A. Die Thüringer Mulde. 65
Über der Stadt thront die N e u e n b u r g. Oas ist eine köstliche perle des ritter-
lichen Lebens im Mittelalter. Ihr Erbauer ist der Landgraf Ludwig der Springer. Sie
war der Lieblingsaufenthalt der Thüringer Landgrafen, hier soll Ludwig der Eiserne
auf dem anstoßenden Edelacker seine widerspenstigen Edelleute in das Zoch des Pfluges
gespannt haben, um ihren unbändigen Trotz zu brechen.
Der Edelacker.
Davon erzählt folgende Sage: Ludwig der Eiserne strafte einst einen ungehorsamen
Kitter. Oas wollten die anderen hochmütigen Ritter nicht leiden und zogen gegen ihn.
Ludwig aber bezwang sie und brachte sie auf die Neuenburg. Oa nahm er sie und führte
sie zu Zelde. hier spannte er je vier der ungetreuen Edelleute, nur mit ihren Hemden
bekleidet, an einen Pflug und ackerte mit ihnen eine Zurche. Oie Diener hielten den
Pflug. Er aber trieb sie mit der Geitzel an und hieb, daß sie sich beugten und oft auf die
Erde fielen. Venn eine Furche geackert war, spannte er vier andere ein, bis das ganze
Land gepflügt war. Oann mutzten ihm die Edelleute von neuem den Treueid schwören.
hier hat Ludwig vor seinem Schwager, dem Kaiser Rotbart, in einer Nacht die
wunderbare Mauer gebaut. Sie bestand aus seinen Rittern und Mannen. Ihr tln-
blick lietz den Kaiser ausrufen: „Zürwahr, eine köstlichere, edlere und bessere Mauer
habe ich zeitlebens noch nicht gesehen." Zur Zeit des Landgrafen Hermann öffnete die
Neuenburg den Minnesängern gastlich ihre Tore. Oa ertönten in ihren hallen Gesang
und Saitenspiel. Oer uralte Zeuge jener glänzenden Tage, der gewaltige Bergfried,
ist jetzt noch das Wahrzeichen der ganzen Gegend.
3. Die Gothaer Mulde.
Landschaftsbild.
1. Lage. Die Gothaer Mulde erstreckt sich vom Thüringer Mitteldecken
bis zum Thüringer lvald. Oen Ostrand bildet die Jlmplatte, den Westrand
der Höhenzug der hörselberge.
2. Bodenbeschaffenheit. Oer Loden besteht vorwiegend aus Keuper. Oer ist
an mehreren Stellen mit lehmartigen Schichten gemischt und bildet einen tiefgründigen,
fruchtbaren Ackerboden. Oie Höhenzüge bestehen meist aus Muschelkalk. Ihre Abhänge
Rödiger, Heimatkunde der Provinz Sachsen. 5
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Ludwig_der_Springer Ludwig Ludwig_der_Eiserne Ludwig Ludwig_der_Eiserne Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Hermann
84 Heimatkunde der Provinz Sachsen.
nach das Tischgebet gesprochen wird. An den langen Winterabenden versammeln sich
die Hausbewohner um die Öllampe. Die Krauen und Mädchen spinnen. Sie Männer
sitzen um den großen Kachelofen und erzählen allerhand Spukgeschichten,- denn der
Aberglaube ist noch sehr verbreitet.
Frau Harke.
1. Das Riesenspielzeug. Zm Jerichower Lande haust der Sage nach Krau
Harke. Sie war eine Riesin und so groß, daß sie vom Harkenberge, in dem sie wohnte,
gleich auf die Rehberger Berge treten konnte. Zn einer höhle des Harkenberges hatte
sie ihr wild: Hirsche, Rehe, Hasen, wilde Schweine. Ms Riesenfräulein ging sie einst
von dem Berge in die Ebene. Da sah sie einen Bauer, der mit seinen Gchsen den flcker
pflügte. Sie breitete ihre Schürze aus und trug das Spielzeug in die Burg. Dort
schalt sie der Vater aus, da der Bauer kein Spielzeug sei. Sie mußte es wieder dahin
tragen, wo sie es gefunden hatte.
