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1. Bd. 2 - S. 875

1837 - Eisleben : Reichardt
Scnega mbien. 875 und aus der Sahara als trockene Nordostwinde kommen. Seltsam ist es, daß wahrend diese Winde auf die Eingebornen höchst nachthei- lig wirken und unter andern Augenübel verursachen, unlängst ange- kommene Fremde sie als sehr erfrischend und gesund rühmen, indem die Lust trocken wird, der Körper seine Elastizität wieder erhalt, die Krankheiten aufhören und die Fremden sich erquickt, erleichtert und neu gestärkt fühlen. Während der Dauer der Harmattans ist das Geräthe in den Häusern mit einem feinen Sandstaub bedeckt und Tische und Stühle bekommen Risse. Zu den merkwürdigsten Gewächsen dieses Landes gehört ohne Zweifel der Baobab, Affenbrodbaum (Adansonia digitata, nach dem berühmten Naturforscher Adanson, der im 18. Jahrhunderte lebte und Afrika, vorzüglich Senegambien bereiste, so genannt), ein Baum, dem man wegen seiner Größe mit Recht den Riesen, den König des Afrikanischen Pflanzenreichs nennen darf. Sein Stamm erreicht zwar nur bis zu den Zweigen eine Höhe von 12 bis 15 F., aber die Dicke desselben beträgt im Durchmesser 25—27 F. und mit- hin im Umkreise 75—78 F., so daß 12 Männer ihn nicht umfassen können. Die Krone wird gegen 70 F. hoch und breitet sich auf 120 F. weit aus. 'Die Wurzeln haben zum Theil eine Länge von 160 F. In den ersten Jahren wächst er schnell, nachher aber so langsam, daß Adanson glaubt, dieser Baum gelange zu einem Alter von mehreren Jahrtausenden *). Die ungeheuren Zweige senken sich zuletzt, von ihrer Schwere niedergedrückt, mit ihren Spitzen auf die Erde herab und verdecken, große Lauben bildend, den Stamm. Ein solcher Baum bedeckt zuweilen eine Fläche von beinahe 200 shruthen oder von ohngefähr 1| Ackern. Das Holz ist leicht, weiß und sehr zart, daher auch der Stamm bei der geringsten Verletzung hohl wird; die etwa 5 Zoll langen und 2 Zoll breiten Blätter sind gefingert, die Blüthen weiß und die Früchte haben eine längliche, an beiden Enden zugespitzte Form, sind gegen 18 Zoll lang und 6 Zoll breit, hängen an fast 2 F. langen Stielen, und gleichen einer Melone. Die schwarz- braune Schale der Frucht ist hart und holzig und mit 13 Furchen gerippt, welche Anfangs mit einer.dünnen, seinen und kurzen Wolle von grünlicher Farbe überdeckt sind. Mit der Reife verliert sich diese Wolle und läßt die glatte, glänzend polirte Schale überall bloß. Sie enthält ein Mark oder Fleisch von einem angenehmen säuerlichen Ge- schmack, das frisch und getrocknet gegessen und als ein Hauptmittel gegen die Ruhr benutzt wird. Aus der Rinde des Baums sollen die Neger, wie Mollien sagt, ein unzerstörbares Tauwerk verfertigen. Übri- *) Adanson fand in der Mitte des vorigen Jahrhunderts an Bäumen, die erst 6 F. dick waren, Namen von Seefahrern aus dem 15. und 16. Jahrhunderte eingeschnitten, und diese Einschnitte hatten sich noch nicht sehr erweiteet.

