170 Auflösung des deutschen Kaiserrstchs.
v.c.t. Franz schließt, nach seiner Unterredung zu Saroschütz
mit Napoleon, Waffenstillstand, und der von allen Seiten
sich zeigenden Hilfe ungeachtet, nachdem Preussen (Haugwitz)
zu Wien einen Vergleich eingegangen, den Frieden zu
1805.Preßburg: Oesterreich verliert Tyrol an Baiern; schwä-
bische Besitzungen an Würtemberg und Baden, Venedig rc.
an Italien; erhalt Salzburg rc. Der Churfürst von Baiern
und Würtemberg — Könige, Baden — Churfürst mit völliger
Souveränetät.
2806. Ioseph Napoleon erblicher König von Neapel und
Sicilien. Ferdinand flüchtet nach Sicilien.
Ludwig Napoleon — König von Holland. Prinz
iliurai — Herzog von Cleve/und Berg. Berliner — Fürst
von Iveufchatcl. Prinz Eugen Beauhamois mit der Prinzessin
Auguste von Baiern vermahlt rc.
Rheinbund unter Napoleon's Protectorat zwi-
schen Baiern, Würtemberg und vierzehn kleineren Fürsten; der
Churerzkanzler — Fürst-Primas des Bundes, sämmtlich sou-
verän; die anderen Reichsstände mediatisirt. Frankfurt, Sitz
der Bundesversammlung, dem Fürsten - Primas.
Franz H. legt seine deutsche Krone nieder, erklärt sich
zum erblichen Kaiser der österreichischen Monarchie, — völ-
Ang. lige Auflösung der deutschen Reichsverfassuug.
Die Reichsverfassung ist bis zum Lüneviller Frieden ohne bedeutende
Veränderung; durch ihn die Kreisrintlmung aufgehoben. Der Reichs-
tag seit 1663 beständig, wurde durch Bevollmächtigte des Kaisers und
der Reichsstände beschickt; bei reichstägigen Berathungen drei Collegien:
das Churcollegium, der Fürstenrath und das reichsstädtische Collegium.
Das Reichsk-mmergericht hatte, mehrer Beschlüsse ungeachtet,
seit 1782 doch nur einen Kammerrichter, zwei Präsidenten und fünf und
zwanzig Beisitzer. Der Reichshofrath hatte seinen Sitz am kaiser-
lichen Hof, seit dem westphälischcn Frieden von gleicher Gerichtsbarkeit
mit dem Kammergerichte, ausschließlich für Erkenntnisse über ganze
Fürstenthümer rc.; er bestand aus achtzehn Mitgliedern, sämmtlich vom
Kaiser ernannt und besoldet.
Das Zeitalter der klassischen Litteratur hat vorzüglich durch Fried-
richs U. Einfluß begonnen. Die Dichtkunst, durch Lessing und
/
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Napoleon Haugwitz Ioseph Napoleon Ferdinand Ludwig_Napoleon_— Ludwig Napoleon Iveufchatcl Eugen_Beauhamois Eugen Auguste_von_Baiern Franz_H. Franz Reichshofrath
432 Die neue Zeit.
rische Lehre bekennen dürfen, protestierten sie zngleich dagegen, daß sie diejenigen von ihren Unterthanen, welche bei der alten Lehre bleiben wollten, ungestört lassen sollten. Insbesondere erklärten sie, sie könnten nie zugeben, daß ihre Unterthanen die Messe anhörten. Sie verlangten also Freiheit für sich und zugleich das Recht, gegen die katholischen Unterthanen Gewalt anwenden zu dürfen. Fortan mußte sich die Religion der Unterthanen nach der Religion des Landesherrn richten, und ein Religionswechsel des Fürsten zog jedesmal einen gewaltsamen Religionswechsel der Unterthanen nach sich. So mußten z. B. in der Pfalz die Unterthanen in kurzer Zeit viermal die Religion wechseln, zuerst lutherisch, dann reformiert, dann wieder lutherisch und wieder reformiert werden, je nachdem die gebietenden Herren lutherisch ober reformiert waren. Wo aber ein katholischer Fürst die katholische Kirche wieberherftellte, ba schrie man über Glaubenszwang und Gewissenstyrannei.
