548
Die englische
Literatur bis
zur Mitte des
18. Jahr-
hunderts.
Obergericht übertragen. Zu der Würde eines Präsidenten ward zuerst
Washington erhoben und blieb es durch wiederholte Wahl bis 1797.
Auch an der Spitze der Verwaltung beförderte er den Wohlstand, den
Frieden und die Befestigung des jungen Staates und vollendete dadurch
sein Werk und seinen Ruhm. Es gelang ihm nicht, von allen Parteien
seines Vaterlandes anerkannt zu werden, besonders wurde er als ein
Anhänger und Begünstiger des englischen Einfluffeß angegriffen, als er
1794 einen Handelsvertrag mit England schloß. Er erklärte im Sep-
tember 1796, daß er die Würde eines Präsidenten bei einer neuen
Wahl nicht wieder annehmen werde. Washington starb 1799. In
seinem Testament vermachte er fünfzig Aktien, jede von hundert Pfund,
zur Errichtung einer Hochschule in dem District Columbia. Auch
schenkte er allen seinen Sklaven die Freiheit und sicherte den hülflosen
Alten eine lebenslängliche Unterstützung zu.
Den religiösen Interessen gegenüber bildeten sich im Laufe unseres
Zeitraums die Reflexion des Verstandes und die Bestrebungen der Wis-
senschaft mit nicht minderer Stärke und Erfolg aus. Die Grundlage
für alle folgenden naturwissenschaftlichen und philosophischen Bestrebun-
gen legte Franz Baco von Verulam (1561 — 1626). Er stammte
aus einer angesehenen Familie und gelangte selbst zu den höchsten
Staatsämtern; er wurde aber wegen Bestechungen seiner Würden ent-
setzt und starb in ärmlichen Verhältnissen. In der Wissenschaft glänzt
sein Name als Heller Stern. Er entwarf den Plan zu einer Reform
der Philosophie und schrieb das Organon oder eine allgemeine Metho-
denlehce und eine Encyklopädie der Wissenschaften. Seiner Methode
liegt die Ueberzeugung zum Grunde, daß man nicht durch Speculation,
sondern allein durch Beobachtung und Erfahrung zur Wahrheit gelan-
gen könne. Der scholastischen Methode oder der Ableitung des Wissens
aus dem Begriff, d. h. aus unerwiesenen Abstractionen, setzte er die
Forderung entgegen, von der Wirklichkeit und der Erfahrung auszuge-
hen. Von den übersinnlichen Gegenständen wies er die Forschung auf
die Natur und Geschichte hin.
Baco's Gedanken führte auf eigenthümliche Weise John Locke
(1632 —1704) weiter aus. Wenn Baco zur Erforschung der Wahrheit
auf das sinnliche Dasein verwies, so leugnete Locke die selbständige
Existenz und Wahrheit des Denkens überhaupt. Er bestritt die Lehre des
Cartesius von den angebornen Ideen, unter welchen dieser allgemeine,
dem menschlichen Geiste ungehörige Bestimmungen verstanden hatte.
Locke behauptete, daß die Seele deß Kindes eine leere Tafel sei, welche
nur im Verlaufe der Zeit mit den Zeichen angefüllt und durch die
sinnliche Wahrnehmung beschrieben werde. Sein Bestreben ging dahin,
zu zeigen, wie auch die metaphysischen Begriffe aus der Erfahrung ab-
geleitet und aufgenommen werden, z. B. Raum, Bewegung, Form aus
der äußern, Denken, Wollen u. s. w. aus der innern Wahrnehmung.
Der Verstand bildet alle diese Begriffe, indem er die durch die Wahr-
nehmungen gewonnenen Vorstellungen bearbeitet, zusammenfügt, ver-
gleicht und gegen einander stellt.
Isaak Newton (1642 — 1727) hat sich um die Mathematik und
Physik die größten Verdienste erworben. Seine berühmte Theorie des
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Personennamen: Franz_Baco Franz John_Locke Locke Isaak_Newton Isaak
667
aufstecken. La Fayette rückte mit einigen Bataillons Nationalgarde gegen
die Ausrührer heran und zersteute sie mit wenigen Schüffen.