2. Entstehung der Rhinomer Berge. Krau Harke war Heidin. Sie wollte
es deshalb nicht haben, daß der havelberger Dom gebaut wurde. Mit einer Schürze
voll Sand wollte sie das Bauwerk verschütten. Aber das Schürzenband zerriß. Der
Sand flog über die Havel, und es entstanden die Rhinomer Berge. Da suchte sie das
Gotteshaus mit einem großen Steine zu zertrümmern. Aber der Stein entglitt ihrer
Hand, heute noch liegt er mit den 'gewaltigen Zingereindrücken auf den Rhinomer
Bergen.
3. Krau Harfe in den zwölf Rächten. In den zwölf Rächten zwischen
Weihnachten und dem 6. Januar fliegt Krau Harke wie Krau Holle segenspendend durch
das Land. Da schaut sie, ob das Vieh regelmäßig sein Kutter bekommt. Die Mägde
müssen in dieser Zeit den Klachs abspinnen, sonst zerkratzt ihnen Krau Harke das
Gesicht. Man darf in den zwölf Rächten keine Hülsenfrüchte essen, sonst schickt sie
allerhand Ausschlag. Am Silvesterabend aber muß man Kische mit recht viel Rogen
essen. Dann sorgt Krau Harke das ganze Jahr für Geld.
2. Volksdichte. Oa die Erwerbsverhältnisse der Landschaft ungünstig
sind, ist sie nur schwach besiedelt. Km dichtesten ist die Besiedlung in den
Klußauen.
3. Siedelungen. Lei Mühlberg an der Elbe schlug Kaiser Karl V. den Kur-
fürsten von Sachsen, verfolgte ihn und nahm ihn in der Lochauer Heide gefangen.
Torgau (13) liegt in der fruchtbaren Elbaue. Die Bewohner treiben daher Ackerbau
und Schiffahrt, hier schlug Friedrich der Große im Siebenjährigen Kriege die
Österreicher.
Bei Wartenburg ging der preußische Generalijork 1813 über die Elbe und besiegte
die Kranzosen. Wittenberg (22y2) = weißer Berg (nach den angeschwemmten weißen
Sandhügeln von den Klämingern so genannt) hat eine fruchtbare Umgebung mit Ge-
treide-, Kartoffel- und Gemüsebau, daher Branntweinbrennereien und Bierbrauereien,
außerdem Tuchfabriken, hier hat Luther in trautem Kamillen- und Freundeskreise
gelebt. Er wohnte im alten Augustinerkloster, hier schlug er die 95 Glaubenssätze an
die Schloßkirche. Sie sind an der Tür der Schloßkirche in Erz eingegraben. Den Markt-
platz zieren die Denkmäler Luthers und Melanchthons. In der Schloßkirche liegen die
beiden großen Männer begraben. In der Südostecke der Landschaft liegt das berühmte
Eisenhüttenwerk Lauchhammer. Dort ist das Lutherdenkmal von Worms in
Bronze gegossen worden. An der Schwarzen Elster liegen die kleinen Landstädte E l st e r -
werda, Liebenwerda, Herzberg, Schweinitz und Jessen. Die Bewohner
treiben meist Ackerbau.
In fruchtbarer Riederung nördlich von der Elbe liegt die anhaltische Stadt Z e r b st.
Diele Häuser haben mittelalterliche Bauart. Ihre hohen, steinernen Giebel sind nach der
Straße gerichtet. In einem großen, schönen park liegt das herzogliche Schloß. Zerbst
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Friedrich_der_Große Friedrich Luther Jessen
94
Heimatkunde der Provinz Sachsen.
müssen sechs Pferde vor den Pflug gespannt werden. Zur Zeit der Schnee-
schmelze durchbrechen manchmal die wilden Zluten der Elbe den haushohen
Elbdamm und setzen die ganze Gegend unter Wasser. Die Verwüstungen
an Hab und Gut der Bewohner sind dann schrecklich. Aber das Hochwasser
setzt dafür den fruchtbaren Schlamm ab. Zwischen dem Elbdamme und Elb-
bette breiten sich Wiesen aus. Oa sie jedes Jahr vom fetten Schlamme
des Elbhochwassers gedüngt werden, sind sie sehr fruchtbar.
