dauernd in drei Reiche aufzulösen, nicht entfernt zu Grunde, es bestand
vielmehr das Erbrecht der drei karolingischen Dynaftieen im Falle des
Aussterbens der einen oder andern fort, woraus wir neue Theilungen, eine
kurz dauernde Wiedervereinigung und endlose Kriege werden entstehen
sehen, da alle Karolinger, selbst die größten Schwächlinge unter ihnen,
von der Ländergier wie von einem Dämon geplagt wurden.
Die lotharingisch-italienischen Karolinger (840—875).
Lothar I. scheint seit 843 genügsamer geworden zu sein; wenigstens
verließ er 851 seinen früheren Schützling Pipin von Aquitanien, der
hierauf von seinen eigenen Leuten an Karln den Kahlen ausgeliefert
und von diesem in ein Kloster gesteckt wurde. Ebenso nahm sich Lothar
Karls an, als die Aquitanier 853 Ludwig den Deutschen zum König
verlangten und dieser ihnen einen seiner Söhne schickte; derselbe mußte
von Lotharn und Karln bedroht nach Hause zurückeilen.
Zu dieser Mäßigung bewogen ihn wohl hauptsächlich die Angriffe
der Normannen und Mohammedaner auf seine Staaten. Die eine
Ruthe hatte er selbst binden helfen, denn er hatte die nordischen Räuber
gegen seine Brüder herbeigerufen und ihnen Walchern eingeräumt; daß
sie nach dem Vertrage von Verdun sein Gebiet mit ihren Raubzügen
so wenig verschonten als die Länder seiner Brüder, war gerade die
natürliche Folge seiner Versöhnung mit diesen (s. unten Normannen).
An dem Einfalle der Mohammedaner dagegen war er nicht selbst Schuld
und gegen diese war er auch glücklicher. Der Herzog Sikard von
Benevent wollte das griechische Herzogthum Neapel erobern, was ihm
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Extrahierte Personennamen: Lothar Ludwig_bekam_Deutschland Ludwig Karl Karl Karls Schützling_Pipin_von_Aquitanien Lothar
Karls Karls Ludwig Sikard_von
Benevent
226
Deutschland und Italien sinken.
chen besonders das südwestliche Deutschland verwüstet wurde. In den
oberen deutschen Landen hatten sich die Städte für Ludwigen erklärt
(weil er bei ihnen keine Besitzungen hatte) und ebenso die schweizeri-
schen Eidgenossen. Da Ludwig den Habsburgern alle Lehen absprach,
so griffen die Bauern wacker auf das habsburgische Gut in ihren Thä-
lern, denn es war für sie das sicherste Mittel, aller Herrschaft los zu
werden. Dafür wollte sie Friedrichs feuriger Bruder, Herzog Leopold,
die Blume der Nitterfchaft genannt, strafen und so züchtigen, daß
künftig kein Bauernvolk mehr wage zu thun, wie die Fürsten und großen
Herren des Reiches thaten. Aber Leopold war wohl ein hochgemutster,
tapferer Ritter, jedoch kein Feldherr wie sein Vater und Großvater.
Er drang am 15. November 1315 mit mehr als 1000 Rittern und
den Bürgern der nächsten habsburgischen Städte in den Gebirgspaß
des Morgarten, der von Zug am Aegerisee vorbei nach Schwyz führt.
In dem Passe griffen ihn die Landleute an; zuerst rollten sie Baumstämme
und große Steine herunter, und als sie die Reiterei in volle Unordnung
gebracht hatten, fielen sie selbst von der Höhe herab auf den Zug, er-
schlugen viele Adelige und Bürger und jagten die Ueberlebenden in wilde
Flucht. Der Verlust des Herzogs war sehr groß, weil aller Vortheil auf
Seite des Feindes war und dieser keine Gefangenen machte. Darauf ver-
sammelten sich die Sieger in Brunnen und beschworen und besiegelten einen
ewigen Bund. Die wesentlichen Punkte des Bundesbriefes sind folgende:
1) Kein Ort darf einen Bund machen ohne den Willen der anderen,
und der eidgenössische Bund geht jedem andern Bunde voran. 2) Kein
Ort beherrt sich ohne den Willen der anderen (d. h. kein Ort anerkennt
mehr die Rechte des Landgrafen). 3) Die Verbündeten helfen einander
auf eigene Kosten gegen jeden Angriff. 4) Streitigkeiten unter ihnen
schlichtet ein Schiedsgericht; der Ort, der sich des Gehorsams weigert,
wird von den andern dazu gezwungen. 5) Mörder und Mordbrenner
(die Selbstrache) werden gestraft und kein Ort gibt einem Entwichenen
Schutz. 6) Keiner wird als Richter anerkannt, der nicht Landsmann
ist. 7) Die Herrschaften sollen den „ziemlichen" Dienst erhalten (d. h.