Die Nationalversammlung benutzte den Sieg nicht dazu, die An-
stifter des Aufruhrs zu verfolgen und die Klubs der Jakobiner und
Cordelierß zu vernichten, sondern setzte ohne weitere Störung die Ver-
fassungsarbeit fort. Am 3. September 1791 wurde die Verfas-
sung in der Nationalversammlung als vollendet verlesen.
Sie war ein Versuch, die menschlichen Verhältniffe lediglich aus mate-
riellem Stoffe nach den Gesetzen des rechnenden Verstandes ganz neu zu
erschaffen, ohne die geschichtliche Entwickelung, die Sitte und den Na-
tionalgeist einer Rücksicht zu würdigen und ohne die kirchliche Gesetz-
gebung, auch nur bei Taufe und Ehe, als eine nothwendige Ergänzung
staatsbürgerlicher Handlungen gelten zu lassen. Gefährlich war die Vor-
stellung einer unbedingten Gleichheit, welche der Verfassung zu Grunde
lag. Dem aufgestellten Satze, daß alle Menschen frei und gleich an
Rechten geboren werden und bleiben, widersprach die Eintheilung in
thätige und nicht thätige Staatsbürger. Nur diejenigen, welche eine,
den Werth dreier Tagelöhne erreichende Abgabe bezahlten, sollten zur
Theilnahme an den Wahlen berechtigt, und fähig sein, zu Abgeordneten
erwählt zu werden. Mit dem ausgestellten Rechte deß Widerstandes ge-
gen Unterdrückung stand das Gesetz im Widerspruch, daß jeder Bürger
durch Widerstand gegen einen Verhaftsbefehl straffällig werde. Verderb-
lich war das widersinnige Verhältniß, in welches die gesetzgebende und
die vollziehende Gewalt, oder die Nationalversammlung und der König,
zu einander gestellt waren. Die erstere hatte sich alle Macht zugeeignet;
der König war nur der Beamte der Versammlung, deren Gesetze an die
Behörden zu schicken und sonst bekannt zu machen, sein Hauptgeschäft war.
Die Mängel der Verfassung würden weniger hervorgetreten sein,
wenn die Stifter derselben nicht genöthigt gewesen wären, ihr Amt ro-
heren und ungeschickteren Nachfolgern zu überlassen. Die Vollendung
der Verfassung wurde als der Zeitpunkt angesehen, wo die Vollmachten
der Abgeordneten erlöschen würden. Die öffentliche Meinung, die der
Versammlung zur Stütze ihrer Macht diente, legte ihr auch die Noth-
wendigkeit auf, sich an dem angegebenen Zeitpunkt aufzulösen. Die Ge-
fahr dieses Wechsels würde vermindert worden sein, wenn wenigstens ein
Theil der bisherigen Abgeordneten durch abermalige Erwählung in die
neue Versammlring übergegangen wäre. Aber die Jakobiner verlangten
eine ganz neue Versammlung und machten den Vorschlag, daß keinß der
gegenwärtigen Mitglieder an der nächsten Sitzung Theil nehmen solle.
Diesen Antrag vertheidigte Robespierre mit einem Feuer der Ueber-
zeugung, welches seiner mittelmäßigen Beredtsamkeit zum ersten Male
einen mächtigen Eindruck verschaffte. Mit den Freiheitsmännern der lin-
ken Seite vereinigten sich die aus der rechten Seite sitzenden Freunde
der unumschränkten Königsgewalt, weil sie h.offten. daß die alte Ordnung
der Dinge unter den Trümmern der Verfassung wieder erstehen werde.
Der Beschluß wurde im wildesten Getümmel gefaßt.
Am 14. September 1791 erschien Ludwig in der Versammlung und
bekräftigte durch einen feierlichen Eid die Annahme der Verfaffung. Am
30. September 1791 erfolgte durch den König die Auflösung der
Annahme der
Verfaffung.
