432 Die neue Zeit.
rische Lehre bekennen dürfen, protestierten sie zngleich dagegen, daß sie diejenigen von ihren Unterthanen, welche bei der alten Lehre bleiben wollten, ungestört lassen sollten. Insbesondere erklärten sie, sie könnten nie zugeben, daß ihre Unterthanen die Messe anhörten. Sie verlangten also Freiheit für sich und zugleich das Recht, gegen die katholischen Unterthanen Gewalt anwenden zu dürfen. Fortan mußte sich die Religion der Unterthanen nach der Religion des Landesherrn richten, und ein Religionswechsel des Fürsten zog jedesmal einen gewaltsamen Religionswechsel der Unterthanen nach sich. So mußten z. B. in der Pfalz die Unterthanen in kurzer Zeit viermal die Religion wechseln, zuerst lutherisch, dann reformiert, dann wieder lutherisch und wieder reformiert werden, je nachdem die gebietenden Herren lutherisch ober reformiert waren. Wo aber ein katholischer Fürst die katholische Kirche wieberherftellte, ba schrie man über Glaubenszwang und Gewissenstyrannei.
8 158.
Die Reformation tu der Schweiz.
437) Zu gleicher Zeit mit Luther hatte Ulrich Zwingli, Pfarrer in Zürich, die Heilige Schrift als die alleinige Quelle des Glaubens erklärt und war deshalb mit feinem Bischöfe in Streit geraten. Aber der Große Rat in Zürich nahm sich seiner an, und unter dessen Schutze wurden nicht nur dieselben Neuerungen eingeführt, wie in Sachsen, sondern Zwingli ging noch weiter als Luther. Er leugnete sowohl das Opfer der heiligen Messe als auch die Gegenwart Jesu Christi im heiligen Sakramente, welche Luther noch neben dem 33roje znließ. Das Brot und der Wein waren ihm nichts als Sinnbilder, welche nur das Fleisch und Blut Christi bedeuten und an Christi Tod bloß erinnern sollten. Darüber geriet er mit Luther in Streit, der „die Sakrameutierer", wie er Zwingli und seine Anhänger nannte, für „Erzteufel" erklärte. Jeder erblickte in dem andern den Antichrist, und beide überschütteten einander mit denselben Schmähungen, mit denen sie Papst und Bischöfe überhäuften. Wie in Sachsen, so wurde auch iu Zürich die neue Lehre mit Gewalt eingeführt. Die Klöster und die Ehelosigkeit der Priester wurden aufgehoben, und das Abendmahl unter beiden Gestalten, und zwar mit gewöhnlichem Brote, ausgeteilt. Das Beispiel Zürichs, welches die Kirchengüter und die kostbaren Kirchengerätschaften einzog, und die evangelische Freiheit, welche weder Fasten noch guter Werke bedurfte, wirkte auch auf andere Kantone. Basel und Bern ahmten Zürich zuerst nach und verfuhren mit gleicher Gewaltthätigkeit gegen die, welche der alten Kirche treu bleiben wollten. Es entstand ein Krieg zwischen Zürich und Bern und den katholischen Kantonen,
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§ 190. Die Schweiz. 519
Dienste und zwar in den französischen Religionskriegen sogar Schweizer gegen Schweizer.
524) Auch die Sekten verursachten in den Schweizer Kantonen, welche sich von der Kirche getrennt hatten, Unordnungen und fanden blutige Unterdrückung. Besonders waren es die Wiedertäufer, welche sich von Walds Hut aus über die Schweiz verbreiteten. Auch der Bauernkrieg fand in der Schweiz feine traurige Fortsetzung. Die von Luzern abhäugigeu Eutlibucher und die zu Bern gehörigen Emmenthal er thaten sich zusammen, um ihre alten Rechte zu wahren, welche sie vou den Städten verletzt glaubten. Zn Snmiswald im Bernischen stifteten sieden Bund aller Bauern. Aber Bern 1653. und Luzern erhielten Hilfe von Zürich, und bei Wohlen-schwyl am Zürcher See wurdeu die Bauern geschlagen. Die Patrizier, welche mit den Schweizerbauern nicht besser umgegangen waren als die deutschen Herren mit den ihrigen, übertrafen die letztem nach Unterdrückung des Aufstandes noch in der Grausamkeit. Unter den andern innern Streitigkeiten ist noch der Toggenbnrger Handel hervorzuheben, der mit dem Frieden^-von Baden endete, in welchem der Abt von St. Gallen die E. Rechte der Toggenbnrger Bauernschaft anerkennen mußte.
