Die Reformation in Schottland. Maria Stuart.
73
geleitet wurden, das Uebergewicht durch französische Hilfstruppen, und
während in England die Katholiken rechtlos waren, traf in Schottland
Tod, Kerker oder Verbannung die Prediger und Anhänger der neuen
Lehre. Diese waren in der Wahl ihrer Mittel nicht verlegen; der Auf-
ruhr galt ohnehin als erlaubt, wenn er gegen eine sog. papiftische Obrig-
keit gerichtet war, der schottische Reformator Knor belobte ihn aber noch
ausdrücklich, und als der Kardinal Bethune durch eine Schaar Meuchel-
mörder in seinem Hause umgebracht wurde, pries Knor diese That als
eine Gott wohlgefällige. Dies brachte ihn 19 Monate auf die Galeeren
und nach seiner Strafzeit wanderte er in der Schweiz und Deutschland
umher und kam auch nach England; 1556 verfaßte er seinen „ersten
Trompetenstoß gegen das monströse Weiberregiment," eine Aufruhr-
predigt gegen die Regentin, denn die Uebertragung obrigkeitlicher Würde
an ein Weib ist nach ihm gegen die Natur, gegen die Bibel und eine
wahre Verspottung Gottes. Diese Grundsätze konnten der strengmonar-
chischen Elisabeth nicht gefallen, und Knor wanderte 1559 nach Schott-
land , wo der Adel gegen die Regentin in offener Rebellion war. Er
schloß sich dem Adel an und stiftete gegen die „Götzendiener" die Kon-
gregation Christi, die besonders gegen Klöster und Kirchen wüthete und
nach dreijährigem Kampfe (die Regentin starb im zweiten Jahre) mit
englischer Hilfe vollständig siegte (1561); durch Parlamentsbeschluß
wurden der kalvinische Glaube und die kalvinische Kirchenordnung ein-
geführt, der „römische Götzendienst" (der Besuch der Messe) aber bei
hoher Strafe verboten; auf dem dritten Rückfalle stand der Tod! Bi-
bliotheken, Kunstwerke, Klöster und Kirchen wurden verwüstet, und was
stehen blieb, zu dem Dienste des neuen Kultus hergerichtet. Die Kloster-
güter erhielt größtentheils der Adel, weil er sie im Kampfe gegen die
Krone verdient zu haben schien. Dieser Adel rief nun die 18jährige Wittwe
des Königs Franz Ii. von Frankreich, Maria Stuart, auf den er-
ledigten Thron von Schottland (1562). Sie folgte diesem Rufe, wei-
gerte sich aber zu wiederholtenmalen den von ihrer Base Elisabeth vor-
gelegten Vertrag, durch den sie der englischen Krone entsagen sollte, zu
unterzeichnen. Die Folge war die Feindschaft der englischen Königin,
die in Marien eine Nebenbuhlerin um die englische Krone und ein
Werkzeug in der Hand der katholischen Mächte erblickte; dieser Feindschaft
aber war Maria keineswegs gewachsen. Sie heirathete als Königin
(1565) den ihr verwandten protestantischen Lord Darnley und dies
gab Veranlassung zu einem Aufstande der presbpterianischen Fanatiker, der
aber unterdrückt wurde. Bald jedoch begann das Unheil im eigenen
Hause; Darnley war ein ehrgeiziger, dabei roher und dem Trünke er-
gebener Mann, der mit seiner Stellung als Königin-Gemahl nicht zu-
frieden war und wirklicher König sein wollte. Darein willigte Maria
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Extrahierte Personennamen: Maria_Stuart Maria Knor Franz_Ii Franz Maria_Stuart Maria Elisabeth Maria Maria
Extrahierte Ortsnamen: Schottland England Schottland Deutschland England Gottes Schott- Christi Frankreich Schottland
Die Reformation in Schottland. Maria Stuart.
75
Schaffote. Unterdessen dauerten die Religionskriege in Frankreich und
den Niederlanden mit ihrer ganzen Wuth fort, der Prinz von Oranien
wurde in Delft ermordet, die französische Liga und ihr Verhältniß zu
Spanien erfüllte die Protestanten mit der Furcht, es sei auf ihre Ver-
tilgung abgesehen, und 1585 wurde die Verschwörung des Schotten
Babing ton entdeckt, der die Königin Elisabeth ermorden wollte.
