90
Erste Periode der Neuzeit.
die Häupter des böhmischen Aufstandes. Viele büßten mit dem Leben, andere mit dem Verluste ihrer Güter, einige mit schwerem Gefängnis. Mit eigener Hand zerschnitt er zuletzt den Majestät s b r i e f.
Noch einmal versuchten drei deutsche Truppenführer, die Sache Friedrichs zu verfechten und sein Land zu retten, Ernst von Mansfeld, Markgraf Friedrich von Baden-Durlach und Christian von Braunschweig. Der letztere trug nach Ritterart den Handschuh der schönen Elisabeth an seinem Hute; denn er hatte geschworen, er werde ihn nicht ablegen, bis er sie und ihren Gemahl wieder in ihr Land eingesetzt habe. Allein da die mächtigeren Fürsten in Deutschland ihnen nicht beizustehen wagten, so mußten sie zuletzt erliegen. Zuerst zwar siegten der Mansselder und Friedrich über Tilly bei Wies loch 1622. Als sich aber Friedrich wieder von Ernst von Mansseld trennte, erlitt er bei Wimpfen durch Tilly eine entschiedene Niederlage und entging der Gefangenschaft nur durch die Tapferkeit seiner Garde, die den Rückzug deckte.*) Auch Christian von Braunschweig, der mit seinen Scharen allenthalben gefürchtet wurde, erlag. Zu Paderborn ging er selbst in der Kirche auf ein goldenes Bild des heiligen Liborius zu und eignete sich, es umarmend, das Gold als Beute an. In Münster nahm er die silbernen Bildsäulen der Apostel und schickte sie in die Münze mit der Bemerkung, daß ihr Auftrag nicht sei, still zu stehen, sondern in alle Welt zu gehen. Auf die geprägten Thaler ließ er die Inschrift setzen: „Gottes Freund, der Pfaffen rmnd!" Tilly schlug die räuberischen Scharen Christians 1622 bei Höchst, woraus dieser sich mit Mansfeld verband und nach den Niederlanden zog, um dort von England Hilfe zu erwarten. Tilly erstürmte Heidelberg, Mannheim und Frankenthal und nahm die Psalz durch Raub und Mord hart mit. Als Ersatz für geleistete Hilfe wurde die Heidelberger Bibliothek dem Papst ge= schickt. Jetzt rückte Tilly nach Westfalen und besiegte Christian vor dessen Vereinigung mit Mansfeld 1623 bei Stadtlohn unweit Münster. Die beiden protestantischen Heerführer mußten geächtet ins Ausland gehen; die letzte Hoffnung der Protestanten schien vernichtet. Maximilian von Bayern wurde auf dem Fürstentag zu Regens-bürg 1623 mit der pfälzischen Kurwürde belohnt.
") Die Erzählung, daß 300 oder 400 Psorzheimer Bürger unter ihrem Bürgermeister Deimling diese Rettung durch Aufopferung ihres eigenen Lebens bewirkt hätten, ist eine spätere Erfindung.
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Ernst_von_Mansfeld Ernst Friedrich_von_Baden-Durlach Friedrich Christian_von_Braunschweig Friedrich_über_Tilly Friedrich Friedrich Friedrich Ernst_von_Mansseld Ernst Tilly Christian_von_Braunschweig Apostel Tilly Christians Tilly Christian Maximilian_von_Bayern Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Friedrichs Deutschland Niederlanden England Heidelberg Mannheim Frankenthal Westfalen Mansfeld Stadtlohn
36
Erste Periode der Neuzeit.
nach Mantua auszuschreiben (1536). Allein da als Zweck desselben die Ausrottung der lutherischen Ketzerei angegeben wurde, so lehnten die Protestanten in gerechtem Unwillen über diese Verurteilung ihrer Glaubenssache ohne richterlichen Entscheid ihre Teilnahme ab und luden ihre Anhänger zu einer neuen Versammlung nach Schmalkalden ein, wo 1537 die förmliche Lossagung vom Papste erfolgte. Die zu diefem Zwecke abgefaßte Schrift Luthers, die sogenannten Schmalkaldener Artikel, bilden mit den beiden Katechismen Luthers, mit der Augsburger Konfession und der Apologie die symbolischen Bücher oder Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche.
