432 Die neue Zeit.
rische Lehre bekennen dürfen, protestierten sie zngleich dagegen, daß sie diejenigen von ihren Unterthanen, welche bei der alten Lehre bleiben wollten, ungestört lassen sollten. Insbesondere erklärten sie, sie könnten nie zugeben, daß ihre Unterthanen die Messe anhörten. Sie verlangten also Freiheit für sich und zugleich das Recht, gegen die katholischen Unterthanen Gewalt anwenden zu dürfen. Fortan mußte sich die Religion der Unterthanen nach der Religion des Landesherrn richten, und ein Religionswechsel des Fürsten zog jedesmal einen gewaltsamen Religionswechsel der Unterthanen nach sich. So mußten z. B. in der Pfalz die Unterthanen in kurzer Zeit viermal die Religion wechseln, zuerst lutherisch, dann reformiert, dann wieder lutherisch und wieder reformiert werden, je nachdem die gebietenden Herren lutherisch ober reformiert waren. Wo aber ein katholischer Fürst die katholische Kirche wieberherftellte, ba schrie man über Glaubenszwang und Gewissenstyrannei.
8 158.
Die Reformation tu der Schweiz.
437) Zu gleicher Zeit mit Luther hatte Ulrich Zwingli, Pfarrer in Zürich, die Heilige Schrift als die alleinige Quelle des Glaubens erklärt und war deshalb mit feinem Bischöfe in Streit geraten. Aber der Große Rat in Zürich nahm sich seiner an, und unter dessen Schutze wurden nicht nur dieselben Neuerungen eingeführt, wie in Sachsen, sondern Zwingli ging noch weiter als Luther. Er leugnete sowohl das Opfer der heiligen Messe als auch die Gegenwart Jesu Christi im heiligen Sakramente, welche Luther noch neben dem 33roje znließ. Das Brot und der Wein waren ihm nichts als Sinnbilder, welche nur das Fleisch und Blut Christi bedeuten und an Christi Tod bloß erinnern sollten. Darüber geriet er mit Luther in Streit, der „die Sakrameutierer", wie er Zwingli und seine Anhänger nannte, für „Erzteufel" erklärte. Jeder erblickte in dem andern den Antichrist, und beide überschütteten einander mit denselben Schmähungen, mit denen sie Papst und Bischöfe überhäuften. Wie in Sachsen, so wurde auch iu Zürich die neue Lehre mit Gewalt eingeführt. Die Klöster und die Ehelosigkeit der Priester wurden aufgehoben, und das Abendmahl unter beiden Gestalten, und zwar mit gewöhnlichem Brote, ausgeteilt. Das Beispiel Zürichs, welches die Kirchengüter und die kostbaren Kirchengerätschaften einzog, und die evangelische Freiheit, welche weder Fasten noch guter Werke bedurfte, wirkte auch auf andere Kantone. Basel und Bern ahmten Zürich zuerst nach und verfuhren mit gleicher Gewaltthätigkeit gegen die, welche der alten Kirche treu bleiben wollten. Es entstand ein Krieg zwischen Zürich und Bern und den katholischen Kantonen,
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§ 190. Die Schweiz. 519
Dienste und zwar in den französischen Religionskriegen sogar Schweizer gegen Schweizer.
524) Auch die Sekten verursachten in den Schweizer Kantonen, welche sich von der Kirche getrennt hatten, Unordnungen und fanden blutige Unterdrückung. Besonders waren es die Wiedertäufer, welche sich von Walds Hut aus über die Schweiz verbreiteten. Auch der Bauernkrieg fand in der Schweiz feine traurige Fortsetzung. Die von Luzern abhäugigeu Eutlibucher und die zu Bern gehörigen Emmenthal er thaten sich zusammen, um ihre alten Rechte zu wahren, welche sie vou den Städten verletzt glaubten. Zn Snmiswald im Bernischen stifteten sieden Bund aller Bauern. Aber Bern 1653. und Luzern erhielten Hilfe von Zürich, und bei Wohlen-schwyl am Zürcher See wurdeu die Bauern geschlagen. Die Patrizier, welche mit den Schweizerbauern nicht besser umgegangen waren als die deutschen Herren mit den ihrigen, übertrafen die letztem nach Unterdrückung des Aufstandes noch in der Grausamkeit. Unter den andern innern Streitigkeiten ist noch der Toggenbnrger Handel hervorzuheben, der mit dem Frieden^-von Baden endete, in welchem der Abt von St. Gallen die E. Rechte der Toggenbnrger Bauernschaft anerkennen mußte.
