Sparta. Verfassung des Lykurg.
97
Fünftes Kapitel.
Sparta.
Verfassung des Lykurg (? 800 v. Chr.).
Unter den vielen griechischen Völkerschaften und Städten, welche
in Freundschaft und viel öfter in Eifersucht und Fehde neben einander
lebten, ist die dorische Stadt Sparta im Peloponnes zuerst zu großer
Macht und Ehre gelangt. Die dorischen Einwanderer bemächtigten sich
der ganzen Halbinsel sehr langsam, im Laufe mehrerer Jahrhunderte,
da sie nicht sehr zahlreich waren und die Achäer in ihren Festungen
hartnäckigen Widerstand leisteten. Daher mußten die Spartaner (Spar-
tiaten) beständig in kriegerischer Bereitschaft stehen, weil sie vor einem
Angriffe der noch freien Achäer oder einem Aufstande der unterworfenen
nie sicher waren. Dies erhielt zwar den kriegerischen Geist wach und die
Waffen in beständiger Uebung, war aber nicht geeignet die angeborene
Härte zu mildern, welche alle dorische Stämme gegen Nachbarn und
Besiegte übten. Ehe noch die Eroberung Lakoniens durch die Spartaner
ganz vollendet war, wurden diese durch langjährige Unruhen ermüdet,
bis ein Mann aus königlichem Geschlechte, Lykurg (wir wissen von seinen
Lebensumständen nichts, selbst nicht genau, wann er lebte, zwischen
1000 und 600 v. Ehr.), die zerrüttete Verfassung wieder herftellte und
durch neue Gesetze so ausbildete, daß sie zu den wunderbarsten Einrich-
tungen gehört, welche je auf der Erde bestanden haben. Er wollte, daß
die Spartaner ihre eroberte Heimath behaupten, frei sein und frei blei-
den sollten; deßwegen mußten sie arm, kriegskundig und todesverachtend,
den Gesetzen getreu und Obrigkeiten und Eltern gehorsam leben und
jede fremde Beimischung ferne halten. Darauf zielen alle Einrichtungen
der lykurgischen Verfassung, die jeder Spartaner kennen und auch ihrem
Zwecke nach verstehen mußte.
Die ganze Landschaft (mit dem später eroberten und vertheilten
Messene ungefähr 150 Q.-M. groß, kein Drittheil größer als der Kanton
Bern) wurde in 39,000 Stücke (Kleren) getheilt, wovon 9000 auf
die Spartaner kamen, 30,000 den unterworfenen Achäern blieben
(den P e r i ö k e n); die zu Sklaven gemachten Achäer, die Heloten,
erhielten kein Grundeigenthum. In der eigentlichen Stadt, die sich aus
vier neben einander liegenden Dörfern: Pitaña, Mesoa, Kynosura und
Limne gebildet hatte, wohnte der dorische Adel (die Spartiaten), die
Gleichen genannt, zu allen Aemtern befähigt. Die Periöken (die eigent-
lichen Lakedämonier) bewohnten die offenen und befestigten Flecken des
Landes, die Heloten saßen auf den Kleren der Spartiaten, oder folgten
Bumüller, Gesch. d. Alterth. 7
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132 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
Familien, hatten die ganze Staatsgewalt in Händen; ihnen waren die
kleineren Besitzer so verschuldet, daß sie einen bedeutenden Theil des
Ertrags von deren Gütern (sie klagten, fast allen Ertrag) als Zins
empfingen; ganz Attika glich also einem großen Landgute, welches
von Pächtern und Sklaven für die Eupatriden bearbeitet wurde. Die
kleinen verschuldeten attischen Bauernbürger hätten sich wahrscheinlich
aus ihrem bisherigen Zustande nie aufgerafft, wenn die Küstenbewohner,
die unruhigen Seeleute, nicht gewesen wären; diese fachten die Un-
zufriedenheit zu wilden Ausbrüchen an, so daß zuletzt die Eupatriden
gerne einwilligten, die Solonische Verfassung als eine Art Vergleich
hinzunehmen. Die Aussöhnung dauerte jedoch nur kurze Zeit; die
Tyrannen aus dem Hause des Pisistratus drückten auf die Eupatriden
und zuletzt auf das gemeine Volk; nach ihrer Vertreibung begann der
Kampf zwischen Aristokratie und Demokratie mit erneuerter Erbitterung.
