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Die Socialreform. 731
und Reichstag angeregt und nach den heftigsten Kämpfen gegen die ge-fammte liberale Partei durchgesetzt. Neben den Zwecken der Reichs-Finanzpolitik kam es der Regierung vor Allem darauf an, durch einen vernünftigen und mäßigen Schutz des deutschen Gewerbes der heimischen Arbeit wieder Geltung gegen das Ausland zu verschaffen, und schon nach kurzer Zeit wurde von allen Ländern ringsum bewundernd anerkannt, daß die gesammte deutsche Gewerbethätigkeit durch die neuen Zollsätze einen ungeheuern Aufschwung genommen hat.
Der Kampf über die Wirthschafts- und Steuerreform wäre nicht Jahre lang mit so großer Heftigkeit und Bitterkeit geführt worden, wenn man von Anfang an mehr beachtet und betont hätte, daß der Kaiser auf die Reformen auch deshalb so großen Werth legte, weil sie die Möglichkeit gewähren sollten, einem großen Theile der Bevölkerung reichlicheren und sicheren Unterhalt zu verschaffen. Statt dessen wurden die politischen Parteigesichtspunkte ungebührlich in den Vordergrund gestellt und die liberale Partei, welche seit Jahren darnach strebte, das Ministerium des Fürsten Bismarck zu Falle zu bringen, wußte die gegen das Tabaksmonopol, das er für die wirksamste Form der indirecten Besteuerung hielt, vorhandene Ungunst bei den Reichstagswahlen von 1881 zu einer Niederlage der Regierung zu benutzen und den Ausfall der Wahlen in dreister Weise als Widerspruch des deutschen Volkes gegen die gesammte Wirthschaftspolitik der Regierung auszubeuten. — Da hielt es der Kaiser an der Zeit für die angefochtene Politik Selbst unumwunden einzutreten. Statt mit einer Thronrede wurde der neue Reichstag durch einen Allerhöchsten Erlaß vom 17. November 1881 eröffnet, in welchem der Kaiser auf die früheren Erklärungen über die Nothwendigkeit der positiven Förderung des Wohls der Arbeiter hinwies und fortfuhr:
„Wir halten es für Unsere Kaiserliche Pflicht, dem Reichstage diese Aufgabe von Neuem ans Herz zu legen, und würden Wir mit um fo größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften feines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen.
Für diese Fürsorge die rechten Mittel und Wege zu finden, ist eine schwierige, aber auch eine der höchsten Aufgaben jedes Gemeinwefens, welches auf den sittlichen Fundamenten des christlichen Volkslebens steht. Der engere Anschluß an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form cor-porativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werden, wie Wir hoffen, die Lösung von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in solchem Umfange nicht gewachsen sein würde.
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Iv
Torrede zur ersten Auflage.
Aus jener früheren Vernachlässigung ist es zu erklären, daß verhältnismäßig nur wenige Bearbeitungen der vaterländischen Geschichte für die Jugend und für das größere Publikum vorhanden sind. Neben den umfangreicheren Arbeiten von Stenzel, Ranke, Heinel u. A. giebt es kaum ein oder zwei Werke, welche den interessanten Stoff in kürzerer Darstellung für weitere Kreise zusammenfassen, insbesondere aber ist für Versuche einer belebten, Geist und Gemüth anregenden Bearbeitung noch ein weites Feld geöffnet.
Dem Verfasser war es nach seinen früheren Beziehungen zu der preußischen Volksschule, sowie nach seiner Stellung zu der politischen Entwickelung der letzten Jahre eine willkommene Aufgabe, als ihm durch den Herrn Verleger, welcher den Gedanken einer derartigen Veröffentlichung schon seit längerer Zeit gehegt hatte, die Ausführung desselben anvertraut wurde. Ursprünglich war es nur auf ein Buch für die weibliche Jugend abgesehen, für welche bisher eine Bearbeitung der preußischen Geschichte überhaupt nicht vorhanden ist; bei näherer Sichtung der bisherigen Literatur schien es jedoch angemessen, das allgemeine Bedürfniß ins Auge zu fassen und eine Darstellung zu versuchen, welche ohne Vernachlässigung der eigen-thümlichen Gesichtspunkte der weiblichen Geistes - und Herzensbildung doch für einen gebildeteren Leserkreis überhaupt eine gewisse Kraft der Anregung und Anziehung darböte. Diese Verknüpfung des allgemeineren Gesichtspunktes mit dem ursprünglichen Zwecke schien um so eher ausführbar, als die Gegenstände, welche für die weibliche Bildung ein besonderes Interesse gewähren, die Momente christlicher Entwickelung und die Schilderung des Wirkens der Landesfürstinnen, gerade in der preußischen Geschichte auch von einer hohen allgemeinen Bedeutung sind. Niemand wird es z. B. als etwas Überflüssiges erkennen, daß der Kurfürstin Elisabeth, welche die Reformation in Brandenburg vorbereiten half, ver Kurfürstin Luise Henriette, der weisen Gefährtin des großen Kurfürsten, der geistreichen Sophie Charlotte, dem Vorbilde fernerer, geistiger und geselliger Bildung, endlich der Königin Luise, deren ganzes Leben und Leiden mit dem Geschicke des preußischen Volkes so innig verwachsen war, — besondere ausführlichere Abschnitte gewidmet worden sind.