Anmerkungen.
1. Matthäus Schinn er, Bischof von Sitten und päpstlicher Legat in der Schweiz, hatte den Eidgenossen, die vorher im Solde der Franzosen gekämpft hatten, ein fünfjähriges Bündnis mit dem Papste vorgeschlagen. Da die Schweizer für ihre den Franzosen geleisteten Dienste nicht mehr so reichlich wie früher belohnt, ja öfters beschimpft wurden, so beschlossen sie, sich vom französischen Heere zu trennen und sich auf die Seite des Papstes und des Kaisers zu schlagen. Als sie aber später mit Frankreich den ewigen Bund geschlossen hatten und die katholischen Kantone Hilfstruppen nach Frankreich sandten, so eilten aus den protestantischen Kantonen viele den Hugenotten gegen die Ligue zu Hilfe; auch fanden viele vertriebene Hugenotten Aufnahme in der reformierten Schweiz.
2. Ein großes Verdienst um die Erhaltung des katholischen Glaubens in der Schweiz hatte der heilige Karl von Borromäo, Kardinal und Erzbischof von Mailand. Er brachte den Goldenen oder Borromäischen Bund zu stände, in welchem die Kantone Luzeru,
Uri, Schwyz, Uuterwalden, Zug, Solothurn, Freiburg und Wallis sich zu Luzern auf ewige Zeiten zum katholischen Glauben verpflichteten (1586).
3. Der Anführer der Schweizerbauern war Nikolaus Leuenberg, ein Bauer aus Schönholz im Kanton Bern. Er ließ sich keinerlei Gewaltthätigkeit zu schulden kommen und suchte stets zu vermitteln; auch ging die Regierung von Bern einen Vertrag mit ihm ein, wodurch die Streitigkeiten zwischen Land und Stadt beigelegt werden sollten. Wäh-
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Extrahierte Personennamen: Matthäus_Schinn Karl_von_Borromäo Karl Nikolaus_Leuenberg Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Luzern Baden Schweiz Frankreich Frankreich Mailand Schwyz Solothurn Freiburg Bern
Kaiser Karl V und die Kirchentrennung in Deutschland. 603
jetzt noch bei dem Reichskammergericht über Religionssachen schwebenden
Rechtsstreitigkeiten nachgeben. Hier wurde ihm zugleich noch Anderes
abgedrungen. Der Landgraf Philipp hatte kurz vorher, von König
Franz durch Geld unterstützt, ein Heer gerüstet und mit Gewalt den
Vertriebenen Herzog Ulrich, der zum Protestantismus übergetreten war,
in sein Land wieder eingesetzt, was um so leichter gelungen war, als
der schwäbische Bund sich im Jahre vorher aufgelöst hatte. Dieser
Gewaltthat mußte Ferdinand, der noch auf dem Reichstag zu Augsburg
die förmliche Belehnung mit Würtemberg empfangen hatte, seine Be-
stätigung ertheilen. Wie der Protestantismus nun einen Stützpunkt im
Süden Deutschlands gefunden, breitete er sich auch im Norden aus,
wo er im Jahre 1539 Brandenburg durch Joachims I. Sohn Joachim Ii»
und das Herzogthum Georgs durch dessen Bruder Heinrich gewann.