Anmerkungen.
1. Matthäus Schinn er, Bischof von Sitten und päpstlicher Legat in der Schweiz, hatte den Eidgenossen, die vorher im Solde der Franzosen gekämpft hatten, ein fünfjähriges Bündnis mit dem Papste vorgeschlagen. Da die Schweizer für ihre den Franzosen geleisteten Dienste nicht mehr so reichlich wie früher belohnt, ja öfters beschimpft wurden, so beschlossen sie, sich vom französischen Heere zu trennen und sich auf die Seite des Papstes und des Kaisers zu schlagen. Als sie aber später mit Frankreich den ewigen Bund geschlossen hatten und die katholischen Kantone Hilfstruppen nach Frankreich sandten, so eilten aus den protestantischen Kantonen viele den Hugenotten gegen die Ligue zu Hilfe; auch fanden viele vertriebene Hugenotten Aufnahme in der reformierten Schweiz.
2. Ein großes Verdienst um die Erhaltung des katholischen Glaubens in der Schweiz hatte der heilige Karl von Borromäo, Kardinal und Erzbischof von Mailand. Er brachte den Goldenen oder Borromäischen Bund zu stände, in welchem die Kantone Luzeru,
Uri, Schwyz, Uuterwalden, Zug, Solothurn, Freiburg und Wallis sich zu Luzern auf ewige Zeiten zum katholischen Glauben verpflichteten (1586).
3. Der Anführer der Schweizerbauern war Nikolaus Leuenberg, ein Bauer aus Schönholz im Kanton Bern. Er ließ sich keinerlei Gewaltthätigkeit zu schulden kommen und suchte stets zu vermitteln; auch ging die Regierung von Bern einen Vertrag mit ihm ein, wodurch die Streitigkeiten zwischen Land und Stadt beigelegt werden sollten. Wäh-
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Extrahierte Personennamen: Matthäus_Schinn Karl_von_Borromäo Karl Nikolaus_Leuenberg Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Luzern Baden Schweiz Frankreich Frankreich Mailand Schwyz Solothurn Freiburg Bern
32 Das Altertum.
Auch in der Mathematik, der Astronomie und Zeitrechnung hatten die Chinesen Kenntnisse, ohne aber weitere Fortschritte zu machen.
2. Sehr ausgebildet ist bei den Chinesen die Sch reib eknnst, ja sie ist so verwickelt, daß die geistige Bildung dadurch nicht gefördert, sondern vielmehr gehindert wird. Die Sprache der Chinesen besteht namlrch aus 450 unveränderlichen Wurzelsilben, aus denen durch Zusammensetzung etwa 1200 Worte gebildet sind, die wieder beim Ans-sprecheu verschieden betont werden, so daß ein Wort oft 30—40 verschiedene Bedeutungen hat, je nachdem es ausgesprochen wird. Der Schriftzeichen sind es aber mehr denn 80 000. Es lernt nun jeder so viel er braucht, und nur wenige sind der Schrift vollständig kundig. Die geistige Bildung ist überhaupt nur eine sehr beschränkte, denn der Staat bestimmt die Art und deu Inhalt des Unterrichts, läßt die nötigen Bücher machen, unterwirft die Gelehrten einer Reihe von Prüfungen, von denen keine überschritten werden darf, und regelt so die Wißbegierde nach einer Menge unwandelbar bestehender Vorschriften.