Aber trotzdem, daß Sparta die Aristokratie unterstützte, wurde Isagoras
Unternehmen, die dorischen Formen den Athenern aufzuzwingen, durch
die Volksmassen vereitelt und Klisthenes zerbrach durch seine Zehntheilung
der Phylen das gemeinsame Einwirken mehrerer aristokratischer Familien
auf die ärmeren Genossen der Phratria und zerstörte damit die ange-
erbte Gewöhnung des ärmeren Bürgers, auf die Worte seiner ange-
sehenen Stammgenossen zu hören, deren Väter und Vorväter mit den
seinigen, wenn auch öfters uneinig, doch immer wieder versöhnt zu-
sammengelebt, berathen, geopfert und gestritten hatten. In den Perser-
kriegen wurde die Kraft jedes einzelnen Bürgers so stark als möglich
angespannt; die Bürgergaben wurden zu dem Bau der Kriegsschiffe
verwandt, der Arme wie der Reiche leistete so viel er konnte. Sonst
wurde die Flotte besonders durch die armen Bürger bemannt, bei
Salamis aber fochten Arm und Reich hinter den hölzernen Mauern,
das Haus des Armen wie des Reichen war durch den Feind in Flam-
men aufgegangen; in das Feld bei Platää zogen Arm und Reich und
kehrten als Sieger zurück, alle hatten gleichviel gethan und gleichviel
gelitten, alle mit einander Athen gerettet und vor ganz Griechenland
verherrlicht, wie konnte man nach den Tagen von Salamis und Platää
noch einem athenischen Bürger gleiche Rechte verweigern? Deßwegen
wurde auf den Antrag des Aristides, eines Eupatriden, vor den Männern
der vierten Klaffe die Schranke friedlich hinweggeräumt, welche sie bis-
her von den Aemtern ausschloß, und ihnen volle Bürgerehre gegeben.
Nach dem Entscheidungskampfe gegen Xerreö verfolgte Athen mit dem
Aufgebot aller Kraft den großen Gedanken, alle griechischen Städte auf
den Znseln und an den Küsten des Perserreiches zu befreien, während die
Spartaner sich mit der Abwehr des Feindes begnügen und die asiatischen
Griechen in Europa ansiedeln wollten, wo sie ihnen Raum genug durch
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Extrahierte Personennamen: Isagoras
Extrahierte Ortsnamen: Europas Asien Attika Sparta Salamis Griechenland Salamis Aristides Athen Europa
240
Die Römer.
mit sich, wo immer sie angelegt wurde, und ebenso das römische Recht.
Der Kolonist war römischer Bürger, konnte aber von seinem Stimm-
rechte in der Regel keinen Gebrauch machen; er bezahlte Kopfsteuer
und Grundsteuer (der Staat hatte ihm von seinem Eigenthume verliehen,
der Kolonist war demnach Lehensmann des Staates), wenn die Kolonie
nicht ausdrücklich befreit war (das jus iialicum gewährte Befreiung
von der Grundsteuer, das jus immunitatis gänzliche Steuerfreiheit),
konnte aber nur dann römische Staatsämter begleiten, wenn er freien
Grundbesitz in Italien hatte. Die Kolonieen waren ein Hauptmittel,
durch welches das republikanische Rom seine Eroberungen festhielt und
die Einwohner an römische Sprache, Sitte und römisches Recht gewöhnte.
Kein Wunder, daß Fregellä die Samniter ärgerte; sie unterstützten da-
her insgeheim kampanische Städte, z. B. Neapolis, welche den Römern
Trotz boten, und diese erklärten den Krieg. Er wurde grimmig; Pa-
pirius Kursor und Q. Fabius Marimus brachten den Sammlern blutige
Niederlagen bei, aber 321 erlitten die Römer einen großen Unfall. Beide
Konsuln drangen nämlich in das samnitische Gebirge vor, wurden jedoch
von dem samnitischen Feldherrn Pontius in den Engpässen von Kaudium
eingeschlossen. Die Römer suchten mit verzweifelter Anstrengung durch-
zubrechen, sie opferten ihre besten Soldaten, allein sie mußten endlich
den Kampf aufgeben und ihr Schicksal von den Samnitern abwarten.