Auflösung der
conflituiren-
den Ver-
sammlung.
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720
Neue Ver-
fassung. Auf-
lösung des
Convents.
publikaner und wurden fast alle erschossen. Auch Charette und
Stafflet, die Hauptanführer der Vendeer, wurden gefangen genommen
und erschossen.
Während dieser Zeit wurde die neue Verfassung vollendet.
Fünf Direktoren mit vollziehender Gewalt wurden an die Spitze deß
Staates gestellt. Einer der Direktoren sollte jährlich außtreten und erst
nach fünf Jahren wieder erwählt werden können. Die gesetzgebende Ge-
walt wurde zwei Kammern übertragen, dem Rathe der Fünfhun-
dert, zur Einleitung und Abfassung der Gesetze, und dem Rathe der
Alten von 250, über 40 Jahre alten Deputirten, zur Bestätigung der
Gesetze. Zum Eintritt in den Rath der Fünfhundert war nur ein Alter
von 30 Jahren erforderlich. Die beiden Räthe sollten alle Jahre zum
dritten Theile erneuert werden. Das Volk wählte in Urversammlungen
die Wähler, die dann in Wahlversammlungen die Mitglieder der die
Nation vertretenden Versammlungen erkoren.
Die Mitglieder des Convents suchten sich den Wiedereintritt in die
beiden Kammern zu sichern. Aus diesem Grunde erließen sie die Verfügung,
daß zwei Drittheile der beiden Räthe aus dem Convent genommen und
nur ein Drittheil durch Urversammlungen gewählt werden solle. Nachträg-
lich wurde noch verordnet, daß, wenn bei dem neu zu wählenden
Drittheil die Wahlen mehrerer Collegien auf dieselben Männer fallen wür-
den, die entstehenden Lücken durch eine vom Convent selbst aus seiner
Mitte gemachte Wahl ergänzt werden sollten. Ueber diesen Zusatzartikel
gerieth Paris in Gährung. Die Sectionen der Bürgerschaft riefen das
Wahlcollegium des Seinebezirks im französischen Theater zusammen und
umgaben dasselbe mit bewaffneter Macht; der Convent aber bildete zum
Schutze gegen die Nationalgarde eine Conventsgarde von 8000 Mann,
deren Oberbefehl an Barras und von diesem wiederum dem damals
ohne Anstellung in Paris sich aufhaltenden Napoleon Bonaparte
übergeben wurde. Dieser übernahm bereitwillig den Auftrag, das Lum-
pengesindel gegen die rechtlichen Bürger zu führen. Durch sachkundige
Anwendung von Kartätschenfeuer errang Napoleon dem Convente
den Sieg. Am 26. Oktober 1795 schloß der Convent seine Sitzun-
gen, und am 28. Oktober versammelten sich zum ersten Male die gesetz-
gebenden Räthe. Sie schritten bald zur Wahl der fünf Direktoren.