10. Die Wiedertäufer und die Jesuiten.
Zwei Ereignisse jener Tage schienen den Fortgang der Reformation zu gefährden: der Unfug der Wiedertäufer in Münster und die Stiftung des Jesuitenordens durch Ignatius Loyola.
Die Wiedertäufer. In der westfälischen Stadt Münster waren seit dem Bauernkriege häufig Unruhen zwischen den Bürgern und dem Bischof vorgekommen; der Prediger Rottmann hatte angefangen, die neue Lehre zu verkündigen. Darum mußte das Domkapitel es geschehen lassen, daß in den sechs Pfarrkirchen die evangelische Predigt gehalten wurde, während die Domkirche dem katholischen Gottesdienste verblieb. Allein bald brachen neue und gefährlichere Unruhen aus. Die Wiedertäufer hatten sich nach ihrer Niederlage in Sachsen in die Niederlande begeben. Von da kamen einzelne 1533 nach Münster. Unter diesen Schwärmern zeichneten sich der Bäcker Johann Matthiesen aus Harlem und der Schneider Johann Bockelson von Leyden aus. Als sie durch ihre Weissagungen das Volk aufregten, wurden sie aus der Stadt gewiesen. Allein sie kehrten zurück, brachten den Prediger Rottmann, den reichen Tuchhändler Knipperdolling und den Bürger Krechting auf ihre Seite und predigten in den Straßen Buße und Wiedertaufe. Durch ihre Reden und Prophezeiungen wurde die Menge bethört; überall standen Propheten auf und verirrte Jungfrauen, welche den Himmel offen und die Engel herabsteigen sahen. Die Weiber tobten in Masse auf den öffentlichen Plätzen umher, jauchzten laut auf, hielten rasende Tänze oder fielen wie tot nieder. Besonders zeichneten sich dabei die Nonnen aus, welche ihre Klöster verlassen hatten. Man gewahrte unter ihnen Jungfrauen
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Extrahierte Personennamen: Ignatius_Loyola Rottmann Johann Schneider_Johann_Bockelson Johann Rottmann
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Äußere und innere Gestaltung Deutschlands am Schluß dieser Periode. 115
Zehntes Kapitel.
Äußere und innere Gestaltung Deutschlands am Schluß dieser
Periode.
<^||Berfen wir einen Blick ans die Karte Deutschlands am Schluß dieser Periode! Im Westen ist Frankreich durch die Wegnahme des 1648 noch bei Deutschland verbliebenen Teils des Elsaß, zuletzt auch Straßburgs, unter Ludwig Xiv., bis an den Oberrhein vorgerückt, hat Teile des burgundischen Kreises an sich gerissen, hat die Anwartschaft auf Lothringen erlangt. Im Norden sind Bremen, Verden, Hinterpommern an deutsche Staaten und damit an das Reich zurückgefallen; aber in Vorpommern und Rügen herrscht noch immer der Schwede. Eine einzige Erwerbung steht jenen Verlusten gegenüber: Preußen, von der polnischen Lehenshoheit befreit, wird ein souveränes Herzogtum. Zwar zählt es staatsrechtlich nicht als Reichsland, aber als Eigentum eines deutschen Fürsten hilft es doch die Macht des Reiches verstärken.