fluch der Orömling an der Westgrenze der flltmark ist ein solches
Niederungsgebiet. Er war früher ein großer Sumpfwald, der von der Ghre
durchflössen wurde. Wenige trockene Stellen, die horste, ragten aus dem
Sumpfe heraus. Oer Sumpf war unzugänglich. Nur bei starkem Droste
konnten die Bewohner der Umgebung ihr Lau- und Nutzholz schlagen. Oa
ließ Friedrich der Grohe den Orömling entwässern. Oie Ohre wurde an beiden
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280
dazu. Mit verdoppelter Anstrengung und Hellene Schlachtgesange stürmten
sie von allen Seiten heran; der Feldherr Varus verlor gänzlich den
Muth und stürzte sich, nachdem er schon mehrere Wunden empfangen
hatte, selbst in sein Schwert; viele der Anführer thaten deßgleichcn;
keiner widerstand mehr. Die Deutschen hatten nichts weiter zu thun,
als die Ermatteten und Fliehenden niederzumachen oder gefangen zu neh-
men. Nur wenigen einzelnen Römern gelang es, in der Dunkelheit
der Nacht zu entkommen und durch glückliche Umstände begünstigt zu den
festen Plätzen zu entfliehen, wo sie ihren Landsleuten die traurige Bot-
schaft von dem Untergang des Narus mit seinem ganzen Heer ver-
kündigten.
Die Deutschen feierten unterdeß große Freudenfeste. Die gefange-
nen Kriegsobersten wurden, wie Opferthiere, den Göttern zu Ehren ab-
geschlachtet, andere Gefangene an Bäume aufgehängt oder als Sklaven
vertheilt. Dieses letztere Loos traf namentlich viele vornehme Römer.
Noch vierzig Jahre später wurden einige derselben von ihren Landsleu-
ten nach einem Treffen im Hessischen aus ihrer langen Knechtschaft be-
freit. Der Kopf des gefallenen Varus ward den Römern zum gräß-
lichen Wahrzeichen übersendet. Besonders übel ging es den römischen
Sachwaltern, die so oft mit ihren glatten Zungen das Recht verdreht
hatten. Einem solchen wurde die Zunge mit glühenden Nadeln durch-
stochen, wobei man ihm höhnend zurief: „Nun züngle, du Schlange!"
Dieser Sieg, der unserem Vaterlande Freiheit und Selbständigkeit
gerettet hat, ist im Jahr 9 nach Christi Geburt erfochten worden.
Hermann begnügte sieb aber nicht damit, nur den Varus geschla-
gen zu haben, er eroberte und zerstörte auch alle römischen Festen, die
diesseits des Rheins waren, und hörte nicht auf, bis er an den Ufern
dieses Stromes stand. Weiter ging er nicht; er hatte nur den vater-
ländischen Boden von den fremden Unterjochern befreien wollen.
In Rom aber glaubte man ihn schon auf dem Wege nach Italien,
und der alte Schrecken vor den Cimbern und Teutonen, die hundert
Jahre vorher zuerst den Römern deutsche Tapferkeit und Waffen fühlen
ließen, erneuerte sich. Der Kaiser Augustuö, der sich sonst wohl zu
fassen wußte, verlor diesmal alle Besinnung, rannte mit dem Kopf gegen
die Wand und rief dabei aus: „Varus, Varus, gib mir meine Legio-
nen wieder!"
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Extrahierte Personennamen: Varus Muth Varus Hermann Varus Varus
31
14. Das isländische Moos.
Die Flechten überziehen in gar mannigfaltiger Gestalt und
Farbe, bald schön citronengelb, bald schwefelgelb, bald grün, bald grau
und schwarz, Baumrinden, alte Bretterwände, Felsen und Mauern
und sind auf ihrer Oberfläche mit kleinen Schüsselchen, Knöpfchen,
Schildchen u. s. w. bedeckt, aus denen, so wie aus den Rissen der
Oberfläche selbst ein Staub ausgesondert wird, aus dem neue Flech-
ten entstehen. Darunter gibt es sehr nützliche, wie die Lackmus-
schildflechte, aus der man einen Lack zum Blaufärben bereitet; vor
allen aber das isländische Moos, welches wohl eines der nützlichsten
Gewächse in der Welt ist. Es wächst in den ärmsten, nördlichsten
Ländern, wie Island, Lappland, sehr häufig und auch hin und
wieder in unsern deutschen Gebirgswaldungen und auf dürren Heide-
plätzen. Die Blätterlappen, die ziemlich gerade in die Höhe stehen,
sind steif, doch biegsam, nach unten breiter, nach oben in schmale
Aestchen zertheilt, die sich in noch kleineren mit zwei Spitzen enden.