Die Wahl traf auf Barras, Letourneur, La-Reveillere-Le-
peaux, Reubel und Carnot.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Kartätschenfeuer Napoleon
730
Stiftung Gleichzeitig mit dem Papstthum ward auch die Eidgenossen-
emer^clveti- bet Schweizer zertrümmert. In den Freistaaten der Schweiz
Republik, hatten sich mancherlei Verfaffungsformen gebildet, die alle einander darin
ähnlich waren, daß die obrigkeitliche Gewalt nicht der lasse aller ein-
zelnen Bewohner zustand, sondern nur einer bald größeren, bald gerin-
geren Zahl von erblich angesessenen Bürgern. Selbst die kleineren Kan-
tone, die für wahre Demokratien galten, weil alle ins Bürgerrecht auf-
genommene Haukväter zur Landsgemeinde gerufen wurden, hatten doch
auch Schutzverwandte und Dienstleute, die das Bürgerrecht nicht besaßen,
sowie unterthänige Ortschaften und Landvogteien, über welche die Ge-
meinde Herrschaftsrechte ausübte. In den größeren Kantonen gemischter
oder ganz aristokratischer Verfassung trat die oligarchische Richtung noch
mehr hervor. In Bern, dem größten der verbündeten Kantone, waren
die sämmtlichen Einwohner deß Landgebietes Unterthanen der Haupt-
stadt, aber unter den Bürgern der letzteren hatten nur etwa drittehalb
hundert Familien das Recht, in den Rath erwählt werden zu können;
die Zahl derer aber, auf welche sich die Wahl zu beschränken pflegte,
belief sich 1785 auf neun und sechzig Familien. Das Stadtadelsregi-
ment bot manche schöne Seiten dar, und die väterliche Regierung der
gnädigen Herrn von Bern konnte für musterhaft gelten. Doch machten
sich auch manche Gebrechen bemerkbar, wie in der regimentßfähigen
Bürgerschaft ein dein Adelstölze ähnlicher Dünkel und dagegen in den
von der Regierung ausgeschlossenen Klassen ein Geist der Unzufriedenheit
und des Mißmuths, der in dem bestehenden Verhältnisse der Regierenden
und der Regierten die entschiedenste Ungerechtigkeit sah. Am ungünstig-
sten war die Stimmung in dem wälschen Theile des becner Gebiets, in
der 1536 dem Herzoge von Savoien entrissenen Landschaft Waat. Die
Bewohner, den Franzosen durch Sprache und Denkweise verwandt, be-
gannen zu Anfange der Revolution ihre Ausschließung vom Staats-
regiment als einen Zustand arger Unterdrückung zu betrachten, und wur-
den revolutionären Entwürfen und Grundsätzen geneigt. Die Patrioten
des Waatlandes richteten Vorstellungen an den Senat zu Bern und
baten, der Provinz die Rechte zu gewähren, die ihr bei dem Regierungs-
wechsel zugesichert worden waren. Die Weigerung veranlaßte Unruhen,
in deren Folge mehrere der Bittsteller auswanderten und über einige die
Acht ausgesprochen ward. Ausgewanderte Waatländer wandten sich an
daß Direktorium, und dieses nahm das Hülfegesuch freundlich auf. So-
bald ein kleines französisches Heer an der Grenze erschien, stand das
Waatland auf und sagte sich von dem Rathe zu Bern los. Der regie-
rende Rath wurde durch Furcht gelähmt und meinte durch Unterhand-
lungen das Vaterland retten zu können. Der Anführer der bernischen
im Waatlande stehenden Kriegsmacht, Oberst Weiß, wurde auf ein un-
bedingt friedliches Verhalten angewiesen. Ebenso herrschte Unentschlos-
senheit auf der Tagsatzung, welche nach Aarau ausgeschrieben war, um
über die von der Gesammtheit zu stellende Hülfe zu rathschlagen. Zu
dem Mangel kräftiger Einheit, der den erschlafften Bund der Eidgenos-
sen 'zum Widerstande gegen einen auswärtigen Feind ungeschickt machte,
kam noch die in den Kantonen herrschende politische Gehrung, die von
dem französischen Geschäftsträger zu Basel, Mengaud, durch alle
Künste des Jakobinismus genährt wurde. Ueberall gab es Schweizer,
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Mengaud
Extrahierte Ortsnamen: Schweiz
Republik Bern Bern Basel
748
Napoleon
Bonaparre
errichtet das
Kaiserthum.
England höchst nachtheilige Neutralität Spaniens in offenen Kriegsstand
zu verwandeln.
Die Macht Bonaparte'ß war eine monarchische, und es fehlte ihr
nur der Titel. Im März 1804 wurde im Senat die Erblichkeit der
höchsten Magistratur für nöthig erachtet, und am 30. April im Tribunal
der Antrag gestellt, die Regierung der Republik einem Kaiser anzuver-
trauen und dieses Kaiserthum in der Familie Bonaparte erblich zu inacheil.
