750
Europa
— Frankreich.
Franzosen übrig bleibt. — Auch in Bezug auf die konfessionellen Verhältnisse vermeidet
die Administration, aus „Erwägungen von besonderer Art", Tabellen über die Verbreitung
der verschiedenen Kulte zu veröffentlichen, daher die Angaben darüber an Genauigkeit
Manches zu wünschen übrig lassen. Staatskirche ist die römisch-katholische unter 18
Erzbischösen und Iii Bischöfen und dem stattlichen Heer von 50000 Klerikern, unge-
rechnet die 25000 Ordensbrüder und -Schwestern und 33000 Eleven der Seminare.
Die Zahl der Protestanten (größtenteils Nesormirte und besonders im Südwesten des
Landes) wird zwischen I V» und 2'/? Mill. angegeben, die der Juden zu 156000, die an-
derer Kulte zu 21000.
Die Gewerbthätigkeit ist seit 50 Jahren fortwährend im Steigen. In fast
1 Million gewerblicher Etablissements sollen 7 Mill. Arbeiter beschäftigt sein. Neben
der längst gerühmten Seidenarbeit hat sich die in Wolle und Baumwolle bedeutend ge-
hoben. Die Seide, die man braucht, wird beinahe zur Hälfte im Lande selbst gewonnen;
die aus Seide verfertigten Waaren haben den Werth von 180 Mill. Thlrn.; der dritte
Theil davon geht ins Ausland. Die Waaren aus Baumwolle sind 54, die aus Wolle
160 und die aus Flachs und Hanf 140 Mill. Thlr. Werth. — Was die Franzosen in
Metall, Porzellan, Glas und den manchsaltigsten Modewaaren liefern, wird als ge-
schmackvoll geschätzt. Doch steht ihre Eisenindustrie der englischen und der deutschen
nach, und auch ihre Lederbereitung kann sich mit der nnsrigen nicht messen. In ge-
trockneten Früchten, in Olivenöl und Wein werden große Geschäfte gemacht; an Wein
geht jährlich für 14 Mill. Thlr. ins Ausland, während 13 mal so viel im Innern ver-
braucht wird. Der Ackerbau bringt jetzt viermal soviel hervor als zu Louis Xiv. Zeit,
und die Fabrikation fünfmal soviel.
Die Flüsse haben keinen so raschen Fall als die spanischen und sind meist auf
längere Strecken schiffbar, da das Land überhaupt von wenig Gebirgen und Hochebenen
durchzogen ist. Dies und die vorhin genannten Kanäle, die Vermehrung der Heer-
straßen, die Dampfboote auf deu Flüssen, und vorzüglich die Eisenbahnen tragen znr
Belebung des innern Verkehr? bei. — Der Seehandel beschäftigt die Häfen
von Havre, Bordeaux und Marseille vorzugsweise, aber auch Dünkirchen, Calais, Boulogue,
Dieppe, Nantes und infolge der zunehmenden Versandung Zweiter abwärts Paimboeuf
und St. Nazaire an der untern Loire, Bayonne am aqnitanischen, Eette am mittel-
ländischen Meere. Frankreich besitzt eine Handelsmarine von 15800 Schiffen (mit 1 Mill.
Tonnen), wovou jedoch über die Hälfte Fischerbarken und Küstenfahrzeuge. Die Aus-
fuhr hat einen Werth von 793, die Einfuhr von 842 Mill. Thlr.