Die innere Fläche ist hohl, grün und zugleich ins Röthliche fallend,
glatt; außen sind sie weißlich oder grünlich gelb. Am bittern Ge-
schmacke, der sehr stark ist, erkennt man aber das isländische Moos
am besten. In Auszehrungen und Brustkrankheiten ist es ein vor-
zügliches Mittel, das oft noch Rettung verschafft. In Krain mästet
man Schweine damit; magere Pferde und Ochsen, so wie manche
kranke Schafe werden, wenn man sie isländisches Moos fressen läßt,
ganz feist davon. Die Isländer schätzen es fast so hoch als Mehl,
indem sie Brod davon backen, oder es mit Milch gekocht genießen.
Jenes arme Volk könnte in seinem so wenig hervorbringenden Lande
kaum leben ohne das isländische Moos, das dort alle nackten Felsen
überzieht, wo sonst kein anderes Kraut wachsen könnte, und mit
Recht von dem dortigen Landmanne höher geachtet wird, als alle
Bäume und Kräuter seines Landes. Wenn im Anfang, ehe Island
von Pflanzen bewohnt war, die Meereswellen, so wie sie es jetzt
daselbst noch öfters thun, von einer fernen Küstengegend einen edlen
Baum, z. B einen guten Obstbaum und auf seiner Rinde das un-
scheinbare isländische Moos, an die Jnselküsten getrieben hätten,
und beide hätten reden können, da würde wohl der Baum groß-
sprecherisch zum kleinen Moos gesagt haben: „Da komm' ich nun,
geführt von den Wellen des Oceans, als ein künftiger Wohlthäter
an diese Insel, und bald werden meine schönen Blüthen und meine
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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Extrahierte Ortsnamen: Island Lappland Krain Island
290
137. Völkerwanderung.
(375—476 nach Christi Geburt.)
Im Jahr 395 nach Christi Geburt theilte Thevdosius der Große,
der letzte fromme und kraftvolle römische Kaiser, sein gewaltiges Reich
unter seine beiden Söhne. Der eine, Honorins, bekam den abend-
ländischen Theil und wohnte in Rom. Der andere, Arkadius, erhielt
den morgenländischen Theil und nahm seinen Sitz in Constantinopel.
Das letztere Reich bestand noch über tausend Jahre; das erstere nicht
mehr volle hundert. Längst schon waren deutsche Völker an den
Grenzen des römischen Reichs gelagert, wie die Gothen in Südruß-
land am schwarzen Meere, die Alemannen an der obern Donau,
und die Franken am untern Rhein, und warteten auf eine gute
Gelegenheit, über die blühenden Fluren des reichen Römerlandes her-
zufallen und sie einzunehmen. Diese Gelegenheit ließ Gott nun kom-
men. Das Alte sollte untergehen, und neue Völker sollten das Evan-
gelium kennen lernen, nachdem sie den Römern gethan hatten, wie
einst die Israeliten den bösen Kananitern hatten thun müssen. —
Von Morgen her kam (375) ins südliche Rußland ein wildes Volk
heran, die Hunnen, Leute mit schwarzem, struppigem Haar, schmutzig
gelber Gesichtsfarbe, schiefen Augen, breitschulterig und klein von
Leibe, und so fürchterlich wild, als sie häßlich von Ansehen waren.
Von ihren Pferden waren sie fast unzertrennlich. Sie aßen, tranken
und schliefen daraus. Wurzeln und rohes Fleisch waren ihre Speise.
Ihre schmutzigen Weiber und Kinder führten sie in Karren mit sich.