Unter solchen Umständen erhielt das Schmalkaldner Bündniß immer
mehr Kraft. In dasselbe waren auch die vier der Zwinglischen Lehre
anhängeuden Reichsstädte in Oberdeutschland ausgenommen worden, und
um die Verbindung fester zu knüpfen, wurde in der sogenannten Witten-
berger Concordie ein Ausdruck für die Abendmahlslehre gefunden, in
welchem die beiden protestantischen Parteien, ungeachtet die Verschieden-
heit in dieser Beziehung nicht aufhörte, sich einigten. Dagegen sprach
man von protestantischer Seite die Trennung von den Katholiken, als
Clemens' Vh. Nachfolger Paul Iii. (1534 bis 1549) ein Concil nach
Mantua ausschrieb, recht scharf durch die von Luther verfaßten Schmal-
kaldner Artikel aus, nachdem man die Theilnahme an dem Concil ver-
weigert hatte. Indessen hatte die religiöse Bewegung auch zu einer
großen Störung des Friedens geführt. In Münster hatte der Protestan-
tismus allmälig Eingang gefunden, und als er sich im Besitze eines
Theiles der Stadt befand, erstreckten sich hieher die Einwirkungen der
wiedertäuferischen Secte, die in den nahen Niederlanden heimisch ge-
worden war. Ihre Sendlinge rissen das ohnehin schon aufgeregte
Münster in einen Strudel von Schwärmerei und Gewaltthat, indem sie
mit Verkündigungen eines nahenden Gottesreiches viel Volk aus der
Umgegend in die Stadt lockten und mit Hülfe desselben alle Gewalt
in ihre Hände brachten. Ein Schneider, Johann Bockhold aus Leyden,
der göttliche Offenbarungen zu erhalten vorgab, trat an die Spitze der
Bewegung, erklärte sich für den König des neuen Reiches, das unter
Vernichtung aller Fürsten über den Erdkreis verbreitet werden sollte,
und ließ alle Greuel entmenschter Thorheit und Wuth in der Stadt
walten. Der Bischof von Münster, der früher mit den Protestanten
einen Vertrag hatte eingehen müssen, war jedoch mit Truppen zur
Eroberung der Stadt augerückt, und der Hunger riß in derselben ein.
Als nun die wegen der würtembergischen Angelegenheit begonnene Fehde
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Extrahierte Personennamen: Karl_V Karl Philipp Philipp Franz Franz Ulrich Ferdinand Joachim_Ii» Heinrich Heinrich Johann_Bockhold Johann
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschlands Brandenburg Joachims Georgs Oberdeutschland Mantua
Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland. 595
stanz. Zwingli's Lehre entfernte sich noch weiter von der kirchlichen, als
die lutherische, und kam in Zürich so schnell zur Alleinherrschaft, daß
diejenigen, welche katholisch bleiben wollten, keine Kirche zum Gebrauche
erhalten konnten und aus der Obrigkeit die katholisch gebliebenen Mit-
glieder ausgestoßen wurden. Außer Zürich fielen die Cantone Basel,
Bern und Schaffhausen von der Kirche ab, während die neun übrigen
nach einem im Jahre 1526 zu Baden von Eck mit Hausschein oder
Oekolampadius, der Zwingli's Melanchthon war, gehaltenen Religions-
gespräche die neue Lehre als Jrrthum erkannt zu haben erklärten. Von
den nicht im Bunde befindlichen, sondern nur dem Bunde zugewandten
Orten hatte St. Gallen eine förmliche Empörung zu erleben, die mit
dem Wechsel der Religion endete. Als nun in den übrigen Cantonen
der Fortgang der neuen Lehre gehemmt wurde, verlangten die abgefalle-
nen Cantone, in- denen die Fortdauer katholischen Gottesdienstes nicht
gestattet wurde, von den katholischen die Zulassung des ihrigen. So
war ein Krieg unvermeidlich, und im Jahre 1531 brach er wirklich
aus. Die Schlacht bei Cappel im Cantón Zürich an der Zuger Grenze,
wo Zwingli fiel, entschied für die katholischen Cantone, die dadurch für
sich ihren Glauben bewahrten, den Abt von St. Gallen, obgleich die
Stadt nicht wieder katholisch wurde, wieder in Besitz seiner Herrschaft
setzten und in den dem Bunde gemeinschaftlichen Gebieten die Freiheit
der Religionsübung für die Katholiken schützten. Doch breitete das Ge-
biet der Zwingli'schen Lehre, deren Anhänger die Reformirten genannt
wurden, sich nach Westen weiter aus. Sie erhielt einen neuen Mittel-
punkt in der Stadt Genf, wo Calvin aus Nopon, nachdem die katholische
Religion daselbst schon unterdrückt war, in unermüdlicher Thätigkeit ein
eigenes Lehrgebäude aufftellte, und in Nähe und Ferne, auch unter den
bisherigen Bekennern von Zwingli's Lehre, großen Anhang gewann.