Die Landmacht Frankreichs wird, wenn es seine der deutschen nachgebildeten
Armeereorganisation vollständig durchgeführt haben wird, die größte aller europäischen
Staaten sein. Dieselbe besteht (bei 20jähriger Dienstzeit): 1) aus der aktiven Armee
(5 Jahrgänge) 705000 Mann und deren Reserve (4 Jahrgänge) 510000 Mann; da-
zu kommt noch der permanente Theil der Armee, der sich nicht durch den Appell rekrn-
tirt, ungefähr 120000 Mann, so daß die Totalstärke der aktiven Armee 1,335000 Mann
aufweist, — 2) aus der T erri torialarmee (Landwehr, 5 Jahrgänge) 582000 Mann,
und deren Reserve (6 Jahrgänge, nicht organisirt) 626000 Mann, also eine Gesammt-
stärke der Landwehr von 1,208000 Mann. Dies gibt eine Gesammtkriegsmacht von
2,543000 Mann. Der stehende Friedensfuß des Heeres beträgt 454000 Mann. Die
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T99: [Frankreich Loire Stadt Rhone Gebirge Pyrenäen Paris Meer Garonne Lyon], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T53: [Frankreich Stadt Loire Paris Rhone Garonne Maas Lyon Orlean Hauptstadt], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Personennamen: Louis_Xiv
Extrahierte Ortsnamen: Europa Frankreich Olivenöl Marseille Nantes Bayonne Frankreich Frankreichs
888
Europa —
Schweiz.
denn Artillerie, Kavallerie ,c. haben natürlich länger. Zum Offizier befähigen noch
besondere Kurse und die Kriegsschule zu Thun. Uniform und Gewehr nimmt jeder
Soldat von den Hebungen mit in die Heimat, um ungesäumt, wenn es gilt, auf dem
Sammelplatze sich einfinden und in Reih und Glied stellen zu können; eine Mobil-
machung geht deshalb rasch vom Fleck, man ist eigentlich immer mobil. — Von Zeit
zu Zeit ordnet die Bundesbehörde Truppenzusammeuzüge aus Armeetheilen mehrerer
Cantone an. An der Spitze der Truppencorps stehen nur Obersten; im Kriegsfall
allein wird einer zum General ernannt. Offiziere und Soldaten beziehen natürlich
nur für die Wochen und Tage Sold, die sie einberufen und im Dienst sind; denn
Soldaten und der größere Theil der Offiziere betreiben, wenn nicht im Dienste, da-
heim ein bürgerliches Geschäft, sei es als Landleute oder in einem Gewerbe, als Fabri-
kanten. Beamte, Richter ?c. Daher ist das schweizerische Militärbudget niedrig und
beträgt, die cantonalen Budgets ungerechnet, nur ca. 1,400000 Thlr.
Die schöne Schweiz ist von der Natur gerade nicht mit Reichthümern bedacht.
Eisen ist wenig vorhanden (2/ß des Bedarfs), Kohlen noch weniger. Obst hat sie in Fülle,,
folglich auch Obstmost, aber ihre Weine decken bei weitem nicht den Bedarf. Auch
was die zum Ackerbau geeigneten Landstriche an Getreide hervorbringen, ist viel zu
wenig zur Ernährung der jetzigen Bevölkerung. Sie muß gar Vieles, selbst Honig,
obwohl ihre Bienenzucht blüht, vom Auslände beziehen. Mit Wiesen und Alpenmat«
ten gesegnet, hegt sie einen herrlichen und zahlreichen Viehstand, so daß 500000 Eft-
Käse (besonders geschätzt sind Emmenthaler und Greyerzer) im Werthe von 6^/s Mtfl
Thlr. jährlich produzirt und mehrere tausend Kühe und viele Zuchtstiere iu die Fremde
verkauft werden und doch muß sie Vieh, zum Schlachten nämlich, kommen lasfen.-
Was braucht sie nicht allein der Reisenden halber, die in außerordentlicher Anzahl zur
Sommerzeit ihre Berge und Seeuser besuchen! Faßt man dies zusammen, so begreift
man, wie vor Jahrhunderten das Schweizervolk für arm galt und von der benachbarten
Ritterschaft, wie von den reichen Flandrern im Burgunderheere nur Kühmelker geschol-
ten wurde. Heutzutage steht es indes anders. Die wackern Kühmelker sind freilich
immer noch da, Viehzucht und Landban sind gottlob — wie unter andern der
wohlhäbige Bauernstand im Canton Bern bezeugt — noch immer Hauptbeschäftigung des
Volkes; allein in mehreren Cantonen, besonders in St. Gallen, Zürich und Außer-
rhoden, Basel und im Aargan, auf und am Jura, ja im Hochthale von Glarus und
in der Gersauer Schlucht hat sich immer mehr ein industrielles Leben entwickelt,,
das gegenwärtig auf einer Höhe steht, die Erstaunen erregt.
