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der Städte Nürnberg und Reutlingen Abgeordnete und außerdem
die gelehrten und geistlichen Stimmführer und Vertreter der jungen
lutherischen Kirche, ein Melanchthon, Justus Jonas und Georg
Spalatin. Nur der Held Luther fehlt in diesem Kreise, er weilt
in der nicht zu fernen Feste Koburg, weil man den noch in der
Reichsacht befindlichen und allzu hitzigen Streiter Christi hier nicht
am Platze hält. Jetzt erhebt sich der Kurfürst Johann und ent-
faltet die vor ihm liegende Schrift, sie enthält das herrliche Be-
kenntniß unsers lutherischen Glaubens, wie es Philipp Melanchthon
unter Luthers Beirath in den 20 Hauptartikeln und 7 Nebenartikeln
so wunderbar klar und scharf verabsaßt hat. Es ist ein großer,
heiliger Augenblick, als alle, des Kurfürsten Beispiele folgend, sich
erheben und dieser nun zuerst seinen Namen: Johannes, Herzog
und Kurfürst zu Sachsen, unter das herrliche Bekenntniß zeichnet
und dabei spricht: „Der allmächtige Gott verleihe seine Gnade für
und für, daß die Sachen ergehen zu seinem Lob und Preis." Dar-
auf reicht er die Feder dem hochsinnigen Markgrafen von Branden-
burg, und dieser schrieb seinen Namen mit seligem Leuchten seiner
Augen und mit den Worten: „Möchte der barmherzige Gott diesen
meinen Namen, wie ich ihn hieher schreibe, auch zeichnen in das
Buch der Lebendigen!" Ihm folgten dann Ernst, Herzog zu Lüne-
burg , und Philipp, Landgraf zu Hessen. Und als nun.die Reihe
an den Fürsten von Anhalt kam, ergriff dieser ritterliche Herr die
Feder mit solcher Freude, als werde ihm das Schwert des Geistes
gegeben, und nachdem er seinen Namen: Wolfgang, Fürst zu Anhalt,
unterzeichnet, sprach er: „Ich habe manchen schönen Ritt andern
zu Gefallen gethan, warum sollt' ich denn nicht, wenn es vonnöthen,
auch meinem Herrn und Erlöser Jesu Christo zu Ehren mein Pferd
satteln und mit Dransetzung meines Leibes und Lebens zu dem
ewigen Ehrenkränzlein in das himmlische Leben eilen I" Und nach-
dem noch die beiden Abgesandten von Nürnberg und Reutlingen
unterschrieben hatten, schloß der Kurfürst von Sachsen die bedeu-
tungsschwere, feierliche Handlung mit brünstigem Gebet um Segen
und Erfolg für den kommenden Tag. Und der ewig denkwürdige
25. Juni des Jahres 1530 kam, und der auf ihn herabgerufene
Segen des Herrn fehlte ihm auch nicht. Nachmittags um 3 Uhr
finden wir in der Kapellstube der bischöflichen Hofburg den ganzen
Reichstag versammelt. Unter dem Vorsitz eines Herrschers, dessen
Scepter sich über die Grenzen Europas hinaus weit über das Welt-
meer erstreckt, sind die höchsten Würdenträger des ganzen deutschen
Volkes hier erschienen, fremde Nationen haben ihre Botschafter, der
Papst seinen Legaten gesandt, um das Bekenntniß zu vernehmen,
welches einige Jahre zuvor ein armer, geächteter Mönch angesichts
derselben Versammlung ablegte, das aber jetzt die edelsten Fürsten
des deutschen Volkes als das ihrige auszusprechen im Begriff sind.