So jagten sie durch die Welt von Land zu Land, raubten, sengten
und mordeten, und jagten die Völker vor sich her, wie ein Wolf die
Heerde. Zuerst stießen sie auf die Gothen. Ein Theil derselben, die
Westgothen, floh ins römische Reich, durchzog einige Zeit nachher
plündernd das schöne Italien, und ließ sich endlich in Spanien und
dem südlichen Theil des heutigen Frankreichs nieder. Ein wilder Haufen
nach dem andern drang plündernd in Italien ein, das so manches
Jahrhundert die ganze gebildete Welt beherrscht hatte, und die schwachen
Kaiser konnten es nicht hindern. Ja, am Ende setzten deutsche Völker,
die Heruler und Rugier, gar den letzten römischen Kaiser Romulus
Augustulus ab und machten ihren Fürsten Odoaker zum König von
Rom. Der wollte aber nicht einmal in der armen, fast ganz verwüste-
ten Stadt wohnen; so verachtet, so verfallen war das einst so mäch-
tige Rom! Da war es ihr ergangen wie all den Städten und Län-
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Extrahierte Personennamen: Romulus
Augustulus
Extrahierte Ortsnamen: Christi Christi Honorins Rom Constantinopel Donau Rhein Italien Spanien Frankreichs Italien Rom Rom
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Franken
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— m —
bis auf wenige Familien gestorben oder verdorben. Ohne Unterricht, ohne Gottesdienst war das junge Volk aufgewachsen in Roheit und Sittenlosigkeit; von den Soldknechten der Heere hatte es Gewalttätigkeit und Verbrechen aller Art gelernt.
Über den ehemaligen Acker war Wald gewachsen; angebaut wurde nur so viel Feld, als 3um (Ertrage der nötigen Nahrung erforderlich war. Der wert der Grundstücke war ungemein gesunken. Ost weigerten sich Nachbarn, anstoßende herrenlose Acker schenkungsweise anzunehmen, um die darauf lastenden Bodenabgaben nicht zahlen zu müssen.
Die Ortsgeschichten belegen diese 2lngaben mit (Einzelbeispielen. So schreibt die dhronif von Gerolzhofen:
„(Ein jammervolles Bild boten Stadt und Markung von Gerolzhofen nach den Drangsalen des Krieges. Die Mittel des Stadthaushaltes waren völlig erschöpft, Stadt- und Landgemeinden an den Bettelstab gebracht. Greulichen Anblick bot das Gebiet der Stadtmarhmg, der Umgebung, dessen ausgebrannte, totenstille Dörfer Lindelach, Rügsbofen, Stockheim, Alitzheim, Mittelmühle in Trümmern lagen. Rügshofen erlangte feinen früheren Umfang nicht wieder, Lindelach erhob sich überhaupt nicht mehr. Auren und wiesen waren nach langem Verwildern ertraglos, Acker und Weingärten von wildem Buschwerk überwuchert. Auch der sittliche Zustand der gelichteten Bevölkerung hatte begreiflicherweise sehr stark gelitten unter den (Eindrücken endloser blutiger Greuel, unbeschreiblicher Ausschreitungen, jammervoller Seuchen, He$enverfolgungen und Kriegsläufe. Zahlreiche Güter waren herrenlos und fanden tatsächlich keinen Herrn."
In der Ortsgeschichte von Untererthal ist zu lesen:
„Zwischen \652 und \650 verschwanden Nachbarn mit Familienangehörigen. Gegen (Ende der Kriegstvirren waren an die 50 Hofstätten verödet. Von 25 dem Frhrn. von (Erthal zustehenden Häusern standen 20 leer. Die unbewohnten Häuser waren teilweise abgebrannt oder verfallen. Steine und Holz verwendeten die den Krieg überlebenden Nachbarn zum Ausbessern ihrer baufälligen Heimstätten. Felder, wiesen und Weinberge lagen größtenteils brach; sie waren vielfach mit Hecken und Stauden verwachsen. Auf Hetzloser Markung waren \658 von 295 Morgen (Erthaljcher Acker nur ungefähr 40 Morgen bebaut, „das übrige mit Hecken und Holz verwachsen". Von \03 Morgen wiesen konnten nur 35 Morgen genutzt werden, die übrigen waren verwachsen und verwildert. Noch um 1?oo lagen \56 Morgen Feld bei Hetzlos wüst und das Dorf zählte noch ^6 öde Hofstätten.
Hier wie überall wurde die Markung neu vermessen, da sie „mit Holz, Hecken und Sträuchern dergestalt verwachsen, daß sich darinnen schwerlich mehr zu finden".