Im Allgemeinen bin ich bei der Bearbeitung des reichen Stoffes von dem Gesichtspunkte ausgegangen, die Geschichte zwar in vollständigem Zusammenhange, jedoch mit besonderer Hervorhebung derjenigen Momente zu erzählen, welche das patriotische Gefühl anzusprechen und zu beleben vorzugsweise geeignet sind, wogegen ich auf die Herzählung bloßer thatsächlicher Details, an die sich kein bleibendes Interesse knüpft, grundsätzlich verzichtet habe. Es kam mir vor Allem darauf an, ein möglichst lebendiges und frisches Bild von dem ruhmvollen, äußeren und inneren Wachsthums des brandenbnrgisch-preußischen Staates zu geben, sowie von dem herrlichen Antheile, welchen hieran das edle Walten der hohenzvllernschen Fürsten
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Erstes Luch.
Von den ältesten Zeiten bis zur Regierung der Hohenzollern. (Bis 1415.)
xjic preußische Monarchie hat ihren Ursprung in denselben Gauen gefunden, in welchen wir auch heute den Mittelpunkt und Königssitz derselben erblicken: die braudenbnrgische Mark ist ihre Wiege. Wir werden später sehen, warum es geschah und geschehen mußte, daß die Kurfürsten von Brandenburg, als sie sich zu königlichem Rang erhoben, den Königsnamen nicht von der alten Stammmark Brandenburg, sondern von dem neuerworbcueu Herzogthum Preußen hernahmen: aber so gewaltig und herrlich jetzt der Ruhm dieses preußischen Namens erklingt, so stolz sich mit demselben die Bewohner aller alten und neuen Provinzen des Landes begrüßen, so weift uns doch die vaterländische Geschichte, wenn wir der Entstehung und Bildung des hoheuzollern-schen Reiches nachforschen, aus die Gegend zwischen der Elbe und der Oder zurück, auf die Marken, welche von der Havel und der Spree benetzt werden. Dort richteten erst die ballenstädtischen, dann die hohenzollernschen Fürsten mit Kraft und Weisheit eine bleibende Stätte ihrer Macht auf; von diesem Mittelpunkt aus wußten sie dann mit tapferem Arm und seltener Klugheit die Grenzen ihrer Herrschast in stetem Fortschritt zu erweitern, bis zu der Ausdehnung, welche dem preußischen Staate heute eine so ehrenvolle Stellung unter den Mächten Europas sichert.
So ist denn die preußische Monarchie vor Allem eine Schöpfung ihrer Fürsten: den Hohenzollern ist es zu danken, daß dieselbe von einem unscheinbaren Anfange zu ihrer heutigen Größe und Macht gelaugt ist. Das Land, welches dem Scepter dieser Fürsten gehorcht, war bis in die jüngste Zeit nicht, wie andere Staaten, wie Frankreich, Spanien, Großbritannien, ein geschlossenes, abgerundetes Gebiet, seine einzelnen Theile sind nicht etwa durch ihre Lage zusammengehörig und aneinander gewiesen, so daß sie schon deshalb auch eine gemeinschaftliche Geschichte haben müßten. Preußen umfaßt vielmehr eine Anzahl früher geschiedener Provinzen und Landschaften, die sich von der Memel bis über den Rhein bisher mitten zwischen fremden Ländern hin erstreckten, hier und da selbst durch andere Staaten von einander getrennt. Erst durch die neuesten ruhmreichen Erfolge hat der preußische Staat ein mehr zusammenhängendes abgerundetes Gebiet erhalten. Und doch bildeten auch seither schon alle jene äußerlich noch getrennten Provinzen innerlich ein fest ge-
Hahn, prcuß. Gesch 20. g[Uff. 1
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2 Die Germanen und die Wenden.