Alsbald traten in die Mitte des Saales die beiden kursächsischen
Kanzler Dr. Brück und Dr. Beyer, jener mit dem lateinischen,
dieser mit dem deutschen Exemplare der Bekenntnißschrift. Die
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm]]
Extrahierte Personennamen: Justus_Jonas Georg
Spalatin Christi Johann Philipp_Melanchthon Philipp Luthers_Beirath Johannes Ernst Philipp Philipp Wolfgang Jesu_Christo
Extrahierte Ortsnamen: Nürnberg Reutlingen Sachsen Hessen Nürnberg Reutlingen Sachsen Europas
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evangelischen Fürsten erheben sich, denn stehend wollen die Stand-
haften bekennen. Der Kaiser verlangt, daß das lateinische Exemplar
vorgelesen werde. Kurfürst Johann aber erwiedert: „Auf deutschem
Grund und Boden soll man billig in deutscher Sprache lesen und
hören." Der Kaiser bewilligt es; und nun beginnt Dr. Beyer mit
so lauter und vernehmlicher Stimme zu lesen, daß auch die Menge,
welche draußen im Schloßhofe zusammengeströmt ist, alle Worte
verstehen kann. Zwei Stunden dauerte die Vorlesung, und nach
Beendigung derselben überreichte Dr. Brück beide Exemplare der
Schrift dem kaiserlichen Sekretär Alexander Schweis. Der Kaiser
aber griff sogleich nach dem lateinischen, das deutsche gab er dem
Kurfürsten von Mainz. Der Eindruck, den dieses vorgelesene
Glaubensbekenntniß auf die ganze Versammlung machte, war ein
gewaltiger, denn es war ja ein Zeugniß des heiligen Geistes, ge-
flossen aus dem ewig klaren Brünnlein Gottes. Selber der Kaiser,
wie wenig geneigt er sonst auch den Evangelischen war, ließ ihnen
doch bedeuten, daß er mit gnädigem Wohlgefallen ihr Bekenntniß
vernommen. Der gelehrte Bischof von Augsburg bekannte offen,
es sei alles, was vorgetesen worden, die lautere, unleugbare Wahr-
heit. Herzog Wilhelm von Baiern drückte dem Kurfürsten Johann
freundlich die Hand, und als er dem dabeistehenden Dr. Eck vor-
warf, er habe ihm die lutherische Lehre ganz falsch vorgestellt, und
dieser erwiederte, mit den Kirchenvätern getraue er sich dieselbe
wohl zu widerlegen, aber nicht mit der Schrift, da sprach Herzog
Wilhelm: „So merke ich wohl, die Lutherischen sitzen in der Schrift,
und wir darneben." Wie diesem Baiernherzog aber ging es Vielen,
welche bei der Vorlesung gegenwärtig gewesen waren, und dazu
auch noch unzähligen Andern, welche die vortreffliche Bekenntniß-
schrift, die sich bald in alle Gegenden der Welt hin verbreitete und
in alle mögliche Sprachen übersetzt wurde, lasen. Den größten
Segen von dem Bekenntnisse hatten aber die Bekenner selbst; denn
nachdem sie mit einem Munde, unter einer und derselben Gefahr
ein so kräftiges Zeugniß ihres Glaubens abgelegt hatten, fühlten
ihre Herzen sich auch in diesem Glauben inniger verknüpft, und so
standen sie nun da als ein Mann in Christo, als ein heiliger
Leib des Herrn, der mit einem Geiste getauft an dem, der das
Haupt ist, fort und fort wächst zu göttlicher Größe.
250. Luthers Tod.
18. Febr. 1546.
Im Januar 1546 reiste Luther mit drei Söhnen nach Eisleben.
Dahin hatten ihn die Grafen von Mansfeld gerufen, um Streitig-
keiten zu schlichten, die zwischen ihnen unter einander und mit einigen
ihrer Unterthanen entstanden waren. Unterwegs war er schon sehr
schwach; doch predigte er noch viermal in Eisleben, erschien auch über
Tische recht gesprächig und schrieb an seine Frau nach Wittenberg
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Extrahierte Personennamen: Johann Alexander_Schweis Alexander Wilhelm_von_Baiern Wilhelm Johann Johann Wilhelm
242
Könige im Zweikampfe zu stehen; aber dieser war schon dort, wo kein
Krieg mehr ist, und wo auch Pappenheim bald Ruhe finden sollte.
Zwei Kugeln durchbohrten seine Brust. Man trug ihn aus der Schlacht;
da hörte er, daß der König geblieben sei. „Nun," rief er aus, „so
meldet dem Herzog von Friedland, daß ich zum Tode getroffen bin,
aber gern sterbe, weil der unversöhnliche Feind meines Glaubens zu-
gleich mit mir gestorben ist." Bernhard gebot noch einen Angriff und
gewann die Schlacht. Pappenheims Infanterie traf eben zur rechten
Zeit ein, um den Rückzug des kaiserlichen Heeres zu decken. 9 Stunden
hatte die Schlacht gedauert, bei 10,000 Todte und Verwundete lagen
auf der Ebene. Der Verlust war der Zahl nach auf beiden Seiten
gleich. — Die Finnen hatten die Leiche des großen Königs erkämpft.
Sie fanden den Körper unweit eines großen Steines, der von nun an
den Namen Schwedenstein erhielt, geplündert, zertreten, von Blut und
Wunden entstellt, das Angesicht zur Erde gewendet.