Pontius ließ seinen greisen Vater fragen, was er mit den eingeschlos-
senen Römern anfangen solle und dieser ließ zurücksagen: „tödte alle!"
Das schien dem Sohne zu hart, er fragte zum zweitenmale an; „laß
sie alle ziehen," war die Antwort. Das gefiel dem Pontius abermal
nicht und er wählte einen Mittelweg: die Konsuln beschworen einen
Frieden, wodurch Rom seine Eroberungen in Kampanien aufgab; 600
Ritter blieben als Geisseln zurück, das Heer aber mußte durch den Ioch-
galgen abziehen. Ein solcher Galgen bestand aus drei Lanzen, zwei
waren in den Boden gesteckt und eine dritte quer übergebunden. Zuerst
gingen die Konsuln und Hauptleute durch, dann folgte das ganze Heer
Mann für Mann, halb nackt, niedergeschlagenen Blickes. (Im Mittel-
alter ließen die Deutschen einen Feind, der sich auf Gnade ergeben hatte,
in bloßem Hemde, mit einem Stabe in der Hand, abziehen.) Das war
in Italien die größte Schmach, welche einem besiegten Heere angethan wer-
den konnte, und so war noch kein römisches heimgekehrt! Spät Abends
betraten die Schandbedeckten die Stadt, versteckten sich in ihre Häuser
und keiner ließ sich sehen. Ueberall war Trauer, aller Schmuck wurde
abgelegt, keine Gerichtssitzung mehr gehalten, die ganze Stadt schien
ausgeftorben. Der Senat aber trat zusammen und erklärte den mit
den Samnitern geschlossenen Frieden für ungiltig, weil die Konsuln ohne
den Senat keinen Frieden abschließen könnten. Die unglücklichen Feldherrn
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Extrahierte Personennamen: B._Neapolis
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Rom Kampanien Italien
S. Tullius, Tarquinius Superbus. Veränderungen in Rom.
215
4. Von den Plebejern waren ursprünglich die Klienten verschieden.
Sie gehörten gleichsam zur Familie der Patricier; der Miente erhielt
von seinem Patronus Feld zum Anbau; davon entrichtete er eine Ab-
gabe, gab Beitrage zur Ausstattung der patricischen Töchter und hatte
seinen Antheil an den Freuden und Trauerfällen seiner Patricierfamilie.
Sein Patronus vertrat ihn vor Gericht, der Kliente aber begleitete seinen
Herrn in das Feld und auf das Forum und war ihm zur Treue ver-
pflichtet; ein Bruch derselben galt als eine impietas, als Verletzung der
Familien- und Bürgerpflichten. Die Klienten verschmolzen im Laufe
der Zeit mit den Plebejern und waren die Hauptftärke der Patricier
in ihren Streitigkeiten mit den Plebejern.
Servius Tullius theilte die Stadt in vier Bezirke (regiones) und
das Land in sechsundzwanzig; die jeder Region angehörigen Plebejer
bildeten einen Tribus. Die städtischen Bezirke waren in vici (in unfern
mittelalterlichen Städten Viertel, wenn die Vierzahl auch überschritten
war z.b. erstes bis zehntes Viertel), die ländlichen in pagi eingetheilt, was
man Untergemeinden oder Zünfte nennen kann, wenn die alte Bedeutung
des Wortes Zunft festgehalten wird; die in den pagi, den Landzünften, an-
sässigen Plebejer hatte Servius Tullius vor seiner Eintheilung mit Grund-
besitz ausgestattet. In der Stadt selbst wohnten regelmäßig nur die Hand-
werker und Gewerbsleute; die reichen und vornehmen Bürger dagegen
brachten die meiste Zeit auf ihren Gütern zu und bauten das Feld, denn
der Ackerbau galt in dem alten Italien als das ehrenvollste Geschäft.
Von dieser Eintheilung der Plebejer nach der Oertlichkeit (vergl.
die solonische Eintheilung der Athener) war die bürgerliche Eintheilung
des gesammten freien Volkes zum Behufe der Besteuerung und des Kriegs-
dienstes eine ganz verschiedene. Die Grundlage dieser Eintheilung bil-
dete das Vermögen; nach ihr zerfiel die Bürgerschaft in sechs Klassen,
und die Klassen in Centurien (Hundrede in alemannischer Übersetzung,
ohne daß die Zahl 100 als feftgehalten zu denken ist), die Centurien
selbst theilten sich in die der Zungen und Alten nach der Hälfte.