Maria wurde der Mitwissenschaft angeklagt; ihre Papiere wurden mit
Beschlag belegt und sie in das Schloß Fotheringhay gebracht. Ein
Gericht von 47 Pairs übernahm ihren Prozeß und verurtheilte sie zum
Tode (28. Oktober), obwohl sie die beigebrachten schriftlichen Beweise
als unächt erklärte. Vergebens waren die Gegenvorstellungen des fran-
zösischen und spanischen Hofes, ebenso die des schottischen Königs Jakob,
des Sohnes der auf den Tod angeklagten Königin; Elisabeth wollte ihrer
Furcht los werden und zögerte nur noch, weil die Hinrichtung einer
Königin und Verwandten der Welt doch zu schrecklich erscheinen mußte.
Am 22. November wurde endlich Marien das Todesurtheil verkündet
und dasselbe am 8. Februar 1586 in dem Schlosse durch das Beil mit
drei Streichen vollzogen. Maria war 45 Jahre alt, ihr Haar während
18jähriger Gefangenschaft ergraut; sie betete für ihre Feinde und starb
gefaßt und ruhig, mit dem heil. Sakramente versehen. Elisabeth suchte auch
jetzt noch alle Schuld von sich abzuwälzen; die Verurtheilung schob sie
dem Gerichte zu, und obwohl sie das Todesurtheil unterzeichnet hatte,
strafte sie den Sekretär Davison, weil er dasselbe ohne ihren Befehl aus
der Hand gegeben habe.
Die Hinrichtung Maria Stuarts bewog 1688 den König Phi-
lipp Ii. von Spanien, gegen England einen Hauptschlag zu führen.
Elisabeth unterstützte die Hugenotten in Frankreich und namentlich die
abgefallenen Niederländer, Philipp war zudem das Haupt der katholischen
Mächte wie Elisabeth das der protestantischen, daher konnte ein entschei-
dender Zusammenstoß der beiden nicht ausbleiben; englische Seeräuber,
wie Franz Drake, unternahmen überdies Verwüstungszüge nach den
spanischen Kolonieen. Philipp machte große Rüstungen, aber gegen Eng-
land waren sie dennoch unzureichend und hätten größere Folgen gehabt,
wenn sie der König gegen die Niederlande gerichtet hätte. Denn das
englische Nationalgefühl flammte nun hell auf, alles eilte zu den Waffen,
die Städte rüsteten Schiffe, die Küsten bedeckten sich mit streitbarer Mann-
schaft, wobei die englischen Katholiken so viel Eifer als die Protestanten
zeigten, ohne daß sie dadurch den unversöhnlichen Haß derselben zu mil-
dern vermochten. Die spanische Schiffsmacht, die aus den Häfen der
Halbinsel und den spanisch-niederländischen auslief, konnte sich nicht ver-
einigen; die große Flotte unter dem Herzog von Medina Sidonia wurde
durch Sturm zerstreut, und die englischen Seehelden Howard von
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Extrahierte Ortsnamen: Schottland Frankreich Niederlanden Delft Spanien Spanien England Frankreich Niederlande Medina_Sidonia
86 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rr.
wenn dieser Stand, wie in den Niederlanden und Portugal, der könig-
lichen Macht zu widerstreben wagte, so ließ er ohne Bedenken die vor-
nehmsten Häupter abschlagen, ebenso gut als er bei dem aragonischen
Aufstande die Bürger dutzendweise durch den Henker bei Seite schaffen
ließ. Auch Meuchelmord war ihm nicht zu niederträchtig, und wenn
ihn auch der Parteihaß mit unbegründeten Beschuldigungen verfolgt, so
bleibt dies Verbrechen immer noch an ihm haften; nur rechne man es
ihm nicht höher an als seinen Zeitgenossen und Feinden, die dasselbe
verübten und billigten. Zn seinem Privatleben zeichnete er sich durch
würdevolles Benehmen aus, das aber durch finstere Kälte abstieß; seine
Lebensweise war einfach, selbst strenge. Außer Argwohn und Mißtrauen
scheint der Hang zur Wollust ein wesentlicher Bestandtheil der Despoten-
natur zu sein; er mangelte auch dem spanischen Könige nicht ganz. Am
meisten hat Philipp von der gewöhnlichen Geschichte leiden müssen, weil
er als der größte und ausdauerndste Gegner des Protestantismus auf-
trat. Das mußte er, und wenn er auch nicht der glaubenseifrige Ka-
tholik gewesen wäre, der er in der That war; denn alle seine Feinde
stützten sich auf den Protestantismus: Elisabeth von England stellte sich
als dessen Vertheidigerin hin und verfolgte in England und Irland die
Katholiken nicht weniger als Herzog Alba die Protestanten in den Nie-
derlanden; der König von Frankreich benützte die Protestanten gegen
ihn, und die aufständischen Niederländer fanden ihre Stärke und Unter-
stützung abermals bei den Protestanten; dadurch war Philipp schon aus
politischen Gründen zu seiner Nolle als Vertheidiger der katholischen
Kirche angewiesen. Noch einfältiger ist es, wenn der König als Feind
der „Gewissensfreiheit" angeklagt wird; als ob damals irgend ein Staat,
ob protestantisch oder katholisch, Gewissensfreiheit eingeräumt hätte; als
ob die Protestanten Katholiken neben sich geduldet hätten, sobald sie
irgendwo in der Mehrzahl waren! Es gab damals keine Parität, als
in einigen deutschen Reichsstädten, und da nur deßwegen, weil man sich
nicht anders zu helfen wußte!
