118
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Entwicklung verfolgen konnte. Der Herzog von Braunschweig mit der
preußischen Hauptarmee, die bei Weimar stand, entsandte an eben jenem
Morgen einen Teil seiner Truppen nach Sulza und in der Richtung
auf die Höhen von Auerstädt. Der Fürst Hohenlohe stand mit seiner
Armee auf den Höhen zwischen Jena und Weimar; seine Linie dehnte
sich in einer Länge von 6 Stunden aus; der wichtigste und höchste
Punkt der ganzen Stellung, der Landgrafenberg, war unbesetzt.
Indem der Schafhirt seinen Blick von den Höhen dem Tal zu-
wandte, gewahrte er unten die Franzosen, die mit Reiterei und zahl-
reichem Geschütz im Anzug waren. Napoleon hatte mit scharfem Feld-
herrnblick die Wichtigkeit des Landgrafenbergs sofort erkannt und ihn
durch Infanterie besetzen lassen. Er selbst war auf dessen Spitze
hinaufgestiegen und konnte von hier aus die ganze Stellung des preußi-
schen Heeres beobachten und danach seinen Schlachtplan für den folgen-
den Tag entwerfen. Aber wie sollte man Reiterei und Artillerie an
den steilen, hohen Abhängen des Berges hinausschaffen? Vergebens bot
man alles mögliche auf, den Zugang zu gewinnen; aber es war rein
unmöglich, wenn man nicht einige Zeit darüber verlieren wollte. Selbst
die Infanterie hatte die größte Mühe gehabt, auf den schmalen und
steilen Pfaden den Berg zu erklimmen.
Der Schäfer beobachtete die Verlegenheit der Franzosen mit wahrer
Schadenfreude und jubelte darüber in feinem Herzen. „Wenn er den
Weg wüßte", sprach er vor sich hin, „der dort auf die Höhe führt!
Aber er weiß ihn nicht und wird ihn nicht finden. Es weiß ihn ja
kaum jemand außer mir. Fast scheint es unmöglich, den Berg hinaus-
zukommen, und doch bin ich früher mehr als einmal auf dem Wege
nach seinem Gipfel geritten."
Plötzlich wurde der Schäfer durch das Geräusch herannahender
Schritte aus seinen Gedanken aufgeschreckt, und als er sich umwandte,
sah er mehrere französische Soldaten den Abhang herabkommen und
sich ihm nähern. Hinter ihnen erblickte er einen Mann aus seinem
Heimatdorf, der als Parteigänger der Franzosen bekannt war. Sofort
leuchtete dem alten Schäfer die Gewißheit ein, daß er den Franzosen
verraten sei, und da er an Entkommen nicht denken konnte, folgte er
den Soldaten nach dem Gipfel des Landgrafenbergs, wo der Marschall
Lannes sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Der französische Feld-
herr ließ eine Weile seine Augen forschend auf dem Hirten ruhen;
dann sprach er: „Euer Landsmann hat uns berichtet, daß ihr einen
Weg wisset, auf dem Pferde und Geschütze hier herausgeschafft werden
können. Ist dem so?"
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Gesundheit und Leben für uns hinzugeben bereit sind! Spenden
wir schnell und reichlich, damit die Streiter für das heilige Recht
mit dem tröstenden Gedanken in den Kampf gehen, daß das Schick-
sal ihrer Lieben treuen ksänden anvertraut ist.
Viktoria, Kronprinzessin."
203. Ein kühner Ritt.
Tlieodor Fontane.
Der Krieg gegen Frankreich 1870—71. Berlin 1873. 1. Halbband. S. 105.
Am 23. Juli 1870 abends wurde dem Grafen Zeppelin vom badischen
Generalstab der Auftrag erteilt, zu erforschen, ob die Armee Mac Mahons
schon gegen die Lauter vorgehe und insbesondere, wo die 3. Division dieser
Armee sich befände. Vier Ofsiziere nahmen freiwillig an diesem gefähr-
lichen Ritte teil, und acht Dragoner wurden ihnen zur Begleitting mitgegeben.