Nennen wir zuerst die Uhrenfabrikation. Ihre Hauptsitze sind in Chauxdek
fonds, Locle, im Traversthale und in anderen Jurathälern, besonders auch in Genf,
„der Hochschule der Uhrmacher"; sie beschäftigt 40000 Menschen und erzielt einen jähr-
lichen Produktionswerth ca. 27 Mill. Thlr. Der europäische Markt ist für sie längst zu
eng. In Genf wird ferner, theils mit der Uhrmachern verbunden, theils als selbstän-
dige Industrie auftretend, die Verfertigung von Gold- und Silberwaaren, welche
genannte Stadt zu einer Art „Klein-Paris" macht, ins großartige betrieben. Die Her-
stelluug von Musikdosen, ein Nebenzweig des Uhrgeschäfts, ist fortdauernd in Flor;
ihre Fabrikate gehen bis nach China. — Gleichwichtig ist die Verarbeitung der
Baumwolle, der Hauptindustriezweig der Schweiz, rücksichtlich welcher sie den
3. Rang in Europa einnimmt; sie hat ihre Hauptsitze in der Ostschweiz, beschäftigt an
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T68: [Schweiz Zürich Kanton Bern See Stadt Genf Basel Schweizer Schwyz], T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
Extrahierte Ortsnamen: Europa_—
Schweiz Reih Bern Basel Aargan Glarus Chauxdek Genf Genf China Europa Ostschweiz
Europa —
Schweiz.
889
60000 Menschen, setzt l7/io Mill. Spindeln in Bewegung und ergibt einen Produk-
tionswerth von ca. 40 Mill. Thlr. Ihr schließt sich in Appenzell und St. Gallen
die Weißstickerei und Mo usseliusabrikation an. Zu den Spinnereien und
Webereien kommen noch die Anstalten zum Färben, Bleichen, Zeugdrucken u. s. w.
— Auch das Stroh flechten, dessen Export auf 3^/s Mill. Thlr. angegeben wird,
nimmt viele Hände in Anspruch; man verbindet dabei mit dem Roggenstroh Mauilla,
Hanf, Roßhaar, Seide und Basthalm. Einer der Mittelpunkte des Geschäfts ist Wohlen
im Aargan. — Wichtiger ist die Seidenmanufaktur, die in den letzteren Iahrzenten
überaus bedeutend geworden. Im Laude selbst, d. h. in warmen Thäleru, prodncirt
man Seide, doch höchstens für 2/5 Mill. Thlr., während der Werth der im Lande ver-
arbeiteten Rohseide auf 15 Mill. Thlr. angegeben wird; es muß deshalb, wie die
Baumwolle und wie das Metall zu deu Uhren, so auch größtentheils die rohe Seide
vom Auslande her bezogen werden, und doch ist der Gewinn außerordentlich. Denn
der Werth der Seidenfabrikate wird auf 56 Mill. Thlr. angegeben; 40000 Personen
sind dabei beschäftigt. Zürich (für Stoffe) und Basel (für Bänder) sind vorzüglich da-
bei betheiligt. — Die Holzschnitzerei in den Gebirgen, z. B. zu Brieuz im Ber-
ner Oberland, gehört mit zur schweizerischen Industrie; und wie vieles wäre sonst noch
aufzuzählen! Die Pianos und Dampfmaschinen Zürichs, die feinen Aarauer Reiß-
zeuge u. f. w.
Der Verkehr im Innern und nach außen hält natürlich mit der gewerb-
lichen Thätigkeit gleichen Schritt; darum war er vor 30 Jahren nicht halb so umfang-
reich als jetzt. Die kleine Schweiz, mehrentheils gebirgig, ohne schiffbare Ströme —
denn der Rhein wird erst in Deutschland zu einer Handelsstraße — fern von der See,
und umgeben von den Zollstätten mächtiger Nachbarländer, hat sich Absatzwege überall
bis in ferne Weltgegenden zu verschaffen gewußt. Im Verhältnis ihrer Bevölkerung
nimmt sie unter deu handeltreibenden Staaten einen hervorragenden Platz ein.