Die Vergrößerung des Berner Gebietes auf Kosten Savoyens schaffte
auch dem reformirten Kirchenwesen, das die Anhänger Calvins ebenfalls
in sich schloß, größeren Raum. Wie Bern der Stadt Genf zur Be-
freiung aus der Herrschaft Savoyens behülsiich gewesen, entriß es im
Jahre 1536 demselben mit Hülfe von Wallis und Freiburg, die ihren
Antheil erhielten, auch das ganze Waadtland, das nun in der bereits
gewöhnlichen Weise reformirt ward. Die weltliche Gewalt der Bischöfe
von Genf und Lausanne war vernichtet. Der Herzog von Savoyen,
Karl Iii., aus der Familie von Herzog Ludwigs zweitem Sohne Phi-
lipp, die nach dem Erlöschen der von dem älteren, Amadeus Ix., aus-
gegangenen zur Herrschaft gelangt war, konnte den Verlust nicht hin-
dern, da er, zugleich von König Franz angegriffen, selbst sein Stamm-
land Savoyen verlor. Die reformirte Lehre der Schweiz breitete sich
einerseits nach Frankreich aus und gewann anderseits Anhänger im bis-
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Melanchthon Cappel Zwingli Calvins Karl_Iii Karl Ludwigs Ludwigs Amadeus Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Basel Schaffhausen Cantón_Zürich Genf Savoyens Savoyens Freiburg Genf Lausanne Frankreich
veranlaßen inneren Kriege.
679
seinem Gebiete zunächst liegenden Theilen Frankreichs die Ligue unter-
stützt. Eine Gebietsfrage, die zu diesem Kampfe mitgewirkt, war noch
unerledigt. Die Markgrafschaft Saluzzo war nach Aussterben des mark-
gräflichen Geschlechtes zwischen Savoyen und Frankreich streitig gewor-
den, und Frankreich, das sie wegen einer alten Lehensverbindung mit
der Dauphins in Anspruch nahm, hatte sie behauptet. Im Jahre 1588
hatte der Herzog das streitige Gebiet den Franzosen entrissen. Jetzt
sollte die Sache einem schiedsrichterlichen Spruche des Papstes unter-
worfen werden, doch da der Herzog in eine vorläufige Uebergabe des
Gebietes an den römischen Stuhl nicht willigen wollte, einigte er sich
im Jahre 1601 mit dem Könige von Frankreich über einen Tausch, nach
welchem er Saluzzo behielt und den von Genf bis Lyon auf der rechten
Seite der Rhone liegenden Theil seines Gebietes abtrat.
9. Die Regierung des neuen Königs hatte nun in einem durch
achtuuddreißigjährigen Bürgerkrieg zerrütteten Lande die Ordnung her-
zustellen. Dazu bedurfte es der Versöhnung der Parteien, die sich so
lange gegenübergestanden hatten, der Herstellung des königlichen An-
sehens bei den Statthaltern der Provinzen, der Regelung der zerrütteten
Staatseinkünfte und der Wiederbelebung der Thätigkeiten des Friedens.