In den Gebiets-und Machtverhältnissen einzelner deutscher Fürstenhäuser haben wichtige Veränderungen stattgefunden. Österreich hat die spanischen Niederlande gewonnen, dagegen Schlesien verloren. Preußen ist durch das Herzogtum Cleve, die Grafschaften Mark und Ravensberg und ein Stück vom Herzogtum Geldern (aus der Jülich'fchen Erbschaft) Anwohner des Rheins, durch Ostsriesland Anwohner der Nordsee geworden, hat sich endlich in der Mitte Deutschlands durch Schlesien abgerundet. In Kurpfalz ist auf die, 1685 ausgestorbene, simmernsche Linie die (katholisch gewordene) neuburgische, auf diese 1742 die sulzbachsche gefolgt. Jene brachte dem Kurstaate das ihr zugesprochene Herzogtum Jülich-Berg zu, welches dann auch der sulzbachschen, trotz der Gegenansprüche Preußens, infolge kaiserlicher Entscheidung verblieb. Die jüngere braunschweigische Linie (Lüneburg) ist 1694 zum Kurfürstentum erhoben worden und führt als solches nun in der Reget den Namen „Hannover". Hessen ist allmählich in immer mehr Linien zerfallen (Kassel, Darmstadt, Homburg, Philippsthal, Barchseld). Mecklenburg, welches im 30jährigen Kriege von Ferdinand Ii. an Wallenstein vergeben war, steht wieder unter seinen angestammten Herzögen. In Oldenburg starb die dort regierende (gräfliche) Linie 1667 ans. Eine andere Linie desselben Hanfes herrschte seit 1448 in Dänemark, jfeit
8*
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv. Ludwig_Xiv. Ferdinand_Ii Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschlands Deutschlands Frankreich Deutschland Lothringen Verden Hinterpommern Rheins Nordsee Deutschlands Kurpfalz Lüneburg Hessen Kassel Darmstadt Homburg Philippsthal Barchseld Oldenburg Dänemark
19
fessio Augustana am 25. Juni verlesen (Luther, noch geächtet,
inzwischen in Coburg), die Confutatio (3. August) durch Mayr
von Eck u. a. Das versuchte Versöhnungswerk scheitert, der
Reichstagsabschied verlangte bis zum Mai 1531 die Unterwerfung
der Protestanten unter die alte Kirche unter Androhung ihrer
Ausrottung; Melanchthons Apologie vom Kaiser nicht angenommen,
aber durch den Druck veröffentlicht. Confessio Tetrapolitnna der
Städte Straßburg, Memmingen, Constanz, Lindau, die aber 1532
dem Bunde der Protestanten beitraten.
Der Abschluß des Schmalkaldner Bundes (auf 6 Jahre,
dann verlängert) folgt auf dem Fuß im Dezember 1530; förmlich
abgeschlossen Anfang 1531. Später werden zu Bundeshauptleuten 1531
ernannt der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen.
Luthers „Schmalkaldener Artikel" 1537. — 1533 ein katholischer
Gegenbund norddeutscher Fürsten zu Halle, ans die süddeutschen
wie auf Kaiser und König ausgedehnt zu Nürnberg 1533.
Der wieder heftiger entbrennende Türkenkrieg veranlaßt den
milden Nürnberger Religio ns frieden, wesentlich eine 1532
Wiederholung des erste n Speirer Reichstagsabschiedes (Einstellung
aller Prozesse gegen die protestantischen Stände bis znm Con-
cilium). Würtemberg, anfangs Oesterreichifchen Rätheu, feit
1522 denn Erzherzog Ferdinand zur Verwaltung übergeben, erhält
1534 Herzog Ulrich, durch Landgraf Philipp von Hessen mit
französischer Unterstützung zürückgeführt, wieder. Vertrag zu
Cadan in Böhmen mit Ferdinand. Durchführung der Refor-
mation in Würtemberg und Beitritt Zmn Schmalkaldischen Bund.
Die auswärtigen Kriege, gegen Osmanen und Franzosen, halten
den Ausbruch des Religionskrieges auf.
Gleichzeitig der Aufruhr der Wiedertäufer tit Müu-
ste r 1534—1535. Schon 1532 hatte sich, besonders durch den
Prediger Bernt (Bernhard) Rvthmann, in Münster eine evan-
gelische Gemeinde (anfangs lutherischer, dann zwinglischer Richtung)
gebildet, die sich durch Philipps von Hessen Vermittlung 1533
auch gegem Bischof und Domkapitel behauptete. Bewegungen der
Gilden gegen den Rath gingen mit der kirchlichen Gährnng Hand
in Hand. Hier fanden wiedertüuferische Lehren, die, von den
Zwickauer Schwarmgeistern und Thomas Münzer ausgehend, in
Oberdeutschland und der Schweiz trotz aller Verfolgungen sich
festgesetzt hatten, von den Niederlanden her durch Flüchtlinge und
Sendboten (Jan Bockelson von Leiden, Jan Mathys ans Hartem)
1533 Eingang. Politisch-kirchliche Umgestaltung der Stadt; Bernt
2*
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Extrahierte Personennamen: August Mayr Ferdinand Ferdinand Ulrich Philipp_von_Hessen Philipp Ferdinand Bernt Bernhard)_Rvthmann Philipps Thomas_Münzer Jan_Bockelson Jan_Mathys
27
Vierte Fahrt 1502—1504. Vergeblicher Versuch einer Durch-
fahrt nach Ostindien.