Die 1. Klasse mußte besitzen 100,000 Asses (2132 Thaler) und zählte
98 Centurien. Zn die erste Klasse gehörten die sechs patricischen und
zwölf plebejischen Centurien der Ritter.
Die 2. Klasse mußte besitzen 75,000 Asses (1600 Thl.) u. hatte 22 Cent.
3. „ * tr i/ 50,000 „ (1066 Thl.) „ „ 20 „
4. „ // // 25,000 „ (533 Thl.) „ „ 22 ¡r
5. „ r/ n 11,000 „ (266 Thl.) „ // 30 „
6. „ mit und über 1500 Asses begriff die accensi und velati.
mit 375 Asses und darüber die proletarii, und unter 375 Asses die
capite censi (nach dem Kopf gezählt) ; die ganze Klasse hatte 1 Cent.
Zm ganzen also 193 Cent.
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Tiberius und Kajus Gracchus. 275
Hause zu Aemtern gelangte; ein solcher (homo novus) galt ihnen als
kecker Eindringling. Ohnedies konnte ein armer Mann kaum mehr zu
Aemtern gelangen; seit dem ersten punischen Kriege mußten die Aedilen
die Festspiele selbst bezahlen und da die Kosten sich sehr hoch beliefen, so
war für alle weniger Begüterte eine Schranke vor den Staatsämtern
aufgerichtet. Die Nobiles aus den plebejischen Familien kümmerten sich
so wenig um das licinische Ackergesetz als die aus den patricischen,
sie okkupierten wie diese und kauften die kleinen Güter zusammen, um
daraus ein großes Familiengut zu bilden. In Rom stehen also nicht
mehr Patricier und Plebejer einander gegenüber, sondern das gemeine
und arme Volk den reichen Familien der Nobiles. Armes Volk gab
es nach den großen Kriegen in Nom so gut als vor denselben, ja
noch mehr, denn die Kriegsbeute macht den gemeinen Soldaten nie
reich, wohl aber verschwenderisch, und wenn er aus einem vieljährigen
Kriegsleben zurückkommt, so befreundet er sich selten mehr mit den
Geschäften des Landbaues und der Werkstätte. Das gemeine Volk hatte
sich aber verändert wie das vornehme; der gemeine Soldat hatte in
Asien und Griechenland gelernt wie der Feldherr, und er trat ungerne
in das armselige Plebejerleben zurück. Er hielt sich lieber in der Stadt
auf als auf dem Lande, und in die Stadt strömten auch diejenigen, die
ihr kleines Gut verkauften oder verloren, denn in der Stadt gab es
Verdienst, gab es Versammlungen, Festspiele und — Spenden. Die
Herren nämlich, welche Aemter suchten , erhielten dieselben durch das
Stimmenmehr der Bürgerschaft, und von dieser bildete das gemeine
Volk einen beträchtlichen Theil; diesem machte man nun Geschenke, theilte
Geld oder Lebensmittel aus oder bereitete ihm Freude durch Schauspiele
nach seinem Geschmacke. Und gerade bei der müßigen Bevölkerung der
Stadt griff der Gedanke die tiefsten Wurzeln, daß der Römer zu etwas
Besserem da sei, als daß er den Karst und das Grabscheit zur Hand
nehme, wenn er eben das Schwert weggelegt habe. Das ging noch an,
so lange man mit den hartnäckigen Sabinern und Galliern kämpfte und
auf italienischem Boden stand, aber seit alle Länder ringsum zinsbar
wurden, schien es dem gemeinen Manne billig, daß er auf Kosten der
eroberten Welt erhalten werde und die Unterworfenen für ihn ar-
beiteten. So verlangte das gemeine Volk seinen Antheil an der großen
Beute und um so heftiger, je mehr es den Reichthum und die Pracht
der Vornehmen anschwellen sah; je mehr diese die alte einfache Sitte
verließen, um so weniger hielt auch das Volk in der Stadt an derselben
fest, denn das Beispiel der Vornehmen reißt die Gemeinen immer mit
sich fort, und wenn sie ihnen nicht nachmachen können, so greifen Un-
zufriedenheit, Neid und Zorn um sich. Das gemeine Volk war damit
nicht zufrieden, wenn es bald von dieser, bald von jener vornehmen
18*
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Kajus_Gracchus
Tiberius und Kajus Gracchus.