233. Der Gustav-Adolf-Verein.
Es war am 6. November 1832, als sich in Lützen eine große
Menschenmenge versammelte und unter Glockengeläute und Sang und
Klang hinaus an den Schwedenstein zog, um eine einfache Feier zur
Erinnerung an den Glaubenshelden zu begehen, welcher hier vor 200
Jahren gefallen war. Nach der Feier beschloß man die Errichtung
eines eisernen Denkmales über dem Steine. Gaben dankbarer Liebe
kamen reichlich dazu ein. Am 6. Novbr. 1837 wurde das neue Denk-
mal in Gegenwart vieler Tausende, die aus der Nähe und Ferne ge-
kommen waren, feierlich eingeweiht. Aus Gußeisen in gothischem Bau-
style errichtet, bildet es ein offenes Thor über dem Schwedensteine und
trägt die Inschrift: Hier fiel Gustav Adolf am 6. Novbr. 1632.
Doch nicht von Stein oder Erz nur sollte dem großen Könige
ein Denkmal errichtet werden, sondern ein bleibenderes, ein lebendiges,
ein segnendes zugleich. Das war der Gedanke Großmanns, damals
Superintendenten in Leipzig, früher Generalsuperintendenten in Alten-
burg. Geweckt wurde er in ihm durch die Noth der evangelischen Ge-
meinde zu Fleißen in Böhmen. Bisher war diese nach dem sächsischen
Flecken Brambach eingepfarrt, wurde aber plötzlich von der österreichischen
Regierung genöthigt, eine selbstständige Gemeinde zu werden. Bei ihrer
großen Armuth war das Höchste, was sie thun konnte, daß sie ein
bretternes Bethaus mit Wänden von Holzbohlen und ein Pfarrhaus
erbaute, das zugleich als Schule diente, und zum Pastor einen ehe-
maligen Schuhmacher aus Gera annahm, der nie studirt hatte. Wie
Gustav Adolf und ihm zu Ehren lasset uns unseren evangelischen Brü-
dern mitten unter den Katholischen aus ihrer kirchlichen Noth helfen,
so lautete die Mahnung, welche Großmann an die Glieder der evan-
gelischen Kirche richtete. Der Gedanke schlug ein. Das heilige Liebes-
werk wurde mit einer Sechsersammlung begonnen, die solchen Anklang
fand, daß sich bald in Leipzig und in Dresden zwei Hauptvereine bil-
deten, welche in ihren Satzungen als Zweck der Gustav-Adolf-Stiftung
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Extrahierte Personennamen: Bernhard Schwedenstein Gustav_Adolf Gustav Adolf Brambach Gustav_Adolf Gustav Adolf
Extrahierte Ortsnamen: Pappenheim Friedland Schwedenstein Leipzig Gera Leipzig Dresden
186
215. Die Christenversolgungen.
Der Herr hatte zu seinen Jüngern gesagt: „Wäret ihr von der
Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Weil ihr aber nicht von der
Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählt, so hasset euch
die Welt." So geschah es denn auch. Anfangs wurden die Christen
von den Juden verfolgt, wie davon die Apostelgeschichte erzählt. Nach
der Zerstörung Jerusalems wütheten die Heiden gegen die Christen mit
furchtbaren Martern. Sie wurden durch's Schwert getödtet, mit Feuer
verbrannt, von wilden Thieren zerrissen, in Flüssen ersäuft, in siedendes
Öl oder Pech gesenkt, mit Pech bestrichen und dann angezündet, ge-
kreuzigt und zerschlagen; viele ließ man in dumpfen Kerkern hin-
schmachten. Da ist mancher, bei dem der Same des Evangeliums nicht
Wurzel hatte, abgefallen und hat Christum verleugnet. Aber die meisten
Christen haben ihr irdisches Leben willig dargegeben, um das ewige
zu erlangen. Das vergossene Märtyrerblut aber ist der Same der
Kirche geworden. Wenn die Heiden die hohe Freudigkeit sahen, mit
der die Christen in den Tod gingen, so staunten sie wohl und dachten:
Der Christenglaube muß doch der rechte sein.
Die heidnischen Verfolgungen begann der Kaiser Nero im Jahr 64.
Er ließ die Stadt Rom anzünden; das gab einen furchtbaren Brand.
Als das Volk darüber unmuths wurde, gab er vor, die Christen hätten
es gethan. Nun wurden diese ergriffen und gekreuzigt, den Hunden
vorgeworfen, mit brennbaren Stoffen bestrichen und Nachts angezündet.
Damals priesen auch die beiden großen Apostel Paulus und Petrus
den Herrn mit ihrem Tode. — Drittehalb Jahrhunderte dauerten die
Christenverfolgungen. Die letzte und grausamste fand unter dem Kaiser
Dioclctian, der vom Jahre 284 bis 305 regierte, statt. Noch einmal
floß Märtyrerblut; es war das von 30 Bekennern, die im Jahre 310
im gelobten Lande enthauptet wurden. Da erhörete der Herr das
Seufzen seiner Kirche, und es ward stille vor ihm.
216. Polykarp.
Zur Zeit des römischen Kaisers Markus Aurelius lebte in der
Stadt Smyrna in Klein-Asien der fromme Bischof Polykarpua.