2. Bd. 2 - S. 948

1837 - Eisleben : Reichardt
948 Afrika. der Blüthe ihrer Jugend, gleichsam auf ein gegebenes Zeichen mit einem großen Geschrei in das Wasser stürzten und den Schiffen zuschwam- men. Diese Mädchen ergriffen, was sich greifen ließ, Seile, Taue, Einfassungen und Steuerruder, und schwangen sich mit einer beispiel- losen Fertigkeit und Behendigkeit über Bord. Sie stürzten, so wie sie vom Meerwasser trieften, mit unbeschreiblicher Heftigkeit auf die sämmtlichen Matrosen, hingen sich an ihre Halse, und küßten sie mit der größten Herzlichkeit, was hernach auch die Offiziere sich gefallen lassen mußten. Der König, lange vorher von der Ankunft dieser Ge- sandtschaft unterrichtet, hatte alle Befehle ertheilet, uns auf das Beste zu empfangen, und alle nöthigen Anstalten zur schnellsten Abreise nach dem Innern des Landes treffen lassen. Hunderte von stämmigen Ma- degassen erwarteten das sämmtliche Gepäck, Waaren und Gerathe, welche schleunig ausgeladen Zurden, um sie auf Tragbahren 12 Tage- reisen weit nach dem Innern zu schaffen. Nachdem die ganze Karawane, aus vielen hundert Lastträgern be- stehend, beisammen war, zogen wir landeinwärts. 12 Tage dauerte die Reise. Bald gingen wir auf Ebenen, bald zwischen Felsenschluch- ten oder über Hügel und Berge fort; den größten Theil dieser ermü- denden Reise legten wir in Booten auf großen Strömen zurück, wo- bei nicht selten die Boote aus einem Flusse in den andern auf dem Rücken fortgetragen wurden; überall erwarteten uns neue Schaaren von Eingebornen, welche den Ankommenden alle Lasten abnahmen und uns weiter geleiteten. Nachdem wir nun in den dichtesten Wäldern auf Flüssen und Strömen, in Schluchten und Thalern herumgeirrt, die Herrlichkeit, den Reichthum und die Fülle des Landes angestaunt, unbekannte Gewächse von den seltensten Formen bewundert und ge- sammelt, die überaus prachtvollen, noch nie gesehenen Vögel geschossen und ausgebalgt hatten, von Stunde zu Stunde überrascht und ent- zückt wurden, hob sich der Boden, die Flüsse wurden kleiner, die dich- ten Urwaldungen lichter, hohe Bäume standen einzeln, Gebüsche und Strauche nahmen uns auf, und wir hatten den Fuß der Gebirge er- stiegen. Von da ging es immer rascher und schneller in die Höhe, auf das in der Ferne sich erhebende Gebirge; wir fühlten uns von einer reinern Luft angeweht, und die drückende Hitze der Thäler war verschwunden." „Endlich hieß es, wir wären in der Nähe der Hauptstadt. Zahl- reiche Dörfer gruppirten sich, und Bewohner, welche uns am Wege erwarteten und neugierig anblickten, schienen durch ihr Aussehen, Be- tragen und das ganze Äußere ihrer Kleidung und Wohnungen einen weit höhern Grad der Bildung und folglich die Nähe der Residenz zu verrathen. Als wir uns derselben näherten, kam ein Haufen Volks nach dem andern herbei, welcher uns mit einem furchtbaren Geschrei be- grüßte und zur Stadt selbst geleitete. Wir wurden jetzt Spuren Euro- päischer Thätigkeit ansichtig; nämlich Schanzen, nach den Regeln un-

3. Bd. 2 - S. 959

1837 - Eisleben : Reichardt
959 Kanarische Inseln. genbaume mir Blumen beladen, Myrrhen und Eypressen umgeben dis Kapellen, welche auf den meisten ifolirten Hügeln errichtet sind. Überall sind die Grundstücke mit Kaktus und Agave umzäunt. In diesem südwestlichen Theile der Insel befindet sich der berühmte Pik von Teneriffa oder Pico de Teyde, der höchste Berg auf den Kanarischen Inseln, der 11,500 F. hoch sich über der Meeres- flache erhebt und in der Entfernung von 20 M. sehr genau gesehen wird. Er ist ein Vulkan, so wie der Boden der sämmtlichen Kana- rischen Inseln vulkanisch ist. Obwohl keine geschichtlichen Erinnerungen vorhanden sind, daß der Gipfel des Piks Feuer ausgeworfen habe, so ist dieses doch eine unbezweifelte - Thatsache, daß er einmal auch von seinem Gipfel aus thätig gewesen sey, indem sowohl der Auswurf- kegel, als der Krater, aus dem die Lava floß, noch vorhanden sind. Dagegen kennt man seit der Mitte des 16. Jahrhunderts mehrere geschichtlich aufgezeichnete Ausbrüche, die an verschiedenen Stellen an den Seiten des Piks geschahen, von welchen der Ausbruch den 5. Mai 1706 der Stadt Guarachico, damals der schönsten und reichsten auf der Insel, in einer herrlichen Gegend an einem Lorbeerwalde gelegen, den Untergang brachte, indem ein zweifacher Lavastrom die ganze Stadt verschlang, den Hafen ausfüllte und die ganze herrliche Gegend in eine Wüste verwandelte, Hieraus ruhte der Pik von seinen Anstren- gungen beinahe ein ganzes Jahrhundert. Allein erloschen war er nicht; denn 1798 am 9. Junius öffnete er sich abermals durch den ihm nahen Berg Cahorra. 3 Monate und 6 Tage hindurch wurden Lava und Schlacken aus 24 F. Höhe aufgethürmt durch 4 Mündungen, und Felsstücken 3000 F. hoch geschleudert. Seitdem ist der Pik wieder ruhig. Der Pik von Teneriffa ist oft schon bestiegen worden. Es ge- schieht dies gewöhnlich von der Stadt Orotava aus. Unter andern Reisenden bestieg ihn der Britte Nennet am 16. September 1814, den wir bei seiner Besteigung in Gedanken begleiten. Begicbt man sich von Orotava aus auf den Pik, so kommt man Anfangs durch ein sehr wohl angebautes Land. Die Garten dieser Stadt, zwischen denen der Weg hindurch führt, gewahren den Anblick von Gewachsen aus allen Erdtheilen. In einem dieser Garten steht ein sowohl wegen seines Alters als wegen seines Umfanges berühmter Drachenbaum (Dracaena Draco), der schon von den alten Guantschen als heilig verehrt wurde und 1402 in derselben Größe wie jetzt befunden war. Der Drachenbaum ist eine der am langsamsten wachsenden Pflanzen, dennoch betragt die Höhe dieses gewaltigen Baumes über 60 F., und der Umfang des Stammes an der Wurzel 45 Fuß, und 10 F. ober- halb der Erde Halter noch 12 F. im Durchmesser. Nach einem Auf- steigen von ohngefahr einer Stunde in einem tiefen Hohlwege kommt man in eine Waldung von alten Kastanienbaumen, die mit baumähn- lichen, 18 F. hohen Heidekraut untermischt sind. Man ist nun auf der Ebene der Hügel, welche die Centralkette bilden, die Teneriffa durch-