gliedertes Ganzes, weil sie durch die hochstrebende und glückliche Thatkraft des hohenzollernschen Regentenhauses nach und nach erworben und durch ein Band innerer geistiger Einheit eng verbunden worden sind. Die preußische Geschichte kann deshalb nicht, wie etwa die Geschichte Frankreichs oder Spaniens, mit einer Schilderung der Zustände des Gesammtvaterlandes von den ältesten Zeiten an beginnen, weil es damals ein solches zusammengehöriges Land eben noch nicht gab; die Geschichte Preußens ist vielmehr gerade die Geschichte von der allmäligeu Bildung und Erweiterung des von den hohenzollernschen Fürsten regierten Landes. Sie beginnt da, wo der Grundstein der Monarchie gelegt wurde, in der alten Mark Brandenburg.
1. Die Wenden und ihr Kampf gegen das Christenthum.
Die Germanen und die Wenden. Die älteste Geschichte des bran-denbnrgischen Landes ist in tieses Dunkel gehüllt. Während wir über die Stämme im übrigen Deutschland manche Kunde durch die Römer erhalten haben, welche sich auf ihren Kriegszügen in das Innere Deutschlands mit den Zuständen und Sitten des alten Germanenvolks bekannt machten, so erfahren wir von ihnen über die Völker zwischen der Elbe und der Ostsee wenig oder nichts. Die Kriegszüge und Eroberungen der römischen Legionen drangen in das spätere brandenburgische Gebiet nicht vor, und auch die östlich-benachbarten Länder wurden von den Römern nicht betreten.
Nur die Küsten der Ostsee lockten schon in der alten Zeit die Schiffe der handeltreibenden Völker herbei, welche den einst so berühmten Bernstein dort holten. Schon Jahrhunderte vor Christi Geburt segelten Kaufleute aus Phö-nizien und aus Massttia (Marseille) dahin, um jenes Erzeugniß des Meeres, welches zu den größten Kostbarkeiten gezählt wurde, zu gewinnen, und auch zu Lande wurde der Bernstein von der Küste der Ostsee, die Weichsel hinauf über Kalisch (Calisia) bis an das adriatische Meer gebracht; doch die Nachrichten über die Zustände Norddeutschlands, welche durch jene Handelsfahrten zu den Völkern des Alterthums gelangten, waren vermuthlich sehr dürftig, oberflächlich und unsicher, und sind für uns nicht aufbewahrt worden. Die römischen Schriftsteller des zweiten Jahrhunderts nach Christi Geburt wissen kaum die Hauptstämme der Völker zu bezeichnen, welche damals zwischen der Elbe und Weichsel ihre Wohnsitze hatten. Sie nennen am Ausfluß der Weichsel Gothen, weiterhin an den Mündungen der Oder und Elbe Rugier und Burgunder, in der spätern Mark Brandenburg aber Semnonen, den Hauptstamm des großen Suevenbnndes, und neben ihnen bis über die Elbe hinaus Longobarden.
Die große Völkerwanderung, welche seit dem vierten Jahrhundert nach Christi Geburt die Gestalt Europas veränderte, ließ auch jene nordöstlichen Gegenden Deutschlands nicht unberührt. Die meisten der hier ansässigen Stämme zogen gegen Süden: die Burgunder gründeten an der Grenze Galliens, die Longobarden in Italien neue, schnell aufblühende Reiche. In die verlassenen Gegenden diesseits der Elbe dagegen drangen andere Stämme herein. Slavische Völker kamen zuletzt vom Südosten über die Karpathen herüber; Wenden ließen sich au der Weichsel nieder und wurden sodann von an-
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Klöster; Geistlichkeit. 25
gens gewährten ihnen die ballenstädtischen Markgrafen manche Rechte, welche sie anderswo nicht besaßen; sie durften selbst das Bürgerrecht in einzelnen Städten erwerben und Häuser besitzen, meist aber nur in einem abgegrenzten Stadttheil. Eigentliche Judenverfolgungen kamen unter den Ballenstädtern nicht vor.
