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Die Zeit von 1815 bis 1857
Mehrzahl ihrer Mitbürger in Religion, Unterricht und Sitten meistern
wollte und dabei über Meineid und Verrath schrie, wenn man ihr nicht
alle Aemter in Händen ließ. Die schweizerischen Radikalen waren über
diese Niederlage furchtbar erbittert; unleugbar hatte sich die Mehrzahl
des Volkes im Wallis gegen den Radikalismus entschieden, aber nun
wurde das souveräne Volk, dem man sonst neben dem richtigsten Ver-
stände alle guten Eigenschaften des Herzens zuschrieb, mit einemmal als
eine Bestie tituliert, die sich von einigen Schlauköpfen und egoistischen
Schurken gegen die besten Freunde hetzen und dann wieder an Strick
und Halsband führen lasse. Auch wurde eine Verordnung des wallisi-
schen Großen Raths, die den protestantischen Ansaßen nur einen Privat-
gottesdienst gestattete, gegen den katholischen Klerus unermüdlich ausge-
beutet; daß damals die Verfassung des Kantons Zürich ausdrücklich die
evangelische Religion als Landesreligion bezeichnete, daß in Zürich so
wenig als in Schaffhausen, Bern, Genf u. s. w. ein Katholik Bürger
werden konnte; daß in Appenzell-Außerrhoden kein Bürger eine Katho-
likin heirathen durfte, und wenn auch alle Kinder protestantisch erzogen
würden; daß der Heidelberger Katechismus, in welchem die Katholiken
vermaledeite Abgötterer genannt werden, in Bern und andern protestan-
tischen Kantonen als Schulbuch fungierte, alles dies hatte natürlich nichts
zu bedeuten, wenn gegen römische Intoleranz gestürmt wurde. Die Er-
bitterung gegen den katholischen Klerus und besonders gegen die Jesui-
ten steigerte sich durch deren Sieg im Wallis (ihnen wurde die Nieder-
lage der Radikalen am Trient Schuld gegeben) um so mehr, als bereits
auch in der andern Schwei; die politische Parteiung die religiöse zur
Mitwirkung herbeigezogen hatte.
Solothurn revidiert seine Verfassung (1840).
Für den Kanton Solothurn lief mit 1840 die 10jährige Periode
ab, während welcher die 1831 in das Leben getretene Verfassung sich
erproben sollte; nach Verfluß dieser Zeit mußte sie einer Revision unter-
worfen werden, wenn der Große Rath mit absoluter Stimmenmehrheit
sich für dieselbe entschied. Dies geschah und zwar ganz im Sinne des
Volks, weil dieses aus der Beamtenherrschaft („Herrschaft der Kapaci-
täten" von den Herren genannt) eine Demokratie machen wollte. Es
verlangte direkte Wahlen für die Großräthe, Verminderung der Beam-
tungen und Besoldungen, namentlich weniger Regierungs- und Appella-
tionsräthe; freie Wahl der Gemeindebeamten durch die Gemeinden, freie
Gemeindeverwaltung und Beschränkung des Aufsichtsrechts der Regie-
rung; Aufhebung der Sporteln und Taren der Gerichtspräsidenten und
Oberamtmänner; Aufhebung des Zwangs für die Gemeinden bei Bür-
geraufnahmen; endlich das allgemeine Veto. Außer diesen Forderungen
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Europ a —
Ruß land.