3. Der Handel im Innern von China war immer beträchtlich und wird hauptsächlich durch die zahlreichen Flüsse, durch künstliche Kanäle und gnt gepflasterte Straßen vermittelt. Auch die Lastwagen zum Transport der Waaren sind eine Erstndnng der Chinesen, die nicht lange nach Christi Geburt fällt. Die hauptsächlichsten Handelsartikel sind Thee, Salz, Reis, Baumwolle, Seide, Leinwand, Wollegewebe, Zucker, Getreide, Bauholz, Rindvieh, Pferde, Tierfelle und Pelzwerk. Ganz besonders schwunghaft wird der Seidenhandel betrieben. Die chinesischen Bauern kleideten sich schon in Seide und schliefen in seidenen Betten, als die ersten Europäer ihr Land betraten. Da es in einem so großen Reiche Länder des heißen wie des kalten und des gemäßigten Klimas gibt, von denen jedes seine eigentümlichen Produkte (Erzeugnisse) hat, welche die Provinzen untereinander austauschen können, so ist der Binnenhandel sehr großartig. Dagegen war der Handel nach außen begreiflich unnötig, da alle Bedürfnisse aus dem eigenen Lande bezogen werden konnten, und deshalb auch verboten.
4. Die chinesische Mauer sollte dazu dienen, das Reich gegen die Bewohner des Hochlandes im Norden zu schützen. Sie ist über 1300 km lang, zieht über Gebirge, vou denen eines 1500 m hoch ist, und auf Stützmauern über Flüsse. An vielen Orten zwei- und dreifach, besteht sie aus einem durchschnittlich 11 m hohen Erdwall, der auf einem über 1 m hohen Unterbaue von Granit ruht und an den Seiten mit einer 1 m starken Mauer von Backsteinen bekleidet ist. Von 2 zu 2 m sind Schießscharten angebracht, und alle 200—300 Schritte ragen 13 m hohe Türme hervor. An einzelnen Punkten erreicht die Mauer eine Höhe von 26 m, an einem sogar von 38 m. Im Jahre 214 v. Chr. wurde sie begonnen , bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. daran gearbeitet, erhielt aber erst im 7. Jahrhundert ihre jetzige Ausdehnung. Gegen Korea hin hängt sie mit einem 800 km langen Pfahlwerk zusammen.
5. Die eingebornen Chinesen bekennen sich der großen Mehrzahl nach zur Religion des Fohi, der sich später mit dem Buddhaismus vermischte, wie er in Indien einheimisch ist. Dieses seinem Wesen nach der Urreligion nahestehende Bekenntnis kennt Einen Gott, hat einen eigenen Gottesdienst, Tempel, Opfer und Priester (Bonzen, d. i. Fromme). Es ist aber durch menschlichen Aberwitz und Eigennutz greulich entstellt. Deshalb standen zwei Männer auf, welche reinere Religionsbegriffe verbreiten wollten. Das waren La-o-tse und 50 Jahre nach ihm Kong-
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Culturverhlltnisse Großbritanniens. §. 66.
345
4. Ihre Nahrungsquellen findet die dichte Bevölkerung, na-
mentlich Englands, in der möglichst starken Ausbeutung des über- und
unterirdischen Reichthums des Bodens, welche hier eine höhere Stufe er-
reicht hat, als in irgend einem andern Lande. Trotz des trefflichen Anbaus
des Landes befriedigt der Ertrag ■ des Ackerbaus in der Regel nicht
das starke Bedürfniß; die Viehzucht (besonders von Pferden, Rind-
vieh, Schafen) übertrifft im Allgemeinen die günstigsten Verhältnisse
anderer Länder, da Wiesen und Weiden bei der feuchten Atmosphäre in
der üppigsten Fülle prangen; die Fischerei (Wallfische, Häringe u. s. w.)
ist nicht allein lohnend, sondern auch die Schule der Matrosen; der
Bergbau und das mit demselben verbundene Hüttenwesen liefert in
Cornwallis Zinn, das Produkt, welches am frühesten die südlichen
Culturvölker anzog, dann im N.-W. (namentlich in Wales und rings
um die centrale Gebirgskette) Steinkohlen (1856 im Werthe von
I6v2 Mtll. Pf. St.) und Eisen (1856 für 5 Mill. Pf. St. gefördert)
zugleich. Gerade diese so außerordentlich fruchtbare Verbindung der
beiden ersten Bedürfnisse einer ins Große getriebenen Fabrikation haben
Englands industrielle Größe begründet, um so mehr als das gemeinschaft-
liche Vorkommen derselben theils in die Nahe des Meeres, theils in die
durch Flüsse, Canäle und Eisenbahnen durchkreuzte Ebene fällt und also
die Rohstoffe leicht zu den Hüttenwerken und Fabrikorten gelangen und
das verarbeitete Produkt von diesen ebenso leicht den Weg nach den
consumirenden Gegenden des Landes und nach dem Meere findet. Diese
Steinkohlenbezirke, welche 5 Procent des englischen Bodens einnehmen,
haben daher auch alle großen Gewerbe aus dem übrigen Lande an
sich gezogen, und jeder derselben hat seine besondere Industrie. Im O.
