Bäuerin nicht verstand. Auch machten sie die Mutter auf mancher-
lei aufmerksam, das sie die Kleinen lehren konnte. „Niemals",
so ermahnten sie, „sollen die Kinder einen Hollunder oder einen
Fliederbaum beschädigen. Ein Messer muß nie so auf dem Tisch
liegen, daß die Schneide nach oben zeigt. Aus der Waldquelle
sollen sie gebückt trinken. Nach dem bunten Bogen, der bisweilen
am Himmel zu sehen ist, darf kein Kind mit dem Finger zeigen '
und ihn nicht Regenbogen, sondern Himmelsring nennen. Wenn
es donnert, soll keins sagen „der Herrgott zürnet", sondern „der
Herr waltet". Doch als das siebente Kind geboren wurde,
blieben die Jungfrauen aus. Es war ein hätzlicher, ungestalteter
Knabe. Alle nannten ihn „das Unglückskind".
Die Landwirtschaft gedieh auf dem Oberbüscherhofs in
wunderbarer Weise. Jede Arbeit, die man am Tage begonnen,
wurde, während alles schlief, vollendet. Hatte der Bauer am
Tage angefangen, das Korn zu schneiden, so sah man am andern
Morgen das ganze Getreide in Reihen abgemäht liegen. Bei
der Kartoffelernte brauchte der Bauer nur die erste Furche aus-
Zunehmen, so standen tags darauf die Kartoffeln des ganzen
Ackers in zahlreichen Säcken da. Jedes Körnlein, das der Bauer
säte, ging auf und trug vielfältige Frucht. Das Korn auf dem
Speicher nahm nicht ab, die Vorräte im Keller wurden niemals
alle, wie viel auch die Bauersleute verkauften oder verschenkten.
Die größte Freude erlebten sie an ihren Kindern. Diese
gediehen prächtig und wuchsen zu tüchtigen Jünglingen und
schöne Jungfrauen heran. Die Söhne wurden zu Edelleuten
erhoben, und die Töchter heirateten adelige Männer und wohnten
in prächtigen Schlössern. Nur die jüngste, die in ihrem Spieg-
lein alles sehen konnte, was die Menschen dachten, nahm keinen
Mann. Sie wurde Äbtissin in einem Kloster.
Die Bäuerin, die wohl wußte, woher all der Segen kam, er-
wies den unsichtbaren Helfern viel Gutes. Sie besaß eine Menge
Töpflein und Näpflein. Die füllte sie mit den besten Speisen
und stellte sie am Abend und am Morgen in der Scheune, auf
dem Speicher und auf dem Felde auf. Sie legte kleine Messer,
Gabeln und Lössel neben die Schüsselchen. So oft sie die Näps-
lein leer fand, wusch sie dieselben aufs sorgfältigste und füllte
sie aufs neue mit köstlichem Obst, mit Milch oder Honig.
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— 24 —
sich die barmherzige Bäuerin des Unglücklichen an. Sie schickte
ihm täglich Speise und Trank aufs Schloß, bis er starb. Doch
auch nach dem Tode sollte er noch nicht Ruhe finden. Manche
wollen ihn gesehen haben, wie er, vor dem Burgtore sitzend, Brei
aus einem Topfe aß. (Brei nannte man in jener Gegend
„Zopp".) Das Schloß zerfiel. Die Überreste führten noch lange
den Namen „Zoppsmauer".
Der Bäuerin aber waren die drei Waldjungfern hold. So
oft sie in den Wald trat, flogen drei wunderschöne Vöglein vor
ihr her. Sie zeigten der Frau den Weg und sangen die schönsten
Weisen. Die Leute, die die Bäuerin begleiteten, hörten den
Gesang, sahen aber die Tierlein nicht.
Eines Tages herrschte in dem Bauernhause große Freude.
Kmdtaufe sollte gefeiert werden, und schon stand der Kindtaufs-
schmaus bereit. Da traten plötzlich die drei Waldjungfern in
die Kammer. Freundlich begrüßten sie die erschreckte Bäuerin.
Sie nahmen das Kind aus der Wiege, zogen ihm ein feines
Kleidchen an, das sie außer andern Geschenken mitgebracht hatten,
und spielten mit dem Kleinen.
Jedesmal nun, wenn der Bauernfamilie ein Kind geschenkt
wurde, erschienen die drei Jungfrauen zum Kindtaufsschmaus.