Nur einer der Tribunen, nämlich Car not, sprach gegen die Errichtung
des Kaiserthums. Am 18. Mai wurde unter dem Vorsitze des zweiten
Consuls Cambacereß ein S e n a ruße o n su l t beschlossen, welches dem
ersten Con sul den Kaiser titel zuerkannte und die Erblichkeit
der kaiserlichen Würde in dessen Familie feststellte. Am 20. Mai,
am Pfingstsonntage, wurde das neue Kaiserthnm in Paris feierlich aus-
gerufen und angebliche Verbesseruilgen der Staatsverfassung bekannt ge-
macht, welche nur Verstärkungen der schon bestehenden souveränen Mo-
narchie waren. Von der Republik blieben nur einige gehaltlose Formen
übrig. Die Prunkformen des neuen Kaiserthums waren zum
Theil dem Mittelalter entlehnt. Es wurden sechs Erzämter mit fürst-
lichen Ehren und drei Klassen von Kronbeamten des Reichs er-
nannt, unter welchen die militärischen mit sechzehn Marschällen und acht
General-Jnspectoren der Armee zuerst ins Dasein traten. Die zu fran-
zösischen Prinzen erhobeneil Brüder Napoleons Joseph und Ludlvig
erhielten das Recht der Erbfolge und den Titel: Kaiserliche Hoheit. Den
beiben anderen Brüdern, Sudan und Hieronymus, wurde nicht
gleiche Ehre zuertheilt, weil sie sich unter ihrem Stailde oder wenigstens
gegen den Willen Napoleons verheirathet hatten. Ein zahlreicher
Hofstaat wurde für den Kaiser, die Kaiserin, die Brüder und Schwe-
stern des Kaisers angestellt, und das Ceremoniel aus das sorgfältigste be-
stimmt. Die Generale und die Staatsbeamten drängten sich zum Hul-
digungseide, die Dichter und Redner priesen in Versen und in Prosa
das neue Kaiserthum, die Armee freute sich des ihrem siegreichsten An-
führer beizulegenden neueil Titels: Kaiserliche Majestät, und das Volk
ließ sich das neue Schauspiel gefallen; nur die Pariser zeigten ungewöhn-
liche Gleichgültigkeit.
Das französische Volk hat vor allen Nationen Europa's für sein
geschichtliches Dasein den meisten Siml. Die vorübergehende revolutio-
näre Wuth der Franzosen gegen Alterthum, Adel und Königthum be
zeugt nur die grenzeillose Erbitterung der Zurückgesetzten und feen großen
Werth, welchen sie auf die beneideten Vorzüge legten. Wegen dieser
nationalen Denkungsart wurde den Söhnen und Töchtern des corsischen
Gerichtsbeisitzers Carlo Buonaparte die Begründung einer neuen Dyna-
stie in Frankreich schwerer, als in Staaten, die an den Wechsel der
herrschenden Familien schon gewöhnt sind. Die Familie Napoleons hatte
keine Wurzel in der Vergangenheit des französischen Volkes, und Napo-
leon suchte diesen Mangel durch eine Menge kleinlicher Vorschriften zu
verdecken, durch die. im neuen Hof- und Staatswesen alles genau be-
stimmt wurde. Der alte Adel, der sich zu den Hofämtern drängte, war
dem Kaiser für diesen Zweck sehr willkommen, weil er sich weit besser
als alle Neulinge auf die Wissenschaft der Formen verstand. Es wurde
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T96: [Ludwig Karl König Frankreich Kaiser Xiv Napoleon Krieg Franz Italien], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleons Joseph Napoleons Carlo_Buonaparte Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: England Spaniens Cambacereß Paris Frankreich
724
Schlacht vermeiden und wurde unter unaufhörlichen Gefechten von der
Piave und dem Tagliamento bis hinter Klagenfurt gedrängt. Zu An-
fange Aprils befand sich die östreichische Armee im vollen Rückzüge auf
der Straße nach Wien. Aber jetzt erließ der Kaiser ein Gebot zum Auf-
stande in Masse, und die Nation leistete mit edler Bereitwilligkeit Folge.