Nach dem Tode Jsabellas (1504) von Ferdinand kalt be-
handelt, starb Columbus in Dürftigkeit 1506.
Eroberung Mexicos durch Ferdinand Cortez von 1519—1521 ;
Entdeckung des Seewegs in den stillen Ocean und erste Erdum-
seglung durch Ferdinand Magellans*) 1520; Entdeckung Perus
durch Franz Pizarro 1526, Eroberung seit 1531.
4. Durch die Verbindung mit dem Hause Habsburg
und durch die i t a l i e n i sch e n Kriege. •— Alle Kinder des Königs-
hauses starben bei Lebzeiten ihrer Eltern außer der dem Wahnsinn ver
fallenen Johanna; Ferdinand übernimmt nach seines Schwieger-
sohnes Philipps des Schönen Tod die Regentschaft in Castilien
für den jungen Karl, auf den nach des Großvaters Tod (1516)
die Krone der vereinigten Reiche übergeht.
B. Ursprung der reformierten Kirche in der Zchweh.
1. Die deutsch-schweizerische Reformation durch
Huldrich (Ulrich) Zwingli aus Wildcnhaus (1481—1531), der, in
Basel humanistisch und theologisch gebildet, zu Glarus, Kloster Einsiedcln, daun
in Zürich als Pfarrer thntig war und Neujahr 1519 zur Reformation der
Kirche aufrief.
Sein Auftreten gegen den Ablaßprediger Samson; sein Gegen-
satz zu Luther in der Abendmahlslehre, Religionsgespräch zu Mar-
bllrg 1529. Verbindung der kirchlichen mit politischer Oppositivli,
die sich besonders gegen die Söldnerverträge mit dem Ausland
richtet. — Spaltung der deutschen Schweiz in zwei feindliche
Lager: Zürich, Appenzell, Basel (Oekolampadins), Bern, St.
Gallen, Glarus, Schaffhausen, Solothurn, Graubünden nach zunl
Theil heftigen Kümpfen reformiert; die Waldstätte Schwyz, Uri,
Unterwalden, Zug und Luzern katholisch. Schlacht bei Cappel
1531, in der Zürich geschlagen wurde, Zwingli fiel. 1531
2. Die französisch-schweizerische Reformation durch
Johann Calvin (1509—1564) aus Nopon in der Picardie, Jurist und
Thcolog, wegen seiner Hinneigung zur Reformation ans Frankreich flüchtig 1534,
giebt in Basel dic institutio Lnristiaime religionis heraus 1536. Nach Wan-
derungen in Italien und Frankreich von seinem Landsmann Farel in dem schon
zum Theil reformierten Genf festgchalten. Dorthin wach dreijährigem Exil (in
Straßburg 1539 — 1541) zurückgekehrt, übt er in der städtischen Republik eine
*) Der Name eigentlich geschrieben Magalhaes, ausgesprochen etwa wie
Magaliängs,
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand Columbus Ferdinand_Cortez Ferdinand Ferdinand_Magellans* Ferdinand Franz_Pizarro Franz Johanna Ferdinand Philipps Karl Karl Ulrich)_Zwingli Cappel Zwingli Johann_Calvin_( Johann
— 158 —
Dieselben sind aber trotz ihres Wasserreichtums wegen der vielen
Wasserfälle — wenn diese nicht durch Kanüle umgangen sind —
nur teilweise schiffbar. Die bedeutendsten Flüsse sind : Tornea-Els,
Dal-Elf, Klar-Els (Göta-Els) und Glommen. — Unter den zahl-
reichen Seen sind die größten der Wen er-, Wetter- und Mälar-
see. Mit Benutzung der beiden ersteren Seen führt eine Kanal-
Verbindung aus dem Skager Rak in die Ostsee.