Er war ein Jünger des Apostels Johannes und hatte von diesem
eben sowohl die Liebe, wie den Eifer für die Ehre des Herrn ge-
lernt. Ein Irrlehrer Marcion, der die göttliche Wahrheit zu ver-
fälschen suchte, sagte einst zu ihm, als er ihm auf der Strasse
begegnete: „Polykarp, erkenne uns an!“ Polykarp antwortete:
„Ja, ich erkenne dich, dass du der Erstgeborne des Satans bist.“
Von den Juden aufgestachelt, hatte das Volk die Christen zu
Smyrna blutig verfolgt, und der schwache Statthalter gab jedem
Verlangen desselben nach, obwohl er für seine Person kein Feind
der Christen war. Sie wurden bis auf die Knochen gegeisselt,
den wilden Thieren vorgeworfen oder auf Scheiterhaufen verbrannt.
Aber sie bewiesen unter den Martern eine solche Standhaftigkeit,
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Extrahierte Personennamen: Christum Apostel Dioclctian Markus_Aurelius Polykarpua Apostels Johannes
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalems Rom Smyrna Smyrna
196
Ligen Predigten. Aber sein Herz zog ihn zu den Heiden. Er verließ
England und fuhr über das Meer zu den Friesen. Doch der trotzige
Heidenkönig Radb od gab ihm nicht die Erlaubniß, den Namen Christi
in seinem Lande zu verkündigen. Winfried wählte einen andern Weg.
Er ging zum Papste nach Rom, holte sich Rath für sein schweres Werk
und langte im Jahre 718 am nördlichen Fuße der Alpen an. Deutsch-
land lag mit seinen Gauen und Völkern vor ihm. Wohin sollte er
sich wenden? Sein Geschichtsschreiber sagt: „Wie die Biene, die um
die Blumen des Gartens prüfend kreist, bevor sie sich in den auser-
wählten Kelch niederläßt, so zog Bonifacius in den verschiedenen Gauen
Deutschlands umher, bis er bei den Nachbarn seines geliebten Sachsen-
volkes, bei den Thüringern und Hessen, festen Fuß faßte."
2. Bei dem Dorfe Geismar in Niederhessen stand eine Eiche
von ungeheurer Größe, welche die Deutschen ihrem höchsten Gotte ge-
weihet hatten. Der Baum galt als besonders heilig, und aus der
Nähe und Ferne wallfahrtete man zu ihm. Bonifacius beschloß im
Vertrauen auf den Beistand des Herrn, einen kühnen Streich gegen
das Heidenthum zu führen. In gewaltiger Rede schilderte er zuerst
den Heiden die Thorheit ihres Aberglaubens. Um ihnen nun zu zei-
gen, daß ihre Götter todte Götzen seien, legte er die Äxt an die Wurzel
des Baumes. Seine Genossen halfen zuschlagen, und ein Sturmwind,
vom Herrn gesandt, stürzte den Baum, daß er in vier Stücke zersplit-
terte. Dem Volke entfuhr ein Schrei wilden Schreckens. Sie erwar-
teten, ihr Gott werde den Frevler züchtigen und mit einem Blitzstrahl
vernichten. Als das aber nicht geschah, erkannten sie die Ohnmacht
ihrer Götzen und ließen stch taufen. Aus dem Holze, welches der ge-
fällte Baum des Aberglaubens gab, erbaute Bonifacius ein Bethaus
zu Ehren des Apostels Petrus.
3. Unter den Klöstern, die Bonifacius gründete, wurde besonders
das zu Fulda in Hessen wichtig. Sein Schüler Sturm hatte den
Platz dazu aufgesucht. Auf einem Esel reitend, durchzog Sturm die
wilden Gegenden und die düstern Wälder, Psalmen und Loblieder sin-
gend. Überfiel ihn die Nacht, so bereitete er unter den weiten Zwei-
gen der uralten Eichen sein Lager, getrost dem vertrauend, der alle
Haare auf unserm Haupte gezählt hat. Und der schützte ihn gegen die
Anfälle der reißenden Thiere wie der Menschen. Einst zog er seinen
einsamen Weg an den Ufern eines Flusses hin. Da stürzte eine Schaar
wilder Heiden auf ihn zu und umgab ihn mit höhnendem Geschrei.
Er wußte, sein Leben stehe in des Herrn Hand, und trat ihnen ruhig
und gefaßt entgegen; und sie ließen ihn ungehindert weiter ziehen.
Endlich fand er eine Gegend, die ihm zum Bau eines Klosters passend
schien. Nun holte er die Erlaubniß des Bonifacius ein. Die Bäume
wurden ausgerodet; Kalköfen wurden gebaut, und schon nach Jahres-
frist waren hohe Mauern erbaut. Diese Stiftung, die schon zu Sturms
Zeiten 400 Brüder zählte, ward eine gesegnete Anstalt zur Ausbreitung
des Evangeliums.