Die jährliche Ausfuhr einheimischer Erzeugnisse hat einen Werth von Iii Mill. Thlr.,
die Waareneinsuhr zum Verbrauche von 122 Mill. Das Straßennetz, mit so großen
Schwierigkeiten seine Erstellung auch zu kämpfen, ist nicht nur in der „ebenen Schweiz"
sondern auch im Berglaude durchaus befriedigend. Die Telegraphenverwaltung ging
anderen Staaten mit dem Beispiel eines niedrigen Tarifs voran. Auf allen bedeuten-
den Seen ist ein lebhafter Dampfschiffahrtsverkehr. Die Hauptlinie des Bahnsystems
verbindet, zwischen Boden- und Genfer See, die deutschen und südfranzösischen Bahnen
und hat im No. und Sw. sogar Parallellinien; diese Läugenrichtuug wird von meh-
reren Querlinien gekreuzt, die theils (in Basel, Waldshut, Schaffhausen) an die deutsch-
rheinischen Bahnen anknüpfen, theils (durch die Flußthäler der Rhone, der Aar, der
Reuß, des Rheins) zu den Hochalpenpässen des Simplon, Gotthard und Splügen an-
streben. Von diesen Alpenbahnen hat zunächst die Linie über den Gotthard Ans-
sicht auf Verwirklichung; in gerader Linie zwischen Hambnrg-Bremen und Genua, in
der Mitte zwischen Brenner und Mont-Cenis gelegen, wird sie, vollendet, namentlich
auch dem Handel Deutschlands zu großer Förderung gereichen (S. S. 167). Und
welch riesigen Aufwand von Kunst und Geld muß der Bau so vieler Bahnen in einem
Hochlande, wie die Schweiz, erfordern!
Die Schweiz genießt einer vollständigen Gewerbe- und Handelsfreiheit.
Schacht, Lehrb. d. Geographie 8. Aufl. 57
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T68: [Schweiz Zürich Kanton Bern See Stadt Genf Basel Schweizer Schwyz], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
307
Früher wurde die Messe weiter abwärts an der Wolga in einem
dem hl. Makarius geweihten Kloster gehalten. Als aber im
Jahre 1816 der Bazar daselbst niederbrannte, verlegte die Regierung
den Markt an die Mündung der Oka in die Wolga nach der Stadt
Nischnij-Nowgorod, deren Lage sehr günstig ist; denn hier treffen
nicht weniger als sieben große Handelsstraßen zusammen; zudem
liegt die Stadt auch an der Eisenbahn. 1822 wurde von der
russischen Regierung ein großartiger Bazar aus Steinen gebaut,
der aus 60 Gebäuden mit mehr als 2500 Verkaufsläden besteht;
aber auch dieser ungeheure Bazar reicht während der Messe nicht
für den Handel. Es müssen oft noch über 3000 Holzbuden er-
richtet werden. Die Messe beginnt am 15. Juli und dauert bis
zum 27. August. Das Völkergetümmel, welches während dieser
Zeit herrscht, ist unbeschreiblich. Aus Rußland allein finden sich
mehr als 30 verschiedene Völker zusammen; dazu kommen Geschäfts-
leute aus fast allen europäischen Staaten. Asiaten scheuen nicht
den weiten Weg von Afghanistan und vom Indus her; selbst aus
dem östlichen Sibirien kommen Jakuten mit Mamutzähnen, welche
sie an der Lenamündung aus dem Eise hervorgruben. Auch viele
Chinesen erscheinen mit Thee, Lackwaren und anderen Erzeugnissen
des Reiches der Mitte. Der Wert der zum Verkauf ausgestellten
Waren beträgt oft über 600 Millionen Mark. Zu den reichsten
Buden gehören diejenigen, in welchen Pelzwerk verkauft wird. Tritt
man in eine solche Bude, so sieht man an den Wänden einige un-
scheinbare Kisten und einige in Matten gehüllte Ballen, auf denen
die Verkäufer plaudernd sitzen. Aber der Sitz des einen ist eine
Kiste voll schwarzer Fuchsbälge, welche über 300 000 Mark wert
sind; der andere hat vielleicht einen noch kostbarern Sitz. Hier
wird nur im großen verkauft, und werden bedeutende Summen um-
gesetzt. — Einen noch auffallender» Gegensatz zwischen dem äußern
Ansehen und dem innern Gehalt liefern die Perlenbuden. Da
sitzt in einer bretternen, mit Matten ausgeschlagenen schlechten
Bude ein Mann, der auf einem Tischchen vor sich einige Bogen
gelbes und graues Papier hat, worauf für mehr als 100 000
Rubel (1 Rubel — 3,24 Mark) Perleu liegen. Ein sehr wichtiger
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung]]
656
Russisches Reich. — Jetziger Bestand.