Zwölftes Kapitel.
Die Reformation in Schweden, Dänemark, Norwegen, Polen.
Die drei skandinavischen Reiche hatten Jahrhunderte lang durch
den unruhigen, gewaltthätigen Geist des hohen Adels und der aus
seiner Mitte hervorgegangenen hohen Geistlichkeit gelitten und in wechsel-
vollen Kriegen einander befehdet, bis eine große Frau, Margaretha
von Dänemark, alle drei durch die Union von Kalmar zu einem
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Philipp Philipp Margaretha
von_Dänemark Kalmar
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Niederlanden Portugal England England Irland Frankreich Schweden Dänemark Norwegen Polen
Jakob I
139
Schriften Unterlassen hat. Den Katholiken in England hatte er vor
seiner Thronbesteigung die Zusicherung gegeben, daß er die harten Ge-
setze, welche unter Elisabeth erlassen worden, mildern wolle, allein er hielt
nicht Wort, theils aus Furcht vor den anglikanischen und presbyteriani-
schen Fanatikern, theils aus Argwohn gegen die Katholiken; denn von
dem Papste wollte er nichts wissen, weil nach seiner monarchisch-theolo-
gischen Ueberzeugung der König das Kirchenhaupt im Lande sein mußte.
Dadurch erbitterte er die englischen Katholiken, und einige Fanatiker,
Katesby und ein Percy (aus dem Hause Northhumberland) an der
Spitze, faßten den Plan den König sammt dem ganzen Parlamente in
die Luft zu sprengen. Die Verschworenen mietheten das Gewölbe unter
dem Parlamentshause, in welchem sonst Steinkohlen aufbewahrt wurden,-
und ein benachbartes Haus, aus welchem sie eine Mine in das Gewölbe
unter dem Parlamentshause gruben und 30 Fäßchen Pulver dabin brach-
ten, die sie mit Holz und Kohlen zudeckten; am 5. November 1605, am
Tage der Parlamentseröffnung, sollte der König sammt den Lords und
Gemeinen in die Luft fliegen. Zehn Tage vor der Eröffnung des Par-
laments erhielt der Lord Mounteagle von unbekannter Hand einen Zettel,
in welchem er gewarnt wurde an jenem Tage in das Parlament zu gehen,
wert dieses einen großen Schlag erhalten werde. Er machte die Anzeige
und der König muthmaßte eine Pulvermine; bei der Untersuchung des Ge-
wölbes wurde auch wirklich eine solche entdeckt und ein gewisser Guy Fawkes
in dem Gewölbe gefangen. Er gestand alles, auch seine Mitverschworncn,
von denen einige mit den Waffen in der Hand fielen, andere entkamen,
die meisten aber unter dem Henkerbeile starben. Auch der Jesuitenpro-
vinzial in England, Garnet, wurde als Theilnehmer an der Verschwö-
rung hingerichtet; er hatte von der Verschwörung durch die Beichte Kunde
erhalten und die Verschwornen umsonst von ihrem verbrecherischen Vor-
haben abzubringen gesucht. Diese Pulververschwörung hatte für die eng-
lischen Katholiken, wie es nicht anders sein konnte, sehr nachtheilige Fol-
gen; die früheren Strafgesetze wurden verschärft und ein neuer Eid vor-
geschrieben, in welchem es hieß, cs sei gottlos, ketzerisch und verdammlich
zu behaupten, der Papst habe die Befugniß den König abzusetzen. Dar-
aus entstand unter den Katholiken selbst Uneinigkeit, indem die einen
den Eid leisteten, andere verweigerten; drei Priester, welche auch des
Königs Beweisführung, die er gedruckt herausgab, nicht zu dem Eide
bewegen konnte, wurden hingerichtet; viele Katholiken aber verließen
England.