4. Bd. 2 - S. 960

1837 - Eisleben : Reichardt
960 Afrika. schneidet und sich gegen W. und N. bis an das Meer senkt. Man sieht in den zerrissenen Klüften keine andere Steinarten als Lava und Bimsstein. Die folgenden 2 Stunden steigt man über grünende Hü- gel empor, und man macht bei einer kleinen aus der Lava hervorkom- menden Quelle von salzigem Wasser Halt, um die Maulthiere zu tranken« Je höher man nun steigt, desto mehr verschwindet die vegetabilische Erde und macht den Laven und Schlacken Platz. Baume und Sträuche ver- krüppeln sich, und man findet nur noch Ginster oder Pfriemkrat. Während mehrerer Stunden erhebt sich der Fußpfad an einem jähen Abhange, der aus Laven in großen Massen besteht, die stellen- weise seltsame und phantastische Formen bilden. An einigen Orten sind sie mit dünnen Lagen gelben Bimsteins bedeckt. Das Auge bemerkt in jeder Entfernung nichts, als einen einzigen zusammenhängenden La- vastrom. Je weiter man vorschreitet, desto mehr scheint die Lava mit feiner Asche bedeckt zu seyn und die Massen der Bimssteine vermehren sich, bis sie die ganze Oberfläche des Bodens bedecken. Endlich ge- langt man auf eine ungeheure Ebene, welche Bennet die Bimsstein- Ebene nennt, Andere die Ebene der Pfriemkrauter oder auch die Ebene der Retamas nennen, weil man in dieser wüsten Ebene von Vegetation bloß Gebüsche von Retamas oder Pfriemkrauter an- trifft. Dieser schöne 9 F. hohe Strauch ist mit wohlriechenden Blu- men bedeckt. Hier befindet man sich schon 8000 F. hoch und hier pflegen Ziegenjager der Jagd. Der Pelz dieser Pikziegen ist dunkel- braun und ihr Fleisch köstlich. Bis an den Eingang dieser großen Ebene ist der Pik mit einem prachtvollen Pflanzenmantel bekleidet. Hier aber ändert sich die Ansicht. Ungeheure Blöcke von Lava und Bimsstein charakterisiren dieses Meer der Zerstörung, und die Fußbe- kleidung muß sehr gut seyn, wenn sie aus diesen glasartigen Stoffen nicht den Fuß verwunden lassen soll. Aus der Ebene der Retamas gelangt man durch enge, von Berg- strömen ausgehöhlte Schluchten auf eine höhere Gebirgsplatte, die Sta- tion der Engländer (La estancia di los ingleses) genannt, wo man eine Höhe von 9000 F. erreicht hat. Hier pflegt man zu N übernachten. Zwei geneigte Felsen bilden eine Act von Höhle, wo man einige Zuflucht findet. Die Nachte sind hier schon ziemlich kalt. Von hier geht man nun über eine sehr steile Gegend zwei Stunden lang nach einer kleinen Ebene Alta Vista genannt. Es ist dieses die Station der Schneetrager, bis wohin ihre Maulthiere zu klimmen ver- stehen. Man ist daselbst 9700 F. hoch. Über diesem Punkte beginnt der M alp als, die Gegend des Vulkans, welche von aller Damm- erde entblößt, nur mit Lava bedeckt ist. Durch einen kleinen Umweg gelangt man in die-Eishöhle (Cueva de la Nieve), eine von der Natur gebildete Grotte mitten unter Lavahaufen, mit Wasser und Eis zum Theil gefüllt, und aus welcher die Eistrager den ganzen Som- mer über dieses Erquickungsmittel in die Städte hinabtragen. Von