und W. der penninischen Kette und im südlichen Schottland hat die
Baumwollenfabrikation ihren Sitz, Manchester erhält durch seine
benachbarte Hafenstadt Liverpool den rohen Stoff und läßt denselben
aus dem nämlichen Wege, als Zeuge oder Garn verarbeitet, ausführen;
ebenso Glasgow (dessen Seehafen Greenock ist). Die Verarbeitung der
Schafwolle, theils inländischer, theils deutscher, die der benachbarte
Hafen von Hüll einführt, beschäftigt vorzugsweise die Bevölkerung von
Uorkshire, namentlich die von Leeds. Im südlichen Theile von Uork-
shire verarbeitet Sheffield Stahl zu Messern und Scheeren. Im süd-
lichsten Kohlenbezirk ist Birmingham der Mittelpunkt der Eisenfabri-
kation. Die Kohlenbezirke unmittelbar an der Küste im N.-O. und
S.-W. führen zur See das rohe Produkt aus, um diejenigen Gegenden
des Landes mit Brennmaterial zu versehen, welche selbst dessen ent-
behren.
Wie in der industriellen Thätigkeit, so übertrifft auch in der Groß-
artigkeit des Handels und der Schifffahrt die britische Nation alle
europäischen bei weitem. Die englische Flagge weht auf allen Meeren
und in den fernsten Häfen aller Erdtheile. Bei der außerordentlichen
Ausdehnung seiner Colonialmacht umfaßt Englands Handel die Pro-
dukte aller Zonen, die theils roh, theils im Mutterlande verarbeitet,
sowohl von Colonie zu Colonie, als in fremde Länder geführt werden.
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244 Religionsverhältnisse und Nahrungsquellen Frankreichs. §. 56.
scheu und germanischen gemischt, deren beide letztere auch noch in der
französischen Sprache zu erkennen sind. Ueberreste der alten Bevölkerung
mit ihren Eigenthümlichkeiten in Sitten und Sprache finden sich noch in
den 'Nachkommen der Iberer, den Basken oder Gascognern (130,000)
in den Westpyrenäen, und in den Nachkommen der Celten, den Bre-
tonen (1 Mill.) in der Bretagne. Der deutsche Stamm (2'/- Drill.)
hat sich in Lothringen und im Elsaß erhallen; Corsica, Nizza, zum
Theil auch Savoyen, sind von Italienern bewohnt. — Durch die große
Einheit in der Bodenform (s. oben die vertikale Gliederung) und in
dem Klima ist die Bevölkerung dieses Landes, welches eine compacte
Masse bildet, von der Natur dazu bestimmt, eine gleichartige und dadurch
starke Nation zu werden, wiewohl die Bewohner jeder Provinz wieder
manches Eigenthümliche in ihrem Charakter haben.
c. Religionsverhältnisse. Der größte Theil der Einwohner
(35 Mill.) gehört der katholischen Kirche an; die Bekenner der luthe-
rischen und reformirten Confesuon') wohnen vorzugsweise im Elsaß
und in Languedoc, die (90,000) Juden hauptsächlich in den großen
Städten.
