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1. Dichtung der Neuzeit - S. 28

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
28 Sechste Periode, von 1624—1748. Lied der Freundschaft. Der Mensch hat nichts so eigen, So wohl steht nichts ihm an, Als daß er Tren erzeigen Und Freundschaft halten kann, Wenn er mit seinesgleichen Soll treten in ein Band, Verspricht sich, nicht zu weichen. Mit Herzen, Mund und Hand. Die Red' ist uns gegeben. Damit wir nicht allein Für uns nur sollen leben Und fern von Leuten sein; Wir sollen uns befragen Und sehn auf guten Rat, Das Leid einander klagen, So uns betreten hat. Was kann die Freude machen, Die Einsamkeit verhehlt? Das gibt ein doppelt Lachen, Was Freunden wird erzählt. Der kann sein Leid vergessen, Der es von Herzen sagt: Der muß sich selbst auffressen, Der insgeheim sich nagt. Gott stehet mir vor allen. Die meine Seele liebt: Dann soll mir auch gefallen. Der mir sich herzlich gibt. Mit diesen Bunds-Gesellen Verlach' ich Pein und Not, Geh' aus den Grund der Höllen Und breche durch den Tod. Ich hab', ich habe Herzen So treue, wie gebührt, Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich berührt! Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seele hold; Ich lieb' euch mehr, ihr Brüder, Als aller Erden Gold. Andreas Gryphius, geb. 1616 zu Glogau, gest. 1664 daselbst als Syndikus, ist nicht bloß lyrischer, sondern vorzugsweise dramatischer Dichter. Er hat jedoch größere Bedeutung durch seine mit derber Wahr- heit, frischem Humor und Naivetät geschriebenen Lustspiele als durch seine meist grauenvolle Stoffe behandelnden Tragödien. Die wichtigsten seiner Lustspiele sind: „Horribilicribrifax", in welchem er sich gegen die gesellschaftlichen Mißstände und die Sprachmengerei der Zeit des Dreißigjährigen Krieges wendet, und „Peter Squenz", eine Satire gegen die Volksschauspiele, die in ihrem Kerne auf das Zwischenspiel „Pyramus und Thisbe" in Shakespeares „Sommernachtstraum" zurückweist. Andreas Gryphius steht der ersten schlesischen Schule schon ferner. Hatten die Dichter der ersten schlesischen Dichterschule vorzugs- weise nach „Reinlichkeit" der Sprache und des Verses gestrebt, so suchten die der zweiten, welche besonders das Drama und den Roman pflegte, im Gegensatze zu dieser trockenen Richtigkeit nach einer „Lieblichkeit" des Ausdrucks, die sie namentlich durch Häufung von „durchdringenden, löb- lichen" Beiwörtern (d. h. durch einen unnatürlichen Schwulst) zu er- reichen wähnten. Die Vertreter dieser Schule, Christian Hoffmann von Hoffmannswalpau (1618—1669) und Kaspar von Lohen- 'f'tic $$ t%Ci '¿wfs«¿vhf 1 jy/H-