Unentdeckt gelangten die Reiter bis an die kleine feindliche Festung Lauter-
bnrg. Um zu prüfen, tvie es darin aussehe, hatte Graf Zeppelin bestimmt,
dreist einznreiten und auf der Hauptstraße vorzudringen. Als diese ersten
deutschen Reiter ans feindlichem Boden, den Säbel in der Faust, mit
jubelndem Hurra ins Tor sprengten, stürzte die kleine französische Wache
zwar an die Gewehre; aber vor dem Anprall der flinken Reiter stob die
Mannschaft rasch auseinander und flüchtete in die nächsten Häuser. In
sausendem Galopp ging es durch die Festung und zum andern Tore hinaus.
In einiger Entfernung ließ Graf Zeppelin eine Telegraphenstange fällen
und die Drähte abschneiden, um die telegraphische Meldung des Vorganges
anfznhalteit. Bei dem Dorfe Kröttweiler wurde eine französische Patrouille
übersatten und zum Teil gefangen genommen. Nun schickte Graf Zeppelin
einen Ofsizier und drei Dragoner mit wichtigen Meldungen nach Karls-
ruhe zurück.
Die attdern draitgen iveiter vor und verbrachten die nächste Nachl
schlaflos in einem Gehölz. Die Reiter lagen dicht zusammengeschart am
Boden, ihre gesattelten Pferde am Zügel haltend. Mit Tagesgrauen
rückten sie, die Ortschaften vermeidend, auf der Straße nach Wörth vor.
Im Walde jenseits Elsaßhansen stellte es sich gegen Mittag als unab-
weisbares Bedürfnis heraus, daß eine Rast zum Füttern und namentlich
zum Tränken der Pferde gemacht werden müsse. Da sonst kein Wasser
zu entdecken tvar, konnte dies nur an einem Brunnen geschehen. Ein
solcher mußte sich auf dem nahen, einsam gelegenen Schenerlenhof be-
sinden. Dort tränkte man schnell die erschöpften Pferde und warf ihnen
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390
langer Zeit wieder die erste Labung. Der Bauer melkte seine beiden
Kühe, und die Tochter schenkte ihm zwei Birnen, die sie für den eignen
Durst zu sich gesteckt hatte. Mit einem herzlichen „Vergelt's Gott!" schied
er von den guten Menschen.
Seine Karten, mit denen Graf Zeppelin im Augenblick des Überfalls
sich beschäftigt hatte, waren im Scheuerlenhof liegen geblieben; deshalb
mußte er sich mühsam einen Weg durch rauhes, unwegsames Waldgebirge
suchen. In tiefer Nacht erreichte er bei Sulztal die einsam im Walde
gelegene Behausung eines Quäkers. Hier wagte er es, den Rest der
Nacht zu verbringen. Am nächsten Morgen mußte er eine ziemlich lange
Strecke auf einer von feindlichen Patrouillen stark begangenen Straße
reiten. Dabei kam ihm zu statten, daß er ein Pferd mit französischer Auf-
zäumnng ritt und daß damals die Uniformen der verschiedenen feindlichen
Truppenteile bei der französischen Armee selber noch nicht allgemein bekannt
waren. Durch unbefangene und zuversichtliche Haltung suchte er die Feinde
möglichst zu täuschen.
Voll Dankes gegen Gott für seine Rettung betrat er bei Schönau
in der Rheinpfalz den deutschen Boden wieder. Er traf hier auf bayrische
Vorposten. Von dort hatte er noch beinahe 60 km bis Karlsruhe zurück-
zulegen, wo er noch am Abend des 26. Juli seine Meldungen erstattete.