8 158.
Die Reformation tu der Schweiz.
437) Zu gleicher Zeit mit Luther hatte Ulrich Zwingli, Pfarrer in Zürich, die Heilige Schrift als die alleinige Quelle des Glaubens erklärt und war deshalb mit feinem Bischöfe in Streit geraten. Aber der Große Rat in Zürich nahm sich seiner an, und unter dessen Schutze wurden nicht nur dieselben Neuerungen eingeführt, wie in Sachsen, sondern Zwingli ging noch weiter als Luther. Er leugnete sowohl das Opfer der heiligen Messe als auch die Gegenwart Jesu Christi im heiligen Sakramente, welche Luther noch neben dem 33roje znließ. Das Brot und der Wein waren ihm nichts als Sinnbilder, welche nur das Fleisch und Blut Christi bedeuten und an Christi Tod bloß erinnern sollten. Darüber geriet er mit Luther in Streit, der „die Sakrameutierer", wie er Zwingli und seine Anhänger nannte, für „Erzteufel" erklärte. Jeder erblickte in dem andern den Antichrist, und beide überschütteten einander mit denselben Schmähungen, mit denen sie Papst und Bischöfe überhäuften. Wie in Sachsen, so wurde auch iu Zürich die neue Lehre mit Gewalt eingeführt. Die Klöster und die Ehelosigkeit der Priester wurden aufgehoben, und das Abendmahl unter beiden Gestalten, und zwar mit gewöhnlichem Brote, ausgeteilt. Das Beispiel Zürichs, welches die Kirchengüter und die kostbaren Kirchengerätschaften einzog, und die evangelische Freiheit, welche weder Fasten noch guter Werke bedurfte, wirkte auch auf andere Kantone. Basel und Bern ahmten Zürich zuerst nach und verfuhren mit gleicher Gewaltthätigkeit gegen die, welche der alten Kirche treu bleiben wollten. Es entstand ein Krieg zwischen Zürich und Bern und den katholischen Kantonen,
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§ 190. Die Schweiz. 519
Dienste und zwar in den französischen Religionskriegen sogar Schweizer gegen Schweizer.
524) Auch die Sekten verursachten in den Schweizer Kantonen, welche sich von der Kirche getrennt hatten, Unordnungen und fanden blutige Unterdrückung. Besonders waren es die Wiedertäufer, welche sich von Walds Hut aus über die Schweiz verbreiteten. Auch der Bauernkrieg fand in der Schweiz feine traurige Fortsetzung. Die von Luzern abhäugigeu Eutlibucher und die zu Bern gehörigen Emmenthal er thaten sich zusammen, um ihre alten Rechte zu wahren, welche sie vou den Städten verletzt glaubten. Zn Snmiswald im Bernischen stifteten sieden Bund aller Bauern. Aber Bern 1653. und Luzern erhielten Hilfe von Zürich, und bei Wohlen-schwyl am Zürcher See wurdeu die Bauern geschlagen. Die Patrizier, welche mit den Schweizerbauern nicht besser umgegangen waren als die deutschen Herren mit den ihrigen, übertrafen die letztem nach Unterdrückung des Aufstandes noch in der Grausamkeit. Unter den andern innern Streitigkeiten ist noch der Toggenbnrger Handel hervorzuheben, der mit dem Frieden^-von Baden endete, in welchem der Abt von St. Gallen die E. Rechte der Toggenbnrger Bauernschaft anerkennen mußte.
Anmerkungen.