6. Nahrungsquellen. Getreide, Wein (allenthalben, mit Aus-
nahme des Nordwesten, wo Obstwein — cidre, poiree — den Wein
der Rebe ersetzt), Obst, Oel sind die Haupterzeugnisse des Bodens. Die
Viehzucht entspricht nicht dem einheimischen Bedürfniß; bei dem Mangel
an Wiesen und Weiden ist die Einfuhr von Pferden, Schlachtvieh,
Schafwolle noch immer bedeutend; ebenso liefert der durch klimatische
Verhältnisse beschränkte Seidebau nicht hinreichenden Rohstoff für die
sehr bedeutenden Seidefabriken. Der Bergbau ist verhältnißmäßig un-
bedeutend; Eisen und Steinkohlen, einiges Blei und Alaun sind die
wichtigsten Erzeugnisse desselben. Die Industrie erzeugt Manufac-
turcn in Leinen, Wollen und Baumwolle, besonders im Norden, Seide
in den Rhonegegenden, Kunstsachen in Metall, Thon und Glas (Spie-
gel, Porzellan), vorzüglich in Paris; dennoch wird Frankreich mit seiner
Hauptmasse stets ein Agriculturland bleiben, vgl. S. 244, Anm. 2. —
Der Handel Frankreichs wird sowohl durch die Lage des Landes an
den beiden wichtigsten Meeren Europas und neben wohlhabenden Nach-
barländern , als durch den Reichthum an natürlichen und künstlichen
Erzeugnissen ungemein begünstigt, doch steht demselben durch die rasche
Vollendung des großen Eisenbahnsystcms, welches neben den zahlreichen
natürlichen und künstlichen Wasserstraßen die rasche Eommunication zwi-
schen den verschiedenen Landeetkeilen fördert und namentlich die Häfen
mit dem Innern des Landes in Verbindung setzt, sowie durch die Culti-
virung Algeriens, noch ein unberechenbarer Aufschwung bevor, wenn auch
der Verlust wichtiger Colonicn in unglücklichen Kriegen stets ein Hemmniß
desselben sein wird.
1) Die offizielle Angabe von */, Mill. Protestanten ist wahrscheinlich, viel
zu gering, vgl. Kolb, G. Fr., Handbuch der vergleichenden Statistik,
■¿. Ausl. 1860. S. 51.
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Extrahierte Personennamen: Kolb
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Westpyrenäen Bretagne Lothringen Corsica Nizza Elsaß Languedoc Paris Frankreich Frankreichs Europas Algeriens
302 Religion und Cultur Oesterreichs. §. 62.
Siebenbürgens, die Mehrzahl der Bevölkerung aus; die griechischen
finden sich am zahlreichsten in Galizien, wo sie die römischen an An-
zahl übertreffen; vorzugsweise bekennen sich die Ruthenen zur unirt-
griechischen Kirche. Den Bekennern dieser Confession stehen die Pro-
testanten (über 3 Mill.) und die n i ch t u n i r t e n Griechen (etwa
3 Mill.) an Anzahl wenig nach. Die Protestanten, welche theils der
Augsburger, mehr aber noch der helvetischen Confession angehören,
zählen ihre meisten Religionsgenossen in Ungarn und Siebenbürgen,
weil in diesen Ländern schon längst (seit Leopold I.) den Protestanten
fast völlig gleiche Rechte mit den Katholiken eingeräumt waren; die
wenigsten wohnen in den südlichen Kronländern und in Tirol. Die
nichtunirten Griechen machen in der Woidwodschaft Serbien,
dem Banat und den angrenzenden Theilen des südlichen Ungarns, vor-
zugsweise aber in der Bukowina, den Hauptbestandtheil, in der Militär-
grenze die Hälfte der Bevölkerung aus. — Die Juden s. S. 301.
Cultur.
a. Physische Cultur.
Obgleich mehr als zwei Drittel des österreichischen Bodens dem
Gebirgslande, zum Theil dem Hochgebirge angehören, so sind doch
über fünf Sechstel zu Acker-, Garten- und Weinbau, zu Wiesen,
Weiden und Waldungen benutzt. Alle Kronländer übertrifft Ungarn
als unerschöpfliche Quelle eines seltenen Nationalreichthums, denn sein
Ackerbau liefert etwa z/t der Gesammternte, sein Weinbau sogar
von dem Ertrag seiner Tabakproduction kann es % den übrigen Kron-
ländern überlassen. Dennoch ist Ungarn dasjenige europäische Land,
dessen natürliche Schätze bisher am wenigsten ausgebeutet sind (s. S.