304. Der Trimnphzug und der Tränenzug.
Die Schlackt bei Wörth war entschieden. Die Franzosen räumten
das Dorf Fröschweiler, und die Deutschen folgten ihnen auf dem
Fuße. Während das siegende Heer teils in geschlossenen Zügen
vorüberflutete, teils in aufgelösten Haufen das eroberte Dorf aus-
plünderte, erscholl plötzlich von Wörth herauf ein unbeschreibliches Ge-
töse. Es mußte wieder etwas Neues, Außerordentliches im Anzug
sein. Die Soldaten sprangen, wie von elektrischem Feuer entzündet,
zu allen Häusern und Höfen hinaus, stellten sich in Reih und Glied
und bildeten auf beiden Seiten der Straße eine undurchdringliche
Mauer. Ich stand auf der Haustreppe. „Was ist denn?" „Der
Kronprinz kommt! Der Kronprinz kommt!" Ich kann nicht sagen,
wie diese Nachricht meine Seele durchzuckte. Ich rief meinen Leuten
zu: „Schnell heraus! Der Kronprinz von Preußen kommt!" Und
das Getöse dringt immer näher, und das Trinmphgeschrei wird immer
größer. Jetzt sind sie im Unterdorf; horch, wie sie jubeln! Gebt acht,
Karl Klein.
Fröschweiler Chronik. München 1906. 24. Auflage. S. 131.
I
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Extrahierte Personennamen: Karl_Klein Karl Fröschweiler
397
wurde der Entwurf beendet, und ich suchte gegen 3 Uhr meine Lager-
stätte auf.
Kaum hatten wir uns am andern Morgen angekleidet und Kaffee
getrunken, da hieß es: „Der Kaiser ist da und wartet in einem Hause
ungefähr V« Meile von Donchery." Sogleich fuhren die Generale
von Mollke und von Podbielski mit uns hinaus. Graf Bismarck, der
zuerst Kenntnis davon erhalten hatte, befand sich schon dort.
Es machte den Eindruck, als ob es dem Kaiser erwünscht gewesen
wäre, nicht länger in der Mitte seiner Armee zu verweilen. Tie
Niederlage hatte bei derselben alle Disziplin aufgelöst; wurde die Voll-
ziehung der Übergabe erst bekannt, fo war von den aufgebrachten
Soldaten alles zu befürchten. Deshalb war er bereits frühzeitig bei
unsern Vorposten erschienen. Wir fanden das Geiolge des Kaisers
vor einem kleinen Bauernhans, das an der großen Straße lag. General
von Mollke trat in das Haus. Vergeblich versuchte der Kaiser, bessere
Bedingungen zu erwirken. Sehr bald kam General von Moltke wieder
heraus und fuhr mit der in der Nacht entworfenen Kapitulation Seiner
Majestät dem König entgegen, der von Vendresse sich wieder nach dem
Punkt begeben hatte, von dem aus er gestern die Schlacht geleitet.
Dann erschien auch der Kaiser, ließ sich auf einem Stuhle vor dem
Hause nieder, eine Zigarette nach der andern rauchend. Ich sah ihn
zum ersten Male; er erschien mir klein, etwas korpulent, erdfahl, das
Kinn auf der Brust ruhend. Dabei sah er äußerlich ruhig, fast gleich-
gültig aus, nur daun und wann zeigte ein leises Aufatmen die innere
Bewegung. Eine stattliche Eskadron des Leib-Kürassier-Regiments,
welche die Bewachung übernahm, erregte die Aufmerksamkeit der
französischen Generale; sonst zogen nur Trains mährend der ganzen
Zeit ans der Landstraße vorüber.
Für die etwaige Zusammenkunft mit dem König hatte Graf Bis-
marck seine Wohnung in Donchery angeboten. Der Kaiier wollte je-
doch nicht gern in den Ort hinein; Geueralstabsoffiziere wurden daher
ausgesandt, einen geeigneten Punkt ausfindig zu machen. Eine Viertel-
stunde von uns, unweit des Dorfes Frenois und der Maas, blickte
aus den Gebüschen ein kleines Schlößchen hervor; dies erwies sich als
geeignet, und dorthin setzte sich der Zug in Bewegung. Wir fuhren
voran, dann folgten zwei Züge Leib-Kürassiere, hierauf der Kaiser in
seinem Wagen nebst seinem Gefolge, letzteres teils fahrend, teils reitend;
den Schluß bildete der Rest der Kürassiere. Aus den an der Straße
liegenden Biwaks stürzte natürlich alles an den Weg.