1. Matthäus Schinn er, Bischof von Sitten und päpstlicher Legat in der Schweiz, hatte den Eidgenossen, die vorher im Solde der Franzosen gekämpft hatten, ein fünfjähriges Bündnis mit dem Papste vorgeschlagen. Da die Schweizer für ihre den Franzosen geleisteten Dienste nicht mehr so reichlich wie früher belohnt, ja öfters beschimpft wurden, so beschlossen sie, sich vom französischen Heere zu trennen und sich auf die Seite des Papstes und des Kaisers zu schlagen. Als sie aber später mit Frankreich den ewigen Bund geschlossen hatten und die katholischen Kantone Hilfstruppen nach Frankreich sandten, so eilten aus den protestantischen Kantonen viele den Hugenotten gegen die Ligue zu Hilfe; auch fanden viele vertriebene Hugenotten Aufnahme in der reformierten Schweiz.
2. Ein großes Verdienst um die Erhaltung des katholischen Glaubens in der Schweiz hatte der heilige Karl von Borromäo, Kardinal und Erzbischof von Mailand. Er brachte den Goldenen oder Borromäischen Bund zu stände, in welchem die Kantone Luzeru,
Uri, Schwyz, Uuterwalden, Zug, Solothurn, Freiburg und Wallis sich zu Luzern auf ewige Zeiten zum katholischen Glauben verpflichteten (1586).
3. Der Anführer der Schweizerbauern war Nikolaus Leuenberg, ein Bauer aus Schönholz im Kanton Bern. Er ließ sich keinerlei Gewaltthätigkeit zu schulden kommen und suchte stets zu vermitteln; auch ging die Regierung von Bern einen Vertrag mit ihm ein, wodurch die Streitigkeiten zwischen Land und Stadt beigelegt werden sollten. Wäh-
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Extrahierte Personennamen: Matthäus_Schinn Karl_von_Borromäo Karl Nikolaus_Leuenberg Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Luzern Baden Schweiz Frankreich Frankreich Mailand Schwyz Solothurn Freiburg Bern
Kaiser Karl V und die Kirchentrennung in Deutschland. 603
jetzt noch bei dem Reichskammergericht über Religionssachen schwebenden
Rechtsstreitigkeiten nachgeben. Hier wurde ihm zugleich noch Anderes
abgedrungen. Der Landgraf Philipp hatte kurz vorher, von König
Franz durch Geld unterstützt, ein Heer gerüstet und mit Gewalt den
Vertriebenen Herzog Ulrich, der zum Protestantismus übergetreten war,
in sein Land wieder eingesetzt, was um so leichter gelungen war, als
der schwäbische Bund sich im Jahre vorher aufgelöst hatte. Dieser
Gewaltthat mußte Ferdinand, der noch auf dem Reichstag zu Augsburg
die förmliche Belehnung mit Würtemberg empfangen hatte, seine Be-
stätigung ertheilen. Wie der Protestantismus nun einen Stützpunkt im
Süden Deutschlands gefunden, breitete er sich auch im Norden aus,
wo er im Jahre 1539 Brandenburg durch Joachims I. Sohn Joachim Ii»
und das Herzogthum Georgs durch dessen Bruder Heinrich gewann.