4. Bonifacius war nun hochbetagt und wußte, daß sein Tod
nicht mehr fern sei. Da erwachte die alte Jugendliebe zu dem Frie-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Christi Winfried Winfried Bonifacius Bonifacius Apostels Petrus Bonifacius
Extrahierte Ortsnamen: England Rom Deutschlands Hessen Niederhessen Fulda Hessen Bonifacius
220
zu lassen, wenn er nur seine neun oder acht Ducaten zahle. Solche
Gnade und Gewalt aber habe er vom Papste, der mehr Macht besitze,
denn alle Apostel, Engel und Heiligen, weil demselben Christus nach
der Himmelfahrt das Regiment über die Kirche abgetreten habe; kraft
seiner Gewalt lange er nicht allein in den Himmel, sondern auch hin-
unter in das Fegefeuer: sobald der Groschen im Kasten klinge, führe
die Seele, für die man einlege, von Stund' an gen Himmel.
Luther spürte gar bald die Früchte von Tezels Treiben. Er hörte
in Wittenberg Beichte; da kamen oft nur zehn, wo sonst fünfzig ge-
kommen waren, und unter diesen zehn waren sicherlich fünf, die zwar
schwere Sünden beichteten, aber auf Luthers ernstliche Bußpredigt große
Grumpen vorgaben, d. h. gottlose Reden führten und sich hören ließen,
daß sie von Ehebruch, Hurerei, Wucherei, unrechtem Gut und der-
gleichen nicht ablassen wollten. Als sie nun der Doctor nicht absol-
viren wollte, beriefen sich die Beichtkinder auf ihre Papstbriefe und
Tezels Gnade und Ablaß. Luther erwiderte, er kümmere sich nicht um
Papiere, wenn sie sich nicht besserten, so würden sie alle umkommen;
sie sollten Buße thun, sonst keine Absolution. Da wandten sie sich
an Tezel und klagten ihm, wie dieser Augustinermönch auf seine Briefe
nichts geben wolle. Tezel ward über dieser neuen Zeitung sehr zornig
er wüthete, schalt und vermaledeite greulich auf dem Predigtstuhle,
und damit er ein Schrecken machte, ließ er etliche Male in der Woche
ein Feuer auf dem Markte anzünden, um anzuzeigen, daß er vom
Papste Befehl habe, alle Ketzer zu verbrennen, die sich wider den aller-
heiligsten Ablaß setzten. Aber er hatte sich in Luther geirrt. Der
hätte sich von einem Feuer nicht schrecken lassen, das ihm auf den Leib
brannte, geschweige denn von einem Feuer, acht Stunden von ihm.
Zu der Zeit, erzählt Luther selbst, war ich Prediger allhier im Kloster,
und ein junger Doctor, neulich aus der Esse gekommen, hitzig und
lustig in der heiligen Schrift.
Zu gleicher Zeit schrieb Luther einen Brief an den Bischof von
Magdeburg mit der Bitte, dem Tezel Einhalt zu thun. Aber er bekam
keine Antwort. Da schrieb er zum andern an den Bischof von Bran-
denburg, zu dessen Sprengel Wittenberg gehörte. Dieser antwortete:
Luther griffe der Kirche Gewalt an und würde sich selber Mühe machen;
er riethe ihm, er möge davon lassen.
So blieb Luther nur noch eins übrig. Nach der Sitte der da-
maligen Zeit wurden auf Universitäten wichtige Lehrsätze in öffentlichen
Disputationen zur Sprache gebracht. Luther beschloß, auch auf diesem
Wege gegen die Mächte der Finsterniß anzukämpfen. Und so sehen
wir ihn denn, wie er einige Minuten vor Mittag aus seinem Kloster
heraustritt, in der Hand die Pergamentrolle, auf welche er seine Sätze
wider die Lehre vom Ablasse geschrieben hatte, und neben sich einen
Klosterdiener mit der Leiter aus der Achsel. Mit dem ersten Schlage
auf zwölf schlug der Diener den ersten, mit dem zwölften Schlage den
letzten Nagel ein, der die Streitschrift an die Thüre der Schloßkirche
befestigte, so daß sie nun männiglich lesen konnte. Die Summe aller
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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von Braunschweig aber liess ihm zur Erfrischung in einer silber-
nen Kanne einen Trunk Eimbecker Bier reichen. Den nahm Dr.