Abgeneigter noch als den Katholiken war der König den Presby-
terianern und den übrigen Dissenters, deren republikanische Kirchenver-
fassung und Forderung unbedingter Glaubensfreiheit (freilich nur für
flch) gegen die Begriffe Jakobs von seiner königlichen Gewalt unver-
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Extrahierte Personennamen: Jakob_I Percy_(
Extrahierte Ortsnamen: England Katesby England England
Der dreißigjährige Krieg.
107
die ausländischen Mächte nicht hoffen dursten, daß ein Kaiser, dem eine
Hausmacht zu Gebote stand wie Ferdinand Ii., die Beraubung des
deutschen Reichs und der mittelbar zu demselben gehörigen Länder unge-
straft hingehen lassen werde, so konnten sich auch die protestantischen Für-
sten in Deutschland nicht verhehlen, daß es mit der Säkularisation der
katholischen Stifte ein Ende habe, wenn Ferdinand Ii. nicht wie Ru-
dolf U. und Mathias beschäftigt würde. Dazu war alles vorbereitet;
in den österreichischen Ländern waren Konföderationen unter den prote-
stantischen Ständen organisiert, denen beträchtliche Geldmittel und Streit-
kräfte zu Gebote standen, deßwegen nur geringer Hilfe vom Auslande
her zu bedürfen schienen, uni Ferdinand Ii. vollständig im Schach zu
halten. Er beschwor als designierter König von Böhmen den Majestäts-
brief zu Prag den 19. Juni 1617, aber den protestantischen und utra-
quistischen Böhmen war ein kräftiger Herrscher wie er der unliebste, denn
sie waren durch Rudolf Ii. und Mathias anders gewöhnt. Böhmen
und die andern slavisch-deutschen Länder, welche Habsburg als Herrn
anerkannten, waren vollständig unterminiert, und es bedurfte nur eines
Anlasses, daß die ganze Ladung aufflog. Es geschah bald; der Erz-
bischof von Prag und der Abt von Braunau ließen zwei neue prote-
stantische Kirchen in Klostergrab und Braunau niederreißen, und dazu
hatten sie das volle Recht, indem es nach dem Majeftätsbriefe den
protestantischen Unterthanen nicht erlaubt war, ohne die Bewilligung
ihrer Herren Kirchen zu erbauen, welches Recht nur den Edelleuten auf
ihren Gütern, den königlichen Städten und Bewohnern königlicher Güter
zustand; allein was hatten sich die Böhmen nicht alles erlaubt! Die
Stände reichten eine Klagschrift an Ferdinand ein, der ihnen keine be-
friedigende Antwort gab, ebenso an Kaiser Mathias, der in Ungarn
abwesend war. Die Defensoren versammelten trotz des kaiserlichen Ver-
bots nur die protestantischen Stände in Prag und begaben sich — es
waren fast ausschließlich adelige Herren, an ihrer Spitze der Graf Ma-
thias von Thurn, — mit ihnen auf das Schloß zu den Ministern
Martini; und Slawata, denen man einen Hauptantheil an Ferdi-
nands Verfahren zuschrieb. Sie setzten den Ministern mit heftigen Wor-
ten zu und warfen sie zuletzt nebst ihrem Schreiber Fabricins Platter
zum Fenster hinaus, 28 Ellen hoch hinunter in den Schloßgraben; doch
kam keiner um das Leben, was allgemein als ein Wunder angesehen
wurde (23. Mai 1618). Die Böhmen entschuldigten ihre That damit,
es sei dies alter Landesbrauch! Ihre späteren Anwälte sagen: „Gewalt
besorgend wollte man der Gewalt zuvorkommen", ein Grundsatz, der,
einmal giltig, den Unterthanen das Recht zu revolutionieren, den Fürsten
aber das Recht zu unterdrücken einräumt, denn beide können immer,
„Gewalt besorgend der Gewalt zuvorkommen wollen". Neben derartigem
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand_Ii Ferdinand Ferdinand_Ii Ferdinand Mathias Ferdinand_Ii Ferdinand Rudolf_Ii Rudolf Mathias Ferdinand Mathias