Unter solchen Umständen erhielt das Schmalkaldner Bündniß immer
mehr Kraft. In dasselbe waren auch die vier der Zwinglischen Lehre
anhängeuden Reichsstädte in Oberdeutschland ausgenommen worden, und
um die Verbindung fester zu knüpfen, wurde in der sogenannten Witten-
berger Concordie ein Ausdruck für die Abendmahlslehre gefunden, in
welchem die beiden protestantischen Parteien, ungeachtet die Verschieden-
heit in dieser Beziehung nicht aufhörte, sich einigten. Dagegen sprach
man von protestantischer Seite die Trennung von den Katholiken, als
Clemens' Vh. Nachfolger Paul Iii. (1534 bis 1549) ein Concil nach
Mantua ausschrieb, recht scharf durch die von Luther verfaßten Schmal-
kaldner Artikel aus, nachdem man die Theilnahme an dem Concil ver-
weigert hatte. Indessen hatte die religiöse Bewegung auch zu einer
großen Störung des Friedens geführt. In Münster hatte der Protestan-
tismus allmälig Eingang gefunden, und als er sich im Besitze eines
Theiles der Stadt befand, erstreckten sich hieher die Einwirkungen der
wiedertäuferischen Secte, die in den nahen Niederlanden heimisch ge-
worden war. Ihre Sendlinge rissen das ohnehin schon aufgeregte
Münster in einen Strudel von Schwärmerei und Gewaltthat, indem sie
mit Verkündigungen eines nahenden Gottesreiches viel Volk aus der
Umgegend in die Stadt lockten und mit Hülfe desselben alle Gewalt
in ihre Hände brachten. Ein Schneider, Johann Bockhold aus Leyden,
der göttliche Offenbarungen zu erhalten vorgab, trat an die Spitze der
Bewegung, erklärte sich für den König des neuen Reiches, das unter
Vernichtung aller Fürsten über den Erdkreis verbreitet werden sollte,
und ließ alle Greuel entmenschter Thorheit und Wuth in der Stadt
walten. Der Bischof von Münster, der früher mit den Protestanten
einen Vertrag hatte eingehen müssen, war jedoch mit Truppen zur
Eroberung der Stadt augerückt, und der Hunger riß in derselben ein.
Als nun die wegen der würtembergischen Angelegenheit begonnene Fehde
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Extrahierte Personennamen: Karl_V Karl Philipp Philipp Franz Franz Ulrich Ferdinand Joachim_Ii» Heinrich Heinrich Johann_Bockhold Johann
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschlands Brandenburg Joachims Georgs Oberdeutschland Mantua
Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland. 595
stanz. Zwingli's Lehre entfernte sich noch weiter von der kirchlichen, als
die lutherische, und kam in Zürich so schnell zur Alleinherrschaft, daß
diejenigen, welche katholisch bleiben wollten, keine Kirche zum Gebrauche
erhalten konnten und aus der Obrigkeit die katholisch gebliebenen Mit-
glieder ausgestoßen wurden. Außer Zürich fielen die Cantone Basel,
Bern und Schaffhausen von der Kirche ab, während die neun übrigen
nach einem im Jahre 1526 zu Baden von Eck mit Hausschein oder
Oekolampadius, der Zwingli's Melanchthon war, gehaltenen Religions-
gespräche die neue Lehre als Jrrthum erkannt zu haben erklärten. Von
den nicht im Bunde befindlichen, sondern nur dem Bunde zugewandten
Orten hatte St. Gallen eine förmliche Empörung zu erleben, die mit
dem Wechsel der Religion endete. Als nun in den übrigen Cantonen
der Fortgang der neuen Lehre gehemmt wurde, verlangten die abgefalle-
nen Cantone, in- denen die Fortdauer katholischen Gottesdienstes nicht
gestattet wurde, von den katholischen die Zulassung des ihrigen. So
war ein Krieg unvermeidlich, und im Jahre 1531 brach er wirklich
aus. Die Schlacht bei Cappel im Cantón Zürich an der Zuger Grenze,
wo Zwingli fiel, entschied für die katholischen Cantone, die dadurch für
sich ihren Glauben bewahrten, den Abt von St. Gallen, obgleich die
Stadt nicht wieder katholisch wurde, wieder in Besitz seiner Herrschaft
setzten und in den dem Bunde gemeinschaftlichen Gebieten die Freiheit
der Religionsübung für die Katholiken schützten. Doch breitete das Ge-
biet der Zwingli'schen Lehre, deren Anhänger die Reformirten genannt
wurden, sich nach Westen weiter aus. Sie erhielt einen neuen Mittel-
punkt in der Stadt Genf, wo Calvin aus Nopon, nachdem die katholische
Religion daselbst schon unterdrückt war, in unermüdlicher Thätigkeit ein
eigenes Lehrgebäude aufftellte, und in Nähe und Ferne, auch unter den
bisherigen Bekennern von Zwingli's Lehre, großen Anhang gewann.