Das Schlößchen war von einem gut gehaltenen Park umgeben
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Extrahierte Personennamen: Donchery Podbielski Bismarck Mollke Moltke
400
am Morgen, und es entspann sich nach und nach ein sehr hitziges
Gefecht, wobei in den Dörfern Haus für Haus genommen werden
mußte, was fast den ganzen Tag dauerte. Als ich um acht Uhr
auf der Front vor Sedan eintraf, begann die große Batterie
gerade ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Blinkten
entspann sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stunden-
lang dauerte, und währenddessen von unsrer Seite nach und
nach Terrain gewonnen wurde.
Sehr tief eingeschnittene Schluchten mit Wäldern erschwerten
das Vordringen der Infanterie und begünstigten die Verteidigung.
Die Dörfer wurden genommen, und allmählich zog sich der
Feuerkreis immer enger um Sedan zusammen. Es war ein
grandioser Anblick von unserer Stellung auf einer dominierenden
Höhe hinter jener genannten Batterie. Der heftige Widerstand
des Feindes fing allmählich an nachzulassen, was wir an den
aufgelösten Bataillonen erkennen konnten, die eiligst aus den
Wäldern und Dörfern zurückliefen. Die Kavallerie suchte einige
Bataillone unseres fünften Korps anzugreifen, die eine vor-
treffliche Haltung bewahrten; die Kavallerie jagte durch die
Bataillonsintervalle durch, kehrte dann um und auf demselben
Wege zurück, was sich dreimal von verschiedenen Regimentern
wiederholte, so daß das Feld mit Leichen und Pferden besäet
war, was wir alles von unserm Standpunkte genau mit ansehen
konnten.
Da sich der Rückzug des Feindes auf vielen Stellen in
Flucht auflöste und alles, Infanterie, Kavallerie und Artillerie,
in die Stadt und die nächsten Umgebungen sich zusammendrängte,
aber noch immer keine Andeutung sich zeigte, daß der Feind
sich durch Kapitulation aus dieser verzweifelten Lage zu ziehen
beabsichtige, so blieb nichts übrig, als durch die genannte
Batterie die Stadt bombardieren zu lassen. Als es nach ungefähr
zwanzig Minuten bereits an mehreren Stellen brannte, was mit
den vielen brennenden Dörfern in dem ganzen Schlachtkreise
einen erschütternden Eindruck machte, so ließ ich das Feuer
schweigen und sendete den Oberstleutnant von Bronsart vom
Generalstabe als Par 1 am entär mit weißer Fahne ab, der Armee
und Festung die Kapitulation antragend. Ihm begegnete bereits
ein bayerischer Offizier, der mir meldete, daß ein französischer
Parlamentär mit weißer Fahne am Tore sich gemeldet habe.
Der Oberstleutnant von Bronsart wurde eingelassen, und auf
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374
oder Pinsels. Schon nach einer Viertelstunde erwachte er und
warf einen großen, verwunderungsvollen Blick im Kreise umher,
in dem die Empfindung zu liegen schien, daß sein Glück in
Trümmer gebrochen, vielleicht seine Krone gefährdet sei. Doch
faßte er sich schnell und erteilte mit gewohnter Kälte weitere
Befehle. Er sollte aber, gleichsam ein Fingerzeig des Schicksals,
keine Ruhe bei seinem Wachtfeuer haben. Eine feindliche
Granate schlug in dasselbe, wühlte sich ganz in der Nähe des
Kaisers in die Erde und warf das Feuer auseinander. Die um-
hergestreuten Feuerbrände wurden sogleich wieder zusammen-
geschürt; doch als man frisches Holz und Stroh zusammen-
brachte und darauflegen wollte, um es von neuem in Brand zu
bringen, traf abermals eine Kugel mitten hinein und löschte das
erst teilweise hellbrennende Feuer völlig aus. Der König von
Neapel, der kurz vor dem Einschlagen der beiden Geschosse zu
Napoleon gekommen war, stand ganz in dessen Nähe. Der
Kaiser blieb ruhig dabei stehen und betrachtete sinnend die
liegen gebliebene Kugel, befahl aber, kein Feuer wieder anzu-
zünden. Auf so unsanfte Weise gestört, verweilte er nur bis
nach acht Uhr an diesem Orte, saß dann auf und ritt nach
Leipzig, wo er in der Vorstadt am Roßmarkt das Hotel de Prusse
bezog. Wiewohl er auf das äußerste erschöpft sein mußte,
arbeitete er doch bis tief in die Nacht. Um auf alle Fälle gefaßt
zu sein, standen von früh zwei Uhr an die Pferde gesattelt
bereit.