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Prag Braunau Braunau Ungarn Prag
Von der Schlacht bei Lützen bis zur Schlacht von Nördlingen. 129
Frühlinge den kaiserlichen Waffen das entschiedene Uebergewicht geben,
wie sie es vor Gustav Adolfs Landung hatten. Doch lag Deutschlands
Schicksal nicht mehr in Wallensteins Hand; Gustav Adolf hatte durch
seine Siege das Gleichgewicht der Parteien wieder hergestellt, der Krieg
hatte Feldherren gebildet, welche Wallenstein gewachsen waren, und das
Ausland gab der Partei, auf deren Seite es sich schlug, das Ueberge-
wicht oder doch ausdauernde Haltung. Auf die Nachricht von Gustavs
Tode bedachte sich Kardinal Richelieu sehr ernsthaft, welche Politik gegen
Deutschland zu befolgen sei, und entschloß sich, es zu keiner Ruhe kom-
men zu lassen, die Versöhnung der Parteien zu hintertreiben, aber die
protestantische keineswegs so zu unterstützen, daß dieselbe triumphieren
und wie Gustav Adolf gegen Frankreich undankbar werden könnte; da-
rum freute er sich über den Tod des Helden. Aber auch Schweden hatte
keine bessere Absicht als Frankreich; Gustav Adolf konnte an die Erobe-
rung der deutschen Kaiserwürde denken, seine Tochter und Thronfolgerin
Christina keineswegs, und der Reichsrath Arel Oren stier na wollte
weiter nichts, als für Schweden so viel Land im nördlichen Deutschland
als möglich herausschlagen und für sich und andere Schweden möglichst
reiche Besitzungen oder wenigstens zureichende Summen. Dieser Oren-
stierna führte nun neben Richelieu das Theilungsgeschäft Deutschlands.
In Heilbronn hielt er 1633 einen evangelischen Konvent und brachte
das Heilbronner Bündniß zu Stande, dem die protestantischen Für-
sten in Franken, Schwaben, am Ober- und Mittelrhein beitraten; Sach-
sen und Brandenburg hielten sich entfernt, weil sie die Vergrößerung
Schwedens, die nur in Norddeutschland vor sich gehen konnte, nicht be-
günstigen wollten. Den Krieg wollten demnach einmal die Franzosen,
die das Geld gaben, sodann die Armee, von der kaum ein Zehntheil
schwedisch war, endlich die kleinen deutschen Fürsten, welche gern größer
geworden wären. Als aber die Armee erfuhr, daß ihr durch den Heil-
bronner Bund nichts zugefallen sei, empörte sie sich und konnte nicht
eher beruhigt werden, bis Oren stier na den Bernhard von Wei-
mar zum Herzog in Franken machte, Hoorn Mergentheim, die
andern hohen Offiziere Abteien und die gemeinen Soldaten die Erlaub-
niß zu plündern erhielten. Dann ging die Kriegsfurie wieder los.
Hoorn und Bernhard wandten sich in das obere Deutschland; der
erste kam an den Bodensee, belagerte aber Konstanz vergeblich, obwohl
ihn die reformierten Schweizer auf dem eidgenössischen Boden lagern,
kanonieren und marschieren ließen; ebenso konnte er das kleine Ueber-
lingen nicht nehmen und zog sich wieder nach Schwaben zurück. Bern-
hard von Weimar dagegen drang gegen Bayern vor und nahm durch
Ueberfall das wichtige Regensburg. Wallen st ein hingegen säuberte
Schlesien von den Sachsen, nahm die Lausitz, fing bei Steinau ein klei-
Dumüllcr, Neue Zeit. q
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Gustav_Adolf Gustav Adolf Gustavs Kardinal_Richelieu Gustav_Adolf Gustav Adolf Gustav_Adolf Gustav Adolf Christina Bernhard_von_Wei- Bernhard
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Frankreich Frankreich Schweden Deutschland Deutschlands Heilbronn Schwaben Brandenburg Schwedens Norddeutschland Hoorn_Mergentheim Deutschland Schwaben Weimar Sachsen
Die österreichischen Niederlande.