2. Dichtung der Neuzeit - S. 29

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
A. Poesie. 29 •i ; - ■}} -k*Xi... ‘jj stein (1636—1683), begnügen sich aber nicht mit diesem Haschen nach der Lieblichkeit des Ausdrucks, sondern sie schlagen nicht selten einen leicht- fertigen, ja frivolen Ton an. In einem Gegensatze zu dieser den ästhetischen und den moralischen Verfall der Poesie herbeiführenden Unnatur der zweiten schlesischen Schule stehen durch Streben nach Einfachheit und Wahrheit Christian Günther, Christian Weise und Barthold Heinrich Brockes. Christian Günther (1695—1723) ist ein trefflicher Lyriker voll tiefer Empfindung, gleichsam ein Vorbote der modernen deutschen Lyrik. Einzelne seiner Lieder sind Zierden der Poesie jener Zeit. Abcndtied. (Abgekürzt.) „Abermals ein Teil vom Jahre, Abermals ein Tag vollbracht! Abermals ein Brett zur Bahre Und ein Schritt zur Gruft gemacht. Also nähert sich die Zeit Nach und nach der Ewigkeit, Also müssen wir aus Erden Zu dem Tode reifer werden. Treuer Vater, deine Güte Heißet überschwenglich groß. Drum erquicke mein Gemüte, Sprich mich ledig, frei und los! Gib der Buße stets Gehör! Denn dein Knecht verspricht nunmehr, Dein Gesetze, deinen Willen Nach Vermögen zu erfüllen. Das Verdienst der vielen Wunden, Die mein Heiland scharf gefühlt. Hat in seinen Todesstunden Deine Zornglut abgekühlt. Schweig, wenn dieses Lösegeld Meiner Schuld die Wage hält, Und beschicke mich im Schlase Durch kein Aufgebot der Strafe. Laß mich an der Brust erwärmen, Die am Kreuze nackend hing! Wiege mich in dessen Armen, Der den Schächer noch umfing! Stelle mir der Engel Chor Ais die beste Schildwacht vor! Satan möchte sonst ein Schrecken In der Finsternis erwecken. Gute Nacht, ihr eitlen Sorgen! Ich begehre meiner Ruhz Jesus schließet bis auf morgen Auge, Tür und Kammer zu. Sanftes Lager, sei gegrüßt. Weil du dessen Vorbild bist. Das ich dermaleinst im Grabe Sicher zu erwarten habe." Leider verkam der begabte Dichter frühzeitig durch Leichtsinn und Zügel- losigkeit. Dem entsprechend urteilt auch Goethe über ihn: „Günther besaß alles, was dazu gehört, im Leben ein zweites Leben durch Poesie hervor- zubringen; aber er wußte sich nicht zu zähmen, und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten." Christian Weise (1642—1708) ist ein fruchtbarer Dramatiker, der über 100 Dramen, namentlich Schulkomödien, schrieb, bei seinem

3. Dichtung der Neuzeit - S. 86

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
86 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab. Wie wird ihm, da er sie erblickt! „Sie ist's! sie ist's!" ruft er und läßt entzückt Den blutigen Stahl und seinen Turban fallen Und wird von ihr erkannt, wie seine Locken wallen. Obwohl Wieland den übrigen Dichterheroen seiner Zeit bedeutend nachsteht und die meisten seiner Werke wegen ihres leichtfertigen Inhaltes verdienter Vergessenheit anheimgefallen sind, so hat er dennoch um die Literatur Verdienste, die der Anerkennung würdig sind: 1. Er machte die durch Klopstock schwülstig, oft dunkel und schwer- fällig gewordene Sprache wieder schlicht, durchsichtig und gefällig. 2. Er setzte den von Klopstock verschmähten Reim wieder in sein altes Recht ein. 3. Er führte der Poesie neue Stoffe zu, eröffnete ihr nament- lich das Gebiet der Romantik. 4. Er gewann durch seine oft mit feinem Witz und gemütvollem Humor gewürzten Werke die vornehme Welt, die bislang fast ausschließlich der französischen Literatur zugewandt gewesen war, für die deutsche Dichtung. 8 20. Der Göttinger Dichter- oder Hainbund. Einen scharfen Gegensatz zu Wieland bildeten poetisch begeisterte Jünglinge, welche in der Universitätsstadt Göttin gen einen Bund schlossen, um in Nacheiferung Klopstocks, ihres schwärmerisch ver- ehrten Vorbildes, die deutsche Dichtkunst wieder zu Ehren zu bringen, Liebe zur Natur und zum Vaterlande zu entflammen, für Religion zu begeistern und Tugend zu verbreiten. Es war am 12. September 1772, als sie auf einem Abendspaziergange „in einem kleinen Eichengrund Mond und Sterne zu Zeugen ihres Bundes riefen und einander ewige Freundschaft versprachen". Der Bund wurde bald der Göttinger Hainbund ge- nannt, sei es, daß derselbe in einem Eichenhaine gestiftet war, sei es, daß man nach Klopstocks Vorgänge (Ode „Der Hügel und der Hain") mit dem Namen Hain die vaterländische Dichtung, das Ziel des Strebens der jungen Dichter, bezeichnen wollte. Die Richtung Klopstocks war auch die ihrige: gleich ihm schwärmten sie in jugendlicher Begeisterung für Frei- heit und Vaterland, für Natur, für Tugend und Freundschaft, gleich ihm förderten sie die Ausbildung der antiken Versmaße. Ihr gemeinsames Organ war der zu Göttingen herausgegebene „Musen- almanach", welcher die Mitglieder auch später noch in etwa geistig zu- sammenhielt , nachdem der Bund mit seinem Jugendrausch längst zer- sprengt war.