309 f.). Der Anbau von Reis beschränkt sich auf das lombardisch-
venetianische Königreich und das Küstenland. Die Viehzucht ist am be-
deutendsten auf den nahrhaften Wiesen der Alpenländer und in der
großen Ebene Ungarns; der Seidebau in den südlichen und südöstlichen
Provinzen hat seit dem Anfang dieses Jahrhunderts in Folge des ver-
mehrten Verkehrs mit Amerika und des zunehmenden Lurus einen
hohen Aufschwung genommen. An Mannichfaltigkeit der Produkte des
Mineralreiches wird Oesterreich von keinem andern europäischen
Staate übertroffen. Es fehlt außer dem Platina keines der nutzbaren
Metalle (namentlich wird Eisen in vorzüglicher Güte in Oberösterreich,
Steiermark und Kärnthen zu Tage gefördert); an brennbaren Fossilien
ist ein außerordentlicher Reichthum; Salz wird hier in allen Formen
gewonnen (Steinsalz und Salzquellen in den Karpathen und nördlichen
Alpenländern, namentlich in Wieliczka und im sogenannten Salzkammer-
gut, Seesalz im Küstenlande); kein anderes Reich besitzt eine solche
Fülle und Mannichfaltigkeit von Heilquellen (in Böhmen, Ungarn,
Salzburg u. s. w.); endlich gibt es verschiedene Sorten von edlen
Steinen, die unter dem gemeinschaftlichen Namen „böhmische Steine"
begriffen werden, und von nutzbaren Steinen finden sich unerschöpfliche
Marmor- und Alabasterbrüche in mehreren Kronländern.
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Kaiser Karl V und die Kirchentrennung in Deutschland. 603
jetzt noch bei dem Reichskammergericht über Religionssachen schwebenden
Rechtsstreitigkeiten nachgeben. Hier wurde ihm zugleich noch Anderes
abgedrungen. Der Landgraf Philipp hatte kurz vorher, von König
Franz durch Geld unterstützt, ein Heer gerüstet und mit Gewalt den
Vertriebenen Herzog Ulrich, der zum Protestantismus übergetreten war,
in sein Land wieder eingesetzt, was um so leichter gelungen war, als
der schwäbische Bund sich im Jahre vorher aufgelöst hatte. Dieser
Gewaltthat mußte Ferdinand, der noch auf dem Reichstag zu Augsburg
die förmliche Belehnung mit Würtemberg empfangen hatte, seine Be-
stätigung ertheilen. Wie der Protestantismus nun einen Stützpunkt im
Süden Deutschlands gefunden, breitete er sich auch im Norden aus,
wo er im Jahre 1539 Brandenburg durch Joachims I. Sohn Joachim Ii»
und das Herzogthum Georgs durch dessen Bruder Heinrich gewann.
Unter solchen Umständen erhielt das Schmalkaldner Bündniß immer
mehr Kraft. In dasselbe waren auch die vier der Zwinglischen Lehre
anhängeuden Reichsstädte in Oberdeutschland ausgenommen worden, und
um die Verbindung fester zu knüpfen, wurde in der sogenannten Witten-
berger Concordie ein Ausdruck für die Abendmahlslehre gefunden, in
welchem die beiden protestantischen Parteien, ungeachtet die Verschieden-
heit in dieser Beziehung nicht aufhörte, sich einigten. Dagegen sprach
man von protestantischer Seite die Trennung von den Katholiken, als
Clemens' Vh. Nachfolger Paul Iii. (1534 bis 1549) ein Concil nach
Mantua ausschrieb, recht scharf durch die von Luther verfaßten Schmal-
kaldner Artikel aus, nachdem man die Theilnahme an dem Concil ver-
weigert hatte. Indessen hatte die religiöse Bewegung auch zu einer
großen Störung des Friedens geführt. In Münster hatte der Protestan-
tismus allmälig Eingang gefunden, und als er sich im Besitze eines
Theiles der Stadt befand, erstreckten sich hieher die Einwirkungen der
wiedertäuferischen Secte, die in den nahen Niederlanden heimisch ge-
worden war. Ihre Sendlinge rissen das ohnehin schon aufgeregte
Münster in einen Strudel von Schwärmerei und Gewaltthat, indem sie
mit Verkündigungen eines nahenden Gottesreiches viel Volk aus der
Umgegend in die Stadt lockten und mit Hülfe desselben alle Gewalt
in ihre Hände brachten. Ein Schneider, Johann Bockhold aus Leyden,
der göttliche Offenbarungen zu erhalten vorgab, trat an die Spitze der
Bewegung, erklärte sich für den König des neuen Reiches, das unter
Vernichtung aller Fürsten über den Erdkreis verbreitet werden sollte,
und ließ alle Greuel entmenschter Thorheit und Wuth in der Stadt
walten. Der Bischof von Münster, der früher mit den Protestanten
einen Vertrag hatte eingehen müssen, war jedoch mit Truppen zur
Eroberung der Stadt augerückt, und der Hunger riß in derselben ein.