277
führung dieser Gesetze sollte eine Kommission von drei Männern er-
wählt werden, die zugleich anszuscheiden hätten, was bei den großen
Gütern Privatbesitz wäre und was ursprünglich dem Staatsacker ange-
hörte. Aber gerade diese Ausscheidung war eine Unmöglichkeit. Seit
Jahrhunderten war keine Kontrole über den alten Staatsacker geführt
worden, daher konnte der Nachweis nur bei neueren Erwerbungen ge-
liefert werden; zwar besaßen die Patricier ursprünglich nur Staatsackcr,
den ihre Klienten anbauten, aber die Klientel selber hatte sich von Grund
aus geändert und konnte für keine Familie mehr als Maßstab des ok-
kupierten Staatsackers angesehen werden; seitdem Plebejer und Patricier
gleichberechtigt geworden, hatten auch plebejische Familien von dem Staats-
acker erworben, erheirathet und ererbt, so daß plebejischer Besitz so wenig
ein Merkmal von Privateigenthum, als patricischer ein Kennzeichen
von okkupiertem Grundbesitze war. Auf den alten aus Staatsländereien
entstandenen Gütern waren zum Theil verschiedene Gebäude errichtet,
es waren auf diese Grundstücke Schulden kontrahiert worden — kurz,
man hatte sie als Privateigenthum behandelt. Das Gesetz des Gracchus
besagte also in der That nichts mehr und nichts weniger als: die
großen Grundeigenthümer geben von ihrem Landbesitze den größten
Theil heraus und werden dafür auf Staatskosten entschädigt, das ab-
getretene Land aber wird in kleinen Stücken unter die armen Bürger
vertheilt. Diese mußten sich natürlich des gracchischen Gesetzes freuen;
die großen Grundbesitzer hingegen, die Nobiles von patricischer und
plebejischer Herkunft, konnten nicht anders als im höchsten Grade er-
bittert werden, sonst wären sie keine Menschen, welche an Ehre und Gut
hängen, sondern Geschöpfe höherer Natur gewesen. Zudem bildete der
Grundbesitz die Grundlage ihres Vermögens; nun wäre ihnen derselbe
geschmälert worden, im Laufe der Zeit hätte er sich durch Erbtheilung
zerstückelt und so hätte der Abel nothwendig verarmen müssen, da der
Kapitalbesitz gar leicht verloren oder verschleudert werden kann, während
der Grundbesitz immer sicher bleibt. Der Adel glaubte also einen
Kampf für seine Eristenz wagen zu müssen und bot nun alle Mittel
auf. Zuerst gingen beide Theile auf dem gesetzlichen Wege. Ein Tribun
Oktavius setzte dem Gracchus sein veto entgegen und ließ sich nicht
umstimmen weder durch Bitten noch durch Drohungen; dafür hinderte
Gracchus durch sein veto den Gerichtsgang und versiegelte die Schatz-
kammer. Durch den Widerstand erbittert ließ er bei seinem zweiten
Vorschläge die Klauseln zu Gunsten der Inhaber von Staatsland weg;
Oktavius hinderte die Abstimmung. Die Aufregung des Volkes wurde
drohend und Gracchus ging in den Senat, um mit demselben die nö-
thigen Maßregeln zur Sicherheit der Stadt zu berathen, allein der Senat
hörte ihn gar nicht an. Er eilte in die Volksversammlung zurück und
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Kajus_Gracchus
320
Das Reich der Cäsaren.