Iv. Das Klima ist im Westen infolge der oceanischen Lage
und der erwärmenden Nähe des Golfstromes viel milder als in
allen andern Ländern mit gleicher geographischer Breite. Das
Meer gefriert hier fast nie, und in den geschützten Fjorden gedeiht
selbst noch Obst. Weniger begünstigt ist die
Ostseite der Halbinsel. Südschweden ist fin-
den Getreidebau sehr geeignet. Im Hoch-
lande aber sind weite Flächen mit Gletschern
und ewigem Schnee bedeckt.
Hauptbeschäftigung der Bewohner ist in
Schweden Ackerbau und Viehzucht, in
Norwegen (Bild 51) hingegen Fischerei
51. (Heringe, Dorsch oder Kabeljau, wenn ge-
Norwegische Frauentracht. . ' ' ' N ' ?
trocknet, Stockfisch genannt). Von großer
Bedeutung ist der Bergbau auf Eisen, Kupfer und Silber. Einen
besondern Reichtum bilden die unermeßlichen Wälder, welche
den größten Teil des bebaubaren Bodens bedecken. — Die In-
dustrie ist in der Entwicklung gehemmt durch den Mangel an
Steinkohlen, der nur zum Teil durch den Reichtum an Wasserkräften
ersetzt wird. Sie beschäftigt sich vornehmlich mit Verarbeitung des
Holzes (Bautischlerei, Zündholzfabrikation) und des Eisens. — Leb-
haft ist der Seehandel (Norwegen allein hatte 1897 über 7000
Seeschiffe, darunter 960 Dampfer).
V. a) Skandinavien ist unter allen europäischen Ländern am
schwächsten bevölkert. Auf der großen Fläche von 776000 qkm
leben nur 7 Millionen Menschen, also wenig mehr als in dem
kleinen Belgien. Auf 1 qkm treffen 9 Bewohner.
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— 159 —
gewonnen: Gold, Platina, Silber, Eisen, Kupfer, Blei, Zink und
Salz. Auch hat Rußland mächtige Steinkohlenlager und ergiebige
Petroleumquellen (am Kaspischen Meere).
Trotz so reicher natürlicher Hilfsquellen steht die russische In-
dustrie noch hinter der westeuropäischen zurück, hat aber in den
letzten Jahrzehnten einen großen Aufschwuug genommen. Von Be-
deutung ist die Eisenindustrie, die Baumwoll-, Woll- und Leinen-
Weberei, die Lederfabrikation (Juchten) und Rübenzuckerbereituug.
Der Haudel Rußlands ist jetzt schon von großer Wichtigkeit
und dabei noch in steter Ausdehnung begriffen. Zur Ausfuhr ge-
langen vornehmlich: Getreide, Flachs, Hanf, Holz, Petroleum, Zucker,
Wolle, Tiere, Talg, Pelzwerk und Leder. Dagegen müssen fast samt-
liche Luxus- und ein großer Teil der Industrie-Artikel noch ein-
geführt werden.
V. a) Obwohl das europäische Rußland 106 Millionen Ein-
wohn er zählt, so ist es doch unter allen europäischen Ländern
nach Skandinavien am schwächsten bevölkert; denn aus 1 qkm
treffen nur 20 Menschen. Wäre Rußland so dicht wie z. B.
Deutschland bewohnt, so müßte es auf seinem Flächenraum von
5 390 000 qkm ungefähr 500 Millionen Einwohner haben; aber große
Bodenstrecken Rußlands sind des kalten Klimas wegen sehr schwach
bevölkert. So hat der Bezirk Archangelsk, der Deutschland an Größe
weit übertrifft, nur 350 000 Bewohner. — Die dichteste Bevölkerung
findet sich in der Mitte Rußlands. — Nur 16 Städte des un-
geheuren Reiches haben mehr als 100 000 Einwohner.