Den Stadien ging Wien mit dem Beispiel allgemeiner Bewaffnung und
der Stellung freiwilliger Streiter voran; die Ungarn rüsteten, und die
braven Tyroler waren zur Vertheidigung ihrer Berge bereits in den
Waffen.
Bonaparte's Lage wurde jetzt bedenklich. Er hatte erwartet, daß
zwei französische Armeen unter Moreau und Ho che über den Rhein
vordringen und ihm die Hand bieten würden. Aber das geschah nicht,
und hinter ihm kam in den venetianischen Provinzen die Volkswuth ge-
gen die Franzosen zum Ausbruch. In dieser Verlegenheit machte er
dem Erzherzog Karl Friedensanträge, die dieser aber ablehnte. Da aber
Bonaparte feste Miene behielt und weiter auf Wien zog, so zeigte sich
der Kaiser zum Frieden geneigt. Am 18. April 1797 wurde auf dem
Schlöffe Eckwald bei Leoben ein Präliminarfriede zwischen
Oestreich und Frankreich unterzeichnet. Oestreich trat Belgien und
das Mailändische bis an den Po ab, gegen das Versprechen, durch ve-
netianische Provinzen entschädigt zu werden.
Vemdigs einst so ruhmvolle Republik Venedig war in äußere Be-
deutungßlosigkeit und innere Erschlaffung versunken. Die Volkshecrschaft
war schon im dreizehnten Jahrhundert bei der schnell wachsenden Ver-
mögensungleichheit zur Adelsherrschaft zusammengeschrumpft; an die
Stelle der Volksversammlung war ein bloß aus Adeligen (Nobiliv) be-
stehender großer Rath getreten. In. der folgenden Zeit aber stand der
große Rath unter dem Einflüsse einer Anzahl mächtiger Familien, welche
die Stellen im Senate als Erbstücke inne hatten. Ein Ausschuß des
Senats, der Rath der Zehn, war mit unumschränkter Vollmacht beklei-
det. Der rechte Arm der Zehn war die Staarsinguisition, welche auf
namenlose Anklagen hin den Dogen wie den gemeinsten Bürger vor ihren
nächtlichen Richterstuhl zog. In den Augen dieser Wächter des abgelebten
Staates war nichts strafbarer, als Theilnahme an den öffentlichen An-
gelegenheiten. Alles war erlaubt, nur kein Urtheil über den Staat.
Alle Mittel des Sinnengenuffes wurden gehegt, und von der flnstersten
aller Regierungen jeder Liederlichkeit der Zügel gelockert.
Die Aristokraten von Venedig waren wehrlos, kraftlos, kopflos,
als der Sturm der französischen Revolution über Italien hereinbrach.
Die Schiffe verfaulten in den Häfen, die Festungen fielen in Trümmern,
das Landheer, aus Slavoniern und geworbenen Abenteurern zusammen-
gesetzt, wurde von Fremden befehligt. Der Staatsinquisition fehlte es an
Geschicklichkeit oder an Kraft, um eine Faction von Revolutionsmännern
zu entdecken, oder zu strafen, die sich theils aus den verdorbenen Ele-
menten der Bevölkerung, theils aus bethörten, häufig wohlmeinenden
Menschen bildete. Der Einfluß der Revolutionspartei und die Schwäche
und Einfalt der Regierung verhinderten jede kräftige Maßregel, welche
das Verhältniß zu Frankreich forderte. Die Republik Venedig beglau.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
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Extrahierte Personennamen: Karl_Friedensanträge Karl Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Klagenfurt Wien Wien Ungarn Rhein Wien Schlöffe_Eckwald Frankreich Belgien Mailändische Venedig Venedig Italien Frankreich Venedig
725
bigte einen Gesandten bei dem Nationalconvente und fügte sich dem Ge-
böte, Ludwig Xviii. aus Verona hinweg zu weisen.