die rechtmäßig geforderten Abgaben sollen entrichtet werden). 8) Das
Reich, d. h. die Pflichten gegen den Kaiser, wird Vorbehalten. Daß
König Ludwig alles bestätigte, versteht sich von selbst; 1332 nahmen
die Bauern auch die Stadt Luzern in ihren Bund auf, die von Habs-
burg abfiel, als das Kriegsunglück über dasselbe so hereinbrach, daß
es der Gnade seiner Feinde überlassen schien. So war der Kern
der Eidgenossenschaft gebildet, das Gebirge umschloß ihn als harte,
schützende Schale.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Friedrichs Leopold Leopold Leopold Leopold Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Deutschland Friedrichs Aegerisee Schwyz Luzern
Das burgundische Erbe.
291
32,000 Mann stark, nahmen eine durch Gehölz gedeckte Stellung auf
einer Anhöhe, und nun beriethen ihre Hauptleute nicht wie sie den Feind
schlagen, sondern wie sie ihn vernichten könnten. Den einen Flügel
führte der Edle von Hallwyl, ein Berner Bürger, das Mitteltreffen
der Bürgermeister Hans Waldmann von Zürich, den anderen Flügel
der greise Hertenstein aus Luzern. Es regnete am Morgen des 22.
Juni mehrere Stunden lang; die Burgunder standen unterdessen auf der
Ebene in Schlachtordnung, während die Schweizer auf der Anhöhe den
Angriff vorbereiteten. Da kam der rechte Augenblick; die Sonne blickte
aus den Wolken, Hallwyl schwang sein Schwert und rief: „Auf,
Freunde, Gott will uns zum Siege leuchten!" Wohl schlug das Ge-
schütz der Burgunder einige Hundert nieder, als die Schweizer aus dem
Walde vordrangen, die andern liefen nur um so schneller auf dasselbe,
nahmen es, drückten mit Macht auf den feindlichen Flügel und trieben
ihn mit Stich und Hieb vor sich her. Unterdessen griff auch Wald-
mann an, warf das Mitteltreffen, und das feindliche Heer würde nun
gern sein Heil in der Flucht gesucht haben, wenn ihm Hertenstein die
Straße nach Wisiisburg, den einzigen Weg nach Burgund, nicht ver-
legt hätte. Der Herzog hatte vergebens die Ordnung herzustellen ge-
sucht, sich vergebens mit der Reiterei auf den Feind geworfen, er mußte
entfliehen und entkam mit wenigen Reitern. Ueber 20,000 Burgunder
wurden erschlagen, 4000 schwere Reiter in den See gesprengt, in wel-
chem Roß und Mann versanken. Später wurden die verblichenen Knochen
in ein Beinhaus gesammelt und darauf die Inschrift gesetzt: „Das Heer
des berühmten Herzogs Karl von Burgund hat von den Schweizern ver-
nichtet dieses Denkmal hier von sich zurückgelassen." Dieses Beinhaus
wurde 1798 von einer französischen Halbbrigade niedergebrannt.
Karl verlor ob dieser neuen Niederlage fast den Verstand; Herzog
Renat von Lothringen eroberte sein Erbe wieder, und da Karl über den
„Buben" von Lothringen besonders erzürnt war, so raffte er ein neues
Heer zusammen und belagerte im strengen Winter die Stadt Nancy.
Herzog Renat war in die Schweiz entwichen und bat flehentlich um
Hilfe, worauf 15,000 Schweizer unter Hans Waldmann nach Nancy
zogen. Mit einem kaum so starken Heere, das durch Hunger und Kälte
litt, wagte Karl dennoch die Schlacht^ er verlor sie und wurde auf der
Flucht getödtet (7. Januar '1477). V, Y
- tu ' . '-Zülr' sah) a.hä] .n mnd
Das burgundische Erbe.
Ssiibf,
Niemanden erfreute der Tod des Herzogs mehr, als dessen Vetter,
den König von Frankreich, der sich nun daran machte, ganz Burgund
an sich zu reißen. In dieser Sache hatten die Schweizer ein entschei-
19*
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Extrahierte Personennamen: Hans_Waldmann_von_Zürich Karl_von_Burgund Karl Karl Karl Karl_über Karl Hans_Waldmann Nancy Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Luzern Wisiisburg Burgund Lothringen Lothringen Nancy Frankreich Burgund
Das Geschütz und die stehenden Heere.