Zum Schluß werfen wir noch einen Blick auf den Zustand und den Einfluß des Christenthums und der Kirche in jener Periode. Es war die Zeit der höchsten Blüthe der geistlichen Gewalt, wo durch die Päpste vou Gregor Vii. bis Innocenz Iii. die weltliche Macht unter die Oberherrschaft des geistlichen Stuhls gebeugt werden sollte und zum Theil sich wirklich vor ihr beugen mußte. Mag auch bei diesem Streben der Päpste viel ungeistlicher Hochmuth und weltliche Herrschsucht eine Rolle gehabt haben, so darf doch nicht getäugnet werden, daß jene geistliche Obergewalt in vieler Beziehung eine Wohlthat für die Völker war; denn sie diente in den meisten Ländern der Willkür der Fürsten und der rohen Gewalt der Vornehmen zum heilsamen Zügel. Auch in den Ländern, deren Geschichte wir hier erzählen, war es zum Theil das Verdienst der Geistlichkeit, daß die Wenden, nachdem sie einmal zum Christeuthum bekehrt wordeu, wenigstens nicht in schlimmere Verhältnisse kamen, als sie in der heidnischen Zeit gehabt hatten. Freilich hatte die Kirche in Brandenburg weniger Gelegenheit als sonst, ihren mildernden Einfluß auf die Fürsten auszuüben, weil die Markgrafen selbst im Geiste christlicher Milde und Weisheit die Verhältnisse zu ordnen bemüht waren: wohl aber mögen in einzelnen Fällen die Geistlichen auch hier oft gewaltthäiiger Rohheit gewehrt haben. Im Allgemeinen gewann die Geistlichkeit in der Mark von vorn herein eine so bedeutende Gewalt nicht, wie in andern Ländern, weil die Markgrafen bei aller Frömmigkeit doch das Herrscheramt mit großer Kraft und Selbstständigkeit verwalteten; selbst als sie ihre Erbgüter von dem Erzbischof von Magdeburg zu Lehen genommen hatten, waren sie doch nicht im Geringsten geneigt, sich in ihren Rechten beeinträchtigen zu lassen. Dagegen förderten sie mit regem kirchlichem Sinn alle frommen Einrichtungen und Stiftungen, besonders die Gründung von Klöstern, welche sie mit reichem Grundbesitz ausstatteten. Gegen achtzig Klöster sollen den Ballenstädtern ihren Ursprung verdankt haben. Dieselben wurden nicht nur Pflanzstätten christlichen Glaubens für die umliegenden Gegenden, sondern vornehmlich auch Asyle für die christliche Mildthätigkeit, für die Pflege der Armen, der Kranken, der Reisenden, und so kamen die Besitztümer, womit man die Klöster ausstattete, dem Volke wieder zu Gute. Nicht minder wirkten die Klöster auf die Verbesserung des Landbaues, indem sie sich die Urbarmachung wüster Strecken zur Aufgabe stellten, besonders die in Wäldern und Wüsten errichteten Klöster in Pommern und in den Marken. Auch für die Pflege der Wissenschaft und der Volksbildung endlich waren die Klöster in der Mats nicht ganz unthätig, wiewohl sie hierin Bedeutendes nicht leisteten, weil die Mönche selbst zumeist nur eine geringe Bildung besaßen.
Auch Nonnenklöster gab es in den brandenbnrgischen Landen; sie sollten besonders den unverheiratheten Töchtern der Fürsten und Edeln alc-Zuflncht dienen und wurden gleichfalls mit großem Besitz ausgestattet Die markgräslichen Töchter waren gewöhnlich ihre Aebtissinnen.
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334 Der deutsche Fürstenbund.
und 20,000 Mann gekostet, hatte Friedrich für sich nichts gewinnen wollen, aber wichtiger als jeder Ländererwerb war das Ansehen, welches er in ganz Deutschland als Beschützer gegen willkürliche Ueberhebuugen des Kaiserhauses gewonnen hatte.
