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den Preußen geräumt und demnächst geschleift, das gesamte Land dagegen bei dem
oranisch-niederländischen Herrscherhanse verbleibe, für neutral erklärt und diese
Neutralität unter die Gewähr der europäischen Mächte gestellt werde. Zugleich
blieb es im Zollvereine und dadurch mit Deutschland wie früher verknüpft.
So war der Sturm noch einmal beschworen und die Gefahr vorübergegangen,
doch weniger durch die Friedensliebe Frankreichs, als weil die Umbildung des
französischen Heeres, dem nach dem Vorbilde der preußischen Heerverfassung noch
eine Reserve und Mobilgarde (die der Landwehr entsprechen sollte) zur Seite ge-
stellt wurde, und die Bewaffnung dieses Heeres mit dem Chassepot-Gewehre,
das man dem Zündnadelgewehre bei weitem überlegen wußte, und mit den
neuerfundenen Mitrailleusen noch nicht fertig war. Diese Neubildung des
französischen Heeres aber wurde in den Jahren 1867 bis 1869 durch den
Kriegsminister Niel vollständig durchgeführt, und nun glaubte sich Frankreich
Preußen und dem Nordbunde mehr als gewachsen. Von der republikanischen
Partei im Innern bedrängt, hatte Napoleon sich einer Regierung durch Volks-
vertreter zugewandt, die unter dem Ministerium Ollivier ins Leben trat, und
hatte durch eine allgemeine Volksabstimmung diese Veränderungen, in Wahrheit
dadurch seine eigene Stellung in Frankreich bestätigen lassen. Und obwohl
die Zahl der ihm feindseligen, republikanischen Stimmen selbst im Heere
nicht gering gewesen, so war ihm doch durch eine stattliche Mehrheit seine
Gewalt aufs neue verbürgt worden. Er schien fortan nur noch im Sinne
einer gemäßigten Freiheit regieren zu wollen.
Das Jahr 1870 ließ mithin sich friedlicher an, als die vorhergehenden,
und Preußens König Wilhelm weilte im Juni seiner Gesundheit wegen im
Bade zu Ems, als die Nachricht kund ward, die Spanier, die im Jahre 1868
ihre Königin Jsabclla vertrieben hatten und seitdem ohne monarchisches Ober-
haupt gewesen, hätten durch ihren Ministerpräsidenten Prim dem Erbprinzen
Leopold von Hohenzollern die Krone ihres Landes angetragen. n In
Frankreich nahm man die Miene an, als sei dies ein neues ehrgeiziges Über-
greifen Preußens, und der französische Minister der auswärtigen Angelegen-
heiten, Herzog von Gramont, gab in der Kammer eine Erklärung ab, Frankreich
werde eine solche Vergrößerung der preußischen Macht nimmermehr dulden.
Auch jetzt bethätigte Preußens König wieder seine Friedensliebe. Zwar lehnte
er es ab, seinem Verwandten die Annahme der spanischen Krone zu verbieten,
wie von Frankreich her gefordert wurde; doch geschah dies ohne jede schroffe
Form, und als gleich darauf der Erbprinz aus freiem Antriebe jener .Krone
entsagte, schien jeder Grund einer Entzweiung der beiden großen Mächte
geschwunden. Nun aber zeigte es sich, daß man in Frankreich nur einen
Vorwand für den lang beabsichtigten Krieg gesucht hatte. Gramont erklärte
den Rücktritt des Prinzen für Nebensache und wagte es, durch den französischen
Botschafter Graf Benedetti in Ems dem Könige die Gewähr dafür abzu-
verlangen, daß eine etwa sich wiederholende Bewerbung desselben seitens
Preußens nie eine Unterstützung finden würde: ja, er wagte dem preußischen
Gesandten in Paris anzudeuten, daß ein entschuldigender Brief des Königs
un den Kaiser am besten das beleidigte Nationalgefühl in Frankreich be-
schwichtigen werde. Gegen diese, durch Benedetti noch dazu in taktloser
Weise vorgebrachten Forderungen erhob sich ruhig und würdig der gerechte
Königsstolz des greisen Helden. Der Franzose ward abgefertigt, höflich und
kalt, wie er es verdiente und wie es sich von selbst verstand. Auf Grund
dieser erzwungenen Abweisung erfolgte wenige Tage später, am 19. Juli 1870,
die von Napoleon Iii. längst geplante Kriegserklärung Frankreichs an Preußen.
Rach Dav. Müll er.