Die Vergrößerung des Berner Gebietes auf Kosten Savoyens schaffte
auch dem reformirten Kirchenwesen, das die Anhänger Calvins ebenfalls
in sich schloß, größeren Raum. Wie Bern der Stadt Genf zur Be-
freiung aus der Herrschaft Savoyens behülsiich gewesen, entriß es im
Jahre 1536 demselben mit Hülfe von Wallis und Freiburg, die ihren
Antheil erhielten, auch das ganze Waadtland, das nun in der bereits
gewöhnlichen Weise reformirt ward. Die weltliche Gewalt der Bischöfe
von Genf und Lausanne war vernichtet. Der Herzog von Savoyen,
Karl Iii., aus der Familie von Herzog Ludwigs zweitem Sohne Phi-
lipp, die nach dem Erlöschen der von dem älteren, Amadeus Ix., aus-
gegangenen zur Herrschaft gelangt war, konnte den Verlust nicht hin-
dern, da er, zugleich von König Franz angegriffen, selbst sein Stamm-
land Savoyen verlor. Die reformirte Lehre der Schweiz breitete sich
einerseits nach Frankreich aus und gewann anderseits Anhänger im bis-
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Melanchthon Cappel Zwingli Calvins Karl_Iii Karl Ludwigs Ludwigs Amadeus Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Basel Schaffhausen Cantón_Zürich Genf Savoyens Savoyens Freiburg Genf Lausanne Frankreich
1028
Die Zeit des noch lebenden Geschlechtes.
'zu freiwilligem Gehorsam Eintrag gethan habe, und Geister, die er
herbeigerufen, nun nicht mehr zu beschwören vermöge. Daß die Ant-
wort auf diese Frage eine bejahende sein müsse, wird um so wahrschein-
licher, je mehr sich die Erscheinung wiederholt, daß die Revolution da
am wenigsten Eingang findet, wo die Kirche ihre Macht über die Ge-
müther ungestört zu üben vermag, und daß die Revolution überall, wo
sie austritt, zugleich die Grundlagen des Staates unterwühlt und der
Kirche den Krieg erklärt. Doch es ist allerdings schwer abzusehen, wie
die Regierungen in einer Zeit, wo ihnen durch den Geist der Revo-
lution fortwährend ihr Gebiet streitig gemacht wird, sich sollten ent-
schließen können, zu Gunsten der Kirche einen Theil dessen, was sie für
ihr Gebiet halten, abzutreten. Erinnerungen aus der Zeit, wo die
Kirche bei der Unbestimmtheit des Staatswesens als Richterin zwischen
Fürsten und Völkern, zwischen Fürsten und Fürsten, aufzutreten gezwun-
gen war, oder in Abwehr fürstlicher Uebergriffe wider Willen das fürst-
liche Ansehn schwächte, stiegen auf als schreckende Bilder der Beeinträchti-
gung, welche auch die fürstliche Gewalt durch die Kirche zu erleiden
haben würde. Während daher die Kirche von allen gegen die fürstliche
Gewalt andrängenden Gewalten als deren Bundesgenossin behandelt
wird, wird sie bloß von der fürstlichen Gewalt nicht leicht als solche
behandelt. Freilich müssen sich in den christlichen Ländern getheilten Be-
kenntnisses die Regierungen, wenn sie selbst außerhalb der Kirche stehen,
noch um so mehr dazu außer Stande fühlen, als es für sie, in deren
Bereich die Angelegenheiten ihres eignen Kirchenwesens hineinfallen,
unendliche Schwierigkeiten hat, kirchliche Angelegenheiten aus ihrem
Wirkungskreise auszuscheiden. Dazu kommt noch die Befürchtung, durch
völlige Freigebung der katholischen Kirche das eigne Kirchenwesen der
Gefahr einer Erschütterung auszusetzen, eine Befürchtung, die in dem
Hinblick auf die nicht lange nach der Kirchentrennung von der Kirche
vollbrachten Wiedereroberung verlorenen Gebietes eine Begründung findet.