Die furchtsamen Staatshäupter glaubten durch gänzliche Wehrlosig-
keit die kriegführenden Mächte von Venedigs Parteilosigkeit zu überzeu-
gen und zur gutwilligen Schonung seines Gebietes zu bewegen. Die
Folge dieser friedfertigen Staatskunst war, daß 1796 die venetianische
Festung Pesckiera von den Oestreichern, dann die ganze Terra firma
von den Franzosen besetzt ward. Der Senat zahlte große Summen an
Bonaparte und machte unermeßliche Lieferungen an dessen Heer, be-
harrte aber bei dem Systeme völliger Wehrlosigkeit. Dennoch traute
Bonaparte dieser widersinnigen Wegwerfung nicht. Als er seinen Zug
in das Innere von Oestreich antrat, hielt er es für nöthig, den Senat
durch ein Schreckmittel noch mehr im Zaum zu halten. Er munterte
die Anhänger revolutionärer Grundsätze auf, sich zu Volksgesellschaften
zu vereinigen. Als aber die Revolutionäre zu den Waffen griffen und
sich von der bisherigen Regierung lossagten, erklärte sich ein weit zahl-
reicherer Theil der Bevölkerung für die alte Verfassung und gegen die
Franzosen. Bei der Kunde von Bonaparte's Verstrickung in die Berge
von Kärnthen kam die Volkswuth am 17. April 1797 in Verona zum
Ausbruch. Viele Franzosen wurden niedergemacht und die Besatzung in
dem Fort heftig, wiewohl vergebens, bestürmt. Jetzt glaubte der Senat
von Venedig dem Drange des Volkes zum Kriege gegen Frankreich nach-
geben zu müssen und erklärte sich durch Absendung slavonischer Truppen
für die Veronesen. Da kam die Schreckenspost von dem Vertrage zu
Leoben, ukld der feigherzige Senat sah sich von der Rache deß gesürch-
teten Feldherrn bedroht. Friedensboten wurden an Bonaparte geschickt,
und dieser verstand sich endlich unter sehr harten Bedingungen zu einem
Stillstände von sechs Tagen. Die aristokratische Verfassung sollte abge-
schafft und eine französische Division nach Venedig übergesetzt werden,
um bis zur Einführung der neuen demokratischen Verfassung daselbst die
Ruhe zu erhalten.
Während sich Abgeordnete des Senats nach Mailand begaben, um
von Bonaparte die Begnadigung Venedigs zu erlangen, versammelten
sich in Venedig die Demokraten und setzten unter der Leitung des fran-
zösischen Gesandtschaftssekretärß Villebast eine an den Senat gerichtete
Schrift auf, in welcher sie dem Senat augenblickliche Abdankung, Er-
richtung einer provisorischen Municipalität und schleunige Herüberholung
der Franzosen geboten. Auf diese Schrift erklärte am 12. Mai 1797
der Senat, daß er sich auflöse und es dem Volke überlasse, sich neue
Obrigkeiten zu wählen, und damit stürzte das alte Staatsgebäude ver
venetianischen Aristokratie in Trümmern. Am 16. Mai zogen die Fran-
zosen in Venedig ein, und ihr erstes Geschäft war, sich alles anzueig-
nen, was von der alten Herrlichkeit Venedigs in den Schiffswerften
und Zeughäusern vorgefunden wurde. In den Unterhandlungen mit
Oestreich war bereits über Venedig verfügt.
Auf dem gutßherrlichen Schlosse des Dorfes Campo Formio,
bei Udine in Friaul, wurde sechs Monate nach dem Vertrage zu Leoben
der Definitivfriede zwischen Oestreich und Frankreich ge-
schlossen, am 17. Oktober 1797. Der Kaiser überließ die Niederlande
Der Friede
zu Eamvo
Formio.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xviii Ludwig Oestreich Oestreich Eamvo
Formio
Extrahierte Ortsnamen: Verona Wehrlosig- Venedigs Verona Frankreich Venedig Mailand Venedigs Fran- Venedig Venedigs Udine Friaul Frankreich Niederlande
741
Anstandes trat bei Verhandlungen mit auswärtigen Mächten an die
Stelle der derben republikanischen Sprache. Der Todestag Ludwigs Xvi.
hörte auf ein Volksfest zu sein. Die Zahl der Tagesblätter wurde be-
schränkt. Nach langen Jahren erfreuten sich die Vendäe und Bretagne
eines wahren Friedens. Künsten und Wissenschaften wurde die lange
entzogene Anerkennung wieder zu Theil. Nach zehn Jahren wilden
Treibens hatte der Bürger jetzt wieder daß Gefühl der Ruhe und Sicher-
heit. Die Besorgniß vor einer Rückkehr der Revolution war geschwunden.