Als nun die wegen der würtembergischen Angelegenheit begonnene Fehde
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Extrahierte Personennamen: Karl_V Karl Philipp Philipp Franz Franz Ulrich Ferdinand Joachim_Ii» Heinrich Heinrich Johann_Bockhold Johann
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschlands Brandenburg Joachims Georgs Oberdeutschland Mantua
Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland. 595
stanz. Zwingli's Lehre entfernte sich noch weiter von der kirchlichen, als
die lutherische, und kam in Zürich so schnell zur Alleinherrschaft, daß
diejenigen, welche katholisch bleiben wollten, keine Kirche zum Gebrauche
erhalten konnten und aus der Obrigkeit die katholisch gebliebenen Mit-
glieder ausgestoßen wurden. Außer Zürich fielen die Cantone Basel,
Bern und Schaffhausen von der Kirche ab, während die neun übrigen
nach einem im Jahre 1526 zu Baden von Eck mit Hausschein oder
Oekolampadius, der Zwingli's Melanchthon war, gehaltenen Religions-
gespräche die neue Lehre als Jrrthum erkannt zu haben erklärten. Von
den nicht im Bunde befindlichen, sondern nur dem Bunde zugewandten
Orten hatte St. Gallen eine förmliche Empörung zu erleben, die mit
dem Wechsel der Religion endete. Als nun in den übrigen Cantonen
der Fortgang der neuen Lehre gehemmt wurde, verlangten die abgefalle-
nen Cantone, in- denen die Fortdauer katholischen Gottesdienstes nicht
gestattet wurde, von den katholischen die Zulassung des ihrigen. So
war ein Krieg unvermeidlich, und im Jahre 1531 brach er wirklich
aus. Die Schlacht bei Cappel im Cantón Zürich an der Zuger Grenze,
wo Zwingli fiel, entschied für die katholischen Cantone, die dadurch für
sich ihren Glauben bewahrten, den Abt von St. Gallen, obgleich die
Stadt nicht wieder katholisch wurde, wieder in Besitz seiner Herrschaft
setzten und in den dem Bunde gemeinschaftlichen Gebieten die Freiheit
der Religionsübung für die Katholiken schützten. Doch breitete das Ge-
biet der Zwingli'schen Lehre, deren Anhänger die Reformirten genannt
wurden, sich nach Westen weiter aus. Sie erhielt einen neuen Mittel-
punkt in der Stadt Genf, wo Calvin aus Nopon, nachdem die katholische
Religion daselbst schon unterdrückt war, in unermüdlicher Thätigkeit ein
eigenes Lehrgebäude aufftellte, und in Nähe und Ferne, auch unter den
bisherigen Bekennern von Zwingli's Lehre, großen Anhang gewann.