12. Königs Karl X. hatte mit seinem Bruder und Vorgänger die
Neigung, den seit der Revolution auch bei den Gemäßigten gangbar
gewordenen Forderungen Genüge zu thun, nicht gemein. Die Ungunst,
welche sich gegen das in seinem Sinne verfahrende Ministerium Villele
richtete, brachte Wahlen von Abgeordneten zuwege, die den König be-
wogen, mittelst des Ministeriums Martignac ein Einlenken zu versuchen.
Dieses neue Ministerium, unter welchem die Befreiung Morea's ge-
schah, fand durch die vermittelnde Stellung, die es einnahm, gleich
wenig Billigung bei dem Hofe und bei dessen Gegnern. Der König
gelangte zu der Ansicht, daß alle Zugeständnisse ihn seinem Ziele, Frank-
reichs Glück zu gründe«, nicht näher führten. Er berief daher, als er
sich durch das von Rußlands Fortschritten in der Türkei bewirkte engere
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628 Die Kkrchentrennung in England, im Norden und in Polen.
wig-Holstein, trat bewaffnet gegen ihn auf und wurde von den Jüt-
ländern als König anerkannt, worauf Christian, der es nicht auf Ent-
scheidung der Waffen ankommen kaffen wollte, in der Hoffnung, den
Thron mit fremder Hülfe wieder zu gewinnen, das Land verließ und
so den Uebergang der Inseln zu dem neuen Könige beschleunigte. Die
Hoffnung, an der Spitze der von ihm bisher begünstigten lutherischen
Partei in seinem Reiche wieder festen Fuß zu fassen, sah Christian ver-
eitelt, da Friedrich (1523—1533) nun selbst als Beschützer dieser Partei
auftrat und mit den im Fortgange der kirchlichen Bewegung eingezogenen
Gütern den Adel für sich gewann. Obgleich er bei seiner Erhebung,
zu welcher die Bischöfe mitgewirkt, in einer Wahlkapitulation die Er-
haltung der katholischen Religion gelobt hatte, bewirkte er im Jahre
1527 auf dem Reichstage zu Odense eine Gleichstellung der lutherischen
Lehre mit der katholischen, wodurch die Anhänger der ersteren hin-
reichende Sicherheit erhielten, um gegenüber einem zur Vertheidigung
seiner Lehre nicht geeigneten Klerus die weitere Umwandlung mit Erfolg
zu betreiben. Run suchte Christian bei seinem Bemühen um Wieder-
eroberung des Reiches durch Anschließen an die katholische Partei eine
Stütze zu gewinnen und landete mit brandenburgischer und braun-
schweigischer Hülfe im Jahre 1531 in Norwegen, wo er sich in Opslo,
dem späteren Christianta, eine Zeitlang behauptete. Doch er wurde
nicht bloß von den Dänen, sondern auch von den Schweden, deren
König durch einen Frieden mit Friedrich die Anerkennung der schwe-
dischen Unabhängigkeit erhalten hatte, dort angegriffen, und ließ sich
bewegen, sich zu persönlicher Unterredung mit seinem Oheim nach Däne-
mark zu begeben, worauf dieser ihn nach dem Rathe schwedischer und
lübeckischer Abgeordneten festhielt, um ihn für die Zeit seines Lebens
auf der Insel Alsen in enger Haft zu verwahren. Hier lebte er noch
zur Zeit, da Friedrich starb, und als der katholische Theil der Stände
der Wahl von Friedrichs Sohne Christian, der als eifriger Anhänger
der neuen Lehre bekannt war, sich widersetzte, und die Negierung von
einem Reichsrathe geführt wurde, benutzte die Stadt Lübeck, die ihren
Einfluß in Dänemark wiederzugewinnen und dem niederländischen Han-
del die Ostsee zu verschließen trachtete, den Namen des Gefangenen,
um einen Krieg zu beginnen. Wirklich wurde Kopenhagen erobert, aber
die Widerstandskraft Dänemarks wuchs, als Christian Iii. zum Könige
(1534—1559) gewählt wurde. Nachdem er bis zum Jahre 1536
Herr des Reiches geworden war, verhalf er der neuen Religion, die
sein Vorgänger der alten gleichgestellt hatte, zur Alleinherrschaft. Die
bischöfliche Würde wurde abgeschafft, und nur der Name ging auf die
Kirchenvorsteher über, welche nach einer von dem Reichstage zu Odense
im Jahre 1539 genehmigten Kirchenordnung eingesetzt wurden. Das
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Extrahierte Personennamen: Christian Christian Friedrich_( Friedrich Christian Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrichs_Sohne_Christian Friedrichs Dänemarks Christian_Iii
