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1. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 24

1852 - Werl : Stein
24 er hat sich selber schon bestraft. Die zweite aber — ich mus das harte Wort dir aussprechen — war ein Werk des Bösen. Es war die schwarze Grube der Lüge und der Verläumduug, worin du deinen Nächsten stürzen wolltest. Der Himmel bewahre dich vor einem solchen Laster! Zur Erinnerung aber an das Abscheuliche und Strafwürdige desselben gehst du diesen ganzen Winter nicht wieder auf das Eis/' «Jede böse That hat ihre bösen Folgen. 39. Der dankbare Löwe. Ein armer Sclave, der seinem Herrn entlaufen war, wurde zum Tode verurtheilt. Man brachte ihn auf einen großen, von Mauern umgebenen Platz, und ließ einen furcht- baren Löwen auf ihn los. Mehrere lausend Menschen sahen zu. Der Löwe sprang grimmig auf den armen Menschen zu — blieb aber plötzlich stehen, wedelte mit dem Schweife, hüpfte wie vor Freude um ihn herum und leckte ihm freund- lich die Hand. Die Leute staunten und fragten den Sclaven, wie das komme. Der Sclave erzählte: „Als ich meinem Herrn entlaufen war, verbarg ich mich in eine Höhle der Wüste. Da kam dieser Lowe winselnd zu mir herein und zeigte mir seine Tatze, in die er sich einen scharfen Dorn getreten hatte. Ich zog ihm den Dorn heraus; —von der Zeit an versah mich der Löwe mit Wildprett, und wir lebten in der Höhle friedlich zusammen. Bei der letzten Jagd wurden wir von einander getrennt und beide gefangen, — und nun freuet sich das gute Thier, mich wieder zu finden." Alles Volk war über solche Dankbarkeit eines wilden Thieres entzückt und rief laut: „Es lebe der wohlthätige Mensch und der dankbare Löwe!" Der Sclave wurde freigesprochen und reichlich beschenkt. Der Löwe aber begleitete ihn vom Richtplatze wie ein zahmes Hündchen, und blieb, ohne Jemanden ein Leid zu thun, immer bei ihm. Oie Dankbarkeit kann wilde Thiere zähmen; lass dich, mein Kind, von ihnen nicht beschämen. 40. Der Löwe und das Lamm. „Kamm, wehr' dich, oder stirb!" — „„Ach, ich mich wehren ? Mir gab, du weist ? ja, die Natur nicht Waffen, gab mir Unschuld nur."" „An deine Unschuld werd’ ich mich nicht kehren!"

2. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 39

1852 - Werl : Stein
39 darauf an, welches zuerst oder zuletzt geschieht!"^ Mit diesen Worten warfen sie ihre Bücher zur Seite und hüpften leichten Sinnes hinaus »n den Garten. Die älteren blickten ihnen nach in die lockende Freiheit; aber sie ließen sich nicht verleiten und arbeiteten fort, still und fleißig, wie es der Vater befohlen hatte. Draußen aber stand die Sonne noch hoch, und die Luft war schwül. Die Kinder aber achteten der Hitze nicht, sprangen in wilder Jagd hinter een Schmetterlingen her und trieben allerlei unbändige Spiele, und gebehrdeten sich, wie eine zügellose Schaar. Als nun die ältern ihre Arbeit beendigt hatten und sich zu den jüngeren in den Garten begaben, um sie an ihre Pflicht zu ermahnen, gedachten diese voll Schrecken ihrer Aufgaben. Des Vaters Strenge eingedenk, begaben sie sich ohne Widerrede in das Zimmer zurück; als sie aber die Bücher ergriffen, siehe, da vermochte keines weder zu lesen, noch zu schreiben: denn sie alle waren erhitzt und erschöpft, und die Buchstaben tanzten vor ihren Augen. Dabei wurde es dunkler und dunkler im Zimmer. Sie traten an's Fenster; aber, ach, während sie trauernd hinaussahen, wanderten die glücklichen Geschwister in dem kühlen Schatten umher, die Blumen begießend und sich erquickend an dem linden, herrlichen Abend. Vor Unmuth weinend, daß sie die schöne Feierstunde verscherzt hatten, griffen sie wieder zu den Büchern; aber sie vermochten nicht mehr ihre Gedanken zu sammeln, und sie irrten, eins wie das andere, voll Furcht und Unruhe im Zimmer umher. Als nun der Vater zurückkam und die verlegenen Gesichter der Kinder sah, und wie sich das eine hinter das andere verbarg; rief er die ältesten herein und fragte: „Was ist hier geschehen?" Da trat einer derselben hervor und erzählte, was sich begeben hatte, und wie jene zuerst gespielt hätten und dann zur Arbeit gegangen wären. „Und wo sind die Arbeiten?" fragte der Vater. „Da," rief einer der jüngern unter Weinen: „Vergib uns, Vater! Wir waren erhitzt und zerstreut und vermochten nichts zu vollbringen: denn wir sahen die Freuden der andern." ,/Jhr Unfolgsamen!" zürnte der Vater. „Habe ich euch nicht gesagt: nur nach gethaner Pflicht ziemt dem Menschen Erholung? Warum wollet ihr diese Ordnung verkehren? Seht, jede Uebertretung straft sich selbst! Die Fleißigen

3. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 41

1852 - Werl : Stein
41 daß er in einem kleinen Dorfe seinen Aufenthalt nehmen mußte. Auch hier wußte er zuletzt nicht mehr, wie er sein Leben fristen sollte. Es war an einem späten Abend, als er trübselig über die Landstraße hinwanderte. Nur das Endliche Vertrauen auf Gottes Fürsorge erhielt ihn noch aufrecht. Da sah er das Helle Feuer einer nahen Schmiede, und hörte die eiligen Schläge des fleißigen Arbeiters. Das klang ihm so heiter und traulich entgegen, als käme es aus der Schmiede seiner Heimath. Er konnte sich nicht enthalten hinzu zu treten und den rüstigen Arbeiter anzureden. „Ihr habt viel zu thun, guter Meister?" fragte er mit zutraulicher Stimme. „Mehr als zu viel!" war die Antwort; „denn ich werde von allen Seiten gedrängt, und kann nicht begreifen, was der Krieg mit all den Nägeln thut." — Habt ihr denn keinen Gesellen?" fragte der Graf weiter. „Man kann keine finden," rief der Emsige zwischen sein Gehämmer. Das war für den bedrängten Grafen genug, um sich sofort zur Hülfe anzubieten. „Es ist zwar nicht viel, was ich verstehe," sagte er, „aber ich verlange auch nur den nöthigen Lebens- unterhalt zum Lohne, und mein Eifer soll den Mangel an Geschicklichkeit ersetzen." Der Meister ließ ihn einen Versuch machen, und war hinreichend damit zufrieden. Bald war der Graf wieder ganz in seiner früheren Uebung, uno hatte sich so sehr die Gewogenheit des Meisters erworben, daß er reichlicheren Lohn bekam und sich nun etwas zurück legen konnte. Da er sich in seine Lage gefunden hatte, so verlebte er heitere Tage in der redlichen Familie. Das Glück wollte aber auch, daß ihm nach Ablauf der Kriegsunruhen alle seine Güter zurückerstattet wurden. Da erst offenbarte er dem Meister seinen Stand und Namen, und versprach ihm, ein Andenken an die bei ihm verlebte Zeit zu überschicken. Noch mehr aber gedachte er den wackeren Schmied seiner Heimath zu belohnen, dem er das köstliche Kleinod eines Handwerks zu verdanken hatte. Er sehnte sich fast nach dessen Wiedersehen. Wie staunte er aber, als er statt der früheren Hütte ein großes Haus mit einem bedeutenden Lager von Eisenwaaren da stehen sah. Daneben stand die Schmiere, und in derselben waren viele Gesellen, nicht blos mit Nägeln, sondern auch mit verschiedenen andern Arbeiten beschäftigt.

4. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 43

1852 - Werl : Stein
43 Gottlieb (ihn unterbrechend). Wir sollen also Diebe werden, meinst du; denn das würden wir, wenn wir wissentlich und absichtlich fremdes Eigenthum behielten. Nein, Johann, wenn du ein so schlechter Junge bist, so mag ich nichts mehr mit dir zu thun haben. Johann (erschrocken"). Diebe? nein, wenn du das meinst-----aber es ist doch verdrießlich — ich hatte mich schon so gefreut. Gottlieb. Wir wollen uns darüber freuen, daß der Reisende sein Geld wieder erhalten wird. Vielleicht war es ein armer Bote, der setzt in der größten Angst ist, und sich nur damit tröstet, daß ein ehrlicher Finder es hat. — Johann. Es ist wahr, Gottlieb, meine Gedanken waren auf einem bösen Wege — es soll künftig nicht wieder so kommen (reicht ihm die Hand). Gottlieb. Ehrlich wahrt am längsten! sagt der Vater immer, und mein Herz sagt mir, daß er recht hat. Mer büse Thaten hindern kann und thut es nicht, ist Schuld daran. 57. Die Theilung. Ein reicher Vater war gestorben. Drei Söhne hatten, was sein Fleiss erworben, sich gleich getheilt. Nach kurzer Zeit kam Krieg in s Land. Da sah man weit Brandstätten, Blutgefilde, Wüsteneien; und ach! zwei Brüder von den dreien verloren durch der Feinde Wuth in wenig Jahren Hab’ und Gut. Der drille hörte dies und sprach: „Ich will den Segen, den ich, seit unser Vater starb, durch Glück gewann oder durch Fleiss erwarb, zu dem geerbten Drittel legen. Denn wie? ich allein sollte reich und glücklich sein, und sie, meine Brüder, in Armuth darben? Nein, verarmte Brüder, kommt und theilt mit mir von neuem! Und sie theilten wieder. Bruderliebe ist eine zarte Pflanze des häuslichen Glücks. 58. Das Vergnügen wohlzuthun. Der arme Mann! die Gabe, die ich gegeben habe, was bringt sie mir für Seligkeit! Mein Herz fühl' ich erweitert und mein Gemüth erheitert von himmlischer Zufriedenheit.

5. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 83

1852 - Werl : Stein
83 ein mannigfaltig groß Gebäu, durch Meisterhand vereinet, wo seine Lieb' und seine Treu' uns durch die Fenster scheinet. Er selbst wohnt unerkannt darin und ist schwer zu ergründen-, seid fromm und sucht von Herzen ihn, ob ihr ihn möget finden! 9t. Das Gewitter. Die Sonne verbirgt sich hinter den schwarzen Wolken- gebirgen: die Nacht überwältigt den Tag- die Lüfte heulen, die Wälder rauschen, die wirbelnden Stürme, die Vor- boten des nahen Donners, treiben Sand, Staub und Blät- ter mit einem bangen Getose umherz die Wellen der Flüsse empören sich, brausen und wälzen sich ungestümer fort; die scheuen Thiere fliehen sich zu verbergen; mit ängstlichem Geschwirre flattern die Vögel unter Dächer und Bäume; der Landmann eilt nach seiner Hütte; Felder und Gär- ten werden verlassen; das Herz kämpft mit verschiedenen Gefühlen, will seine Furcht verbergen, die in allen Gebei- nen zittert, und arbeitet, sich mit Standhaftigkeit und Ruhe zu waffnen Indessen wird die über die Erde ausgebreitete Nacht immer fürchterlicher, und aus der Ferne sendet schon leise der nahende Donner, dem Ohr immer hörbarer, seine Drohungen herüber. Auf einmal scheint sich das ganze Gewölk des Himmels zu zerreißen; ein schreckliches Kra- chen füllt den weiten Luftraum; die Erde bebt, und alle Echv's in den Gebirgen werden erregt, mit jedem Schlage des Donners fahren die flammenden Blitze Strahl auf Strahl aus, durchkreuzen die schweren Lüfte, schlängeln sich an den Spitzen der Berge herab und schleudern ihre Feuer bis in die tiefsten Abgründe Die Schleusen des Himmels öffnen sich und von ihrer Last stürzen ganze Fluthen herab, und indem die Wolken unter dem Kampfe der Wind von einer Gegend rn die andere sich fortjagen, stürzt das wilde Geplätscher auf den dürren Erdboden herunter. 92. Die Natur nach dem Gewitter. Die finstern Gewölke zertheilen sich, bestrahlt von einem glänzenden Lichte. Eine lächelnde Heiterkeit, die Alles er-

6. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 87

1852 - Werl : Stein
87 Herz ver Menschen kommen; es est schlimm genug, wenn er außen vor allen Thoren und vor allen Seehäfen donnert. Ls erprobt sicli im Unglücke die Weisheit, die Demuth im Glücke, in der Noth die Geduld, im Tode der Reichthum guter Gesinnung. 95. Sokrates. Ais Sokrates gefragt wurde, ob er nicht den Archelaus, König von Macédonien, der von allen Gütern und Freuden eines reichen Hofes umringt sei, für glücklich halte, antwortete er: „Dass weiss ich nicht; denn ich habe noch nie mit ihm gesprochen.“ — Kannst du denn das auf keine andere Weise erkennen? — „Aus keine andere!“ — So wirst du auch wol noch zweifeln wollen, ob der grosse König der Perser glücklich sei? — „Auch sein Glück ist mir unbekannt; ich weiss ja nicht, wie gut der Mann ist.“ — Suchest du denn darin ein glückliches Le- den? — „In nichts Anderem,“ antwortete der Weise; „denn das ist meine Meinung: die Guten sind glück- lich; die Bösen sind unglücklich.“ — Und König Archelaus also, ist er unglücklich? — „Ganz sicher,“ versetzte Sokrates, „wenn er ungerecht ist.“ Nicht, welcher das Beste hat, sondern, welcher der Beste ist, der ist glücklich. 96. Der Berg. In einer von Gebirgen umschlossenen Gegend lebte ein edel gesinnter Vater mit seiner Familie auf einem schönen, friedlichen Landgute. Sein ältester Solm hieß Siegmund. Vater, sprach dieser einmal zu ihm, ich bin nun schon zwölf Jahre alt, und noch nie habe ich einen unserer Berge bestiegen. — Nun denn, sagte der Vater, wenn du diese Woche recht fleißig und gehorsam bist, so will ich dir am nächsten Feierabend die Freude machen, und mit dir einen Berg besteigen. — Gewiß! liebster Vater, will ich recht folgsam sein; sprach der Knabe. Der Feierabend war gekommen, und der Vater hatte mit Siegmund die Reise nach dem höchsten Berge in der Gegend angetreten. Nachdem sie über eine halbe Stunde weit aufwärts gegangen waren, sprach der Knabe: Ach!

7. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 54

1852 - Werl : Stein
54 deine Hand unschuldiger Knabe: auf deine Hand will ich Treue geloben." Er that cs. Seine Gefährten standen lange betroffen und schweigend. Dann aber sprachen sie zu rhrem Hauptmanne: „Du bist unser Anführer auf der Bahn des Verbrechens gewesen: sei er nun auch auf dem Pfade der Tugend!" Alle schwuren Treue auf meine Hand und eilten auf Befehl des Anführers, ihren Raub zurück zu erstatten, besserten sich und wurden ehrliche Leute. seltene Tugend führt Andere zur Tugend zurück. 69 Das hochzeitliche Kleid. Auguste hatte von ihrer Großmutter ein schönes Kleid zum Geschenk erhalten. Es war von weißer, glänzenderseide mit schön gestickten, rothen Blümchen übersäet, und dir Saum mit feinen Spitzen verbrämt. Das Mädchen hatte daran eine unbeschreibliche Freude. Mit Herzenslust sah sie es oft an, und zeigte es jeder ihrer Gespielinnen. Der Gedanke an das schöne Kleid war der erste bei ihrem Aufwachen und der letzte vor ihrem Einschlummern. Als sie es aber am Hochzeittage ihres Bruders zum erstenmal anzog, hatte sie das Unglück, beim Essen einen Flecken in das hochzeitliche Kleid zu machen. Bitterlich weinte das Mädchen, als es nach Hause kam, und der Mutter den Unfall erzählte. Nach einiger Zelt begegnete es ihr wieder, daß sie das Kleid mit zwei andern Flecken beschmutzte. Es schmerzte sie zwar, aber lange nicht mehr m einem so hohen Grade, als das erstemal, und sie vergoß nun schon keine Thräne mehr. „Sieh, meine Tochter," sprach jetzt die verständige Mutter, welche dieses bemerkt hatte, „wie es dir mit dei- nem schönen Kleide ging, so geht es auch mit der Unschuld; denn die Unschuld ist so recht das hochzeitliche Kleid der unsterblichen Seele. Man achtet und schont das schöne Kleid, so lange es rein und unbesieckt ist. Wird es aber mit dem ersten Flecken verunstaltet, so betrübt man sich sehr. Indeß jft's nun einmal geschehen, so schont und achtet n>an es weniger. Viel gleichgültiger sieht man den zweiten Flecken an, merkt kaum noch auf den dritten und vierten, und in kurzer Zeit ist das schönste Festkleid ein verworfener Lappen. Drum zittre vor dem ersten bösenschritte! mit ihm sind,ach schon bald die andern Tritte zu einem nahen Fall gethan!

8. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 94

1852 - Werl : Stein
94 ich bleibe gern bei Ihnen, und verspreche, immer gut und thätig und dankbar zu fern. Marie war bei frommen, wohlwollenden Eltern. Sie führte sich musterhaft auf, und es ging ihr deßhalb auch gut. Hoffe standhaft auf den Herrn ! Ist dir gleich sein Rath verborgen, scheint dir seine Hülfe fern, dennoch wehre bangen Sorgen! Sei getrost, gib dich zufrieden! Gott hat schon dein Loos entschieden. 100. Der kleine wohlthätige Myrtil. Der alte Likas faß bei Sonnenuntergang vor femer Hütte. Sein kleiner Sohn, der eben aus dem Walde kam, blieb in der Ferne stehen und wischte sich die Augen, die er oft gen Himmel richtete. Dies befremdete seinen Later; er rief ihn zu sich. Myrtil eilte auf den gehörten Ruf herbei, und sein liebreicher Vater nahm ihn vor sich auf den Schooß/ „Was ist dir, Lieber?" sagte der Greis, indem er ihm in die Augen sah, die vom Weinen roth gewor- den waren, „fehlt dir etwas?" „Nichts, lieber Vater, ich bin lange nicht so vergnügt gewesen." — Likas. Aber du hast geweint? Myrtil. Nicht aus Betrübniß, mein Vater Likas. Vor Freuden also? Und was ist dir denn begegnet, mein Lieber, daß dich so freudig macht? Myrtil. Lieber Vater, verlange es nicht zu wissen. Likas. Nicht? Und könntest du etwas haben, das dein Vater nicht wissen dürfte? Myrtil, Bester Vater! Hast du mir nicht oft gesagt, daß wir des Guten, welches wrr thun. uns nicht rühmen sollen? Likas. Auch sollst du das nicht thun; mir nur erzählen sollst du, was dir begegnet ist, damit ich mich des Guten, wenn es etwas Gutes ist, erfreuen könne mit dir. Myrtil. Du willst es, lieber Vater, und ich muß gehorsam sein. — Vor einer Stunde, da ich zu meinem Bruder nach der Heerde ging, um ihm das Aben-brod zu bringen, hörte ich im Gebüsch Jemanden reden, und schlich leise hinzu, um zu sehen, wer es sei. Es war ein alter, armer Greis: er lag auf der Erde, und neben ihm ein großes Bündel Holz, auf daß er sich mit dem Arme ge-

9. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 62

1852 - Werl : Stein
62 Schlange, die ihn also anredete: „Guter Wanderer, er- barme dich meiner in dieser drückenden Gefangenschaft. Ich werde des Hungertodes sterben, wenn du den schweren Stein nicht fortwälzest. Schon viele Tage habe ich durch diese Ritzen gelauscht, ob Nicht irgend ein barmherziges Wesen herzukäme und mich erlösete. Sei du der Bote meiner Freiheit und der Retter meines Lebens; ich will dir eben so treu lohnen, wie ihr Menschen die größten Wohlthaten zu belohnen pfleget." Der gutherzige Bauer, welcher die schmerzliche und trostlose Lage der Schlange so lebendig fühlte, als wenn er selbst unter dem Felsen eingekerkert wäre wurde durch die Bitten und das ge- heimnißvolle Versprechen der goldig glänzenden Schlange so sehr bewegt, daß er alle Furcht vor dem gefährlichen Thiere verlor und den Stein sogleich von der Oeffnung entfernte. Aber kaum war die Schlange in Freiheit ge- setzt, da bäumte sie sich schrecklich empor und öffnete den hungrigen Rachen, um den Bauer zu verschlingen. „Holla!" rief der Bauer, indem er dem zischenden Ungeheuer nach der Seite auswich; „ist das der Lohn für die größte Wohlthat, welche dir erwiesen werden konnte?" „Aller- dings," erwiderte die Schlange, „denn Undank ist der Welt Lohn, und ich versprach dir, daß ich dir so lohnen würde, wie die Welt es zu thun pflege." „Das ist freilich wol wahr," entgegnete der Bauer; „auch ich habe oft Undank für meine redlichsten Bemühungen eingeärntet; aber ich habe doch noch niemals gehört, daß Jemand den Retter seines Lebens zur Entgeltung getödtet habe." Solche feine Unterscheidungen," antwortete die Schlange, „kann ich nicht annehmen; Wohlthat ist Wohlthat, und der Welt Dank ist Undank; ich habe lange genug Hunger gelitten. Was hilft mir die Freiheit, wenn ich mich der süßesten Speise enthalten soll, und nickt emmal meinen Hunger stillen darf?" „All mein Vieh steht dir zu Gebote," fiel rasch der Bauer ein; „gehe mit mir, und du kannst dir nehmen, wozu du Lust hast." In diesem Augenblicke sprang ein Fuchs herbei, welcher die letzten Worte des Bauers gehört hatte. „Laß dich nicht erweichen, edle Schlange," rief er hastig; ich sehe, ihr habt Streit, und ich weiß im voraus, daß der Mensch Unrecht hat." „Gewiß!" sagte die Schlange; „sei du un-

10. Ein Lese- und Lehrbuch für obere Klassen der Volksschulen - S. 108

1852 - Werl : Stein
i 08 und treibe auch nicht tm geringsten Spott oder Scherz damit. — Scheue Niemanden so viel, als dich selbst. Denn inwendig, in uns selbst wohnt der Richter, der nicht trügt, und au dessen Stimme mehr gelegen ist, als an dem Bei- falle der ganzen Welt und der Weisheit aller Völker. Nimm es dir fest vor, mein Sohn, nie gegen seine Stimme zu handeln; was immer du sinnest und vorhast, schlage zuvor an deine Stirn und frage recht ernstlich den innern Richter um Rath. — Lerne gern von Zindern, und wo von Weisheit, Menschenglück, Gottesfurcht und Edelsinn geredet wird, da höre fleißig zu. Doch traue nicht zu schnell und in Allem; denn die Wolken haben nicht alle Wasser, und es gibt mancherlei Menschen, die sich weise dünken. Sie meinen auch oft, daß sie schon eine Sacke richtig gefaßt hätten, wenn sie nur davon reden können und viel davon sprechen. Dem ist aber nicht so, mein Sohn! Worte sind Worte, und wo sie so gar leicht und behende dahin fahren, da sei sorgfältig auf deiner Hut; denn die Pferde, welche einen Wagen mit Gütern hinter sich haben, gehen langsamen Schrittes. — So dich Jemand Weis- heit lehren will, so siehe in sein Angesicht. Zeigt sich Dün- kel darin, und sei er noch so gelehrt und noch so berühmt, laß ihn und gehe seiner Kundschaft fern. Prüfe nnt Vor- sicht die Geister, ob sie aus Gott sind. Findest du, daß sie gut sind, und dich zum Guten führen wollen, so folge ihnen und horche aus ihre Ermahnungen; sonst aber meide sie, und hüte dich vor ihren Lehren, die nur den Schein der Weisheit haben. Wenn es dir aber um wahre Weis- heit zu thun ist, so suche nur sie und nicht das Deine; brich deinen Willen und thue, was gut ist, auch dann, wenn das Böse dir trügerisch noch so große Lust verheißt. Gott fürchten und seine Gebote halten, ist der Anfang und die Grundbedingung aller wahren Weisheit. — Sorge für deinen Leib, jedoch nicht so, als wenn er deine Seele wäre; halte ihn stets als ihren fügsamen Diener in gehöriger Ordnung — Gehorche der Obrigkeit, und überlaß es Andern, sich über sie zu streiten. — Sei aufrichtig und ■ offen gegen Jedermann, doch vertraue dich Niemanden sogleich an. — Mische dich nicht in fremde Dinge; aber dte deinigen thue mit Fleiß. — Schmeichle Niemanden, und laß auch dir nicht schmeicheln. — Ehre einen Jeden,
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