d) Bezüglich der Abstammung herrscht in der Bevölkerung
Rußlands eine sehr große Mannigfaltigkeit. Doch ist der slavische
Stamm so stark vorherrschend, daß ihm mehr als 4/5 der Gesamt-
bevölkerung angehören. Unter den verschiedenen Völkern des slavischen
Stammes bilden die Russen (80 Millionen) weitaus die Mehrzahl
gegenüber den Polen (71/2 Millionen). Außerdem leben in Rußland:
1. über 11/2 Mill. Deutsche'(besonders in den Ostseeprovinzen
und den südrussischen Kolonien);
2. 4 Mill. Letten (in Litauen und Kurland);
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
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Extrahierte Ortsnamen: Skandinavien Deutschland Archangelsk Deutschland Polen Rußland Kurland
— 162 —
oft an 500 000 Menschen selbst aus den fernsten Gegenden Asiens
zusammenströmen. — Tula mit 111 000 E. hat die größten
Waffen- und Metallwarenfabriken, das „russische Birmingham".
— Woronesch am Don (84000 E.) betreibt lebhasten Handel.
— Archangelsk mit 21 000 E., unfern der Dwinamündung ge-
legen, ist für Ausfuhr von Schiffsbauholz wichtig.
2. Kleinrußland (die Ukraine). K i j e w am Dnjepr (247 000 E.)
ist Mittelpunkt der Rübenznckerindustrie. Uuiversität. — Charkow
(175 000 E.) hat blühenden Handel, besonders mit Getreide und
Wolle. Universität.
3. Südrußland, das ehemals türkische Gebiet am Schwarzen
Meere. Kischinew (109 000 E.) im Bezirk des Wein- und Tabak-
baues. — Odessa, unweit der Mündung des Dnjeftr (405 000 E.),
ist die bedeutendste russische Handelsstadt am Schwarzen Meere, Stapel-
Platz und Hanptaussuhrort für Getreide. Universität. — Nikolajew
(92 000 E.) ist die Hauptstation für die russische Kriegsflotte im
Schwarzen Meere. In der Nähe viele deutsche Kolonien.
4. Westrußland. Wilna (160000 E.) ist die bedeutendste
Stadt Litauens.
5. Das Königreich Polen. Die Hauptstadt Warschau an der
Weichsel (638 000 E.) ist Mittelpunkt der Gewerbethätigkeit und des
Handels Polens. Festung. Russische Universität. — Lodz (mit Vor-
orten 315 000 E.) hat sehr bedeutende Leinen- und Baumwollindustrie.
6. Die Ostseeprovinzen. St. Petersburg an der Newa-
Mündung (mit Vororten 1 267 000 E.), die von Peter dem Großen
gegründete, großartig angelegte neue Hauptstadt, ist der erste Handels-
platz Rußlands. Universität. — Der Kriegshafen Kronstadt
(60 000 E.) ist die Schutzfestung für Petersburg. — Dorpat,
rusf. Jurjew (42 000 E.) mit (ehemals deutscher) Universität. —
Reval (65000 E.) ist ein lebhafter Handelsplatz am Finnischen
Meerbusen. — Riga an der Dünamündung (mit Vororten
283 000 E.) ist die zweite russische Handelsstadt an der Ostsee,
wichtig als Stapelplatz und Ausfuhrort für Holz, Getreide, Hanf
und Flachs. — Libau (65 000 E.), aufblühende Hafenstadt.
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— 190 —
Kaukasien liegt zu beiden Seiten des Kaukasus, der als ein
wildes, schwer überschreitbares Gebirge sich vom Schwarzen bis zum
Kaspischen Meere erstreckt. Der Elbrns ragt 5600 m hoch empor.
Nordkaukasien ist vorherrschend Steppenland, Süd kau-
kasien hat mildes Klima und reiche Vegetation. — Die 9 Mil-
lionen Einwohner gehören verschiedenen Stämmen an, unter denen
die Tscherkessen und Georgier durch Körperschöuheit hervorragen.
Tiflis (161000 ($.) ist eine wichtige Handelsstadt. — Eine
Eisenbahn verbindet es einerseits mit Baku (112 000 E.) am
Kaspischeu Meere, in dessen Nähe sehr ergiebige Petroleumquelleu
sind, andererseits mit dem Hafen Batum am Schwarzen Meere.
Westturkestau (Turan) ist teils öde Sandwüste, teils Steppen-
land, dessen Bevölkeruug zum Nomadeuleben gezwuugen ist; nur
einige Oasen und Gebirgsthäler zeichnen sich durch Fruchtbarkeit
aus und liefern hauptsächlich Seide und Baumwolle.