Extrahierte Ortsnamen: England Polen Odense Norwegen Schweden Dänemark Odense
630 Die Kirchentrennung in England, im Norden und in Polen.
Königen streitig machte. Auch seit die Türken unter Suleiman Ii. die
Herrschaft über jene beiden walachischen Staaten gewonnen hatten, be-
saß Polen noch eine große Ausdehnung« Doch hatte es an den Türken,
Tartaren und Russen so lästige Feinde, daß es keiner großen Kraft-
entwicklung fähig wurde. Selbst während der glücklichen Kriege mit
dem deutschen Orden hatte es durch innere Veränderungen, zu denen
eben dieser Krieg beitrug, an Kraft eingebüßt. Dadurch, daß der Adel
Behufs der für den Krieg zu leistenden Hülfe häufiger hatte versammelt
werden müssen, war der König von demselben abhängiger geworden
und, da die häufigen Versammlungen bei dem Adel das Bedürfniß einer
Vertretung hervorgerufen, hatte sich die Einrichtung gebildet, daß der-
selbe in Lezirksversammlungen Abgeordnete wählte, welche unter dem
Namen von Landboten zu den Reichstagen gingen, um Steuern zu be-
willigen oder zu verweigern und dem Könige in Angelegenheiten der
Regierung zu rathen. So erhielt diejenige Gewalt, welche dem Könige
beschränkend gegenüberstand, durch festere Einrichtung eine zusammen-
hängendere und ausgedehntere Wirksamkeit. Die drei jüngeren Brüder
des böhmisch-ungarischen Königs Ladislaus, welche nacheinander (1492
bis 1548) Polen regierten, Johann Albrecht, Alexander und Sigis-
mund I., hatten neben den äußeren Feinden auch den Widerstand des
auf Erhaltung und Erweiterung seiner Befugnisse bedachten Adels zu
bekämpfen. Unter Sigismund fand nun auch die Glaubensneueruug
Eingang, indem einerseits von Böhmen aus die sogenannten böhmischen
Brüder, die Nachkommen der nicht zur Kirche zurückgekehrten Husfiten,
ihr den Weg bahnten, und anderseits in dem polnischen Preußen das
Uebergewicht der deutschen Bevölkerung und das Beispiel der in Ost-
preußen vorgegangenen Veränderung dem Lutherthum festen Fuß zu
fassen erlaubte. Dazu kamen noch reformirte Gemeinden, deren sich
namentlich in Litthauen viele bildeten. Sowohl Sigismund als sein
Sohn Sigismund August (1548—1572) leisteten dem Eindringen der
Neuerung entschiedenen Widerstand. Einen großen Antheil daran hatte
der Cardinal Hosius, Bischof von Culm und nachher von Ermland, der
mit unermüdlicher Thätigkeit an Erhaltung und Wiederherstellung der
Kirche arbeitete, wie er später auch eines der bedeutendsten Mitglieder
des Concils von Trient war und zur Befestigung der katholischen Lehre
in Polen noch die Hülfe des Jesuitenordens gewann. Einen Anhalt
fanden die verschiedenen protestantischen Sekten an dem zur Auflehnung
geneigten Adel, der durch Anschluß an die Neuerung einen Boden zu
gewinnen glaubte, auf welchem der Widerstand gegen die königliche
Gewalt eine höhere Berechtigung zu erhalten schien. Als mit Sigis-
mund August der Stamm Jagello's ausstarb, benutzte der Adel die Ge-
legenheit, Polen in ein Wahlreich zu verwandeln, und da der nach
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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Extrahierte Personennamen: Ladislaus Johann_Albrecht Johann Albrecht Alexander Alexander Sigismund Sigismund Sigismund August Cardinal_Hosius Culm August
Extrahierte Ortsnamen: England Polen Polen Polen Polen Polen
1048
Die Zeit des noch lebenden Geschlechtes.