323
außerordentlichen gemeint, die von alters her geleisteten bedurften keiner
Bewilligung) verschiedene Bedingungen, durch welche ihre Rechte nicht
allein gesichert, sondern auch ausgedehnt wurden. Sie verlangten z. B.
die Entfernung einer mißliebigen Person aus der Umgebung des Fürsten,
indem sie dieselbe als Urheber eines Uebelstandes oder einer verhaßten
Maßregel ansahen; sie schrieben diese oder jene Abänderung in dem
Staatshaushalte und dem fürstlichen Hofhalte vor, wehrten den Ver-
kauf oder die Verpfändung von Landschaften und Orten, verweigerten
zum voraus jede Steuer, wenn ohne ihren Willen ein Krieg ange-
fangen würde u. s. w. Am weitesten wurden die ständischen Rechte
(die Bauern waren selten vertreten, da es nur sehr wenige freie Bauern
gab) in Deutschland und Spanien ausgedehnt, während die Königs-
macht in Frankreich und England eine ganz unbeschränkte wurde. In
Italien war die Fürstenmacht schon deßwegen unbeschränkt, weil sie mei-
stens auf vernichtete demokratische Republiken gegründet wurde. Wie
man sieht, traten besonders der Adel und die Geistlichkeit der Fürsten-
macht im Ständesaale entgegen, denn die Städte waren nicht so zahl-
reich vertreten, daß der Ausschlag von ihnen abhing; aber wenn es
zur Widersetzlichkeit gegen den Fürsten kam, eröffneten sie den Neigen
und gaben meistens durch ihre Volksmassen und feste Mauern die Ent-
scheidung.
Das Geschütz und die stehenden Heere.
Die Macht des Adels erlitt durch die Feuerwaffe den Todesstoß;
hatte er früher fast ausschließlich die Kriege geführt und sich bis zu einer
Kriegerkaste ausgebildet, so mußte er nun seine festen Häuser aufgeben
und sich an die Kriegermasse anschließen, welche aus dem niedersten
Stande, dem Bauernstände, hervorging; der Adel, früher das Heer,
ward zum Offizierkorps.
Das Schießpulver wurde nach der Sage von einem deutschen Mönche,
Berthold Schwarz, in Freiburg erfunden. Er stampfte einmal Schwefel,
Salpeter und Kohlen in einem Mörser, heißt es, und deckte den Mörser
zu; zufällig fand doch ein Feuerfunke den Weg zu jener Mischung, diese
entzündete sich und warf den Deckel mit großer Gewalt in die Höhe;
Schwarz habe nun noch mehrere Versuche angestellt, fährt die Sage
fort, und endlich durch eine Erplosion das Leben eingebüßt. Chinesen
und Araber kannten und brauchten das Schießpulver jedenfalls viel
früher als das abendländische Europa; zuerst wandte man das Pulver
in den deutschen Bergwerken zum Sprengen des Gesteins an, man
brauchte es zur Ueberwältigung der harten, starren Massen, gegen
welche die Kraft des menschlichen Armes gar wenig vermag, und wie
21*
TM Hauptwörter (50): [T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Berthold_Schwarz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Spanien Frankreich England Italien Freiburg Europa
Die Stadt Athen. Gesetzgebung des Solon. 109
Solonische Gesetzgebung schützte ferner die Heiligkeit der Ehe; sie erlaubte
namentlich die Ehescheidung nur in sehr wenigen Fällen. Die attischen
Frauen erfreuten sich jedoch nicht so vieler Rechte wie die spartanischen; sie
durften nicht ausgehen, wie sie wollten, sondern brachten die meiste Zeit
in dem Gpnäkeum (dem für das weibliche Geschlecht bestimmten Theile
des Hauses, Weiberhaus) zu. Es zeigt sich hierin der Einfluß, welchen
die jonischen Verbindungen mit dem Morgenlande auf die griechische Sitte
ausübten; während das dorische Mädchen in Sparta fast ganz wie der
Knabe erzogen wird und wie dieser in Luft und Licht sich des jungen
Lebens freut, die dorische Frau bei öffentlichen Festen erscheint, an
den freudigen und traurigen Ereignissen, welche dem Staate begegnen,
öffentlich lebhaften Antheil nimmt und von Mann und Sohn Achtung em-
pfangt, wird das jonische Mädchen in der Erziehung vernachlässigt und
die Frau eingeschlossen; die Sklaverei der Frauen im Oriente wirft ihren
Schatten von Ionien herüber nach Attika. So strenge das solonische
Gesetz die Rechte des Vaters gegen die Familie überhaupt und gegen
die Kinder wahrt, so verpflichtet es den Sohn doch nur dann zu der
Verpflegung des alten Vaters, wenn ihn dieser, etwas hatte erlernen
lassen. Bettelkinder sah man in Attika so wenig als in Sparta; das
Gesetz duldete den Müssiggang nicht, die Stadt beschäftigte jeden Bürger