Luther an mit diesen Worten: „Wie Ehrst Erich mein gedenkt,
so gedenke sein unser Herr Christus in seiner letzten Stunde.“
Freitags, da die Stände im Reichsrathe versammelt waren, sandte
ihnen der Kaiser eine Schrift dieses Inhalts, weil Dr. Luther von
seinen Irrthümern auch nicht eines Fingers breit abzustehen sich
vorgenommen, so denke er, ihn und seine Anhänger mit Bann und
Acht zu verfolgen.
Luther war nun vogelfrei. Deswegen dünkte es den Kurfür-
sten von Sachsen, Friedrich den Weisen, dem Luthers Verantwor-
tung auf dem Reichstage herzlich Wohlgefallen hatte, denselben für
einige Zeit an einem sicheren Orte aufzuheben. Auf Anhalten gu-
ter Leute willigte Luther endlich in diesen weisen Rath, obgleich
er sein Blut für die Wahrheit gern vergossen hätte. In der Nähe
von Altenstein sprengten ihn 2 Edelleute mit 2 Knechten an,
hiessen den Fuhrmann still halten, griffen Dr. Luther mit schein-
barem Ungestüme und setzten ihn auf ein Pferd. Fast um Mitter-
nacht kamen sie auf das Schloss Wartburg bei Eisenach. Da hielt
man Luther unter dem Namen Junker Georg als einen Gefangenen.
Seine Zeit brachte er damit zu, viele gute Bücher im Druck zu
fertigen; auch fing er an, die Heilige Schrift zu verdeutschen.
244. Dr. Wenzel Links erste Predigt in Altenburg.
Es ist in den letzten Vormittagsstunden an einem der ersten
Februartage des Jahres 1523. Ein solches Drängen und Treiben
unter seinen Fenstern hatte der alte Thorwart zu St. Johannes in
Altenburg noch niemals in seinem Leben gesehen, selbst voriges Früh-
jahr nicht, als Magister Gabriel Didymus von Wittenberg in die Stadt
gekommen war und draußen vor dem Thore unter der großen Linde,
säst an derselben Stelle, wo jetzt dem reichen Hospitale gegenüber eine
halbwüchsige Linde in voller Kraft steht, das reine Gotteswort nach
der Lehre des Dr. Martinus gepredigt hatte. Was von den 7000
Einwohnern der Stadt gesund war und nicht durch die Pflege der
Alten und Kranken oder durch die Sorge für das Mittagsbrot in den
Häusern gehalten wurde, das war auf den Beinen. Sonst traten die
Leute aus dem Volke scheu zur Seite, wenn ihnen einer von den stol-
zen Chorherren aus dem reichen Kloster Unserer Lieben Frauen auf
dem Berge begegnete; aber heute müssen sie warten, wie andere, bis
sie der Strom durch das Thor trägt, und doch halten sie gerade heute
in ihren feinen, mit kostbarem Pelzwerk verbrämten Kutten den Nacken
um eins so steif, und oen Kopf noch einmal so hoch, als sonst. Es
dünkt sie, der Gang vor das Thor sei der Anfang zu neuen und
größeren Siegen; hatten sie doch dem Magister Gabriel also zugesetzt,
daß er von Altenburg nach Torgau entweichen mußte, und war eben
in den letzten Tagen ein strenges Mandat vom Bischof Philippus in
Naumburg angeschlagen worden, in welchem jedwede Theilnahme an
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Extrahierte Personennamen: Erich Christus Friedrich Friedrich Fuhrmann Georg Wenzel_Links Johannes Gabriel_Didymus Gabriel
230
wiederholte er, wie in Jena gegen Karlstadt, daß er nur insgemein
geredet habe; habe er sie getroffen, so könne er nichts dazu. Die
Rathspersonen wollten aber weder zugeben, daß ihr Brief ein Feinds-
brief sei, noch annehmen, daß Luther sie wegen der Abthuung der Bilder
nicht auch den schwärmerischen Geistern gleichgestellt habe, und wurden
darüber immer heftiger, so daß Luther endlich in die Worte ausbrach:
„Ob ich sonst nicht wüßte, daß ihr Schwärmer seid, so weiß ich's doch
itzund; denn ihr brennt vor meinen Augen wie Feuer. Ihr werdet
mich doch nicht fressen!" Er frug sie hierauf, wie sie denn aus der
Schrift beweisen wollten, daß man die Bilder abzuthun habe? Sie
beriefen sich hierauf auf die Worte der zehn Gebote: Du sollst nicht
andere Götter haben, und die Auslegung Mosis dazu: Du sollst alle
Bilder abthun und keines haben. Luther erklärte ihnen daraus, daß
hiermit nur abgöttische Bilder gemeint sein könnten; aber was schade
ein Crucifix an der Wand, das man nicht anbete. Allein die Orla-
mündaer, unter denen sich hierbei ein Schuster besonders hervorthat,
wollten dies nicht gelten lassen, sondern hielten daran fest, daß dies