Kriege brachte Marcellus aus dem eroberten Syrakus eine Menge Kunst-
werke nach Rom, und wenn der Zerstörer Korinths, Mummius, den
Werth der Bilder aus Stein und Erz nicht besser zu tarircn wußte
als ein marsischer oder umbrischer Soldat, so schickte er doch einen tüch-
tigen Transport derselben nach Rom, wo es also Leute geben mußte,
welche auf solche Sachen einen sehr hohen Werth legten. Es ist wirk-
lich überraschend, wie schnell die gebildeten oder vornehmen Römer Kunst-
freunde und Kunstkenner wurden; schon zur Zeit des Sulla gehörten
Kunstwerke griechischer Meister zu den begehrtesten Schätzen, und Verres,
der Erpresser in Sicilien, welchen Cicero anklagte, griff nach ihnen mit
gleicher Gier wie nach den edeln Metallen. Durch die Statthalter in
den griechischen Provinzen wurden vielleicht ebenso viele Meisterwerke
den Eigenthümern weggeuommen oder abgezwungen, als durch Eroberung
und Kauf nach Rom kamen. Denn eigentliche Künstler wurden die
Römer nie; in den guten Zeiten der Republik nahm die Sorge für
Staat und Stand Patricier und Plebejer in Krieg und Frieden, letztere
auch die Anstrengung für ihr Hauswesen zu sehr in Anspruch, als daß
sie mit der Kunst sich hätten befreunden können; zudem hatte keines
der italienischen Völker, mit welchen die Römer zu thun bekamen, selbst
die Tusker nicht ausgenommen, sich in jenen Richtungen so weit ent-
wickelt, um den stahlharten politischen Geist der Römer dadurch zu
mildern; sie lernten von den Tuskern wahrscheinlich in der Baukunst,
welche durch ihren unmittelbaren Nutzen dem praktischen Römer'zusagte
und die er großartig weiter bildete, ebenso in den Geschäften des Feld-
baues, in welchen die Tusker Meister waren. Als durch die Schätze
Asiens die römischen Patricier sich von der einfachen und strengen Lebens-
weise ihrer Vorfahren abbringen ließen, so gewannen sie gleichzeitig
Geschmack an der griechischen Kunst und eigneten sich deren Schätze an,
wie sie die Neichthümer der Provinzen ausbeuteten. Vornehme Kunst-
freunde und Kunstkenner gab es bald in Menge, aber der römische Adel
erzeugte keine Künstler aus seiner Mitte (wie der Adel überhaupt nie;
sein Element ist Krieg und Politik, und entzieht er sich diesen, so stirbt
er ab), die römische Plebs wurde aber nur roher, begehrlicher und
niederträchtiger; sie verachtete den Stand des Handwerkers, aus dem
der Künstler erwächst, und suchte ihre Freude bei den Nennspielen,
Thier- und Gladiatorenkämpfen u. s. w., für welche der Staat oder
die Vornehmen sorgten. Das Meiste noch wirkte die griechische Kunst
auf den Handwerkerstand in den Provinzen; die verschiedenen Geräthe,
sowohl die zum Schmucke als die zu dem Bedarf und der Bequemlichkeit
des Hauses gehörigen, wurden bei den Römern ebenso zweckmäßig als
schön gearbeitet, wofür die Ausgrabungen in Pompeji das vollkommenste
Zeugniß ablegen.
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Extrahierte Personennamen: Marcellus Sulla
Extrahierte Ortsnamen: Syrakus Rom Rom Sicilien Rom Asiens Pompeji
Konstantins Söhne.
373
Der kaiserliche Hof hatte alle nur möglichen Beamtungen, die aus
der Vereinigung morgenländischer und abendländischer Form entstehen
konnten, auch blieben alle Gewohnheiten und Vorschriften des Despo-
tismus, wie derselbe sich durch die Vergötterung der Cäsaren ausgebildet
hatte, namentlich die Heiligung des Kaisers und alles desjenigen, was
ihm gehörte. Auch wurden die Beamtuugen des Reichs ungemein zahl-
reich und genau gegliedert, so daß Konstantins Monarchie das voll-
kommenste Muster eines Beamtenstaats war, wie vielleicht noch keiner
mehr entstanden ist. Die Titulaturen waren größtentheils die bis auf
unsere Zeit gebrauchten; es gab illustres, speotubiles, elurissimi,
xerteotissimi, e^re^ii u. s. w.