5. Bd. 2 - S. 25

1837 - Eisleben : Reichardt
Russisches Reich. 25 Tage die Sonne durch dichte Dampswolken verfinstert, und die der Wind mit unglaublicher Schnelle oft viele Meilen weit verbreitet. Nur ein Fluß oder ein etwas breiterer Weg vermag die Fortschritte eines solchen sich rastlos fortwälzenden Feuerstroms zu hemmen, der vorzüg- lich bei Nacht ein fürchterlich schönes Schauspiel gewahrt. Diese Step- pen haben einen theils sumpfigen und salzigen Boden mit kleinen Salz- seen und trage dahin schleichenden Steppenbachen, theils einen sehr festen, dürren, aus Thon, Letten, Sand, Eisentheilen und vielem Salz und Salpeter gemischten Boden. Wo derselbe aus trockenem, salpe- terhaltigen Letten besteht, wird er von der Hitze felsenhart und bekommt ellentiefe Risse. In denjenigen Gegenden, welche Flugsand zum Grunde haben, erglühet dieser durch den Sonnenbrand zu einer fürchterlichen Hitze. Und doch zeichnet sich sonderbar genug dieser glühende Sand, in welchem man kaum Vegetation für möglich halten sollte, durch einen regem und üppigem Pflanzenwuchs vor dem Lettenboden aus. Im spätem Herbst entwickelt sich von Neuem in den so ausgezeichneten Salzkräutern eine eigene Steppenflor. Kein Land in der Welt er- zeugt eine größere Mannichfaltigkeit von Salzpflanzen, als die dürre Steppenfläche des südlichen Rußlands. Setzt man zu den Eigenthüm- lichkeiten der leblosen Steppennatur noch ihre lebendigen Bewohner — die nomadischen, mit ihren Heerden.unaufhörlich herumirrenden Hirten- völker Tatarischer und Mongolischer Abkunft und die der Steppe eige- nen Thierarten, von welchen hier aus der Klasse der Säugethiere nur das Kameel, die Antilope, der Springhase, das wilde Urpferd, das Steppenmurmelthier und die sich in manchen Gegenden ungemein häufig vorfindende Zieselratte rc. genannt werden — so läßt es sich leicht be- greifen, daß die Steppen ein von allen andern Europäischen Gegenden höchst verschiedenes Bild darstellen, welches zwar mit dem kultivirten Theile Europas an Ähnlichkeit keinesweges wetteifern kann, dennoch aber in mancher andern Hinsicht dem Natur- und Menschenbeob- achter reichen Stoff zu interessanten Beobachtungen darbietet. Offen- bar sind die südrussischen niedern Steppen ein dem Meere abgewonne- ner Boden, und machten ehemals einen Theil des schwarzen, Asow- schen und Kaspischen Meeres aus. Das Kirgisische oder Kalmückische Schlaf, das im euro- päischen Rußland sich weniger häufig findet, als im asiatischen, wo es besonders häufig von den Kalmüken, Kirgisen, Baschkiren, Barabinzen, Buräten^ rc. auf den Steppen unterhalten wird, unterscheidet sich von den gewöhnlichen Schafen vorzüglich durch seinen Schwanz, welcher kurz und ein ungeheurer, walzen- oder polsterförmiger, nach unten zweithei- liger Fettklumpen ist, der 10 bis 30 und mehr Pfunde wiegt und das Thier, wenn es schnell gehen will, durch seine Schwere hin und her auf die Seite zieht. Diese Schafe sind um vieles größer als die gemeinen, meistens rothbraun oder schwarz, auch bunt gefleckt, und ha- den eine grobe, kurze und silzhaarige Wolle. Von den zarten Lämmern