gische Fakultät zu Wilua ließ. Es fehlt auch nicht an glänzenden und reich ausge-
statteten wissenschaftlichen Sammlungen und Instituten; unter letzteren nimmt die Aka-
demie der Wissenschaften zu Petersburg als erster Gelehrtenverein des Reiches den vor-
nehmsten Rang ein. — Die Seemacht Rußlands besteht aus 26 l Schiffen und
Kanonenböten mit 1600 Kanonen. Die Landmacht wurde bis vor kurzem aus den
Nichtprivilegirten gebildet, indem der Adel, der Beamtenstand, selbst die höhere Kauf-
mannsgilde von der Rekrutirung der Art befreit waren, daß sie nicht einmal Stellver-
tretung zu besorgen hatten. Peter der Große verlangte zwar, daß der Adel dem Staate
mit seiner Kraft und seinem Leben diene, die übrigen Stände aber durch Abgaben und
verschieden normirte Leistungen; hatte ein Edelmann nicht genug gelernt, um Offizier
oder Beamter zu werden, so wurde er unbedingt Soldat und diente in dieser Eigen-
schast bis zu seinem Tode. Bis jüngst war es nun so geblieben, daß die Nichtprivile-
girten Kopfsteuern zahlten und zur Rekrutirung nach dem Loose herangezogeu wurden.
Die Edellente aber erlangten allmählich zuerst die faktische, dann die ausdrückliche Be-
freiung vom Dienstzwange, iudem unter Katharina Ii. endgiltig bestimmt wurde, daß
der Adel nicht gegen seinen Willen zum Dienste gezwungen werden könne und daß nur,
wenn der Zar bei großer Kriegsgefahr ihn besonders aufbietet, die Edellente sich sämmt-
lich einzustellen hätten als eine Art von Landsturm, was z. B. 1812 und 1854 ge-
fchah. Im übrigen nahmen die Edelleute mit Vorliebe die Offizierslaufbahn in An-
spruch. Durch Ukas vom 13. Jan. 1874 wurde eine Militärreform in der Weise be-
stimmt, daß künftig jeder waffenfähige russische Staatsbürger zur Bertheidiguug des
Baterlandes verpflichtet sei (allgemeine Wehrpflicht). Der Bildungsgrad macht jedoch
für die Dienstfristen einen Unterschied, indem z. B. Studirende der höchsten Lehran-
stalten nur 3 Monate, Zöglinge der zweithöchsten Klasse der Mittelschulen 6 Monate
aktive Dienstzeit haben :c. Nichtsreiwillige haben 6 Jahre im Heere zu dienen, ein
Theil derselben erhält jedoch nur eine allgemeine Instruktion und kommt dann gleich
in die Reserve (Sapass, d. h. Vorrath). Die ganze reguläre Militärmacht Rußlands
i. I. 1873 betrug mit den Urlaubern und Reservisten 732000 Mann (Kriegsstärke
1,700000) ohne die Offiziere. — Das Budget für das Zareuthum Rußland beträgt
518 Mill-, die Staatsschuld 2475 Mill, Thlr.; dazu kommt noch das Großfürsten-
thum Finnland mit einem Budget von 5 und einer Schuld von 12 Mill. Thlr.
Eingetheilt ist Rußland in (50) Gouvernements, wozu noch die (10) des ehe-
maligen Königreichs Polen kommen; das Großfürstenthnm Finnland enthält 8 Läne.
Wir betrachten hier den Staat nicht nach der Gonvernementseintheilung, sondern nach
den älteren, geschichtlich merkenswerten Landschaften.
1) Großrußland im Innern des Reiches und bis zum Eismeere. Der westliche
Theil am obern Dnjepr hieß Weißrußland, das zum großen Theil Jahrhunderte
lang den Polen gehörte. Moskan, alte gewerbthätige Hauptstadt mit 612000 E.
(1871), worunter 18000 Soldaten und 13000 Adlige nebst großer Dienerschaft, liegt
in sanftgehügelter Ebene, am gleichnamigen Fluß, der in die Oka sich ergießt. Seit
dem großen Brande im Herbst 1812, wodurch 2/3 der Stadt zerstört wurden, ist sie
wieder neu und besser aufgebaut. Viele Paläste des hohen Adels, mehrere hundert
Kirchen voller Thürme, zum Theil mit vergoldeten Kuppeln, und 21 Klöster. Die
Kathedrale zur Himmelfahrt dient zur kaiserlichen Krönung. Die im 15. Jahrhundert
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