lichung zu wecken. Die Gefahr schwoll mit jedem Tage höher au, da
man alten vertragsmäßigen Festsetzungen zuwider nicht die Katholiken
und die Protestanten ihre Kirchen- und Schnlangelegenheiten besonders
verwalten ließ, sondern das katholische Kirchen- und Schulwesen unter
das Joch der voin Geiste des Radikalismus erfüllten Regierungen
zwang, um für die Zukunft immer freier von dem Widerstande einer der
Kirche anhängeudeu Partei zu werden. Der Kampf entbrannte da, als
man iin Laufe der Klofteraufhebungen, die überall ein wesentliches Ge-
schäft der Revolution bilden, im Jahre 1841 bei den Klöstern des Aar-
gaus augekommen war. Der Raub, den die aargauische Negierung an
dem großen Vermögen derselben beging, war eine so schreiende Frevel-
that, daß die katholische Bevölkerung der Schweiz, wie durch einen hef-
tigen Stoß, zur Erkenntniß des vor ihr sich öffnenden Abgrundes geweckt
wurde. Die Einsprache des päpstlichen Stuhles und der öftreichischen
Regierung blieb unbeachtet. Die Gesuche der Katholiken an die Tag-
satzung hatten ebenfalls keine Wirkung, da hier im Jahre 1842 der
größtentheils katholische Cantón St. Gallen durch seine als die zwölfte
Stimme für einen die Ungerechtigkeit gutheißenden Beschluß den Aus-
schlag gab. Die nächste Frucht des Unwillens, welcher die katholische
Bevölkerung ergriff, war eine Umwandlung der Cantone Luzern und
Freiburg, wodurch au die Stelle der radikalen Regierungen eifrig katho-
lisch gesinnte traten. Wallis hatte sich im Jahre 1840 in Folge des
Gegensatzes zwischen der katholischen und der radikalen Partei in Ober-
wallis und Unterwallis, deren Regierungen in Siders und Sitten saßen,
getrennt. Doch brachte das Verfahren der im Jahre 1842 in Unter-
wallis aus der Regierung verdrängten Radikalen einen Kampf hervor,
der im Jahre 1844 mit einen: entscheidenden Siege der Oberwalliser
endigte und so zur Wiedervereinigung des Cantono führte. Nun waren
es, da Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug noch keine Umwälzung er-
litten hatten, sieben Cantone, welche au der Kirche festhielten und der
Revolution gegenüberstanden. Je entschlossener sie sich zur Wahrung
der von ihnen heilig gehaltenen Sache zeigten, desto stärkere Feindschaft
hegten gegen sie diejenigen Cantone, welche sich die Aussicht benommen
sahen, in Kurzem den bei ihnen heimischen Radikalismus über die ganze
Schweiz zu verbreiten. Die Unruhe steigerte sich, als die Regie-
rung in Luzern, um für katholische Erziehung der Jugend und richtige
Ausbildung künftiger Priester eine Bürgschaft zu gewinnen, im Jahre
1844 Glieder des Jesuitenordens berief. Wie der Name der Jesuiten
überall eine kirchenfeindliche Gesinnung zu loderndem Zorne entflammt,
regte sich jetzt mit einem Male die äußerste Geschäftigkeit zu dem Zwecke,
in dem Cantone Luzern, der gerade damals auch der Vorort der Eidge-
nossenschaft war, eine Umwälzung zu bewirken, welche der katholischen
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