4. Dichtung der Neuzeit - S. 87

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 21. Voß. 87 Die bedeutendsten Dichter des Hainbundes sind: 8 21. . 1. Voß (1751-1826). Johann Heinrich Voß, 1751 als Sohn eines armen Pächters zu Sommersdorf in Mecklenburg geboren, betrieb in Göttingen das Studium der Theologie und Philologie, namentlich das der alten Klassiker. Bald die Seele des Hainbundes geworden, redigierte er von Wandsbeck aus den Musenalmanach und lebte von 1782 bis 1802 als Rektor der Schule zu Eutin in freundschaftlichem Verkehre mit dem Hainbundgenossen Grafen Leopold zu Stolberg, mit dem er jedoch in bitterste Feindschaft geriet, als derselbe im Jahre 1800 öffentlich zum Katholizismus übertrat. Im Jahre 1805 ging er mit dem Titel eines badischen Hofrates nach Heidelberg, wo er im Jahre 1826 starb. Die Bedeutung des Dichters, dem die Musen bei seiner Geburt gerade nicht gelächelt, liegt nicht in seinen trockenen und verstandesmäßig gehaltenen Liedern und Oden, sondern in seinen mit gemütlicher Behaglich- keit geschriebenen Idyllen und seiner meisterhaften Übersetzung Homers. Unter den kleineren Idyllen ragt hervor: „Der siebzigste Geburts- tag", eine anmutige poetische Kleinmalerei. Seine umfangreichste Idylle ist: „Luise, ein ländliches Gedicht in drei Gesängen" (1. „Das Fest im Walde", gefeiert von Luise, der Tochter des Pfarrers zu Grünau; 2. „Der Besuch" des Bräutigams Walther, Pfarrers zu Seldorf; 3. „Die Vermählung"), in welchem in naturgetreuer, auch un- bedeutende Einzelheiten behaglich ausmalender Weise das ländliche Still- leben geschildert und gefeiert wird. Jedoch sindet sich auch in dieser vom Dichter übermäßig hoch geschätzten, selbst über Goethes „Hermann und Dorothea" gestellten Idylle, zu w e n i g H a n d l u n g, und die P e r s o n e n treten nicht hinreichend individuell hervor. Höher zu schätzen ist Voß als Übersetzer, namentlich Homers. Den Geist und das Wesen der griechischen und römischen Dichtung klar und scharf erfassend, strebte er nach genauer Wiedergabe seines Originals in Inhalt und in Form. Treffend sagt Scherer: „Endlich erschien der wirkliche Homer in deutschem Gewände, schlicht, einfältig, treuherzig, im Tone weder zu niedrig noch zu hoch, im Stile verständnisvoll nachgebildet, das Formelhafte nicht verwischt, die Beiwörter glücklich bewahrt, ein Werk hingebenden Fleißes und ernster Vertiefung, überall auf einer klaren An- schauung altgriechischer Zustände ruhend." Der Übersetzung der Odyssee vom Jahre 1781 folgte die der Ilias erst im Jahre 1793. Minder ge- lungen sind seine Übersetzungen des Vergil, Horaz, Ovid, Tibull, Properz,