Metropolitanen, 28 Erz- und 38 Bischöfen, wird vom Kaiser durch die heilige
Synode oder obern Kirchenrath regiert. Im I. 1831 zählte man in Rußland
58000 orthodoxe (d. h. griechisch - katholische) Priester und 68000 Kirchendiener,
mit ihren Familien 330000 Köpfe; eben so groß war die Kaufmannschaft mit
ihren Familien. Der gesummte Adel aber bestand aus 375000 Männern und
345000 Frauen, und die Bürgerschaft (den Kausinannsstand abgerechnet) ans
3,200000 Köpfen. In Polen ist mau mehrentheils römisch-katholisch, unter den
Deutschen und Finnländern lutherisch, im Süden hängen viele (Tartaren n. a.)
noch am Islam und ganz im Norden (Lappen u. a.) am Heidenthum. Der
römisch-katholischen und armenischen Christen sollen 8 und der Protestanten
2 Millionen sein, Juden l4/s, Mnhamedaner über 23/10 Millionen und
Buddhisten 300000. —
Das Gewerbwesen ist sichtbar im Steigen, besonders im Gouvernement
Moskau, wo neben der älteren Stahlfabrikation die Bearbeitung der Baumwolle
so in Schwung gekommen ist, daß Rußland jetzt nur noch y6 feines Bedarfs an
Banmwollwaaren ans der Fremde bezieht. Die Fabrikation von Wollewaaren
konnte aber bedeutender sein als sie ist, denn immer noch geht eine große
Quantität (164000 Ctr.) der inländischen Wolle roh ins Ausland. Zucker aus
Runkelrüben verfertigt man jährlich fast 350000 Ctr. — Im Innern sind
Moskau und Nischnei Nowgorod (wohin die ehmalige Makariew - Messe verlegt
ist) Kasan und Orenbnrg die bedeutendsten Handelplätze; an der See:
Petersburg und Riga, Odessa, Archangel. Die meiste Ausfuhr besteht in Talg,
Flachs, Hanf, Getraide (über 57 Mill. Scheffel) Nutzholz für 2% Mill.
Silberrubel, Pelzwerk und Leder, letzteres vorzüglich als Saffian uno als
Jnfleu, das seinen Geruch durch Gerbung mit Birkentheer erhält. Der Handel
zur See ist übrigens noch meist in den Händen der Ausländer, wirft aber,
Ein- und Ausfuhr gegen einander gerechnet, einen jährlichen Gewinn von 6
Mill. Silberrubel ab. Der innere Verkehr hebt sich seit einiger Zeit, da
man die Flußsysteme durch Kanäle, besonders die Wolga mit der Newa und
Dwina, den Dnepr mit Niemeu und Duna, in Verbindung gesetzt hat, und
gegenwärtig Schienenwege baut. Die kleine Eisenbahn von Petersbnrg uach
den nahen kaiserlichen Schlössern war der Anfang, worauf die von Libau zum
Niemen, von Warschau bis zur Ferdinands Nordbahn, von Morschansk im
Gouvernement Tambow bis zur Mündung der Zna in die Mokscha, und zuletzt
als die wichtigste die von Petersbnrg nach Moskau folgte. — Der Volks-
unterricht ist noch sehr mangelhaft, obwohl sich die Zahl der Schulen ver-
größert. Gymnasien sind jetzt in jedem Gouvernement, doch werden nnr gewisse
Stände zum höhern Unterricht zugelassen; es gibt neue und strenge Vorschriften
darüber. Universitäten hat das Reich 7, zu Moskau, Petersburg, Dorpat, Kiew,
Kasan, Charkow, Helsingfors. Sehr bedeutsam ist es, daß der jetzige Kaiser die
1816 gestiftete Warschauer Universität 1832 wieder aufgehoben und den Polen
nur die medicinisch-chirurgiiche Facultät zu Wilna gelassen hat. — Die Finanzen
sind wenig bekannt; die Staatsansgabe beträgt in Friedenszeit etwa 162 Mill.