Am schwierigsten war Heinrichs Stellung den Hugenotten gegenüber,
die schon durch die von chm für die katholische Kirche gegebenen Zu-
sagen verletzt waren und denen, nachdem sie so lange mit den Waffen
in der Hand der Regierung theils kämpfend, theils beobachtend gegen-
übergestanden hatten, schwer wurde, ihre die Staatsordnung durchkreu-
zende Verbindung aufzugeben. . Ihnen ihr Verhältniß im Staate an-
zuweisen, diente die im Jahre 1598 zu Nantes erlassene Verordnung,
die ihnen hinsichtlich der Religionsübung dasjenige ließ, was die frü-
heren ihnen günstigen Verordnungen gewährt hatten, auch die Sicher-
heitsplätze noch ans acht Jahre zu behalten gestattete, dagegen alle fer-
neren Verbindungen im Reiche und mit dem Auslande untersagte und
die Herstellung der katholischen Religion für alle Orte, wo sie unter-
drückt worden, anbefahl. Inzwischen war in den letzten Jahrzehnten,
wie in Deutschland, so auch in Frankreich, ein derartiger Rückschlag
eingetreten, daß die Zahl der Protestanten und ihrer Kirchen sich be-
trächtlich vermindert hatte. Unter den Uebriggebliebenen waren viele,
die zum Schutze ihrer Religion eine abgesonderte staatliche Stellung,
wie sie sich im Süden Frankreichs durch die Größe der Anzahl leicht
gebildet hatte, nothwendig glaubten und den Kampf gegen das Fort-
bestehen der katholischen Religion nicht aufgeben mochten. An ihnen
behielt Heinrich regsame Gegner, die nur durch die allenthalben wieder-
gekehrte Ordnung im Zaume gehalten werden konnten, und deren Wider-
stand gegen die den Katholiken günstigen Bestimmungen der Verordnung
Liescl, Weltgeschichte. Ii. 44
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Extrahierte Personennamen: Saluzzo Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Frankreich Frankreich Frankreich Genf Lyon Nantes Deutschland Frankreich Frankreichs
und der von den Vortheilen des Handels bestimmten Staatsknnst. 757
Person und dem Staate nicht unterscheiden, da der Begriff eines dem
Staate zu leistenden Dienstes auch einem Widerstande gegen den König,
sofern man sich dessen Willen mit dem Wohle des Staates im Wider-
spruch denken konnte, eine Entschuldigung geliehen hätte.
3. Das Bestreben, in keinem Kreise ein selbstständiges Leben, das
eine besondere Behandlung verlangte oder sich den königlichen Geboten
entzöge, zu dulden, wirkte auch auf die kirchlichen Verhältnisse ein. So
traf Ludwigs Bestreben mit den Bemühungen, welche die Kirche auf
Bekehrung der Hugenotten wendete, in ganz äußerlicher Weise und in
einem der Kirche fremden Sinne zusammen. Da ihm aber der von der
Kirche eingeschlagene Weg, durch Ueberzeugung die Hugenotten zurück-
zuführen, für seine Zwecke nicht hinlänglichen Erfolg versprach, brachte
er stufenweise das Mittel der Rechtöentziehuug in Anwendung und ging
zuletzt zur Gewalt über, indem er unter Mißbilligung des Papstes Jn-
nocenz Xi. die Hugenotten durch Truppen, die er in ihre Wohnplatze
schickte, mißhandeln ließ und über Viele die Strafe der Gefangenschaft
oder des Todes verhängte. Die Erinnerung an die selbstständige Stel-
lung, die einst die Hugenotten eingenommen, trieb ihn zu einer Verfol-
gung, wie sie in England für die Katholiken gewöhnlich war. Den
Schluß des ganzen Verfahrens bildete im Jahre 1685 die Aufhebung
der Verordnung von Nantes, wodurch den noch übrigen Hugenotten die
Freiheit der Neligionsübung entzogen wurde. Zugleich wurde, weil das
Land nicht durch Auswanderung einen Theil seiner Bevölkerung einbüßen
sollte, die Entfernung aus dem Lande verboten. Nichtsdestoweniger
kamen sehr Viele über die Grenzen nach Deutschland und England. Zum
Vertheidiger kirchlicher Einheit machte den König seine Auffassung des
Königthums auch bei einer in der katholischen Kirche ausgebrochenen
Lehrstreitigkeit. Der im Jahre 1638 verstorbene Bischof Jansenius von