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stehe- Aber seit der Mitte der sechziger Jahre hatte Napoleons Glück Rück-
schläge erfahren. Aus Mexiko, wo er während des amerikanischen Bürgerkrieges
ein von ihm abhängiges Kaiserreich unter Kaiser Franz Josephs unglücklichem
Bruder Maximilian hatte herstellen wollen, hatte er, nachdem er vergeblich
Millionen an Geld und Tausende an Menschenleben geopfert, weichen müssen,
und der blutige Schatten des von Napoleons Heer verlassenen und darauf
vou deu dortigen Republikanern hingerichteten Maximilian (9. Juni 1867)
stand wie ein Ankläger gegen seinen Ehrgeiz da. Im Inner,: Frankreichs
erhob sich die nur immer auf kürzere Zeiträume besänftigte Stimme der
Republikaner gegen ihn., Nun ka,nen die unerwarteten wie betäubenden Siege
der Preußen über die Österreicher im Jahre 1866. Napoleon hatte gehofft,
in Deutschland würde sich ein langer Bürgerkrieg entzünden oder Preußen
werde besiegt werden; in Leiden Fällen hatte er dann einschreiten wollen als
der gewaltsame Vermittler, um dabei Eroberungen am Rhein und in Belgien
machen, namentlich aber eine hochangesehene, oberste Rolle in Europa und den
Schutzherrn Deutschlands spielen zu können. Von dem allen war das Gegen-
teil eingetreten. Preußen hatte einen kriegerischen Ruhm erworben, der selbst
deu des ersten Napoleon übertraf, und Deutschland, statt schwach und zer-
rüttet zu sein, stand einiger und stärker da, als je zuvor. Und war auch
Napoleon selbst zu klug, um sofort gewaltsan: gegen die Erfolge Preußens
aufzutreten: das französische Volk und namentlich das französische Heer ertrug
es nicht, sich in der Waffenehre von einem andern Volk übertroffen zu sehen,
und Staatsmänner wie Thiers machten es dem Kaiser zum Vorwurf, daß er
es zugegeben habe, daß eine deutsche Einheit geschaffen. „Rache fi'ir Sadowa,"
war deshalb der Ruf der „große,:" Natiou. Von der französischen Regie-
rung waren, wenngleich sehr behutsam, Ausgleichsforderungen, d. h. Zu-
mutungen, die auf Abtretung deutschen Grenzgebietes zur Befriedigung und
Versöhnung Frankreichs zielten, gemacht, aber von Preußen abgewiesen worden.
Unter diesen Umständen „rußte Preußen in jedem Augenblick eines Angriffs
gewärtig sein. Napoleon sah sich dabei von den Franzosen mehr vorwärts
gedrängt, als daß er selber „ach einem Kampfe gedürstet hätte, dessen Gefahren
er besser ermaß, als die Mehrzahl seines Volkes.
Schon im Jahre 1867 hätte die Luxemburger Frage beinahe zu einem
Kriege geführt. Dem Großherzogtum Luxeinburg und einem Teile der
holländischen Provinz Limburg war durch die Verträge vou 1815 und 1839
eine unnatürliche Mittelstellung gegeben, indem beide Länder zwar unter der
niederländischen Landeshoheit standen, gleichwohl aber dem deutschen Bunde
mit angehörten. Nachdem derselbe 1866 sich aufgelöst, waren diese Gebiete
aus der großen Geineinschaft selbstverständlich herausgetreten. Die Stadt
Luxemburg aber, eine wichtige Bundesfestung und die Hauptstadt des seinem
Kerne nach deutschen, doch sonst vielfach verwelschten Ländchens, hielten noch
immer die Preußen besetzt. Nun forderte Frankreich die Räumung dieser,
angeblich Frankreich bedrohenden Stellung; zugleich verbreiteten sich Gerüchte,
Frankreich sänne mit Einwilligung des Königs der Niederlande auf eine Ein-
verleibung Luxemburgs, um sich dadurch eine Entschädigung für die verniehrte
Macht Preußens zu schaffen. Schon verbitterte sich in den öffentlichen Blättern
und auch in der Landesvertretung beider großen Reiche der Streit. Da zeigte
Preußen seine völlige Friedensliebe, indem es dem Vorschlage Gehör gab, daß
eine europäische Konferenz zur Ausgleichung des Streites zu London zusammen-
träte, und hier wurde der Vorschlag angenommen, daß die Festung Luxemburg von
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