5. Dichtung der Neuzeit - S. 42

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
42 Sechste Periode, von 1624—1748. dem ersten Redakteur der Zeitschrift, dem Humoristen Zachariä, dem Satiriker Raben er, verdient besondere Erwähnung Christian Fürchtegott Gellert, geb. zu Hainichen bei Freiberg in Sachsen 1715, seit 1751 außerordentlicher Professor der Poesie und Beredsamkeit zu Leipzig, wo er 1769 starb. Mild und warm empfindend, wurde er der beliebteste und einflußreichste Dichter seiner Zeit, bekannt durch seine die sittliche Veredlung des Volkes bezweckenden Fabeln und Erzählungen und durch geistliche Lieder. Unter seinem Einflüsse standen auch die Fabeldichter Lichtwer, Willamov und Pfeffel (Verfasser der „Türkenpfeife"). 1. Der ju Ein junger Mensch, der viel studierte Und, wie die Eltern ganz wohl sahn, Was Großes schon im Schilde führte, Sprach einen Greis um solche Schriften an. Die stark und sinnreich denken lehrten. Mit einem Wort, die zum Geschmack gehörten. Der Alte ward von Herzen froh Und lobt' ihm den Homer, den Plato, Cicero Und hundert mehr aus alt und neuer Zeit, Die mit den heil'gen Lorbeerkränzen Der Dichtkunst und Wohlredenheit, Umleuchtet von der Ewigkeit, 2. Die Geschilt Das ei Der erste, der mit kluger Hand Der Männer Schmuck, den Hut, er- fand, Trug seinen Hut unaufgeschlagen; Die Krempen hingen flach herab; Und dennoch wußt' er ihn zu tragen, Daß ihm der Hut ein Ansehn gab. Er starb und ließ bei seinem Sterben Den runden Hut dem nächsten Erben. Der Erbe weiß den runden Hut Nicht recht gemächlich anzugreifen; Er sinnt und wagt es, kurz und gut, Er wagt's, zwo Krempen auszusteifen. : Gelehrte. Den Jünglingen entgegenglänzen. „D!" hub der junge Mensch mit stolzem Lächeln an, „Ich habe sie fast alle durchgelesen; Allein" — „Nun gut", sprach der ge- lehrte Mann, „Sind sie nach seinem Sinn gewesen. So muß er sie noch zweimal lesen. Doch sind sie ihm nicht gut genug ge- wesen, So sag' er's ja den Klugen nicht; Denn sonst erraten sie, woran es ihm gebricht. Und heißen ihn die Zeimng lesen." von dem Hute. Buch. Drauf läßt er sich dem Volke sehn; Das Volk bleibt vor Verwundrung stehn Und schreit: „Nun läßt der Hut erst schön!" Er starb und ließ bei seinem Sterben Den ausgesteiften Hut dem Erben. Der Erbe nimmt den Hut und schmält. „Ich", spricht er, „sehe wohl, was fehlt." Er setzt darauf mit weisem Mute Die dritte Krempe zu dem Hute. „O", rief das Volk, „der hat Verstand! Seht, was ein Sterblicher erfand! Er, er erhöht sein Vaterland!"

6. Dichtung der Neuzeit - S. 103

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 25. Bürger. 108 und durch Percys Sammlung altenglischer Balladen (Reliques of ancient English Poetry, 1765) zur Balladendichtung angeregt, schuf er die Dich- tung „Lenore", die ganz Deutschland im Fluge durcheilte. Einfacher volks- tümlicher Stofs, entnommen einer düstern, geheimnisvoll grausigen Sage, angelehnt an den das Volk mächtig aufregenden Siebenjährigen Krieg, knappe Form bei rasch fortschreitender Handlung, die, dialogisch-dramatisch ge- halten, den Leser in immer größere Spannung versetzt, volkstümliche Kraft des Ausdrucks bei harmonischem Wohlklang der Sprache, leicht fließender Versbau machen die Lenore zu einer Musterballadeu Weniger be- deutend, wenn auch getragen von dramatischer Lebendigkeit und nicht ohne Wohllaut der Sprache, sind: „Der wilde Jäger", „Die Kuh", „Der Kaiser und der Abt" und das an phrasenhaft schwülstigem Tone leidende „Lied vom braven Mann". Andere Balladen dagegen, in denen der Dichter Volkstümliches und Gemein-Derbes verwechselt, enthalten bei oft leerem Klingklang von Worten manches Unschöne, Grobe und selbst Anstößige und verletzen so die Würde der Poesie, für welche Schiller mit Recht „immer gleiche ästhetische und sittliche Grazie, männliche Würde, Gedankengehalt, hohe und stille Größe" in Anspruch nimmt. Außer einigen volkstümlichen Liedern, z. B. „Herr Bacchus ist ein braver Mann", „Ich rühme mir mein Dörfchen hier", sind noch als bedeutsam hervorzuheben seine Sonette, denen selbst der dem Dichter wenig geneigte Schiller das Lob zuerkannte, daß sie, „Muster ihrer Art, auf den Lippen des Deklamators sich in Gesang verwandeln". 1. Lenore. Lenore fuhr ums Morgenrot Empor aus schweren Träumen: „Bist untreu, Wilhelm, oder tot? Wie lange willst du säumen?" — Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht Und hatte nicht geschrieben, Ob er gesund geblieben. Der König und die Kaiserin, Des langen Haders müde, Erweichten ihren harten Sinn Und machten endlich Friede; Und jedes Heer niit Sing und Sang, Mit Paukenschlag und Kling und Klang, Geschmückt mit grünen Reisern, Zog heim zu seinen Häusern. 1 j Und überall, allüberall. Auf Wegen und auf Stegen, Zog alt und jung mit Jubelschall Den Kommenden entgegen. „Gottlob!" rief Kind und Mutter laut, „Willkommen!" manche frohe Braut; Ach, aber für Lenoren War Gruß und Kuß verloren. Sie frug den Zug wohl auf und ab Und frug nach allen Namen; Doch keiner war, der Kundschaft gab Von allen, so da kamen. Als nun das Heer vorüber war. Zerraufte sie ihr Rabenhaar Und warf sich hin zur Erde Mit wütiger Gebärde. 1 Siehe Teil Iii, S. 249: „Wesen der Romanze und der Ballade" von Hense.