197. Die Leipziger Schlacht.
(^rnft Moritz Arndt.
Gedichte. Berlin 1895. S. 111.
1. „Wo kommst du Her in dem roten Kleid
und färbst das Gras auf dem grünen Plan?"
„Ich komm aus blutigem Männerstreit,
ich komme rot von der Ehrenbahn.
Wir haben die blutige Schlacht geschlagen,
drob müssen die Mütter uut> Bräute klagen;
da ward ich so rot."
2. „Sag an, Gesell, und verkünde mir,
wie heißt das Land, wo ihr schlugt die Schlacht?"
„Bei Leipzig trauert das Mordrevier,
das manches Auge voll Tränen macht;
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472
vor einer säulengetragenen Kuppel die Reiterfigur Kaiser Wilhelms I.,
dessen Blick nach oben gerichtet ist. Unter der Kuppel stehen rechts und
links vom Kaiser alle deutschen Fürsten, die im Jahre 1870 regierten.
3m Vordergrund drängen sich deutsche Truppen hervor unter Führung
des Kronprinzen, des Prinzen Friedrich Karl und andrer Feldherren.
Fürst Bismarck und Graf Uloltke stehen als die besten Berater unmittel-
bar neben dem Kaiser. Die im Marsche begriffenen Truppenteile aller
Waffengattungen jubeln ihrem Heldenkaiser zu und stürmen siegreich
voran. Um Fuße dieser Tafel ist das Lied: „Die wacht am Rhein"
in Granit gegraben; die Melodie dazu befindet sich auf dem Grenz-
stein links, der einem drohend nach Westen gerichteten Kanonenrohr
zur Stütze dient. In unmittelbarer Verbindung mit dem Liede stehen
vor der Trztafel zwei große Gestalten, links das Sinnbild des Krieges,
rechts das des Friedens. „Ts braust ein Ruf wie Vonnerhall", diese
Eingangsworte verkörpert die zürnende Gestalt des Kriegsheroldes.
Mächtig ruft seine Posaune in die weiten Lande, das riesige Schwert
hält sein sehniger Arm. vom Sturme gepeitscht, flattert der Mantel
um den gepanzerten Oberkörper, Flammen lodern aus dem Helme, die
aufwärts gesträubten Flügel deuten den pfeilschnellen Flug an. „Lieb
Vaterland, magst ruhig sein", diese Schlußworte jeder Strophe kommen
durch die Tngelsgestalt des Friedens zum herzerquickenden Ausdruck.
Die Palme in der Rechten, das Füllhorn des Segens in der Linken,
schaut er mit freudestrahlendem Blicke über das Volk hin.
Zeigt uns die vordertafel, wie die heldenhaften Verteidiger des
Vaterlandes sich um ihren siegreichen Heerführer scharen, so erblicken
wir sie auf den Seitentafeln im Kreise ihrer Familie, links, wie sie
Abschied nehmen von der Heimat, rechts, wie sie als Sieger wieder-
kehren. Des „Kriegers Abschied" ist in drei Gruppen ergreifend dar-
gestellt. In der Mitte steht der preußische Fußsoldat in voller Aus-
rüstung, mit der linken Hand das Gewehr, mit der rechten die Braut
umfassend, die weinend ihr Haupt an seine Schultern lehnt. Rechts davon
reicht ein bayrischer Reiter seinem Mütterlein die Hand zum Abschied,
während der Vater die seinige segnend auf das Lockenhaupt des blühen-
den Sohnes legt. Gegenüber dem Iüngling aus den Alpen steht der
Landwehrmann von dem Rordseestrand. Sein Weib verdeckt ihr tränen-
überströmtes Antlitz, sein Töchterchen hält ihn am Arme fest, der Sohn
aber möchte mit dem geliebten Vater hinausziehen zu Kampf und Sieg.