Daß ein ungeheurer Steuerdruck auf der Bevölkerung des Reiches
lastete, ist schon mehrmals gesagt worden; der Hof, die Armeen, die
Beamtungen kosteten ungeheure Summen, während die Hilfsquellen mehr
und mehr versiegten. Zu den alten Steuern kamen immer neue, und
die Negierung eignete sich endlich noch das Monopol der Seiden- und
Linnenmauufaktur an. Zum Behufe der Grundsteuer wurde alle fünf-
zehn Zahre das Vermögen des Bürgers abgeschätzt und für diese ganze
Periode festgesetzt (indictio); die Gewerbsteuer wurde alle vier Zahre
revidiert. Durch den Steuerdruck und die Einfälle der Barbaren ver-
armten Städte und Landvolk; letzteres wurde größtentheils zu unfreien
Kolonen, weil es sein Eigenthum verkaufen mußte, das es fortan als
Zinsbauer des Gutsherrn bearbeitete. Die Steuererhebung erfüllte
jedesmal das Reich mit Wehklagen. Zn den Städten mußten die De-
kurionen mit ihrem Vermögen für den Steuerbetrug haften, dafür wurden
ihnen aber auch die gesummten Gemeindeämter eingehändigt, so daß unter
der Despotie eine allgemeine Gemeindearistokratie aufkam. Zede bürger-
liche Freiheit verschwand; nur die Kirche, dem Despotismus gegenüber
die einzige selbständige Macht, behauptete auf ihrem Gebiete die ihrige.
Konstantin rüstete sich zu einem großen Feldzuge gegen die Perser,
als ihn den 22. Mai 337 der Tod in Rikomedien überraschte; er war
im 56sten Jahre seines Alters und hatte sich kurz vor seinem Ende noch
taufen lassen.
Konstantins Söhne (337—361).
Deren waren drei: Konstantin, Konstans und Konstantiuö, unter
welche der Vater das Reich getheilt hatte; der erste erhielt die Prä-
fektur Gallien, der andere die von Italien und Jllyrikum, Konstantius
den Orient. Bald geriethen die Brüder in Streit; Konstantin wollte
dem Konstans Italien entreißen und verlor in der Schlacht von Aqui-
leja das Leben (340). Zu gleicher Zeit fielen die Franken ein, welchen
Konstans Holland, Belgien und das nördliche Gallien überließ. Im
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Extrahierte Personennamen: Konstantins_Söhne Konstantin Konstantin
Die Einrichtung der neuen Reiche.
21
Angelsachsen und Alemannen); wo ehemals römische Städte erhalten
blieben, scheint auch die römische Städteverfassung fortgedauert zu haben.
Zu den unfreien Dienftleuten gehörten ursprünglich auch die Mi-
nisterialen, denen entweder ein Dienst um die Person des adeligen
Herrn oder ein besonderer Kreis von Geschäften angewiesen war. Aus
ihnen nahm der Herr in der Regel den Verwalter (Major) seiner
Güter, aus ihnen bildete er sein Hofgesinde dem königlichen nach (Schenk,
Kämmerer je.), und mit der Zeit erhielten sie immer mehr Ehre, so daß
ans ihnen hauptsächlich der niedere Adel hervorging. Der Ausdruck
Ministerialis bezeichnete deßwegen in späterer Zeit einen Freien oder
Edeln, der irgend ein Amt oder einen bestimmten Dienst hatte.
Zu den eigenthümlichen germanischen Einrichtungen gehört nament-
lich das Lehenwesen (Feudalwesen, Vasallenthum). Der König gab von
seinen eigenen Gütern einem Adeligen oder Freien ein solches als Lehen
(von leihen; beneficium, feudum), d. h. er überließ ihm die Nutz-
nießung desselben, wogegen sich dieser durch Eid (homagium, hominium,
vassaticum, fidelitas) verpflichtete, den Lehensherrn mit Rath und
That im Frieden und Krieg zu untehlützen; der Bruch des Lehenseides
hieß Felonie. Ebenso übernahmen Freie von Adeligen Lehen und damit
die gleiche Verpflichtung gegen sie. Wollte der Lehensherr nach dem
Tode des Lehensträgers sich dessen Sohn auf gleiche Weise verpflichten,
so mußte er ihm auch das väterliche Lehen übergeben und es ist deß-
wegen begreiflich, daß sich die Erblichkeit der Lehen schon frühe zu ent-
wickeln begann. Da der Lehensträger den Schutz des Lehensherrn genoß,
so übergaben in unruhigen anarchischen Zeiten gemeine Freie ihre
Güter dem Könige oder einem geistlichen oder weltlichen Herrn und
ließen es sich von demselben wieder als Lehen übertragen; dadurch
kamen sie in den Schutz desselben, verpflichteten sich aber auch zum Kriegs-
dienste und in der Regel auch zu einer bestimmten Abgabe; in späterer
Zeit waren die Männer äußerst selten, welche sich rühmen konnten „sie
haben ihr Gut allein von Gott und der Sonne." (Lehen im weiteren
Sinn des Wortes, feudastra, waren und sind theilweise noch Bauern-
lehen, Erb-, Erbzinslehen, Kolonate.)