Die Stadt Karlstadt hatte ^670 {7? leere Häuser. Infolge der großen Verarmung der (Einwohnerschaft wurde der Gemeindewald verteilt.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Württemberg
Geschlecht (WdK): koedukativ
43
Gebirgsrändern der Schwäbischen Alb, im Norden wogt tannendunkel und
schluchtenreich das düstere Wäldermeer des Virngrundes. Über Ellwangeu
erhebt sich der Schloßberg mit dem stolzen Schloß Hohenell-
Wangen und der Schönenberg mit den weithin sichtbaren Doppeltürmen
seiner Wallfahrtskirche. Westlich von Crailsheim steigt ans den endlosen
Waldein der aussichtsreiche Burgberg auf.
b) Flüsse: Der Hauptfluß der Ellwanger Berge ist die Jagst,
die im Albvorland entspringt, zuerst uach Südwesten stießt, dann durch die
Alb genötigt wird, nach Norden umzubiegen. Sie fließt au Ellwangen
vorbei durch ein stilles Wald- und Wiesental, bis sie bei Crailsheim die
Hohenloher Ebene erreicht.
e) Erwerbsquellen: Die Sandböden der Ellivanger Berge (Stuben-
sandstein) siud für deu Ackerbau wenig ergiebig, und die ganze Gegend
gehört zu den am dünnsten bevölkerten Teilen unseres Landes. Am besten
gedeihen in dem mageren Boden die Kartoffeln. Lohnender als der
Ackerbau ist die Viehzucht, die durch die saftigen, reich bewässerten Wiesen
der Talgründe begünstigt wird. Tie Milch wandert meist in die zahl-
reichen Molkereien, welche die Butter bis uach Norddeutschland verschicken.
Das Schlachtvieh wird von jüdischen Händlern sür die Rheingegend ans-
gekauft. Von großer Bedeutung für die Viehzucht und den Viehabsatz
sind die Ellwanger Viehmarkte. Auch die Schafzucht wird immer noch
stark betrieben. Infolge des rauhen Klimas gedeihen nur rauhere Obst-
forteu. An den Straßen stehen statt der Obstbäume häufig Vogelbeerbäume.
Neben dem Vieh ist das Holz das Hauxterzeugnis der Lllrvanger
Berge. Das Langholz wird zum großen Teil mit der Eisenbahn nach
Heilbronn und von dort mittels Flößen an den Niederrhein ver-
srachtet. Das Scheiterholz wandert meist in die Holzhandlungen Stutt-
garts. Außerdem wird es zu Weinbergpfählen, Rechen, Schachteln,
Schaufeln usw. verarbeitet. Früher wurde das Kohlenbrennen sehr
stark betrieben; jetzt zieht in den Wäldern nur uoch sehr selten der
Ranch eines qualmenden Kohlenmeilers um die Wipfel der stolzen
Tannen. Die Glasbereitung hat völlig aufgehört. Dagegen
bringt die Befchäftiguug in den Wäldern und das Sam-
meln vou Beeren manchen Verdienst. In den Orten, wo die Zahl der
Feldteile klein oder der Boden noch sandiger als sonst ist, müssen viele
Leute als Hausierer ihr Brot verdienen. Sie handeln mit groben
Holz waren, die infolge des großen Holzreichtums in manchen Orten
hergestellt werden. Die Bewohner der Orte Matzenbach, Uuterdeuf-
stetten und Wildenstein handeln mit Wichse, Faden, Zündhölzern, Woll-
waren sowie mit Geschirr aus Ton, Steingut, Porzellan und Email. Sie
ziehen vom Frühjahr bis zum Spätherbst von Dorf zu Dorf, vou Stadt
zu Stadr und besuchen namentlich die Messen und Märkte. Ihr überdeckter
Wagen, welcher von inageren Pferden gezogen wird, beherbergt anßer
den Waren auch uoch die ganze Familie. Diese Hausierer sind genügsame
Leute, die sich in ehrlichem, aber saurem Handel mühsam und kümmerlich
nähren, immer mutig und munter und damit zufrieden, unter der weißen
Decke ihres Wagens ein Obdach für Weib und Kind zu haben.
d) Lrte: An der Jagst: Ellwangen, Sitz der Kreisregierung, erst
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
TM Hauptwörter (200): [T70: [Stadt Donau München Stuttgart Neckar Nürnberg Ulm Schloß Augsburg Regensburg], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
vie Zeit der Vlkerwanderung.
