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1. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 27

1912 - München : Kellerer
- 27 — Knabe ein und „gar an solch sonnigen Herbsttagen!" „Du frei- lich nicht," fuhr Vater fort, „du bist ein Kind dieses Landstriches. Aber euer Kätzlein stammt aus dem heißen Süden. Seine Vor- eltern wurden wohl von Reisenden in unsere Gegenden gebracht. Von dieser eigentlichen Heimat her ist ihm das große Wärme- bedürfnis geblieben. Denke nur, wie oft ihr euch gewundert habt, daß es stundenlang im glühendsten Sonnenschein lag." „Bleib nur, Miezekätzchen, bleib," sprach schmeichelnd das Mäd- chen und streichelte sanft über das seidige Haar. Das behagte Sctmmetfell, wohlig streckten sich Beine und Pfoten. „Es schnurrt," berichteten erfreut die Kinder, als sie das leise surrende Geräusch hörten, das durch zwei zarte, gespannte Häutchen im Kehlkopf hervorgebracht wird. „Ei, wie sie gleich zusammen- zuckt!" rief der Knabe. „Ich bin nur mit dem Finger ganz wenig an ihre Schnurrbartspitzen gekommen!" „Das hat seinen Grund," erklärte wieder der Vater. „Die Katzen haben in den Haaren ein sehr feines Tastgefühl, noch viel feiner als am übrigen Körper. Es wird es auch sofort spüren, wenn nur die Spitze deines Fingers die langen Haare über den Augen be- rührt." „Was ist denn das?" rief auf einmal das Mädchen. „Das Fell ist ja feurig. Miez, was hast du nur?" Das Kätzchen war aufgesprungen und wehrte sich kläglich miauend gegen die haltenden Hände des Knaben. „Ich habe ihm nichts zu leide getan, ich wollte es nur mal verkehrt streicheln!" „Du brauchst nicht zu erschrecken," beruhigte der Vater. „Das ist eine Eigen- tümlichkeit des Katzenfelles, daß Funken herausspringen, wenn man es iul Dunkeln nach rückwärts streicht. Die Katzen mögen aber diese Art Liebkosung nicht leiden, da sie es eben durch deu feinen Tastsinn in den Haaren unangenehm empfinden." „Zu dumm, daß die Kätzchen gerade da so empfindlich find, da muß man sich ja ordentlich scheuen, zärtlich mit ihnen zu sein!" „Für dich und deinesgleichen ist's vielleicht nicht erwünscht," nahm Vater wieder das Wort. „Aber denke, wie schlecht es den Katzeu auf ihren nächtlichen Jagdzügen ginge. Sie haben zwar sehr scharfe Augen, die für die Dämmerung und die hellen Nächte ausreichen, aber in der Stockfinsternis können sie so wenig sehen wie ich und du. Da muß dann das seine Gefühl den Dienst der Augen tuu." „Komm Miezchen, ich will dich trösten, weil wir dir so viel Unbehagen gemacht haben," sagte nuu die Kleine und kam mit einem Näpfchen Milch zu der Katze, die sich iu- zwischeu wieder beruhigt zum Schlafen hingeschmiegt hatte. Aber das Tierchen rührte sich nicht, bis der beliebte Trank dicht vor

2. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 132

1912 - München : Kellerer
— 132 — denen Hans in die Welt guckt und glänzend braun wie Hansens Kraushaar ist Gretes glattes Fell. Ich möchte niemand raten die Schwärze des Rappen, die helle Farbe der Schimmel, die Zeichnung der Schecken schöner zu finden als Gretes kurzes Brauuhaar. Nur einmal ist Hans beinahe stutzig geworden; das war als Gärtners Fritz behauptete, die Schimmel erreichten ein höheres Alter als ihre andersfarbigen Genossen, denn natürlich wünscht er auch seiner Grete ein möglichst langes Leben. Sein Vater aber beruhigte ihn: „Besser als wir unser Bräundl striegeln und putzen, regelmäßiger als wir's zur Schwemme führen ist's auch nicht nötig um das weiße Fell des Schimmels tadellos sauber zu erhalten. Denn das Geheimnis dieser Lebensver- längernng ist die peinlichste Sauberkeit, die viele bei dunkel- farbigeren Pferden aus Bequemlichkeit nicht so genau beachten." Grete erwidert Hansens Gefühle aufs herzlichste. Kaum betritt er den Stall, dreht sich der feine Kopf nach ihm, große, kluge, lebhafte Augen sehen ihm entgegen und oft begrüßt ihn ein freudiges Wieheru. „Ich kenne es der Grete jedesmal an, wenn du kommst," sagte der Knecht, „sie hört dich längst ehe ich etwas merke. Da richtet sie sich schon auf, und spitzt und bewegt ihre Ohren; man muß sich wundern, wie fein sie mit den „Tüten" hört. Du lachst; sieh selbst ob ihre Ohrmuscheln nicht so aussehen. Damit fängt sie wohl jeden Laut auf. Übrigens muß ich dir noch etwas erzählen! Gestern wollte ich mir einen Spaß machen und hielt ihr deine Hausjoppe vor die Nase. Da solltest du gesehen haben wie die Nase schnupperte, wie sich die Nüstern bewegten! Sie kannte dein Gewand genau so am Geruch wie unser Karo. Und wie der Hund findet sie durch ihren Geruch den Weg auch in dunkler Nacht," fügte der Vater bei, „und nnferm Michel wäre es vorige Woche abends bei dem dichten Nebel, der nicht die Hand vor den Augen er- keuuen ließ, schlecht gegangen ohne Brünnls ausgezeichneten Geruchsinn." „Gretel, kennst du mich?" so fragte Hans und streichelte sein liebes Pferd und klopfte ihm die glänzenden Seiten. „Ei, du willst die Taschen aussuchen, lachte der Bube und holte den gewünschten Leckerbissen, Zucker und Schwarzbrot, heraus. Die beweglichen, weichen Lippen erfaßten das Stückchen auf des Knaben Hand und drückten es in das Maul. Mit derselben Bewegung ho^te es das Büschel Heu aus der Raufe, den Hafer und Häcksel aus der Krippe. Hans nahm nun den Eimer und trug frisches Wasser herbei, sofort steckte der Gaul das ganze

3. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 138

1912 - München : Kellerer
— 138 - Weg gehen — während der Fahrt nicht auf- oder abspringen — nach vorne absteigen mit linker Hand am linken Griff, auch wenn der Wagen steht, da ein unvermuteter Ruck nicht un- möglich ist. Es ist Montag morgen. Beim Einsteigen begrüßen Fritzl schon ein paar Mitschüler: „Was hast du bei den Rechnungen herausgebracht? Laß sehen!" Die Buben machen sich hübsch breit, legen die Mappen neben sich, kramen die Hefte aus, da poltert es vor ihnen: „He, ihr meint wohl die Bank ist nur für euch da? Das ist nicht euer Schreibtisch zu Hause! Wollt ihr gleich ordentlich zusammenrücken und nicht mehr Platz ein- nehmen als euch gebührt!" Schleunig raffen die Gescholtenen ihre Habseligkeiten zusammen, manches Blatt fällt auf den Boden und trägt einen Schmutzflecken als Merkzeichen fürs künftige Verhalten. Nicht lange dauert es, so sind sie wieder in hitzigem Hin- und Herreden, Erklären, ja Streiten. Laut und lauter werdeu die Stimmen. „Leiser sprechen, ihr Rangen, ihr macht ja einen Heidenlärm, da versteht man ja sein eigenes Wort nicht mehr!" grollt einer der Nachbarn. Darauf werden die Erörterungen sanfter im Flüsterton aber nicht weniger eifrig fortgeführt, fo eifrig, daß sie den Zielausruf des Schaffners überhören. Der rüttelt den einen unsanft auf: „Habt ihr keine Ohren? Gut, daß ich euch schon kenne, ihr wäret sonst fest sitzen geblieben und wer weiß wie weit gefahren!" Kaum steht die kleine Schar auf dem Weg, da bringt einer eine Frage nach einem lateinischen Wort. Wieder gehen die Meinungen aus- einander. Karl zieht eifrig sein Buch, um die Richtigkeit seiner Behauptungen zu beweisen. Um bequemer zeigeu zu können, klemmt er Mappe und Schirm unter den Arm. „Schirm senk- recht tragen" ruft ihm ein Schutzmann zu, „willst du die Er- wachsenen stoßen oder den Kindern die Augen ausstechen?" Rechts ausweichen? Habt ihr das in der Schule nicht gelernt? Ihr seid ja wie Bauern, die zum erstenmal aus dem hintersten Dorf kommen!" Ein ereignisvoller Tag, die ersten Zeugnisse waren aus- geteilt worden, belehrte unsere Kameraden über andere Ver- kehrspslichten. Sie waren so fünf eng aneinandergedrängt von der Schule weggegangen und besichtigten ihre Noten. „Na, das ist wohl eine lebendige Wegsperre", tönte es in ihre Ohren; „ich soll wohl in den Rinnstein treten, weil ihr die ganze Breite des Weges für euch iu Anspruch nehmt!" Nuu teilten sie sich freilich sofort, aber in zwei Gruppen ließ sichs nicht so

4. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 146

1912 - München : Kellerer
— 146 — haartem wird „Müller" genannt, der mit rotem als „König" und der mit braunem gar als „Kaiser" bezeichnet. Dieser erste Brustring ist nicht umsonst von so beträchtlicher Größe, müssen doch starke Muskeln die Bohr- und Scharrwerkzeuge des Mai- käsers unterstützen. Weil dieser Ring frei, nicht mit den anderen verwachsen ist, hindert er die Beweglichkeit der Vorderbeine nicht. Die sechs Ringe des Hinterleibes sind schwarz mit einem dreieckigen, weißen Fleck ans einer Seite. Der Rumpf endet in einer hellbraunen, hornartigen, dreieckigen Spitze. Am dunkel- braunen Kopf sehen wir zwei verhältnismäßig große, glänzende, schwarze, unbewegliche Augen und zwei keulenförmige, kleine Fühler, die beim Männchen sieben, beim Weibchen sechs Glieder haben. Die Augen zeigen ihm den Baum und das Blatt, auf das er sich setzen will, um es zu verzehren. Die Fühler am Kopfe dienen ihm als Geruchsorgan. Die oberen Glieder der Fühler sind breit und sehen Blättern ähnlich, so daß man meinen könnte, jeder Maikäfer trage einen zierlichen Fächer mit sich. Darauf befinden sich die winzigen Geruchsorgane, die das Tier zu seiner Nahrung leiten und mit denen das Mann- chen das Weibchen aus der Menge der Genossen findet. Am Maul sind zwei Freßspitzen, die bei der Gefräßigkeit des Tieres fast beständig in Bewegung sind. Ein Maikäferjahr bedeutet eine Fülle von Sorge und Arbeit für den Gärtner und Förster. Trotzdem die Maikäfer eine sehr kurze Lebenszeit haben, nur wenig Wochen im Mai sind ihnen vergönnt, so hausen sie doch verheerend in Garten und Wald. Die Blätter der Bäume und Sträucher sind ihre Nahrung, Eichenlaub ist besonders bevor- zugt. Ginge man den Maikäfern nicht mit allen Mitteln ernst- lich zu Leibe, wie viele Äste und Zweige wären von den Un- ersättlichen kahl gefressen! Wer einen Maikäfer sieht, pflegt ihn zu zertreten. Aus dem zerquetschten Körper fließt keiu rotes Blut sondern ein weißer Saft. Knochen hat der Maikäfer so wenig wie Ohren und Nase. Sehr erfolgreich ist das Ein- sammeln, wenn man im Frühjahr sofort nach dem ersten Er- scheinen der unwillkommenen Insekten beginnt. Auf diese Weise konnten z. B. in einer Gegend Sachsens in einem Jahre 30 000 Zentner Maikäfer, d. f. ungefähr 1590000 Stück, mit Kalk zu Dünger verarbeitet werden. Auch der Vermehrung der Mai- käser sucht man vorzubeugen. Man errichtet im Wald künstliche Brutstätten aus frischem Kuhmist und mit Erde bedeckt. Da- durch werden die Weibchen angelockt, legen ihre Eier hinein und im Juli, ehe die Eier ausschlüpfen, werden die ganzen Brut-

5. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 159

1912 - München : Kellerer
häutige Blättchen, die ihn vollständig einhüllen und später, wenn sie als Knospenschutz nicht mehr nötig sind, in Form einer Kappe abgeworfen werden. Die Zapfen geben ein rafches Feuer. Die zähen Wurzeln sind zu Flechtereien verwendbar. Aus den Nadeln erhält man durch entsprechende Behandlung die Wald- wolle. Das Harz gewinnt man durch Einschnitte oder Bohr- löcher in den Stamm. Geschmolzen liefert es das gelbe Pech, auch Geigenharz und Terpentinöl wird daraus gemacht. Da die Fichte der Pfahlwurzel entbehrt, hat der Sturm leichtes Spiel mit ihr und richtet in den Wäldern oft entsetzlichen Schaden an. Da die Wurzeln oberflächlich verlaufen, um- klammern sie gern Felsblöcke und Gesteine und finden daher selbst in einer dünnen Erdschicht den nötigen Halt. Die Äste sind freilich oft nicht kräftig genug, schwer zu tragen und sie brechen dann unter der Last des vielen Schnees. Große Hitze kann die Fichte nicht ertragen; sie wird dadurch im Wachstum gehindert. Auch die Tiere sind vielfach Feinde der Fichte. Hirsche und Rehe schälen die jungen Stämme ab. Der Borken- käser wühlt im Innern. Die Raupe des Nonnenschmetterlings frißt die Nadeln ab und macht infolgedessen, daß die Bäume absterben. Wohl hat der Förster die Bäume mit Schutzringen umgeben, doch die beste Hilfe gegen schädliche Insekten bleiben unsere Vögel, die schon deshalb den Schutz der Menschen ver- dienen. 63. Das Dorf. a) Kirche und Friedhof. „Morgen müßt ihr früh aufstehen und euch zum Gottes- dienste rüsten," hieß es abends. In taufrischer Frühstunde ging der Zug vom Haufe weg: die Frauen und Mädchen mit dem Sonntagssträußcheu im Mieder, die Männer und Buben mit der Blume am Hut, alle gemessenen Schrittes. Auf dem Hügel mitten im Dorf liegt das schlichte Gotteshaus. Es ist keine reiche, prächtige Kirche, wie Rudolf sie in der Stadt zu sehen gewohnt ist, aber der grüne Turm mit dem einfachen Kreuz zeigt ebenso bedeutungsvoll in die blaue Himmelsferne. Sind auch die Glocken kleiner und nicht so kunstvoll ineinander gestimmt, sie mahnen doch ebenso eindringlich zum Gebet und entbehren auch die Fenster der farbenbunten, künstlerischen Malerei, sie lassen doch Gottes hellen Sonnenschein in den

6. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 24

1912 - München : Kellerer
— 24 — Waffen Gebrauch zu machen. Zur Zeit allerdings ist es weniger geneigt, Freundschaft zu halten. Die Liebe zu seinen Jungen hat es mißtrauisch gemacht und wehe, wenn sich ihnen ein Fremdes in unfreundlicher Absicht oder nur in unvorsichtig rascher Weise näherte. Der Frevler dürfte heilfroh sein, entkäme er der zorn- entbrannten Mutter nur mit zerkratzter Haut ohne wesentlichere Verletzungen. Der Vater, ein prächtiger Kater von tiefschwarzer Farbe, größer und kräftiger als seine Frau, ist bereits auf Raub ausgegangen, Sorge und Wacht in der Kinderstube der Mutter überlassend. „Wäre es nicht Zeit, Taufe zu halten?" meinte das kleinste Haustöchterlein. Mit einem leckeren Schmaus, einem Schüssel- chen Milch, darin etliche Kuchenbrocken eingeweicht, näherte es sich behutsam, von der Alten zurückhaltend aber nicht unfreund- lich empfangen. Entzückt sah das Mädchen die kleinen, drolligen Dingerchen und der lächelnde, rote Kindermund sprach sein Schulverschen: , Kätzchen, nun müßt ihr auch Namen haben, jedes nach seiner Kunst und Gaben, Sammetfell heiß ich dich, jenes dort Leiseschlich, dieses da Fangemaus, aber dich Töpfchenaus. Sammetfell war wohl das schönste von allen jungen Kätz- chen. Tiefschwarz das Fell wie beim Vater, aber die Stirn zierte ein weißer Fleck und die Pfoten schienen in weißen Schuhen zu stecken. Jedes Härchen vom Kopf bis zum Fuß war tadellos zurecht geleckt. Und „wie die Alten fungen, so zwit- schern die Jungen" muß hier heißen: Wie Miezchen jedem Schmutz, jeder Nässe aus dem Wege geht, wird auch Sammet- fells Röckchen immer wie geleckt aussehen und hinter üblen Gerüchen vermutet es wohl auch allerlei Unsauberes und weicht ihnen aus. „Stubenrein" müssen es freilich feine Besitzer ziehen. Aber im Freien hält es nach Mntters Beispiel selbst Ordnung und verscharrt seinen Kot sorgfältig in selbstgegrabenen Ver- tiefungen. Auch die Geschwisterchen sind hübsch genug, um sich neben ihren bräunlichen, weißen und scheckigen Brüdern und Schwestern sehen lassen zu können. Eben kommt Leiseschlich dem Mädchen näher. Den an der Spitze dünneren Schwanz, der später lang und kräftig beim Springen und Fallen als Steuer dient, zieht es noch

7. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 139

1912 - München : Kellerer
139 — bequem verhandeln, so stand man denn im Ring an der Straßenecke, wo sich die Wege schieden. Die Wenn und Aber wollten kein Ende nehmen. „Soll ich euch Stühle heraus- tragen?" rief die Frau vom nächsten Obstladen. Hei, nun stob das Häuflein auseinander. „Stehenbleiben und schwätzen mitten auf dem Trottoir ist verkehrsstörend" hatte der Herr Lehrer schon in der Unterklasse gesagt und sie waren jetzt Studenten, wenn auch erst angehende. Und da sich Fritzl und sein Freund Rudi, dank des spöttischen Anerbietens, ans ihre Würde be- sonnen hatten, verließen sie heute zum erstenmal nach gemein- samer Fahrt die Trambahn so rasch und pünktlich, daß der Schaffner keinen Hinweis auf „Zeitversäumnis", „draußen auch Zeit zum Reden", „flinkere Füße", „Geduld zu Ende" u. a. machen mußte. Aber nicht immer machten sich unsere Buben durch Ta- delnswertes bemerklich. Saßen sie da eines Tages zur Mittag- stunde eng gepreßt im Wagen, kaum ellenbogenfrei, denn es regnete in Strömen und selbst der unbequemste Platz im Innern ist behaglicher als die Plattform, wo Wind und Regen die Stehenden erreichen. Da stieg ein altes Weibchen auf, schwer schleppte sie an ihrem Korb, die freie Hand strich das weiße Haar unter das Tuch, das der ungestüme Wind hernnterge- rissen hatte. Seufzend sieht sie die dichtbesetzten Bänke, sie hatte ans einen trockenen Platz und ein bischen Ausruhen gehofft. Da stieß Fritzl leicht an den Arm seines Freundes, ein Blick des Einverständnisses, beide Buben standen auf: „Wollen Sie sich nicht auf unseren Platz setzen, liebe Frau?" Dankbar schaute sie das arme Frauchen an. „Brave Burschen" und „So ists recht, Höflichkeit ziert die Jugend!" Damit hörten sie von den Anwesenden ihr Urteil gesprochen. „Nicht an die Türe lehnen, Büblein", mahnte freundlich ein junger Mann, „sonst kann der Schaffner nicht ans und ein! Rück nur nah zu mir und lehn dich an mich, dann stehst dn fest? Nein, nein, das stört mich gar nicht, nur dicht her und der andere wackere kleine Mann kommt vor mich, den halte ich mit dem Arm." Ihrer Höflichkeit verdanken Fritzl und Rudi auch ihren ersten Verdienst. „Könnt ihr mir nicht sagen, wo der Weg nach dem Marienplatz geht?" redete sie in der Sonnenstraße ein fein gekleideter Herr an. „Aber ihr müßt mir einen möglichst ge- raden und einfachen Weg sagen, wenn er auch weiter ist, damit ich mich nicht verirren kann, denn ich bin fremd hier?" „Wenn Sie erlauben", antwortete unser Pärlein, „so gehen wir ein

8. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 152

1912 - München : Kellerer
— 152 — Süßigkeit geschenkt. So gehe ich zu Grunde, ohne jemand Labung und Nutzen gebracht zu haben. Wie gut haben es unsere Blumenschwestern in den Anlagen! Die sind mit Zaun und Draht und durch grimmige Wächter vor euern barbarischen Händen geschützt". „O verzeiht, verzeiht," flehte Thedy, und bettete mit bebenden Händen die sterbenden Blnmenelfen be- hutsam ins Gras neben den Weg. „Damit ihr wenigstens einen leichten Tod auf kühlem Grunde habt. Verzeiht, ich wills nie wieder tun!" Von Gewissensbissen und Angst gefoltert, jagte er weiter. Da streckte sich ein gespenstischer Arm über den Weg. „Halt, Bube!" Thedy schrie auf. Grau und verwittert reckte sich eine riesige Gestalt vor ihm auf, die mächtigen Glieder umhüllte ein Gewand von braun und grünem Tuch. Ein rotes Mal zog sich an der Seite hin, in Fetzen hing das Tuch herab und rotes Blut sickerte zur Erde. Dumpf fühlte Thedy im Schlaf, daß es nur ein Trugbild war, was der Traum ihm vorgaukelte, nichts anderes als der alte Buchenbaum war die sonderbare Erscheinung, aber er konnte dem Zauber nicht entrinnen. Ent- setzt rief er aus: „Was ist dir geschehen? Warum blutest du?" „Du bist schuld an meinen Wunden, du böser Geselle. Du hast mir mit aller Kraft ein Glied meines Körpers weggerissen zum Spielzeug deiner kindischen Laune. Weißt du nicht, daß wir fühlen und leben wie ihr Menschen, daß jeder Zweig ein Teil von uns ist, uns lieb und unentbehrlich, wie dir Hand, Arm und Fuß. Auf dem Zweig, den du im Staube nachge- schleift hast und achtlos liegen ließest, hätten sich lustige Vögel geschaukelt, es wäre das Ziel des ersten Ausflugs für die junge Brut gewesen, bunten Faltern, goldnen Käfern wäre er ein willkommener Rastplatz gewesen. Nun muß er elend verderben und ich bin schwer verletzt und der Riß brennt wie Feuer." Kaum war das letzte Wort verklungen, beugte sich Waldgeist Haselbusch vor. Wie Pelzmärtel sah er aus im graugrünen Gewand, mit grauem Pelz verbrämt. Mit erhobenen Armen und drohender Miene forschte er: „Wo verschmachten meine Nüsse, die du gedankenlos weggezupft, trotzdem sie uoch unreif, klein und grün und weich waren? Wie hätten die reifen Kerne dem Eichhorn geschmeckt, wie froh hätte sie ein armer Reisig- sammler verzehrt, wie gerne sie St. Niklans für brave Kinder aus dem Sack geschüttelt! Wie gut haben es unsere Brüder, die Bäume und die Büsche in den Anlagen? Ein strenges Gesetz verpönt das Abreißen von Zweigen, Laub und Blüten,

9. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 154

1912 - München : Kellerer
- 154 — und golden leuchteten die Augeu, die durchdringend auf ihm ruhten: „Hat dir die Mutter nie von der Kornfrau erzählt? Meine armen Kornkinder hast du mit deinen schweren Stiefeln zertreten, als du dem Schmetterling nachjagtest! Dem hättest du mit ungeschickten Händen den Farbenschmelz zerstört und ihn dann häßlich und flügellahm seinem traurigen Los über- lassen. Er entkam dir glücklich, aber meine hilflose Saat knickte dein Tritt und sie kann sich nicht mehr erheben. Und doch war sie bestimmt zu wachsen, sich golden zu färben und reichliche Frucht in ihren Ähren zu trageu. Wer weiß,'ob dem schlimmes Tun nicht einen Armen seines Stückleins Brot beraubt hat. Merke, was dir die Kornfrau sagt: Wer das Getreide zertritt, ist nicht wert, sich satt zu essen?" „Du hör mich, wilder Junge du," wisperte ein zartes Stimmchen vom Waldsaum hinter ihm. Ein putziges Bauernmädchen, Heidelbeerlein im grünen Rock und zartlila Mieder stand vor ihm: „Hast du mein armes Schwesterchen wenigstens zu Hause eingepflanzt, damit es nicht verdurstet und verhungert? Es wollte durchaus uicht mit dir gehen und klammerte sich an seinem Plätzchen fest, da zerrtest du es mit Gewalt heraus. Nun ist das Fleckchen leer, wo es so munter und keck um sich geschaut und kein neues Keimleiu kann sprießen, du hast ja die Wurzelfüßcheu ausgerissen. So lange wir mit denen in der lieben Erde stehen und ihren Saft trinken, körnten wir atmen, gedeihen, neue Triebe ansetzen. Ohne Würzelchen sind wir verloren wie der Mensch, dessen Herz nicht mehr schlägt, dessen Lunge nicht mehr atmet. Wären alle Kinder von deiner Art, dann wäre bald der Boden öd und kahl!" Zu Hause! Wie eiu Schlag hat ihn das Wort getroffen. Er hat ja auch Blumen heimgebracht, die schmachten nach Lust und frischem Wasser und ersticken in der Enge der dumpfen Büchse. „Haltet mich nicht auf! Laßt mich heim!" ächzte er. „Was ist dir, mein Kind? Wach auf!" Besorgt beugte sich die Mutter über ihn, die frühesten Sonnenstrahlen drangen ins Zimmer. „Mutter, meine armen Blumen!" „Ich tat sie gestern uoch ins Wasser, weils mein schläfriger Junge ver- geffen hat." „Aber die auderu, die Ärmsten draußen, Blumen, Zweig und Korn! Ich wills nimmer, nimmer tun", schluchzte er und schlang die Arme um den Hals der Mutter. „Nein, du wirst mein braver Bub werden!" tröstete Mütterlein und küßte ihn? die Tränen aus den Augeu.
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