6. Bd. 2 - S. 39

1837 - Eisleben : Reichardt
Russisches Reich. 39 und dem Dünnbier ähnelnd; bei den Vornehmen ist der Kwas ftei- lich besser und wird durch Zusätze von Citronenschaalen und andern stärkenden Reizmitteln verfeinert und schmackhafter gemacht. Auch auf den Straßen in den Städten wird von Morgen bis zum Abend Quas in irdenen Töpfen mit durchdringendem Rufe des schmutzigen Ver- käufers ausgeboten. Vor dem Frühstück und vor der Mahlzeit spielt das Schälchen Branntwein eine beliebte Rolle, um sich dadurch zum Essen Appetit zu machen. Der Bürger und Kaufmann lebt besser und genießt viel Fleisch mit mannigfaltigen Gemüsen und giebt in Hinsicht seiner Tafel dem Edelmann oft wenig nach, nur daß er sich mehr an Nationalgerichte hält. Bei dem reichen Adel herrscht Luxus, und er hält sich in Moskau oder Petersburg unterrichtete .Köche, die Französische und Englische Gerichte zu bereiten verstehen. Der Thee ist ein Lieblingsgetränk in ganz Rußland. Bei den höhern Ständen wird er in der Regel des Morgens und gegen Abend genossen, bei den Kauf- leuten ungleich öfter, wohl 7mal des Tages, selbst noch zwischen dem Schälchen vor Tische und dem Mittagsessen. Gewöhnlich hat auch der geringere Kaufmann die kochende Theemaschine in seiner Bude, um sich dieses Lieblingsgetränk zu jeder Stunde bereiten zu können. Ei- genthümlich sind in Rußland die schönen Fruchtweine (Naliwki), die man durch Aufguß von Branntwein auf frische Beeren und viele andere Früchte erhält, und die, wenn man sie alt werden läßt, ganz vortrefflich und dem Weine ähnlich sind und von Vielen auch dem Weine vorgezogen werden. Die Konsumtion der Haselnüsse, die fast bis an den Saum des Polarstrichs fortkommen, übersteigt allen Glauben; denn sie machen das beliebteste Nafchwerk des Volks, und man wird nicht selten ersucht, doch eine Kopeke (na oracchi) zu Haselnüssen zu schenken, so wie anderwärts zu Branntwein. Auch an den Tafeln der Großen gehen sie, mit Zucker überzogen, mit dem Dessert herum. Zu den ächt Russischen Gerichten gehören die Pirogen, ein Lieblings- gericht vom Fürsten bis zum Bauer, in Pasteten bestehend, welche in den Straßen von Petersburg und Moskau in besondern Buden öffent- lich feil geboten werden, sehr wohlschmeckend, aber außerordentlich fett und oft ganz mit Ol durchdrungen, die aus einer Art Semmetteig und fein gehacktem Fleisch verfertigt, rcllenförmig zusammengewickelt, in Butter oder Öl gebacken und alsdann ganz heiß gegessen werden; ferner auf verschiedene Art zubereitete Pilze; die Batwinia, eine Art kalter Suppe zur Erfrischung in den heißen Sommermonaten, die aus Q.uas, kleingeschnittenen rohen Gurken, aus verschiedenen Kräutern und aus Zuthaten von Fleisch- und Fischschnitten bereitet wird; die Kohl- suppe (Schrschi), aus fein geschnittenem Kohl mit Fleisch und öfters mit einem Zusatz von saurem Rahm gekocht; Grütze mit Butter, mehr oder weniger fein zubereitet rc. — Zur Zeit der Fasten, die in Ruß- land streng gehalten werden, genießt man Fische mit Wasserbrühe, wässerige Gemüse, kaum gesalzene und mir nichts gewürzte, noch fett