Der „Krieger Heimkehr" zeigt uns die lorbeergeschmückten Helden, um-
ringt vom jauchzenden Volkes Weib und Kind umarmen sie, Vater und
Mutter, Schwester und Braut eilen zum Empfang herbei.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms_I. Wilhelms_I. Friedrich_Karl Friedrich Karl
360
Sechs Wochen etwa dauerte die Anwesenheit der übermütigen Gäste
in Frankfurt. Doch da nahte die Rettung. Am 28. November erschienen
die Preußen und Hessen in Bockenheim, an der Friedberger Warte
und in Bornheim. Custine stand mit seiner Hauptmacht bei Höchst.
Er zog die in Frankfurt einquartierten Truppen bis aus 1500 Mann
Infanterie, 50 Reiter und 2 Geschütze an sich. Die Bürger selbst ver-
hielten sich trotz ihrer Erbitterung ruhig; aber die vielen Hunderte von
fremden Handwerksburscheu, die hier in Arbeit standen, traten mit
den Preußen und Hessen in Verbindung und verschworen sich, beim
Vertreiben der Feinde mitzuhelfen.
Auf den 2. Dezember, den ersten Adventssonntag, war der Angriff
der Preußen und Hessen festgesetzt. Vier Abteilungen sollten an vier
verschiedenen Stellen vorgehen; aber zu wirklichen Kämpfen kam es nur
am Friedberger- und am Allerheiligentor. Ein dichter Nebel lag an
jenem Morgen über der Stadt. Als um Va9 Uhr die Glocken zum
Gottesdienst riefen, begannen die für die Erstürmung der beiden Tore
bestimmten hessischen Abteilungen den Angriff. Fast wäre die Ein-
nahme des Friedberger Tores ohne Blutvergießen gelungen; denn ge-
rade in dem Augenblick, als die Hessen ankamen, wurde ein Lastwagen
durch das Tor über die Zugbrücke gelassen. Reiter versuchten dieselbe
zu nehmen, aber es glückte den Franzosen, die Brücke noch rechtzeitig
aufzuziehen. Das Mißlingen dieser Überraschung kostete dann vielen
braven Hessen das Leben.
Ohne daß vorher das Tor durch Artillerie für die Infanterie sturm-
frei geschossen wurde, gingen die Truppen unter dem mörderischen Feuer
der Franzosen vor. Eine Abteilung nach der andern rückte in die
Feuerlinie, und bald waren gegen 2000 Mann auf einen engen
Raum zwischen hohen Gartenmauern zusammengedrängt. Sie konnten
nicht vor- und nicht rückwärts und erlitten viele Verluste. An der
Spitze seines Bataillons empfing der Prinz Karl von Hessen-Philippstal
die Todeswnnde. Aber die Wackeren hielten tapfer ans. Ihre Lage
besserte sich nicht, als endlich zwei preußische Kanonen ihr Feuer
gegen das Tor richteten. Auch am Allerheiligeutor wurde nichts
erreicht.
Da nahte Hilfe aus dem Innern der Stadt. Die Handwerks-
bnrscheu waren in Tätigkeit getreten. Gleich bei den ersten Schüssen
halten sie sich zusammengerottet und eilten, als das Feuer stärker
wurde, mit Äxten und Knütteln bewaffnet, zu den beiden bestürmten
Toren. Sie überwältigten die Franzosen und öffneten den Angreifern
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Karl_von_Hessen-Philippstal Karl
Draußen aber wirbelten die Trommeln der Bayern; ihre Musik
blies das „Heil Dir im Siegerkranz", und weithin begleitete das Hurra
der lagernden Truppen den Ritt des Königs, den es drängte, seinen
siegreichen Truppen noch ans dem Schlachtfeld seinen königlichen Dank
auszusprechen.
General von Moltke nahm mich in seinen Wagen; schweigend fuhren
wir nach Donchery zurück, wo neue Arbeit wartete.