Thaler preußisch. Zu Anfang 1853 ward die Staatsschuld auf 400 Mill. Sil-
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land]]
437
führte; die eigentliche großartige Bedeutung dieser Messe für den Buch-
handel beginnt jedoch erst mit dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts.
In der ersten Zeit vertrieben die Buchdrucker ihre Erzeugnisse
untereinander durch Tauschhandel, für den sich die früheste Spur im
Jahre 1474 bei der im Kloster von St. Ulrich und St. Afra in Augs-
burg errichteten Druckerei nachweisen läßt. Dasselbe Verfahren findet
sich bei den „Brüdern vom gemeinsamen Leben", deren Rostocker Druckerei
eine der ältesten in Norddeutschland war. Sie betrieben nicht allein
einen Buchhandel mit den Werken ihrer eigenen Offizin, sondern nahmen
auch Schriften, die sie auswärts drucken ließen, in Verlag; ihre Wirk-
samkeit dehnte sich über die Diözesen Lübeck, Schleswig, selbst über
Dänemark aus.
In Paris hatte schon einer der Erfinder der Kunst, Peter Schösser,
eine Buchhandlung errichtet, und der Wert seines dortigen Bücherlagers
wurde im Jahre 1475 auf 2425 Goldthaler, eine für jene Zeit sehr
hohe Summe, veranschlagt.
Die in Paris gleichzeitig errichtete Faktorei des Koburger aus
Nürnberg befand sich um das Jahr 1500 schon in vollem Schwünge.
Auch in Ungarn, in den Niederlanden, in Italien, besonders in Venedig,
fanden die Artikel dieser Verlagshandlung ein reiches Absatzgebiet. Ko-
bnrger hielt „in namhaften Städten der Christenheit 16 offene Kräm
und Gewölbe"; sogar bis nach Polen scheinen seine Geschäftsverbindungen
sich erstreckt zu haben. Eine wie große Thätigkeit seine Offizin entfaltete,
läßt sich daraus abnehmen, daß aus der Zeit bis 1500 noch über
200 seiner Verlagswerke namhaft gemacht werden können, „zumeist starke
Werke in größtem Folio, wie sie jetzt mit Ketten und Metallbeschlägen
in den Bibliotheken stehen". Höchst schwunghaft betrieb Koburger auch
den Handel mit dem Klassiker-Sortiment italienischer Pressen und kon-
kurrierte darin mit der Froben-Lachnerschen Verlagshandlnng in Basel,
die damit ebenfalls glänzende Geschäfte machte. „Gerade zu dieser Stunde,"
schrieb einmal ein Baseler Gelehrter einem Freunde, „läßt Wolfgang
Lachner, der Schwiegervater unseres Froben, aus Venedig einen ganzen
Leiterwagen voll Klassiker von den besten Aldiner Ausgaben kommen.
Willst du davon etwas haben, so sage es geschwind, und schicke mir
bar Geld. Denn kaum langt eine solche Gallione1 an, so stehen immer
ihrer dreißig für einen da, fragen nur, was kostet's, und katzbalgen sich
noch darum."
Neben den Genannten ragt als einer der umsichtigsten und thätig-
1 Galione, Galeone — Handelsschiff.
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter]]
Extrahierte Personennamen: Ulrich Peter_Schösser Wolfgang
Lachner
Extrahierte Ortsnamen: Norddeutschland Schleswig Paris Paris Nürnberg Ungarn Niederlanden Italien Venedig Basel Venedig