Rußland beherrscht den größten Teil. Sitz der Regierung ist
die Stadt Taschkent (156 000 E.) am Fuße des Tienschan.
Wichtige Handelsplätze sind: Samarkand (55 000 E.) und
Kokaud (82 000 E.).
Die Chauate Chiwa und Buchara mit den gleichnamigen
Hauptstädten steheu unter russischer Schutzherrschaft.
Nordasien.
Ganz Nordasien wird von der russischen Provinz Sibirien ein-
genommen, welche sich vom Ural bis zum Großen Ocean erstreckt.
An Größe (12^ Millionen qkm) übertrifft Sibirien ganz Europa;
dagegen zählt es kaum 6 Millionen Einwohner. — Der west-
liche Teil ist Tiefebene, der östliche Gebirgsland. Mehr als die
Hälfte der uugeheueru Bodenfläche ist nicht anbaufähig. — Die
einheimische Bevölkerung sind mongolische Nomaden. Die
europäischeu Einwohner sind russische Ansiedler oder verbannte
Verbrecher und dereu Nachkommen.
Die Hauptprodukte Sibiriens sind: wertvolle Pelze, Holz
und Getreide, an Mineralien besonders Gold und Graphit, außerdem
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
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Extrahierte Ortsnamen: Kaukasus Tiflis Baku Taschkent Samarkand Buchara Nordasien Nordasien Sibirien Sibirien Europa Sibiriens
— 224
arbeitung von Metallen, Baumwolle, Tabak, Papier, Glas u. s. w.
hervorragend ist.
Auch der Handel ist ganz bedeutend. Der Binnenhandel ist
durch die natürlichen Verhältnisse sehr begünstigt. Die große Wasser-
straße des Mississippi-Missouri verbindet nicht bloß den Norden der
Union, sondern auch den Abhang des Felsengebirges (im Westen)
wie den des Alleghanygebirges (im Osten) mit dem mexicanischen
Busen. Zudem durchziehen Kanäle die Ebenen, weit voneinander
entfernte Gegenden vereinigend. Die kanadischen Seen z. B. sind
durch schiffbare Kanüle sowohl mit dem Mississippi wie auch mit
dem Atlantischen Ocean (dnrch den Hudson) verbunden. — Äußerst
ausgebreitet ist das Eisenbahnnetz, welches schon eine Länge von
300 000 km hat (d. i. sechsmal mehr als das deutsche). Die groß-
artigsten Bahnen sind die 4 pacisischen, so genannt, weil sie von
der Ostseite Amerikas zum Pacisischen, d. i. Stillen Ocean führen.
Noch bedeutender als der Binnenhandel ist der auswärtige
Handel. Die Handelsflotte der Vereinigten Staaten zählte im Jahre
1898 über 22 700 Seeschiffe, davon mehr als 6700 Dampfschiffe,
und wird an Größe nur von der britischen übertroffen. Die wichtigsten
Ausfuhrartikel sind: Baumwolle (im Jahre 1898 im Werte von
uugefähr 970 Mill. Mark), Getreide und Mehl (vornehmlich Weizen
und Mais), Speck, Schmalz, Schinken, Schweinefleisch, Rindvieh und
Rindfleisch, Petroleum (für mehr als 260 Mill. Mark) und Tabak.
In kurzer Zeit sind die Vereinigten Staaten unter sämtlichen
Ländern der Neuen Welt das bevölkertste, reichste und mäch-
tigste geworden. Diese Blüte verdanken sie nicht bloß dem Boden-
reichtum und der glücklichen Lage ihres Gebietes, sondern besonders
den europäischen Einwanderern, welche, oft freilich nur vou der
Not getrieben, unter den schwierigsten Verhältnissen mit bewnnderns-
werter Kraft und Ausdauer die Hilfsquellen des Landes erschlossen
und ausbeuteten. Aber auch heute noch ist Entbehrung und mühe-
volle Arbeit in den weitaus zahlreichsten Fällen das Los der ein-
gewanderten Europäer, um so mehr, als besonders die östlichen Staaten
der Union von einem allzugroßen Einwanderungsstrom überschwemmt
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