Die Vergrößerung des Berner Gebietes auf Kosten Savoyens schaffte
auch dem reformirten Kirchenwesen, das die Anhänger Calvins ebenfalls
in sich schloß, größeren Raum. Wie Bern der Stadt Genf zur Be-
freiung aus der Herrschaft Savoyens behülsiich gewesen, entriß es im
Jahre 1536 demselben mit Hülfe von Wallis und Freiburg, die ihren
Antheil erhielten, auch das ganze Waadtland, das nun in der bereits
gewöhnlichen Weise reformirt ward. Die weltliche Gewalt der Bischöfe
von Genf und Lausanne war vernichtet. Der Herzog von Savoyen,
Karl Iii., aus der Familie von Herzog Ludwigs zweitem Sohne Phi-
lipp, die nach dem Erlöschen der von dem älteren, Amadeus Ix., aus-
gegangenen zur Herrschaft gelangt war, konnte den Verlust nicht hin-
dern, da er, zugleich von König Franz angegriffen, selbst sein Stamm-
land Savoyen verlor. Die reformirte Lehre der Schweiz breitete sich
einerseits nach Frankreich aus und gewann anderseits Anhänger im bis-
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Basel Schaffhausen Cantón_Zürich Genf Savoyens Savoyens Freiburg Genf Lausanne Frankreich
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Die Zeit des noch lebenden Geschlechtes.
lichung zu wecken. Die Gefahr schwoll mit jedem Tage höher au, da
man alten vertragsmäßigen Festsetzungen zuwider nicht die Katholiken
und die Protestanten ihre Kirchen- und Schnlangelegenheiten besonders
verwalten ließ, sondern das katholische Kirchen- und Schulwesen unter
das Joch der voin Geiste des Radikalismus erfüllten Regierungen
zwang, um für die Zukunft immer freier von dem Widerstande einer der
Kirche anhängeudeu Partei zu werden. Der Kampf entbrannte da, als
man iin Laufe der Klofteraufhebungen, die überall ein wesentliches Ge-
schäft der Revolution bilden, im Jahre 1841 bei den Klöstern des Aar-
gaus augekommen war. Der Raub, den die aargauische Negierung an
dem großen Vermögen derselben beging, war eine so schreiende Frevel-
that, daß die katholische Bevölkerung der Schweiz, wie durch einen hef-
tigen Stoß, zur Erkenntniß des vor ihr sich öffnenden Abgrundes geweckt
wurde. Die Einsprache des päpstlichen Stuhles und der öftreichischen
Regierung blieb unbeachtet. Die Gesuche der Katholiken an die Tag-
satzung hatten ebenfalls keine Wirkung, da hier im Jahre 1842 der
größtentheils katholische Cantón St. Gallen durch seine als die zwölfte
Stimme für einen die Ungerechtigkeit gutheißenden Beschluß den Aus-
schlag gab. Die nächste Frucht des Unwillens, welcher die katholische
Bevölkerung ergriff, war eine Umwandlung der Cantone Luzern und
Freiburg, wodurch au die Stelle der radikalen Regierungen eifrig katho-
lisch gesinnte traten. Wallis hatte sich im Jahre 1840 in Folge des
Gegensatzes zwischen der katholischen und der radikalen Partei in Ober-
wallis und Unterwallis, deren Regierungen in Siders und Sitten saßen,
getrennt. Doch brachte das Verfahren der im Jahre 1842 in Unter-
wallis aus der Regierung verdrängten Radikalen einen Kampf hervor,
der im Jahre 1844 mit einen: entscheidenden Siege der Oberwalliser
endigte und so zur Wiedervereinigung des Cantono führte. Nun waren
es, da Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug noch keine Umwälzung er-
litten hatten, sieben Cantone, welche au der Kirche festhielten und der
Revolution gegenüberstanden. Je entschlossener sie sich zur Wahrung
der von ihnen heilig gehaltenen Sache zeigten, desto stärkere Feindschaft
hegten gegen sie diejenigen Cantone, welche sich die Aussicht benommen
sahen, in Kurzem den bei ihnen heimischen Radikalismus über die ganze
Schweiz zu verbreiten. Die Unruhe steigerte sich, als die Regie-
rung in Luzern, um für katholische Erziehung der Jugend und richtige
Ausbildung künftiger Priester eine Bürgschaft zu gewinnen, im Jahre
1844 Glieder des Jesuitenordens berief. Wie der Name der Jesuiten
überall eine kirchenfeindliche Gesinnung zu loderndem Zorne entflammt,
regte sich jetzt mit einem Male die äußerste Geschäftigkeit zu dem Zwecke,
in dem Cantone Luzern, der gerade damals auch der Vorort der Eidge-
nossenschaft war, eine Umwälzung zu bewirken, welche der katholischen
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