Ipern hatte ein Buch unter dem Namen Augustinus hinterlassen, worin
über das Verhältniß der göttlichen Gnade zum menschlichen Willen irrige
Sätze enthalten waren. Im Jahre 1653 war in Nom die Verwerfung
der fraglichen Sätze erfolgt, und der König, damals noch unter Maza-
rins Leitung, hatte die Entscheidung angenommen. Es entspann sich
aber, da die Anhänger der Lehre des Jansenius zwar der Kirche vas
Recht der Entscheidung nicht bestritten, jedoch die Thatsache, daß die von
ihr verworfenen Lehren in dem Buche enthalten seien, in Abrede stell-
ten, eine lange Reihe von Streitigkeiten. Da sich in theologischen
Werken von Jesuiten gerade der schärfste Gegensatz zu jenen jansenifti-
schen Jrrthümern fand, gestaltete sich der Streit zu einem Streite gegen
die Jesuiten, die bei dem Eifer und dem Erfolge, womit sie der Sache
der Kirche gedient hatten und dienten, der nächste Gegenstand des An-
griffes für alle der Kirche Entfremdeten waren. Die ferner deshalb
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Die Zeit der falschen Aufklärung und der gewaltthätigen Staatskunst. 883
Abneigung gegen das Kirchenthum herübergetragen hatte, es war be-
reits auch ein Versuch gemacht, für Deutschland Forderungen zur Gel-
tung zu bringen, deren Befriedigung eine Vernichtung der Gewalt des
päpstlichen Stuhles gewesen sein würde. Im Jahre 1763 hatte Hont-
heim, der Weihbischof des Kurfürsten von Trier, unter dem erdichteten
Namen Febronius ein Buch in jenem Sinne herausgegeben, das in der
Zeit, wo so viele Feindseligkeit gegen die Kirche thätig war, mit um so
größerer Freude begrüßt wurde, als die von Außen kommende Feind-
seligkeit jetzt in der Kirche einen Bundesgenoffen gefunden hatte, der mit
Schaustellung von Wissenschaft zw demselben Zwecke wirkte und die Wohl-
fahrt der Kirche zu bezwecken schien. Zn der Meinung, daß die von den
Päpsten in Anspruch genommene Gewalt als größtes Hinderniß der
Wiedervereinigung der christlichen Confesstonen entgegeuftehe, unternahm er
es, dieselbe auf ein angeblich ursprüngliches Maß zurückzuführen, worin
ihm seiner Meinung nach Papst Clemens Xlll. durch Verzichtung
auf alle weitergehenden Rechte freiwillig folgen sollte. Er kehrte
zu den bedenklichsten Ansichten des Concils von Basel zurück, bestritt
dem Papste jede Gerichtsbarkeit über die gesammte Kirche, machte die
Gültigkeit seiner Anordnungen von einstimmigem Beitritt der Bischöfe
abhängig und läugnete die göttliche Einsetzung des Primates, den er
als eine von der Kirche an die römischen Bischöfe übertragene Würde
bezeichnete und mit dem Range des Vorsttzenden in einem Parlamente
auf gleiche Linie stellte. Wie diese Ansichten, waren auch die zu ihrer
Verwirklichung vorgeschlagenen Mittel gänzlich im Sinne der Zeit.
Concilien der einzelnen Nationen sollten die dem Papste nicht zustehenden
Rechte zurücknehmen und, falls derselbe sich diesen Veränderungen nicht
füge, der Kirche des Landes einstweilen ein besonderes Haupt geben.
Dann sollten die Fürsten durch Hemmung des Verkehrs der Kirchen
mit Nom den Papst zum Nachgeben zwingen und selbst das Werk der
Verbesserung beginnen. Zwar ward das Werk von Papst Clemens ver-
urtheilt, auch durch Schriften kundigerer und gelehrterer Männer wider-
legt, ja die Gesammtheit der darin enthaltenen Zrrthümer von dem
Verfasser auf Betreiben seines Erzbischofs im Zahre 1778 widerrufen,
doch fuhr es fort, seine Wirkungen bei Ausbildung der Ansichten zu
äußern, nach welchen die Staatsmänner in Behandlung der kirchlichen
Verhältnisse verfuhren. Es fehlte nicht an Schriften, welche die Hont-
heimffchen Lehren in Umlauf setzten und in Anwendung brachten. Ganz
besonders fanden dieselben in Oeftreich Eingang, wo ungeachtet der
kirchlichen Haltung der Maria Theresia eine Partei, die ihre Hoffnungen
auf Zoseph setzte, den Fürsten Kaunitz an der Spitze, einer kirchenfeind-
lichen Staatskunst huldigte.