7. Bd. 2 - S. 43

1837 - Eisleben : Reichardt
Nussi sches Reich. 43 düng Petersburgs immer allein von Bürgersleuten bewohnt ward) ge- feiert wird, und das man als ein Frühlingssest ansehen kann und welches gar keine religiöse Bedeutung hat. Weiber und Mädchen be- gehen es besonders hoch. Sie putzen sich auss zierlichste, streifen im Freien umher, singen, tanzen und bekränzen sich mit Birken- und an- dern Zweigen. Diese Kranze werden mit Beendigung des Festes Abends ins Wasser geworfen, und man giebt dabei Achtung, ob diese fortschwim- men oder untersinken. Jenes bedeutet, daß der Freier nahe ist; dieses, daß er leider -so bald noch nicht erscheinen wird. Das Baden gehört gleichfalls zu den Nationalvergnügungen des Russen, welches ihm so zum Bedürfnisse ist, daß er dafür sein Letztes aufopfert und sich höchst unglücklich fühlt, wenn er es entbehren muß. Doch unterscheidet sich dies Baden von dem in andern Landern übli- chen. Die Russischen Bader sind nämlich Schwitz- oder Dampfbäder, die so sehr zur Lebensordnung des Volks gehören, daß fast jeder Bauer bei seinem Hause eine besondere Badstube hat, in welcher sich die sämmtlichen Bewohner wenigstens jeden Sonnabend baden. Außerdem giebt es aber auch öffentliche Badeanstalten, worin.die Männer sich in buntem Gemisch mit den Weibern baden. Diese bestehen gewöhn- lich aus schlechten hölzernen Häusern, und haben Vorzimmer zum Aus- und Ankleiden. Die Badstube selbst hat einen oder auch mehrere große gewölbte Öfen, in welcher ein Kessel eingemauert ist, um sieden- des Wasser zu erhalten, und auf welchen Feldsteine glühend gemacht werden. Rund umher sind an den Wänden 2 bis 3 Reihen Bänke angebracht, die stufenweise über einander stehen, und vermittelst welcher man sich beliebig in eine höhere Temperatur begeben kann. Die Bad- stube hat wenig Licht, doch hin und wieder einige Öffnungen, um die Dünste hinaus zu lassen. Die Hitze in derselben wird besonders da- durch vermehrt, daß man beständig Wasser über glühende Steine schüt- tet, davon die Dämpfe die ganze Stube erfüllen und eine Hitze von 44 bis 54 und 60 Grad Reaumur hervorbringen, die dem Unge- wohnten unerträglich ist. Die Badenden legen sich nackt auf eine der Bänke und schwitzen daselbst mehr oder weniger nach Maßgabe des , Dunstkreises, in welchem sie sich eingehüllt befinden. Man läßt sich den Körper reiben, überstreicht ihn mit Seifenschaum, schlägt ihn mit Birkenzweigen, die man in warmes Wasser und in den Seifenschaum eintaucht, sanft den Leib, Füße und Schenkel; und glaubt man genug geschwitzt zu haben und völlig rein zu seyn, so wird über den Kopf ein Gefäß mit lauwarmem oder kaltem Wasser gegossen, das längs des Körpers herab läuft und die etwa noch daran haftende Seife oder Un- reinigkeit mit sich fortnimmt. Der ächte Russe pflegt wohl, ehe er sich wieder anzieht, aus der heißen Badestube ins Freie zu laufen pnd sich im Winter im Schnee, im Sommer im Grase zu wälzen, ohne daß dieser plötzliche Übergang von der Hitze zur Kälte einen bemerkbaren Eindruck auf ihn macht. Diesen die Reinlichkeit der Haut so sehr be-