und nöthigte ihn zur öffentlichen Arbeit, wenn derselbe sich nicht von
einem Grundstücke, von Handel oder Gewerbe ernährte. Oeffentliche
Arbeiten aber gab es genug; Athen war ja ein Handelsplatz, hatte
eine Seemacht, Festungswerke, öffentliche Gebäude, Spaziergänge, Haine
und Gärten. Gegen die Fremden zeigte sich Athen gastlicher als Sparta;
der Fremde konnte sich in Athen niederlassen (Metöke), Insasse werden
und ein Geschäft treiben, aber kein Grundeigenthum erwerben. Vor
Gericht mußte sich der Metöke durch einen Bürger vertreten lassen; das
Gesetz sicherte ihm Leben, Freiheit und Eigenthum, erschwerte überdies
die Aufnahme in das Bürgerrecht nicht gar zu sehr, ja viele Metöken,
besonders solche, deren Mütter Athenerinen waren, drängten sich in
großer Anzahl in das Bürgerrecht ein. Auch der Sklaven gedachte die
milde Weisheit des Solon; sein Gesetz schützte sie gegen Mißhandlung
und Mord. Der mißhandelte Sklave konnte zu dem Tempel des The-
seus flüchten, wo ihn sein Herr nicht wegreißen durfte, sondern ver-
kaufen mußte. Ein grausamer Herr behielt demnach keine Sklaven, weil
sie ihm alle in den Theseustempel liefen, und ohne Sklaven konnte ein
Athener kaum leben; denn wenn er an den Volksversammlungen theil-
nehmen wollte, oder ein Amt begleitete, so konnte er unmöglich den
gewöhnlichen Arbeiten viel nachgehen. Die Athener waren aber auch
im ganzen Alterthume wegen der Milde gegen ihre Sklaven berühmt
und man redete ihnen sogar nach, sie hätten dieselben frech gemacht.
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Karthago.
245
Eilftes Kapitel.
Karthago.
Als Pyrrhus Sicilien und Unteritalien räumte, sagte er: „welch*
schönen Kampfplatz lasse ich da den Römern und Karthagern!" Es
dauerte auch kaum zehn Jahre, bis die beiden größten Republiken des
Alterthums zusammenstießen. Karthago (d. h. Neustadt) war, wie
oben gesagt wurde, eine Kolonie des phönicischen Tyrus, ungefähr um
900 v. Ehr. angelegt, und hatte ursprünglich die tyrische Verfassung:
eine Aristokratie mit einem lebenslänglichen König. Eine mächtige Prie-
sterschaft aber mangelte Karthago, weil es eine Kolonie war, denn das
große Heiligthum war und blieb in Tyrus und bei demselben mußte
auch die Priesterschaft ausharren. Karthago wurde frühe selbständig;
die asiatischen Eroberer, welche Phönicien so oft heimsuchten, mögen be-
sonders dazu beigetragen haben, daß Tprus zuschauen mußte, wie seine
Kolonieen sich unabhängig machten, die auf der Nordküste Afrikas, wie
die in Spanien. Zuerst war Karthago Vorort der afrikanisch-phönici-
schen Städte: Utika, Groß- und Klein-Leptis, Hadrumet, Hippo u. s. w.,
verwandelte aber diese Hoheit allmälig in Herrschaft, wie es noch überall
geschehen ist, wo sich der Schwache mit dem Mächtigen verbündete.
Außerdem legte Karthago von der kprenäischen Gränze bis an die mau-
retanische viele hundert Städte an, welche in strenger Unterthänigkeit
gehalten wurden. In diese Kolonieen vereinigte es die libyschen Ein-
gebornen und schickte denselben aus seiner ärmeren Bürgerschaft einen
phönicischen Grundstock, welchen es mit Landbesitz ausstattete und mit der
Magistratur oder dem Ehrenrechte bekleidete; dadurch erreichte es einen
doppelten Zweck: erstens entledigte es sich armer Bürger und machte
sie reich, zweitens mußten diese der Mutterstadt treu bleiben, wenn sie
sich in ihrem Besitz und Vorrecht erhalten wollten. Ein Theil der liby-
schen (eingebornen) Bevölkerung blieb unvermischt mit den Phöniciern
und trieb Ackerbau, ein anderer Theil wurde landeinwärts gedrängt und
führte ein unabhängiges Nomadenleben, blieb jedoch von dem Einflüsse
der Karthager in keiner Weise frei; denn Fürsten und Häuptlinge der
Libyer vertauschten das Zelt mit festen Städten und Burgen, heiratheten
adelige Töchter aus Karthago und geriethen in eine Bundesgenossenschaft,
welche sich oft von der Unterthänigkeit nicht viel unterschied. Diese
Stämme waren für Karthago von großer Wichtigkeit; sie waren Ab-
nehmer seiner Fabrikate, lieferten ihm die Produkte ihrer Jagd und
Viehzucht und ihre Karawanen vermittelten den Handel Karthagos mit
dem innern Afrika. Besonders war es der Stamm der Nasamonen,
welcher im Dienste des karthagischen Handels die Sahara durchzog und
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