Am andern Morgen zog der gefangene Kaiser, begleitet von zwei
Husaren - Eskadrons, an unsern Fenstern vorbei nach der belgischen
Grenze zu; dann setzten auch wir uns in Marsch nach dem Haupt-
quartier des Königs, nach Vendresse, von wo es dann weiter ging
nach Paris.
So endete der erste Abschnitt des gewaltigen Kampfes! Mit der
Gefangennahme Napoleons und der Kapitulation der Armee, bei der
er sich befand, stürzte in Frankreich das Kaisertum, das den Krieg
heraufbeschworen hatte, in Trümmer.
208. König Wilhelm 1. an die Königin.
Aus Ägidi und Klauhold. Staatsarchiv. 19. Bd. S. 200.
Der Königin Augusta in Berlin.
Vendresse, südl. von Sedan, 3. September 1870.
Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen
Umfang des großen geschichtlichen Ereignisses, das sich zu-
getragen hat! Es ist wie ein Traum, selbst wenn man es Stunde
für Stunde hat abrollen sehen.
Wenn ich mir denke, daß nach einem großen, glücklichen
Kriege ich während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr
erwarten konnte, und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt
erfolgt sehe, so beuge ich mich vor Gott, der allein mich, mein
Heer und meine Mitverbündeten ausersehen hat, das Geschehene
zu vollbringen, und uns zu Werkzeugen Seines Willens bestellt
hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk aufzufassen und
in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.
Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folgen in ge-
drängter Kürze.
Die Armee war am Abend des einunddreißigsten und am
ersten früh in den vorgeschriebenen Stellungen angelangt, rund
um Sedan. Der Kampf begann trotz dichten Nebels schon früh
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Moltke Napoleons Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Donchery Paris Napoleons Frankreich Berlin Sedan Gottes Sedan
Kaiser früh 5 Uhr Sedan verlassen habe und auch nach Donchery
gekommen sei. Da derselbe mich zu sprechen wünschte, und
sich in der Nähe ein Schlößchen mit Park befand, so wählte
ich dies zur Begegnung. Um 10 Uhr kam er auf -der Höbe
von Sedan an; um 12 Uhr erschienen Moltke und Bismarck mit
der vollzogenen Kapitulationsurkunde; um 1 Uhr setzte ich mich
mit Fritz in Bewegung, von der Kavalleriestabswache begleitet.
Ich stieg an dem Schlößchen ab, wo der Kaiser mir entgegen-
kam. Der Besuch währte eine Viertelstunde; wir waren beide
sehr bewegt über dieses Wiedersehen. Was ich alles empfand,
nachdem ich noch vor drei Jahren Napoleon auf dem Gipfel
seiner Macht gesehen hatte, kann ich nicht beschreiben.
Nach dieser Begegnung beritt ich von Vs 3 bis Vs 8 Uhr
die ganze Armee vor Sedan.
Der Empfang der Truppen, das Wiedersehen des dezimierten
Gardekorps, das alles kann ich Dir heute nicht beschreiben; ich
war tief ergriffen von so vielen Beweisen der Liebe und Hingebung.
Nun lebe wohl — mit bewegtem Herzen am Schlüsse eines
solchen Briefes.
Wilhelm.
209. Tod in Ähren.
Detlev Freiherr von Liliencron.
Werke. Berlin und Leipzig. 5. Aufl. 7. Bd. S. 9.
1. Im Weizenfeld, in Korn und Mohn,
liegt ein Soldat, unaufgefunden,
zwei Tage schon, zwei Nächte schon
mit schweren Wunden, unverbunden.
2. Durstüberquält und fieberwild,
in Todeskampf den Kopf erhoben.
Ein letzter Traum, ein letztes Bild,
sein brechend Auge schlägt nach oben.
3. Die Sense rauscht im Ahrenfeld,
er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden.
Ade, ade, du Heimatwelt —
und beugt das Haupt und ist verschieden.
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Extrahierte Personennamen: Fritz Napoleon Wilhelm Detlev_Freiherr Liliencron Mohn
Extrahierte Ortsnamen: Sedan Donchery Sedan Sedan Berlin Leipzig Weizenfeld