Mit dem Eude des baierschen Erbfolgekrieges war jedoch nicht alle Gefahr für Deutschlands Fürsten beseitigt; bald trat Oesterreich mit neuen Plänen zur Ausdehnung seiner Macht hervor, und diesmal hatte sich Joseph der Zustimmung Frankreichs und Rußlands zu versichern gewußt. Dem Kurfürsten von Baiern wurde ein Länderaustausch angeboten: er sollte Baiern an Oesterreich abtreten und dafür die kleineren österreichischen Niederlande mit dem Titel eines „Königs von Burgund" erhalten. Den schwachen Fürsten blendete dieser stolzere Name, und er war zu dem unvorteilhaften Tausche bereit, bei welchem man seinen berechtigten Nachfolger, den Herzog von Pfalz-Zweibrncken, gar nicht befragt hatte. Sowie aber Friedrich die Sache erfuhr, nahm er sich der Rechte des Herzogs an, und gestützt auf das alte Reichsgesetz, die goldene Bulle, erhob er Widerspruch dagegen, daß ein Kur-fürftenthum ohne Zustimmung der Reichsfürsten vertauscht würde. In Folge seiner Vorstellungen ließen Rußland und Frankreich nun von dem Vorhaben ab, welches Oesterreich ohne ihre Unterstützung nicht durchzuführen wagte.
Der deutsche Fürstenbund. In dieser Sache hatte sich jedoch von Neuem gezeigt, wie Oesterreich unablässig darauf bedacht war, die übrigen deutschen Staaten unter seine Herrschaft zu bringen. Um so dringender erschien es Friedrich, zum Widerstände gegen solche Gelüste und zur Ausrechthaltung der Verfassung und der Rechte im deutschen Reiche einige feste Veranstaltungen zu treffen, und es reifte in ihm der Plan, die deutschen Fürsten zu solchem Zwecke in einen festen Bund zu vereinigen. Er berieth mit seinem Minister von Hertzberg den Entwurf eines Fürstenbundes und theilte denselben alsdann in folgenden Worten den deutschen Fürsten mit: „In Erwägung verschiedener seither eingetretener Umstände, welche die Freiheit von Deutschland bedrohen, haben die Fürsten, welche diesen Verein eingehen, nöthig gesunden, zu dem Mittel zu schreiten, zu welchem sie durch das Herkommen vieler Jahrhunderte und durch die klare Bestimmung der Reichs-gejetze genugsam berechtigt sind, nämlich ein Bündniß unter sich zu errichten, welches zu Niemandes Beleidigung gereichen, sondern lediglich den Endzweck haben soll, oie bisherige gesetzmäßige Verfassung des deutschen Reiches in ihrem Wesen und Bestände zu erhalten. Nach diesen Grundsätzen verbinden sich die Fürsten, auf ihr altdeutsches fürstliches Ehrenwort, alle und jede Reichsstände bei ihrem rechtmäßigen Besitzstände durch alle rechtliche Gewalt zu schützen. Die verbundenen Fürsten wollen in wahrer und genauer Freundschaft leben und sich Alles, was einem Jeden schädlich oder nützlich sein könnte, im Vertrauen eröffnen und mittheilen. Sie wollen besonders alle dienlichen Mittel auweudeu, daß die Reichsversammlung in beständiger Thätigkeit erhalten, über alle dahin gebrachten Angelegenheiten berathen und beschlossen, auch die Erledigung der Klagen befördert werde. Wenn Jemand, wer es auch sei, die verbündeten Fürsten oder auch jedes andere Glied des Reiches in seinem Besitzstände mit eigenmächtigen Ansprüchen, mit willkürlichen und aufgedrungenen Vertauschungen von alten erblichen Landen beunruhigen und
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Blücher's früheres Leben. 411
Krieges Antheil und focht besonders bei Kunersdorf tapfer mit. Der bald eintretende Friede aber war feinem jugendlichen Thatendrangs zu einförmig: alle Nachrichteu stimmen überein, daß der jetzt erst zwanzigjährige Blücher ein äußerst wilder Offizier gewesen und sorglos in das Leben hineingestürmt habe. Jagd, Spiel und lustige Streiche theilten feine Zeit, doch verleugnete sich auch auf diesen Abwegen niemals sein kühnes Kriegerherz, sein ehrenhafter, tüchtiger Sinn und sein theilnehmendes Gemüth. Als Rittmeister wegen willkürlicher Schritte im Avancement übergangen, forderte er trotzig seinen Abschied, woraus Friedrich der Große mit gewohnter Kürze antwortete: „Der Ritt meist er von Blücher kann sich znmtenfel sch ecren" (1773). Blücher begab sich nach Polen, wo er ein