I. (Bermartiett und die Gerinanen.
Jl Das Land und die Bewohner. Auf alle Völker blickten die Rmer herab; auch auf die Germanen. Wie arm erschien ihnen das Land dieser Nachbarn gegen das ihre! Es sah aber auch damals ganz anders aus als heute. Ungeheure Wlder und Smpfe bedeckten es zum grten Teil. berall hausten Bren, Wlfe und Luchse, Auerochsen und Elentiere. Die
Germane mit erobertem, rmischem Feldzeichen. Germanin.
Luft war kalt, der Bodeu feucht. Den Rmern zeigte sich Germanien als ein Land, in dem immer Winter herrschte und wo es nie recht Tag wurde.
Und doch fhlten sich seine Bewohner hier wohl. Sie waren groe, krftige Gestalten mit blauen Augen und blondem Haar. Gewhnlich trugen sie ein leinenes oder wollenes Gewand ohne rmel; die Männer
Froning-Klar mann-Wewer. Geschichte fr Mittelschulen. Hl Teil. 1
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7. Die Religion. Unsere Vorfahren dachten sich die ganze Natur voll gttlicher Wesen. Auf den Bergen hausten gewaltige Riesen-in Wald und Busch, in Wiese und Heide walteten die flinken Elbentief unten in Hhlen und Bergen wirkten migestaltete Zwerge. Wenn der Sturm der Wald und Heide fegte, dann sahen die Germanen in den Wolken ihren Hauptgott, den Wodan, daherfahren. Sie erkannten deutlich seinen langen Bart, seinen Sturmhut und sein eines Auge. Wenn die Blitze zuckten und der Donner grollte, dann schauten sie ganz genau Donar oder Thor, wie er mit feurigem Haar und Bart auf rasselndem Wagen durch die Lfte fuhr und seinen gewaltigen Hammer auf die Erde warf. An ihn erinnert noch der Donnerstag.
Wodans Gemahlin war Freia. Sie beschtzte Familie, Haus und Herd. Ihr war der Freitag gewidmet. Die Gttin Nerthus oder Hertha fuhr alljhrlich auf ihrem heiligen Wagen durch die Fluren; wo sie vorbei-gekommen war, da wuchs das schnste Korn.
Vor den Gottheiten hatte der Germane groe Ehrfurcht. Ihnen brachte er seine Opfer dar, um sich ihre Gunst zu erkaufen. Mitten im Walde unter einer heiligen Linde oder Eiche stand ein steinerner Altar. Fr den Gott opferte er dort gern das Beste, was er an Vieh hatte. Bei solchen Gelegenheiten schonte der Germane auch sogar nicht seinen Liebling, das Pferd. Vom Fleische der Opfertiere aen dann alle Anwesenden. Manch-mal bluteten auch verhate Feinde auf den Altren.
Wollten die Germanen die Zukunft wissen, so fragten sie weise rauen oder sie warfen Runenstbchen auf weiem Tuche. Diese tbcheu waren aus Buchenholz und mit geheimnisvollen Zeichen versehen. Aus diesen whlten sie drei aus und deuteten die Zeichen auf ihnen.
Starb der Germane, so lie ihm die Sippe ein Grab aus Steinplatten herrichten. In ihm wurde der Tote mit seinen Waffen beigesetzt. Man gab ihm auch allerhand Schmuck mit, den er besonders gern angelegt hatte; sogar Speise und Trank fgte man fr die Reise ins Jenseits'bei. Dann wurde eine Steinplatte darauf gelegt, und der ihr wlbte sich ein groer Hgel. Solche Grber sind noch zahlreich vorhanden: sie heien beim Volke Hnengrber. In spterer Zeit verbrannte man die Toten und setzte ihre Asche in Urnen bei. Daher findet man in den Hnengrbern meist steinerne Waffen, in den Urnengrbern hufiger solche von Bronze.
Ii. Die Germanen als Nachbarn des Hmerreiches*
1. Friedliche Zeiten. Der Limes*) schtzte das Rmerreich viele Jahr-zehnte wie ein fester Damm gegen die Germanengefahr. Da sich nnsre Vorfahren aber sehr stark vermehrten, reichte ihr Gebiet fr die vielen Leute nicht aus. So muten sie nach der andern Seite hin Land zu gewinnen suchen. Ihre Scharen drangen nach Osten bis in die heutige russische Steppe vor. Dort bauten sie leichte Holzhuser, die schnell wieder ab-
*) Vergl. Teil Ii, Seite 80.
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