Sie brachten Windeln und Kleidchen aus der allerseinsten Lein-
wand mit. Die Kindlein blieben darin von Krankheiten ver-
schont, und Wunden, die man mit dieser Leinwand bedeckte,
heilten. — Auch andere Geschenke wundersamer Art erhielten
die Kinder. Ein Knabe bekam eine Flöte, die erklang so lieblich,
daß alle Waldvögelein herbeiflogen und sich wie zahme Tierchen
fangen ließen. Ein anderer Knabe erhielt einen Bogen, mit
dem er das schnellste Reh erlegen konnte. Dem dritten schenkten
sie ein Netz, in das die Fische von selbst hineingingen, sobald er
es in die Wupper legte. Das älteste Mädchen befaß ein Spinn-
rad, das sich von selber drehte und die feinsten Fäden spann.
Dem zweiten Mädchen schenkten die freundlichen Jungfrauen
einen Webstuhl, auf dem sie kunstvoll gemusterte Stoffe anfertigen
konnte. Dem jüngsten Töchterchen, das zur schönsten Jungfrau
an der ganzen Wupper erblühte, hatten sie einen silbernen Spiegel
gebracht. In diesem konnte man alles sehen, was die Leute
dachten.
Wenn die Wassernixen das Bauernhaus verließen, segneten
sie die Kindlein und sagten dabei allerlei Sprüchlein, die die
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Tagsüber arbeitete der Schmied wieder fleißig, und am
Abend lagen die Eisenklumpen da, die am nächsten Tage zu
Stangen geschmiedet werden sollten. Im stillen dachte der
Schmied: „Wenn du sie morgen fertig vorfändest, das wäre doch
schön!" Wie er's gedacht, so geschah es! Am Morgen fand er
sein Tagewerk wieder getan. Die Stangen lagen tadellos ge-
schmiedet und sauber aufgeschichtet da. So ging's eine Weile
fort. Dem guten Schmied lachte allemal das Herz im Leibe;
aber er hätte doch gar zu gerne gewußt, wie die Sache eigentlich
zuging.
Eines Abends, als die Lichter im Hammer ausgelöscht waren,
legte er sich auf die Lauer und spähte durch eine Mauerspalte.
Da sah er, wie gegen Mitternacht das Männlein mit dem silbernen
Hütchen in die Werkstätte trat. In der Hand trug's ein Bündel-
eben und ein seines silbernes Hämmerlein. Mit dem hatte das
Männlein gegen die verschlossene Tür der Werkstatt geklopft, und
sie hatte sich aufgetan. Das Männlein zündete Licht an und
sachte das Kohlenfeuer zu heller Glut an. Es band sich ein
ledernes Schurzfell um, das es aus dem mitgebrachten Bündlein
zog. So zur Arbeit gerüstet, wälzte es die Eisenklumpen ins
Feuer und plagte sich dabei so, daß ihm die hellen Schweißtropfen
auf der Stirne standen. Als es den letzten Klumpen im Feuer
hatte, zog es den ersten wieder heraus, und zwar mit einer
goldenen Schlinge. Der Zwerg bearbeitete ihn mit seinem
silbernen Hämmerlein, da formte das Eisen sich so leicht, als
wäre es weiches Wachs, und wurde eine seine Stange. So ging's
mit allen Klumpen, bis auch der letzte aus dem Feuer genommen
war. Dann wusch sich das Männlein, packte seine Sachen wieder
in ein Bündelchen, setzte sein Hütchen auf und verschwand ebenso
still, wie es gekommen war. Da sagte der Schmied bei sich: „Ei,
Männlein, wenn du aus Dankbarkeit nachts mein Geselle sein
willst, so soll es dir an Arbeit nicht fehlen." Von nun an machte
er am Tage mit seinen Gesellen die Klumpen fertig und legte
sie hin. In der Nacht kam dann der Zwerg und schmiedete sie zu
Stangen. Die waren so fein, daß man sie gut bezahlte, und der
Schmied wurde bald ein reicher Mann.
Eines Tages, als er sich so recht von Herzen über seinen
Reichtum freute, dachte er bei sich: „All dein Hab und Gut ver-
dankst du dem Zwerglein und hast doch nichts anderes dafür
getan, als daß du das Hütchen aus der Wupper gefischt hast.
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