249
führen mußte, und stellten die Reformen des Kaisers ans eigener Macht
ein; der Besuch des Generalseminars wurde freigestellt, die Bischöfe
durften ihre Seminarien wieder öffnen, und der Kaiser selbst fand für-
gut zu versichern, daß die alte Landesverfassung bis auf einige wenige
Stücke, welche eine nähere Untersuchung bestimmen würde, wieder her-
gestellt werden sollte. Aber da der Kaiser von seinen kirchlichen Refor-
men durchaus nichts mehr zurücknehmen wollte, dem General d'alton
das Oberkommando aller Streitkräfte in den österreichischen Niederlanden
übergab und in dem Grafen Trautmannsdorf einen kaiserlichen Be-
vollmächtigten schickte, fanden seine Versicherungen wenig Glauben. An
der Spitze der Opposition, welche die Wiederherstellung der alten Ver-
fassung sich zum Ziele gemacht hatte, stand der Advokat van der Noot;
neben dieser Opposition, welche man nach dem heutigen Sprachgebrauche
die konservative nennen würde, bildete sich aber eine ächtrevolutionäre
Partei mit einem leitenden Komitè; der Widerstand gegen die kaiserlichen
Verordnungen vereinigte indessen noch alle Parteien zu gemeinschaftlichen
Schritten. Das Konnte, aus fünf Advokaten, zwei Kaufleuten und ei-
nem Bankier bestehend, warb für die Revolution nach einer trefflichen
Organisation; jeder einzelne warb zehn Vertraute, von diesen zog wie-
der jeder einzelne zehn Personen in das Geheimniß und so fort, ohne
daß der Geworbene außer seinem Werber andere Mitglieder der Ver-
schwörung kannte; so bedeckte sich das Land mit einem revolutionären
Netze, welches im Oktober 1789 bereits 70,000 Männer umschlang.
Van der Noot unterhandelte gleichzeitig mit Holland und Preußen, welche
halb und halb ihre Hilfe zusagten und einstweilen den Verschworenen
allen möglichen Vorschub leisteten. An Geld mangelte es diesen nicht;
sie organisierten damit in Holland ein Korps von 10,000 Ausgewander-
ten; sie vertheilten Geld unter die kaiserlichen Soldaten, versprachen de-
nen, die zu den Patrioten übertreten würden, einen hohen Sold, und
verlockten dadurch mehrere tausend Soldaten zur Desertion. Am 24.
Oktober 1789 fielen die Ausgewanderten in zwei Abtheilungen vom hol-
ländischen Gebiete in Brabant ein und den 20. ließ sich General Schrö-
der in Turnhout schlagen. Den 13. November nahm eine Kolonne
der Aufständischen die Stadt Gent, ganz Flandern gerieth in Aufstand,
in allen größeren Städten gab es Straßengefechte, welche jedoch für die
Aufständischen meistens unglücklich ausfielen. Der Generalstatthalter in-
dessen entfernte sich, die Negierung proklamierte allgemeine Amnestie und
die Zurücknahme der Ordonnanzen, welche die Stände und die joyeuse
entrée aufgehoben hatten. Das patriotische Konnte erklärte aber am
23. November zu Gent den Kaiser als Herrn der Niederlande abgesetzt,
und als die Truppen von Mons nach Namur gegen die eingefallenen
Insurgenten marschierten, erhob sich Mons und das ganze Hennegau.
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Extrahierte Ortsnamen: Niederlande Holland Holland Brabant Namur Hennegau
Rußland.
441
der Menschenverlust wurde um so mehr empfunden, als die Bevölkerung
des Reichs ohnehin eine dünne ist, und die finanziellen Kräfte waren so
abgespannt, daß sie allein schon den Frieden als das einzige Heilmittel
rathsam machten. Unter Alerander ruhten daher von 1815 bis 1825
die russischen Waffen und die seit Peter I. traditionelle russische Politik
zeigte sich während dieses Decenniums nur dadurch, daß 1824 die Nord-
westküste von Amerika zum großen Aergeruisse der Briten und Nord-
amerikaner förmlich in Besitz genommen wurde; wie das Augenmerk der
russischen Herrscher unverrückt gegen Centralasien schaut, bewies die Ge-
schicklichkeit, mit der im gleichen Jahre 7 kirgisische und kalmückische Hor-
den sich dem chinesischen Reiche entziehen und zu russischen Schützlingen
machen ließen. Für den Ackerbau sorgte der Kaiser, insoweit dies über-
haupt ein Fürst thun kann, in dessen Lande die Mehrzahl der Bauern
Leibeigene sind. Den Ausfuhrhandel mit den Erzeugnissen des Acker-