32. Mit Kaiser Zoseph (1780—1730) kam auf den Thron Oest-
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Extrahierte Personennamen: Clemens_Xlll Clemens Maria_Theresia Maria Theresia Kaunitz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Trier Basel Oeftreich
1048
Die Zeit des noch lebenden Geschlechtes.
lichung zu wecken. Die Gefahr schwoll mit jedem Tage höher au, da
man alten vertragsmäßigen Festsetzungen zuwider nicht die Katholiken
und die Protestanten ihre Kirchen- und Schnlangelegenheiten besonders
verwalten ließ, sondern das katholische Kirchen- und Schulwesen unter
das Joch der voin Geiste des Radikalismus erfüllten Regierungen
zwang, um für die Zukunft immer freier von dem Widerstande einer der
Kirche anhängeudeu Partei zu werden. Der Kampf entbrannte da, als
man iin Laufe der Klofteraufhebungen, die überall ein wesentliches Ge-
schäft der Revolution bilden, im Jahre 1841 bei den Klöstern des Aar-
gaus augekommen war. Der Raub, den die aargauische Negierung an
dem großen Vermögen derselben beging, war eine so schreiende Frevel-
that, daß die katholische Bevölkerung der Schweiz, wie durch einen hef-
tigen Stoß, zur Erkenntniß des vor ihr sich öffnenden Abgrundes geweckt
wurde. Die Einsprache des päpstlichen Stuhles und der öftreichischen
Regierung blieb unbeachtet. Die Gesuche der Katholiken an die Tag-
satzung hatten ebenfalls keine Wirkung, da hier im Jahre 1842 der
größtentheils katholische Cantón St. Gallen durch seine als die zwölfte
Stimme für einen die Ungerechtigkeit gutheißenden Beschluß den Aus-
schlag gab. Die nächste Frucht des Unwillens, welcher die katholische
Bevölkerung ergriff, war eine Umwandlung der Cantone Luzern und
Freiburg, wodurch au die Stelle der radikalen Regierungen eifrig katho-
lisch gesinnte traten. Wallis hatte sich im Jahre 1840 in Folge des
Gegensatzes zwischen der katholischen und der radikalen Partei in Ober-
wallis und Unterwallis, deren Regierungen in Siders und Sitten saßen,
getrennt. Doch brachte das Verfahren der im Jahre 1842 in Unter-
wallis aus der Regierung verdrängten Radikalen einen Kampf hervor,
der im Jahre 1844 mit einen: entscheidenden Siege der Oberwalliser
endigte und so zur Wiedervereinigung des Cantono führte. Nun waren
es, da Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug noch keine Umwälzung er-
litten hatten, sieben Cantone, welche au der Kirche festhielten und der
Revolution gegenüberstanden. Je entschlossener sie sich zur Wahrung
der von ihnen heilig gehaltenen Sache zeigten, desto stärkere Feindschaft
hegten gegen sie diejenigen Cantone, welche sich die Aussicht benommen
sahen, in Kurzem den bei ihnen heimischen Radikalismus über die ganze
Schweiz zu verbreiten. Die Unruhe steigerte sich, als die Regie-
rung in Luzern, um für katholische Erziehung der Jugend und richtige
Ausbildung künftiger Priester eine Bürgschaft zu gewinnen, im Jahre
1844 Glieder des Jesuitenordens berief. Wie der Name der Jesuiten
überall eine kirchenfeindliche Gesinnung zu loderndem Zorne entflammt,
regte sich jetzt mit einem Male die äußerste Geschäftigkeit zu dem Zwecke,
in dem Cantone Luzern, der gerade damals auch der Vorort der Eidge-
nossenschaft war, eine Umwälzung zu bewirken, welche der katholischen
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