von allen Bildern gemeint sei. Als aber Luther dennoch auf seiner
Auslegung beharrte, brach der Bürgermeister die Unterredung mit den
Worten ab: „Hört, liebe Herren, hört, wir halten uns stracks nach
dem Worte Gottes, denn es steht geschrieben: ihr sollt weder dazu setzen,
noch davon abnehmen!" Der Hofprediger Stein ermahnte ihn still zu
schweigen. Luther aber, durch die Rede des Bürgermeisters erzürnt,
beschuldigte die Orlamündaer nun, daß sie ihn verdammt hätten. Da
erhob sich der Schuster nochmals und antwortete ihm: „So du je ver-
dammet wilt sein, halte ich dich und einen jeglichen verdammt, so lange
er wider got und gotes Wahrheit redet oder liest!" — Das war Wohl
genug, um Luther zu überzeugen, daß ein ferneres Streiten ganz ver-
geblich gewesen wäre, und mit den Worten: „Das hätten mir wohl
die Kinder auf den Gassen gesagt!" eilte er zum Wagen und fuhr
schnell zum Städtchen hinaus. An höhnischen Nachrufen mag es hierbei
nicht gefehlt haben, wie denn Luther selbst in einem Briefe an die
Straßburger Christen schreibt: „Ich war froh, daß ich nicht mit Steinen
und Dreck ausgeworfen ward, da mir etliche derselben einen solchen
Segen gaben: Fahr hin in tausend Teufel Namen! daß du den Hals
brächest, ehe du zur Stadt hinaus kommst!"
In Folge dieses Auftritts erhielt der Rath vom Kurfürsten und
seinem Bruder Johann einen scharfen Tadel über die gegen Luther
begangenen Unschicklichkeiten; Karlstadt aber wurde des Landes verwiesen,
und ein anderer in die von ihm eigenmächtig eingenommene Pfarrei
eingesetzt.
247. Der Bauernkrieg.
Zehn Tage nach dem Tode Friedrichs des Weisen, den 15.
Mai 1525, schlug sein Bruder, Kurfürst Johann der Beständige,
die Schlacht bei Frankenhausen wider die aufrührerischen Bauern.
Wohl hatte sie Thomas Münzer ermuthigt: „Lasset euch durch
den Schein der Gefahr nicht schrecken! Jede Kugel, die aus der
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Extrahierte Personennamen: Karlstadt Johann Karlstadt Friedrichs Johann Thomas_Münzer
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ihren Fingern thun können, oder gar mit den Lippen, wie jene Frau
in England, deren Fingerspitzen durch harte Arbeit so stumpf geworden
waren, daß sie die Buchstaben nicht fühlen konnte. — Selig sind, die
Gottes Wort hören und bewahren.
53. Was Dr. Luther und Andere über den Katechismus
gesagt haben.
Luther sagt: „Ich, wiewohl ich ein alter Doctor der heiligen
Schrift bin, so bin ich doch noch nicht aus der Kinderlehre ge-
kommen und verstehe die zehn Gebote Gottes, den Glauben und
das Vater-Unser noch nicht recht; ich kann's nicht ausstudiren, noch
auslernen, aber ich lerne noch täglich darin und lerne den Kate-
chismus mit meinem Sohne Hansen und mit meinem Töchterchen
Magdalenen. Wann verstehet man doch durchaus und gründlich
das erste Wort im Vater-Unser, da man sagt: Der du bist im
Himmel! So habe ich auch gedacht, nachzutrachten den zehn Ge-
boten, und wenn ich nun habe an dem ersten Worte angefangen,
das da also lautet: Ich bin der Herr, dein Gott, so bin ich schier
an dem Wörtlein „Ich" geblieben und kann das Wörtlein noch
nicht verstehen."
Justus Jonas, einer von Luthers Gehülfen am Werke der
Reformation, pflegte den Katechismus die Kinderbibel zu nennen.
Er sagt: „Es ist eine sonderliche Gottesgabe und Gnade, daß jetzt
wiederum der Katechismus rein gelehret wird in der Kirche, näm-
lich die zehn Gebote, Glaube und Vater-Unser. Denn dadurch hat
ein jeglicher Mensch die ganze Theologie und kann erkennen lernen,
was der rechte, beste, höchste, wahrhaftige Gottesdienst ist, was
Gottes Wille und Gebot ist, was er von uns fordert, ebenso wie
ein jeder in seinem Stande in allem Wandel und Leben gegen
seinen Nächsten sich halten soll und leben, daß es Gott gefalle.
Und wenn die Lutherische Lehre, welcher der Teufel so bitterlich
feind ist, nichts anders genützt hätte, denn daß sie den Katechismus
und die zehn Gebote hat wieder dem Volke bekannt gemacht, so
hätte sie doch mehr in der christlichen Kirche gebauet, denn alle
hohen Schulen, so lange sie auf Erden gewesen sind."