baues, der Viehzucht, der Jagd, des Fischfangs, des Bergbaues (Hanf,
Lein, Talg, Häute, Pelzwerk, Hausenblase, Kaviar, Holz, Theer, Kupfer),
beförderte er durch weise Gesetze; die Industrie, die den Bedürfnissen
Rußlands bei weitem nicht genügte, versuchte er bereits durch die un-
mittelbare Betheiligung des Staats zu heben, indem er z. B. Wollen-
tuchfabriken auf Regierungskosten anlegte. Erst 1823 jedoch wurde durch
den Finanzminister Kankrin (einen Deutschen aus Hanau) das System
der russischen Handelspolitik in seinen Grundzügen aufgestellt, das jetzt
vollendet dasteht: Ausschließung jedes fremden Fabrikats, dessen Erzeu-
gung in Rußland nur irgendwie möglich ist; Herstellung einer einheimi-
schen Industrie nicht allein durch diese Sperre gegen das Ausland, son-
dern nöthigenfalls dadurch, daß aus den Leibeigenen Arbeiter für die
Fabriken wie Rekruten ausgehoben, gedrillt und eingetheilt werden; Ver-
schließung des alten Handelswegs nach Centralasien über Kolchis und
das kaspische Meer für alle nichtrussischen Maaren. Dadurch strebte Ruß-
land sein ungeheueres Gebiet der Abhängigkeit von fremder Industrie
zu entziehen, wie es auch andererseits als eine eigene Welt dastehen und
dem, was man in dem andern Europa den Zeitgeist zu nennen pflegt,
keine Opfergaben oder Tribute darbringen wollte. Anfangs gehörte Ale-
rander selbst der liberalen Richtung an (das beweisen die finnländische
und polnische Verfassung, die Manifeste im Kriege von 1812—15 re.),
er entzog ihr jedoch bald seine Gunst. Er gründete allerdings 5 Uni-
versitäten, 50 Gymnasien, 100 Kreis- und mehrere tausend Volksschulen,
aber er ließ den öffentlichen Unterricht streng überwachen und führte
eine scharfe Censur ein, Maßregeln, die unter seinem Nachfolger bis zur
äußersten Konsequenz ausgebildet wurden, so daß der Umfang des Wis-
sens jedem Russen der unteren Stände genau zugemessen ist. Religiö-
sen Bewegungen und Differenzen wurde er schon 1816 sehr abhold; in
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Extrahierte Ortsnamen: Amerika Hanau Kolchis Europa
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Die Zeit von 1815 bis 1857.
noch schlimmer kommen. Die Bevölkerung des von der Natur außer-
ordentlich gesegneten Ländchens war zur Hälfte katholisch, zur Hälfte
protestantisch, jedoch so, daß der letztere Theil um etwa 5000 Seelen
überwog; die Verfassung hatte deßwegen vollständige Parität bestimmt,
so daß in allen Landesbehörden beide Theile gleich repräsentiert waren.
Bei Gelegenheit der Revision machte sich eine doppelte Agitation geltend;
auf katholischer Seite verlangte man Sicherstellung der konfessionellen
Rechte, namentlich in Betreff der Verwaltung des Kirchenguts, des Un-
terrichtswesens u. s. w., dagegen wollte der protestantische Theil gerade
hierin nichts geändert wissen und stimmte mit den Katholiken nur darin
überein, daß er eine demokratische Erweiterung der Volksrechte verlangte.
Daran hatte aber der Große Rath kein Wohlgefallen und daher kam es,
daß die von ihm vorgelegte neue Verfassung am 5. Oktober 1840 bei
der Volksabstimmung mit 23,095 Stimmen gegen 3171 verworfen wurde.
Der Große Rath versammelte sich sogleich wieder und brachte in sehr
kurzer Frist eine neue Verfassung zu Stande, in welcher die Parität der
konfessionellen Vertretung wegfiel, indem die Mehrzahl der katholischen
Repräsentanten gegen dieselbe stimmte und nur zwei einläßlich für die-
selbe zu sprechen wagten. Am 5. Januar 1841 ging die Volksabstim-
mung in Ruhe und Ordnung vor sich und ergab: in den reformierten
Bezirken Aarau, Brugg, Kulm, Lenzburg und Zofingen nahm die über-
wiegende Mehrheit an, in den katholischen: Baden, Bremgarten, Laufen-
burg, Rheinfelden und Muri verwarf sie; da aber die radikalen Katho-
liken zahlreicher für die neue Verfassung als die konservativen Protestanten
gegen sie stimmten, so zählten die Annehmenden 15,336, die Verwerfen-
den 11,454 Stimmen. Dadurch wurde klar: 1. daß die katholischen
Großräthe nicht im Sinne des katholischen Volks gestimmt hatten, 2.