8. Bd. 2 - S. 44

1837 - Eisleben : Reichardt
44 Europa. fördernden Dampfbädern hat der Russe seinen festen Gesundheitszustand, die frühe Gewöhnung seines Körpers an die schnellen Übergange seines Klimas, von einem Extreme zum andern, und die Weibspersonen ihre frühe Reife, aber auch ihr frühes Verblühen zu verdanken. Von der Schnelligkeit, mit welcher man in Rußland mit Postpfer- den reist, hat man in Deutschland keine Vorstellung. Mit dem schwer- sten Reisewagen fahrt man im Galopp über Graben und Löcher. So wird die Station von 3 bis 4, auch wohl bis 3 Meilen im gestreckten Galopp zurückgelegt, wobei der Postillon bloß die drohende Peitsche oder den Kantschu von einer Seite zur andern schwingend, theils mit Droh-, theils mit Schmeichelworten den ganzen Weg hindurch zur möglichsten Eile antreibt. Die Geschwindigkeit der Russischen Post ist außeror- dentlich; 2 Meilen macht man gewöhnlich, bei gutem Wege, in einer Stunde, und 20—30 M. kann jeder mit Bequemlichkeit binnen Tag und Nacht machen. Die Fahrt von Petersburg nach Moskau (104 M.) legt man in 3| Tagen zurück. Ein Kourier, der freilich auserlesene Pferde hat, fahrt 50 M. in 24 Stunden. Kaiser Alexander machte den Weg nach Moskau in 48 Stunden. Eine Schlittenfahrt von Petersburg nach Moskau erfordert nicht mehr als 40 Stunden, wenn man es absichtlich darauf anlegt. Diese Schnelligkeit im Reisen knüpft die entlegensten Orte an einander. Nicht selten geschieht es z. B., daß Offiziere von der Petersburgischen Garnison auf einen Monat Ur- laub nehmen, um ihre Bekannten in Orenburg zu besuchen und also einen Weg von fast 650 M. (Orenburg ist von Petersburg über 320 M. entfernt) machen. Alle Sommer kommen Geschäftsleute aus dem entlegensten Sibirien nach Petersburg, und reisen wieder in derselben Iahrszeit dorthin zurück. Die Russische Sprache gehört zur großen Familie der Slavischen Sprachen, für deren gemeinschaftliche Mutter die alte Slavonische Sprache, jetzt bloß noch Kirchensprache, gehalten wird. Die Russische Sprache ist fließend und wohlklingend, zur Musik und Poesie geeignet; zwar voller Zischlaute und Konsonanten, hat aber doch, wenn sie gut gesprochen wird, weder Rauhheit, noch Härte; denn die harten und zi- schenden Konsonanten weiß der Russe sehr sanft zu schleifen und mit \ den Vocalen zu verschmelzen. Dabei ist sie sehr reich und hat außer einem großen Überflüsse von Ausdrücken, noch eine unerschöpfliche Quelle des Reichthums, wie die Deutsche Sprache, in sich selbst darin,^ daß ihr die Verbindung mehrerer Hauptwörter zu einem Worte natürlich ist; zugleich hat sie ungemein viel Kürze und Bündigkeit. Einen ei- genthümlichen Reiz des Zutraulichen und Herzlichen hat die Rusiische aus dem Alterthum stammende Sitte, seine Freunde, Bekannte und deren Frauen in der gesellschaftlichen Unterhaltung nicht beim Zunamen und dem vorgesetzten Titel zu nennen, sondern sie bloß mit ihrem Vor- namen und dem des Vaters anzureden. Diese patriarchalisch freund- liche Sitte ist so volksthümlich, daß selbst die Dienstboten der Familien,

9. Bd. 2 - S. 50

1837 - Eisleben : Reichardt
50 Europa. eine Stadt, die jetzt nach London, Paris und Eonstantinopel die volk- reichste Stadt in Europa ist und in ihren 8000 Häusern eine Bevöl- kerung von 450,000 Menschen hat. Außerdem kommen aber jährlich im Frühlinge gegen 150,000 Menschen aus dem Innern des Reichs hierher, theils als Arbeiter auf den Barken, theils als Maurer, Zim- merleute rc.; von diesen bleibt gewöhnlich mehr als ^ den Winter über daselbst, so daß man immer über eine halbe Million Bewohner rechnen kann. Petersburg hat nicht den Vortheil der zauberischen Um- gebung, der schönen Natur und einer malerischen Lage; vielmehr liegt es niedrig auf einem flachen, meistens sumpfigen Moorboden (wo sich in den Niederungen kaum Z F. tief schon Wasser findet, daher auch die meisten Hauser wie in Venedig und Amsterdam auf einem Funda- ment von Pfählen erbaut sind) und in einer Landschaft, die nirgends jene schöne Abwechslung darbietet, welche die Lage vieler andern Haupt- städte schmückt, sondern wo selbst noch jetzt, ungeachtet dessen was die Kunst zur Verschönerung der Gegend am meisten auf der Südseite der Stadt gethan hat, die Kultur in einiger Entfernung von dersel- den, namentlich gegen O. und N. gering ist, und man außer so manchen Dörfern und Lustschlössern und Landsitzen der Großen, nichts als Wald erblickt. Desgleichen entbehrt Petersburg bei seiner sehr nördlichen Lage, fast unter 60. Grad der Breite, eines milden Klimas. Das Angenehmste sind die schönen hellen Sommernächte, die so klar sind, daß man die ganze Nacht hindurch die feinste Schrift ohne Licht zu bedürfen, lesen kann. Dagegen hat man freilich in vielen Winter- tagen kaum 4 Stunden Tageslicht. In Rücksicht des Handels aber hat Petersburg eine sehr günstige Lage; denn ein schiffbarer majestäti- scher, 1200 F. breiter Strom, die Newa, welche aus dem großen Ladogasee kommt, durchfließt in mehrere Arme sich theilend, die Stadt und ergießt sich nach einem überhaupt 9 Meilen langen Laufe, in den Finischen Meerbusen, der dicht bis an das Westende Petersburgs geht. Dieser Fluß, von großer Tiefe und schöner Durchsichtigkeit seiner,blauen Fluthen ist von schönen, aus Granitquadern ausgemauerten Kaien oder Dämmen, mit Brustlehnen von Granit und gegittertem Eisen, mit prächtigen Landungsplätzen eingefaßt, die sich längs der Newa und ihrer Kanäle in ungeheurer Länge erstrecken und so einen mehrere Mei- len langen Spaziergang gewähren, indem ein breiter Fahr- und wohl- gepflasteter Fußweg, der an den Brustwehren hinläuft, die Reihe der das Ufer schmückenden Palläste und prachtvollen Gebäude von dem Flusse selbst scheidet. Zugleich dient das schöne, klare Wasser der Newa, da Petersburg keine Brunnen hat, zum allgemeinen Trinkwasser. Allein so große Vortheile die Newa der Stadt gewährt und einen der be- merkenswerthesten Züge in dem Gemälde derselben bildet; so furchtbar wird auch dieser Strom, wenn Stürme sich erheben, und dann diese sonst spiegelglatten Fluthen maueräbnlich sich thürmen. Noch in fri- schem Andenken ist jener schreckenvolle Tag, der 19. November 1824,