7. Dichtung der Neuzeit - S. 176

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
176 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab. Daß ich Natur und Kunst zu schaun mich treulich bestrebe. Daß kein Name mich täuscht, daß mich kein Dogma beschränkt? Daß nicht des Lebens bedingender Drang mich, den Menschen, verändert, Daß ich der Heuchelei dürftige Maske verschmäht? Solcher Frevel, die du, o Muse, so emsig gepfleget, 10. Zeihet der Pöbel mich; Pöbel nur sieht er in mir. Ja, sogar der Bessere selbst, gutmütig und bieder. Will mich anders; doch du, Muse, befiehlst mir allein. Denn du' bist es allein, die noch mir die innere Jugend Frisch erneust und sie mir bis zu Ende versprichst. Aber verdopple nunmehr, o Göttin, die heilige Sorgfalt! Ach, die Scheitel umwallt reichlich die Locke nicht mehr. Da bedarf man der Kränze, sich selbst und andre zu täuschen! Kränzte doch Cäsar selbst nur aus Bedürfnis das Haupt. Hast du ein Lorbeerreis mir bestimmt, so laß es am Zweige 20. Weiter grünen und gib einst es dem Würdigern hin! Aber Rosen winde genug zum häuslichen Kranze! Bald als Lilie schlingt silberne Locke sich durch. Schüre die Gattin das Feuer, auf reinlichem Herde zu kochen! Werfe der Knabe das Reis, spielend, geschäftig dazu! Laß im Becher nicht fehlen den Wein! Gesprächige Freunde, Gleichgesinnte, herein! Kränze, sie warten auf euch. Erst die Gesundheit des Mannes, der, endlich vom Namen Homeros Kühn uns befreiend, uns auch ruft in die vollere Bahn. Denn wer wagte mit Göttern den Kampf? und wer mit dem einen? 30. Doch Homeride zu sein, auch nur als letzter, ist schön. Darum höret das neuste Gedicht! Noch einmal getrunken! Euch besteche der Wein, Freundschaft und Liebe das Ohr. Deutschen selber führ' ich euch zu, in die stillere Wohnung, Wo sich, nah' der Natur, menschlich der Mensch noch erzieht. Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken, verband. Auch die traurigen Bilder der Zeit, sie führ' ich vorüber, Aber es siege der Mut in dem gesunden Geschlecht. Hab' ich euch Tränen ins Auge gelockt und Lust in die Seele 40. Singend geflößt, so kommt, drücket mich herzlich ans Herz! Weise denn sei das Gespräch! Uns lehret Weisheit am Ende Das Jahrhundert; wen hat das Geschick nicht geprüft? Blicket heiterer nun auf jene Schmerzen zurücke. Wenn euch ein fröhlicher Sinn manches entbehrlich erklärt. Menschen lernten wir kennen und Nationen; so laßt uns, Unser eigenes Herz kennend, uns dessen erfreun.

8. Dichtung der Neuzeit - S. 177

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 34. Goethes Werke. — Die lyrischen Dichtungen. 177 g) Sonette und Parabolisches. 1. Las Zonett. Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben. Ist heil'ge Pflicht, die wir dir auferlegen; Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben. Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben, Wenn sich die Geister gar gewaltig regen; Und wie sie sich denn auch gebärden mögen, Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben. So möcht' ich selbst in künstlichen Sonetten, In sprachgewandter Maße kühnem Stolze Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen; Nur weiß ich hier mich nicht bequem zu betten, Ich schneide sonst so gern aus ganzem Holze Und müßte nun doch auch mitunter leimen. 2. llatur und Kunst. Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen. Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden; Der Widerwille ist auch mir verschwunden, Und beide scheinen gleich mich anzuziehen. Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen! Und wenn wir erst in abgemess'nen Stunden Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden, Mag frei Natur im Herzen wieder glühen. So ist's mit aller Bildung auch beschaffen; Vergebens werden ungebundne Geister Nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will, muß sich zusammenraffen; In Per Beschränkung zeigt sich erst der Meister, Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben. 3. Kläffer. Wir reiten in die Kreuz und Quer' Nach Freuden und Geschäften; Doch immer kläfft es hinterher Und billt aus allen Kräften. Hense, Lesebuch. Ii. 4. Aufl. So will der Spitz aus unserm Stall Uns immerfort begleiten. Und seines Bellens lauter Schall Beweist nur, daß wir reiten. 12