Fränlein von Mehling heirathete und Landwirthschaft trieb; bald darauf übernahm er ein Gut in Pommern. Als 1778 der baiersche Erbfolgekrieg ausbrach, mochte es der eifrige Kriegs-mann nicht mehr auf dem Lande aushalten, er bat in wiederholt dringenden Gesuchen um Wiederanstellung, wurde jedoch immer zurückgewiesen, bis nach Friedrich's Tode ihm die Verwendung des Generals von Bifchoffswerder den Wiedereintritt als Major in demselben Hufarenregimente, wie früher, verschaffte (1786). Blücher lebte nun gauz wieder im Kriegswesen und ganz in der alten ungebundenen Weise. Er machte den Zug nach Holland (1787) mit, zeigte überall Gewandtheit und Entschlossenheit und avancirte schon 1790 zum Oberst. Vom Jahre 1793 an nahm er am Feldzuge gegen Frankreich Theil und zeichnete sich überall durch Kühnheit, kluge Anschläge und rasche Ausführung Vortheilhaft aus; selbst bei dem Feinde gewann fein Name schon einige Berühmtheit. In der Armee wurde er ehrenvoll der „neue Zieten" genannt. Sein Regiment hatte während der beiden Feldzüge 1793 und 1794 den Franzosen gegen 4000 Gefangene genommen, wogegen von feinen Leuten nur ein einziges Mal 6 Mann in Gefangenschaft gerathen waren. Sein Verdienst wurde allgemein anerkannt, vom Könige, im Heere, im gefammten Volke. Friedrich Wilhelm Iii. hatte als Kronprinz am Rheine persönlich Gelegenheit gehabt, Blücher's Wirken kennen zu lernen, und ließ ihm von vorn herein die größte Anerkennung zu Theil werden. Im Jahre 1801 wurde er zum Generallieutenant, bald darauf zum Gouverneur von Münster ernannt. An der unglücklichen Schlacht bei Jena nahm Blücher Theil, jedoch nicht in der Ausdehnung, wie er gewünscht hatte; der größte Theil der Reiterei stand noch schlagfertig, als die Schlacht aufgegeben wurde. Blücher, auf die Ehre des Tages uoch uicht verzichtend, suchte im Gewühle den König auf und erbot sich, mit seinen frischen Truppen und der gesammten Reiterei noch einen letzten, vielleicht günstig entscheidenden Versuch zu machen. Doch wurde der Befehl hierzu, kaum ertheilt, wieder zurückgenommen und der Rückzug angeordnet. Wenn es dem braven Generale nicht vergönnt war, das Geschick jenes unglücklichen Tages zu weubeu, so hat er wenigstens auf dem Rückzüge die alte preußische Waffenehre glänzend bewährt. Mit einer von allen Seiten zusammengerafften Reiterschaar wollte er versuchen, durch Mecklenburg hindurch sich dem Feinde in den Rücken zu werfen und wo möglich Magbeburg zu entsetzen. Von allen Seiten durch die Uebermacht gebrängt, schlug er sich bis Lübeck tapfer durch und wehrte sich in und bei biefer Stadt gegen den fünf Mal überlegenen Feind mit solchem Hclbenntuthe, daß ihm der feindliche
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Hauptbestimmungen der Verfassung vom 31. Januar 1850.
469
Nissen des Staates ohne Gefährdung des öffentlichen Wohles nicht geschmä* lert werden darf.
So kam denn in Folge jener Revisionsarbeiten die Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850 zu Stande.
Die Verfassung handelt im Titel I vom Staatsgebiete, — Ii von den Rechten der Preußen, — Iii vom Könige, — Iv von den Ministern, — V von den Kammern, — Vi von der richterlichen Gewalt, — Vii von den nicht zum Richterstande gehörigen Beamten, — Viii von den Finanzen, — Ix von den Gemeinden, Kreis-, Bezirks- und Provinzial-Verbänden, — dann folgen noch allgemeine und Übergangsbestimmungen.
Wir stellen die wesentlichsten Bestimmungen der Verfassung kurz zusammen:
In dem Abschnitte „von den Rechten der Preußen" wird zunächst die Gleichheit vor dem bürgerlichen Gesetze verbürgt. Artikel 4: „Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Standesvorrechte fmden nicht statt. Die öffentlichen Aemter sind unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen für alle dazu Befähigten gleich zugänglich." , ,
„Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vererm-gung zu Religionsgesellschaften und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung ist gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen." (Art. 12.)