Von zwei Commissionen der gesetzgebenden Körper wurde unter Aus-
sicht der Konsuln die neue Verfassung bearbeitet. Schon am 24. De-
cember 1799 wurde sie bekannt gemacht und in Wirksamkeit gesetzt.
Napoleon Bonaparte wurde auf zehn Jahre zum ersten Cónsul
ernannt; er war der eigentliche Regent, harte die Besetzung der Aemter
und die Entscheidung über Krieg und Frieden. Um den Schein der
Republik zu erhalten, waren dem ersten Cónsul noch zwei Consuln bei-
gegeben, die aber nur eine berathende Stimme hatten. Es waren die-
ses Ca mb aceres und Lebrun. Dem ersten Cónsul zur Seite stand
ein von ihm ernannter Staatsrath. Die monarchische Gewalt des
ersten Consuls wurde dadurch einigermaßen versteckt, daß ein Theil der
Aemterbesetzung dem Senat übertragen war. Dieser bestand aus acht-
zig lebenslänglichen Mitgliedern, welche zuerst vom ersten Cónsul er-
nannt wurden, später sich selbst ergänzten, bei jeder Wahl aber auf drei
vom ersten Cónsul vorgeschlagene Männer beschränkt waren. Die Se-
natoren erhielten jährlich fünfundzwanzigtausend Francs, und der Senat
wurde gleich anfangs zu einer Versammlung von Hosleuten und Pfründ-
nern, die sich später zum Werkzeuge der despotischen Regierung her-
gaben. Die National-Repräsentation bestand aus zwei Kammern, dem
Tribunat von hundert, und dem gesetzgebenden Körper von drei-
hundert Mitgliedern. Beide Kammern wurden jährlich um ein Fünftel
erneuert. Alle Gesetzeßvorschläge gingen von der Regierung allein aus;
der gesetzgebende Körper hatte dieselben bloß anzunehmen oder zu ver-
werfen. Eine Discussion über die Vorschläge war nur in dem Tribunal
gestattet. Der erste Cónsul nahm mit kriegerischem Pompe seine Woh-
nung in den Tuilerien, dem ehemaligen Königspalaste.
Die französische Nation, durch die lange Reihenfolge der revolu-
tionären Gewalthaber ermüdet, war mit Einführung einer Regierung
zufrieden, welche Aussicht auf innere Ruhe, Sicherheit und Ordnung
darbot. Die Jakobiner hingen sich an den neuen Gebieter, als er
ihnen Würden und Reichthümer als Lohn ihrer Ergebenheit verbürgte;
von den Royalisten schlossen sich angesehene Männer an die neue
Ordnung der Dinge an, welche ihnen die glänzendsten Aussichten er-
öffnete. Das Volk suchte Bonaparte durch materielle Vortheile im
Innern und durch politische und kriegerische Ueberlegenheit über das
Ausland zu gewinnen. In der Verwaltung, den Finanzen und dem
Gerichtswesen wurde unter Bonaparte's eigener Aufsicht alles vortreff-
lich geordnet. Die tüchtigsten Geschäftsmänner standen ihm zur Seite.
In der Verwaltung wurde schon damals der Grund gelegt, auf welchem
Bonaparte nachher seine Despotie gründete. Dies geschah durch die
Einführung der Pr äs ec turen und durch den an sie geknüpften Mecha-
nismus der Verwaltung. Die ganze Verwaltung wurde so eingerichtet,
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs_Xvi Ludwigs Napoleon