Johann Matthesius, der alte Pastor in Joachimsthal,
bekennt: „Wenn Dr. Luther sonst in seinem ganzen Laufe nichts
Gutes gestiftet hätte, so könnte ihm doch die ganze Welt diesen
segensreichen Schatz nicht genugsam danken," und bittet, es wolle
der Herr Christus den heiligen Katechismus mit der Wittenberger
Erklärung auf unseren Kanzeln und in unseren Schulen, in frommer
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Extrahierte Personennamen: Justus_Jonas Luthers Johann_Matthesius Johann Christus
Extrahierte Ortsnamen: England Gottes Gottes Gottes Joachimsthal
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ging er 1505 in das Kloster, um dort mit Mönchswerken Gott zu
dienen und die Seligkeit zu erwerben. Aber obwohl er mit Wachen,
Beten, Lesen und anderer Arbeit sich fast zu Tode marterte, war er
doch immer traurig; er würde verzweifelt sein, wenn ihm Gott nicht
in seiner Noth einen alten Klosterbruder zugeschickt hätte. Dieser ver-
wies ihn, als er ihm seine Anfechtungen klagte, auf die Worte: Ich
glaube eine Vergebung der Sünden. Es sei nicht genug, im Allge-
meinen zu glauben, daß etlichen vergeben werde, wie auch die Teufel
glauben, daß dem David oder Petrus vergeben sei, sondern das sei
Gottes Wille, daß jeglicher glaube, daß ihm vergeben werde.
Im Jahre 1508 kam Luther wegen seiner sonderlichen Geschick-
lichkeit und ernstlichen Frömmigkeit als Lehrer an die neue Universität
nach Wittenberg. Er lehrte so gewaltig, daß sich verständige Männer
sehr verwunderten und einer sagte: „Dieser Mönch wird alle Doctoren
irre machen und eine neue Lehre aufbringen und die ganze römische
Kirche reformiren; denn er legt sich auf der Propheten und Apostel
Schrift und stehet auf Jesu Christi Wort."
15io wurde er in Klostergeschäften nach Rom geschickt, davon er
später oftmals gesagt hat: „Ich wollte nicht 100,000 Gulden nehmen,
daß ich Rom nicht gesehen hätte." In Andacht war Luther nach Rom
gekommen und hoffte dort, den Frieden für seine Seele zu finden.
Aber er entsetzte sich über die gotteslästerlichen Reden der Priester bei
Tische. „Daneben ekelte mir sehr, daß sie so sicher und fein rips raps
konnten Messe halten, als trieben sie ein Gaukelspiel; denn ehe ich
zum Evangelio kam, hatte mein Nebenpfaffe seine Messe ausgerichtet
und schrie zu mir: Immer weg, komm davon!" Und als er die Stufen
an der Pilatusstiege hinauf rutschte, um mit solchem Werke Vergebung
der Sünden zu verdienen, war ihm nicht anders zu Muthe, als riefe
ihm eine Donnerstimme zu: Der Gerechte lebt seines Glaubens.
241. Am 31. Oktober 1517.
Den 31. Oktober 1517 schlug Luther die 95 Streitsätze wider
die Lehre vom Ablasse an der Thüre der Schloßkirche zu Wittenberg an.
Willst du wissen, wie das so gekommen ist, mußt du mit mir die vier
Meilen von Wittenberg nach Jüterbogk gehen und dich in dieser Stadt
ein wenig umsehen. Hier hatten etwa vier Wochen vorher die Bürger,
die Geistlichen an der Spitze, den Ablaßprediger Johann Tezel in einer
feierlichen Prozession mit Kreuz und Fahnen eingeholt. Unter dem
Geläute der Glocken fuhr er in die Stadt ein, indem die päpstliche
Ablaßbulle auf einem Sammetkissen vor ihm hergetragen wurde. In
der Stadtkirche hatte er dann ein rothes Kreuz mit des Papstes Wappen
aufgerichtet und behauptete nun von diesem, es wäre so kräftig, wie
das Kreuz Christi selber. Es wäre nicht Noth, Reue noch Leid oder
Buße über die Sünde zu haben; wenn einer den Ablaß oder die Ab-
laßbriefe bei ihm löste, so erhalte er völlige Vergebung der Sünde.
Es brauche sich einer den Meineid, den er vor den Richtern geschworen,
oder den Mord, den er an seinem Bruder begangen, nicht leid sein
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Extrahierte Personennamen: David_oder_Petrus David Apostel Johann_Tezel Johann
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Wittenberg Christi Rom Rom Rom Wittenberg Wittenberg Jüterbogk Christi