Damals gab es noch sehr wenige Burgen, und die adeligen Herrn
wohnten größtentheils auf ihren Gütern in großen hölzernen Häusern,
um welche zunächst die Oekonomiegebäude standen. Die Viehzucht war
wichtiger als der Ackerbau, wie es bei jedem halbcivilisierten Volke
der Fall ist. Waldungen bedeckten den größten Theil des Landes,
daher war die Schweinezucht sehr bedeutend und Wild im Ueberfluß
vorhanden.
Ein Hauptvergnügen der Herren war die Zagd; sie hatten ver-
schiedene Arten von Jagdhunden, die in den Gesetzbüchern theilweise zu
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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22 Das Christenthum unter den Germanen und Slaven.
sehr hohem Werthe angesetzt sind; sie hielten auch gezähmte Hirsche,
selbst Bären, verschiedene Vogel, namentlich Jagdfalken. Die Lebens-
weise der höhern und nieder« Stände war noch so ziemlich dieselbe,
wie sie Tacitus beschreibt, obwohl die römische Kunst das Leben zu ge-
nießen sich bereits in einzelnen Zügen äußert.
Die Landesverfassung.
Jedes deutsche Volk dieser Zeit hatte Könige oder Herzoge an
seiner Spitze, deren Würde in ihrem Geschlechte forterbte, jedoch nicht
ohne die Wahl oder wenigstens die Zustimmung der Freien. Waren
mehrere Söhne da, so theilten sie sich bei den Franken nicht nur in
das Gut, sondern auch in die Würde des königlichen Vaters, so daß
das Königreich in mehrere Königreiche zerfiel; dies war theilweise auch
bei den Angelsachsen der Fall, sonst fänden wir nicht z. B. zeilenweise
zwei Könige in Mercia, in Kent re. Bei anderen Völkern erhielt jeder
königliche Prinz seine Apanage in Land und Leuten, die er unter der
Oberhoheit des Königs regierte; denn es gab damals fast kein anderes
Einkommen als das von Grundbesitz, und keinen Rang als den mit
einer wirklichen Herrschaft verbundenen; diese Theilungen sind die Ur-
sache der vielen Bruder- und Verwandtenmorde in den attgermanischen
Herrscherhäusern, der vielen Empörungen und Verräthereien.
Das Einkommen des Königs bestand in dem Ertrage seiner Güter,
welche von Hörigen oder Leibeigenen bebaut und von Meiern verwaltet
wurden. Standen die Güter unter einer schlechten Verwaltung oder
waren die meisten als Lehen fortgegeben, so konnte es wohl geschehen, daß
der König darbte. Zn den königlichen Schatz stoßen ferner die Abgaben
der römischen Provinzialen von Grundstücken, Personen und Erbschaften;
ferner Konfiskationen und Strafgelder, die Geschenke der Adeligen und
Freien, die Zölle; dem Könige gehörte endlich auch das Münzregal.
Bei den Frankenkönigen war der Hofstaat sehr beträchtlich und
wurde für andere Könige das Muster. Die Umgebung des Königs be-
stand aus Adeligen, welche auch die ersten Hofämter verwalteten: der
Kämmerer (Oudieularius, Camerarius, Thesaurarius) besorgte den
königlichen Hofhalt; der Marschall beaufsichtigte den königlichen Pferde-
stall; der Seneschall oder Truchseß (Dapifer) versorgte den königlichen
Tisch, der Schenk (Pincerna, Buticularius) hatte den Trunk beizu-
schaffen; der Kanzler (Cancellarius), in der Regel ein Geistlicher (da-
her auch Archicapellanus genannt), war der königliche Geheimerath
und fertigte die königlichen Urkunden aus. Der Großhofmeister, Haus-
meier (Majordomus regiae), vertrat im Kriege die Stelle des Königs
und war oberster Verwalter von dessen Besitzungen.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend]]
TM Hauptwörter (200): [T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]