daß die neue Verfassung dem katholischen Volke nur aufgezwungen wer-
den könne, 3. daß der protestantische Aargau dies nur mit der Hilfe
radikaler Nachbarkantone auözuführen vermöge. Die aargauische Regie-
rung schritt nun nach dem Muster von Solothurn vor, wozu sie beson-
ders von dem Regierungsrath Waller, einem Katholiken und radikalen
Fanatiker, gespornt wurde. Die Häupter des Komites von Bünzen,
das während der Revisionsbewegung für die Parität gearbeitet, aber
auch nicht einen ungesetzlichen Schritt gethan hatte, sollten mit Hilfe
der Gensdarmerie und der radikalen Schutzvereine verhaftet werden. Dies
geschah am 10. Januar morgens an einem Sonntage zu Bremgarten
und Muri, an welchen Ort Waller auf sein eigenes Begehren als Ne-
gierungskommissär geschickt wurde. Wegen dieser Verhaftungen rottete
sich das Volk zusammen, befreite die Gefangenen und sperrte Waller
sammt den Gensdarmen ein, aber schon am 11. rückten die von der Re-
gierung aufgebotenen Milizen aus den protestantischen Landestheilen ein,
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Die Zeit von 1815 bis 1857.
Gericht zu stellen, sondern sie zu beschimpfen und zu pensionieren; es
war gegen alles Recht, die Mitglieder einer Korporation anzuklagen, sie
nicht zu strafen, aber die Korporation aufzuheben und ihr Gut wegzu-
nehmen; die Aufhebung der Klöster schlug endlich das eidgenössische Bun-
desrecht ins Gesicht, indem §. 12 der Bundesakte ausdrücklich den Be-
stand der Klöster und Stifte verbürgte. Die katholischen Kantone Uri,
Schwyz, Unterwalden, Zug und Fr ei bürg protestierten alsbald
energisch gegen die Gewaltthat, Neuen bürg sprach sich in gleicher Weise
aus, St. Gallen erklärte sich ebenfalls in diesem Sinne und der Vor-
ort Zürich mußte auf das Begehren der sechs ersten Stände eine außer-
ordentliche Tagsatzung einberufen, die einzelnen Kantone also ihren Ge-
sandten die nothwendigen Instruktionen in der Klosterfrage ertheilen, was
das Feuer der Zwietracht in der ganzen Schweiz aufs neue anfachte. Die
Tagsatzung kam 1841 den 15. März in dem Vororte Bern zusammen,
dessen Schultheiß Neuhaus sie mit einer gespreizten Rede in franzö-
sischer Sprache eröffnete. Dieser Neuhaus war ein geborner Vieler,
hatte die Handlung erlernt und war lange in Frankreich beschäftigt ge-
wesen, woher er den angebornen protestantischen Haß gegen die Klöster
mit philosophischem Franzosenthum verquickt in die Schweiz zurückbrachte.
Seit dem Zahre 1830 war er in die politische Laufbahn eingerückt, war
1831 Sekretär des Verfassungsraths, hierauf Vorstand des Departements
des Erziehungswesens und wurde, als die radikale Partei in Bern das
Uebergewicht erhielt, Schultheiß und so Präsident der Tagsatzung. Er
hatte der Solothurner Negierung bei der Verfassungsrevision den Ge-
fallen gethan und Bataillone an die Gränze geschickt (von nichts sprach
er lieber als von Berns 30,000 Bajonetten), hatte das Freienamt er-
drücken helfen und der aargauischen Regierung die bestimmte Versicherung
gegeben, daß sie auf die Unterstützung Berns unter allen Umständen
rechnen dürfe. Schon in seiner französischen Eröffnungsrede zeigte er
seine radikale Gewaltthätigkeit und Sophisterei, indem er dem Artikel 12
der Bundesakte den Artikel 1 gegenüber stellte, der jedem Kanton seinen
unversehrten Bestand garantierte; Aargau aber könne allein entscheiden,
ob der Bestand der Klöster mit dem Bestand des Kantons vereinbarlich
sei und bei dem Urtheil des Aargaus werde es die Tagsatzung bewen-
den lassen. So beutete damals der Radikalismus die Käntonalsouve-
ränität aus, die er sonst als eine Duelle des nationalen Unheils an-
klagte; die Tagsatzung jedoch ging nicht darauf ein, sondern erklärte mit
Stimmenmehrheit (zu der die reformierten Stände Zürich, Schass-
hausen, Waadt, Neuenburg, Baselstadt, die paritätischen St. Gallen,
Glarus und Graubünden, nicht aber die katholischen Luzern und Solo-
thurn gehörten), Aargau möge wegen seines Dekrets, die Klosteraufhe-
bung betreffend, noch einmal eintreten und dem Bunde Genüge thun,
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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