10. Bd. 2 - S. 105

1837 - Eisleben : Reichardt
Osmanisches Reich. 105 Gefäße legt. Sobald dasselbe die gehörige Dichtigkeit erlangt hat, bil- det man daraus Kuchen, die in trockne Blatter gelegt und sodann zum Handel in viereckige, mit Kupfer ausgelegte Kisten verpackt werden. Die Mohnpflanze erreicht in Asien eine weit größere Höhe als in Europa, so daß man sie 20 F. und darüber in die Höhe steigen sieht und die Mohnköpfe zuweilen über 2 Pfund Wasser fassen können. Im Allgemeinen hat das Opium bei solchen, die an den Genuß desselben nicht gewöhnt sind, gleich dem Wein und Branntwein, eine aufregende Wirkung; daher bedienen sich die Muhamedaner desselben als eines Mittels, um den ihnen verbotenen Wein zu ersetzen, indem sie es Anfangs, um die heftigen Wirkungen desselben nach und nach ertragen zu lernen, in kleinen Portionen essen, allmahlig aber damit bis zur Größe einer Erbse steigen. Bald nach dem Genusse empfin- den sie eine ungewöhnliche Munterkeit; sind weit lebhafter und thäti- ger; die angenehmsten Bilder und Vorstellungen und wollüstige Phan- tasien schweben ihnen vor; dabei fühlen sie sich fo voll Muth und Kraft, daß sie selbst den Tod nicht scheuen. Sie pflegen daher im Kriege, kurz vor der Schlacht durch dieses Mittel sich in eine Art wilder Wuth zu setzen, um dem Tode unerschrocken entgegen gehen zu können. Allein dieser schöne Rausch dauert nur etliche Stunden, und es erfolgt dann Trägheit, Verdrossenheit zu allen Geschäften und eine gewisse Stumpfheit der Sinne, welche nahe an Verstandlosigkeit gränzt. Die Folge von dem fortgesetzten Gebrauche desselben ist eine gänzliche Zerrüttung des Körpers und ein früher Tod. Doch wird die Zahl dieser Opiumesser (Th eriaki) in der Türkei immer geringer, und dieser Gebrauch kommt daselbst immer mehr in Verruf. Desto gewöhn- licher ist der Genuß des Opiums bei den Malayen der Indischen Inseln und vorzüglich bei den Chinesen; doch wird von diesen das Opium nicht sowohl gegessen, als vielmehr mit Taback vermischt, oder auch unvermischt, geraucht. So erzählt ein Reisender *) von den Javanern Folgendes: „Die Opiumraucher kommen in abgesonderten Logen zusammen. Die Betrachtung derselben gewährt aber nichts Angenehmes. In jeder Loge stehen 6 oder 8 Ruhebänke von Bam- bus, auf welchen Javaner, mehrentheils aber Chinesen, mit der Opium- pfeife im Munde ausgestreckt liegen, bis sie betäubt einschlummern. Das Opium muß zu diesem Behufe besonders zubereitet werden. Wenn es nämlich gekocht und gesäubert ist, wird es mit fein geschnit- tenem Tabak vermischt ,und in kleine Kügelchen geballt, wovon man jedesmal eins in die Öffnung der Pfeife legt und anzündet. Der Rauch wird aber nicht, wie bei dem Tabakrauchen, aus dem Munde geblasen, sondern so viel möglich hinunter geschluckt. Aber der unmä- *) Olivier in seinen Land- und Seereisen im Niederländischen Indien rc. unternommen in den Jahren von 1317 bis 1826.
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