9. Dichtung der Neuzeit - S. 179

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 34. Goethes Werke. — Die lyrischen Dichtungen. 179 i) Sprüche. 1. Zn Distichen. i. Neigung und Gewohnheit. Neigung besiegen ist schwer; gesellet sich aber Gewohnheit, Wurzelnd, allmählich zu ihr, unüberwindlich ist sie. 2. Wahre Liebe. Das ist die wahre Liebe, die immer und immer sich gleich bleibt, Wenn man ihr alles gewährt, wenn man ihr alles versagt. 3. Früchte des Lebens. Früchte bringet das Leben dem Manne; doch hangen sie selten Rot und lustig am Zweig, wie uns ein Apfel begrüßt. 4. Streben. Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes Werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an. 5. Erfinden. Selbst erfinden ist schön; doch glücklich von andern Gefundnes Fröhlich erkannt und geschätzt, nennst du das weniger dein? 6. Vorbilder. Halte das Bild der Würdigen fest! Wie leuchtende Sterne Teilte sie aus die Natur durch den unendlichen Raum. Vieles gibt uns die Zeit und nimmt's auch; aber der Bessern Holde Neigrmg, sie sei ewig dir froher Genuß. 8. Fremdes Verdienst. Wer ist der glücklichste Mensch? Der fremdes Verdienst zu empsinden Weiß und an fremdem Genuß sich wie am eignen zu freun. 9. ölüten und Früchte. Alle Blüten müssen vergehn, daß Früchte beglücken; Blüten und Frucht zugleich gebet ihr, Musen, allein. 10. Irrtum verläßt uns nie; doch ziehet ein höher Bedürfnis Immer den strebenden Geist leise zur Wahrheit hinan.

10. Dichtung der Neuzeit - S. 185

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 35. Goethes Werke. — Die epischen Dichtungen. 185 Mit guter Kunst und ausgesuchtem Spiele Den ueubelebteu edlen Sinn erquickt, Und noch am Abend vor den letzten Sonnen Ein holdes Lächeln glücklich abgewonnen. Er hatte früh das strenge Wort gelesen, Dem Leiden war er, war dem Tod vertraut. So schied er nun, wie er so ost genesen; Nun schreckt uns das, wosür uns längst gegraut. Doch schon erblicket sein verklärtes Wesen Sich hier verklärt, wenn es herniederschaut. Was Mitwelt sonst an ihm beklagt, getadelt. Es hat's der Tod, es hat's die Zeit geadelt. Auch manche Geister, die mit ihm gerungen. Sein groß Verdienst unwillig anerkannt, Sie suhlen sich von seiner Kraft durchdrungen, In seinem Kreise willig festgebannt: Zum Höchsten hat er sich emporgeschwungen. Mit allem, was wir schätzen, eng verwandt. So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben. So bleibt er uns, der vor so manchen Jahren — Schon zehne sind's — von uns sich weggekehrt! Wir haben alle segenreich erfahren. Die Welt verdank' ihm, was er sie gelehrt. Schon längst verbreitet sickps in ganze Scharen, Das Eigenste, was ihm allein gehört. Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend, Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend. 8 35. 2. Goethes epische Dichtungen. Goethes erstes epische, das Gepräge der Sturm- und Drangperiode tragende Werk war der Roman „Die Leiden des jungen Werther" (1774). Der Dichter verwob in demselben seine eigene Herzensstimmung (S. 146) mit dem Geschick des ihm bekannten braunschweig-lüneburgischen Gesandtschaftssekretärs Jerusalem, der in unglücklicher Liebe zu der Gattin eines Freundes seinem Leben in Wetzlar 1772 ein Ende gemacht hatte. Wollte er durch den Roman, in welchem er die krankhafte Empfind- samkeit seiner Zeit in größter Naturwahrheit und bestrickender Sprache schilderte, sich selbst von dieser falschen Sentimentalität loslösen
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