Der christliche Charakter des preußischen Staates. Ar» tikel 14: „Die christliche Religion wird bei denjenigen Einrichtungen, welche mit der Religionsübung im Zusammenhange stehen, unbeschadet der im Artikel 12 gewährleisteten Religionsfreiheit zum Grunde gelegt."
Die Selbstständigkeit der Kirche. Art. 15: „Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, sowie jede andere Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitze und Genusse der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds."
Die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und Fürsorge des Staates fürdie allgemeine Volksbildung. Artikel 20: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei." — Art. 21: „Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen genügend gesorgt werden. Aeltern und deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder und Pflegebefohlenen nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die öffentliche Volksschule vorgeschrieben ist." Art. 24: „Bei der Einrichtung der öffentlichen Volksschulen sind die konfessionellen Verhältnisse möglichst zu berücksichtigen. Den religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die betreffenden Religionsgesell-schasten."
Die Preßfreiheit. Art. 27: „Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Censur darf nicht eingeführt werden, jede andere Beschränkung der Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung."
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Friedensverhandlungen. 687
zu führen, doch dürfe derselbe nur angenommen werden, wenn er ehrenvoll sei.
Bei der Stimmung der Versammlung von Bordeaux und der neu eingesetzten Regierung konnte die deutsche Regierung in eine Verlängerung des Waffenstillstandes zunächst bis zum 24. Februar willigen, zumal inzwischen auch Belfort übergeben worden war.
Die Friedensverhandlungen wurden von Thiers selbst in Gemeinschaft mit dem von ihm neu eingesetzten Minister I. Favre geführt. Ueber seine Stellung zur Kriegs- und Friedensfrage sprach sich Thiers in der Nationalversammlung mit folgenden Worten aus: „Ich biu bereit, Ihren Auftrag zu erfüllen, zu gehorchen, jedoch mit einem Vorbehalt, nämlich dem, Ihnen zu widerstehen, wenn Sie, hingerissen durch ein edelmütiges, aber unüberlegtes Gefühl, von mir das verlangen, was die politische Klugheit verdammen würde, wie ich es that, als ich vor acht Monaten mich plötzlich erhob, um der bedauernswerten Ueberstürzung zu widerstehen, welche uns zu einem unglückseligen Kriege führen sollte. Frankreich, ohne ernsthaften Beweggrund, ohne hinreichende Vorbereitung in den Krieg gestürzt, sah seinen Boden überflnthet, seine Armee vernichtet, seine schöne Organisation zerstört, seine alte und mächtige Einheit in Gefahr gebracht, seine Finanzen zerrüttet, den größten Theil seiner Kinder der Arbeit entrissen, um auf dem Schlachtfelde zu sterben, die Ordnung durch ein plötzliches Auftreten der Anarchie gestört und nach der erzwungenen Uebergabe von Paris den Krieg nur sür einige Tage unterbrochen, um sofort wieder zu beginnen, wenn nicht die Regierung, indem sie die Verantwortlichkeit schmerzhafter Unterhandlungen übernimmt, schrecklichen Unglücksfällen ein Ziel setzt. Giebt es, kann es Angesichts einer solchen Sachlage zwei Politiken geben? Und giebt es im Gegentheil nicht eine einzige, nothwendige, dringliche Politik, darin bestehend, schnellmöglichst den Uebeln ein Ziel zu setzen, welche uns niederschmettern? Wird irgend Jemand behaupten können, daß man nicht so schnell und so vollständig, als nur möglich, der fremden Occnpation vermittelst eines Friedens ein Ende machen muß, der freilich nur angenommen werden kann, wenn er ehrenhaft ist; — daß es nicht nöthig ist, unsere Landbevölkerungen vom Feinde zu befreien, der sie niedertritt und aussaugt; aus den fremden Gefängnissen unsere Soldaten, Osstziere und Generale zurückzuberufen; mit ihnen eine disciplinirte und tapfere Armee zu reconstituireu; die gestörte Ordnung wieder herzustellen; die uns zu Grunde richtenden Ausgaben einzustellen; wenn auch nicht unsere Finanzen, was nicht das Werk eines Tages sein kann, doch unseren Credit wieder zu erheben, was das einzige Mittel ist, dringlichen Verpflichtungen die Spitze zu bieten; unsere Mobilen und Mobilisirten wieder in ihre Hei-math, in die Werkstätten zurück zu senden ;die unterbrochenen Landstraßen wieder zu öffnen, so die überall unterbrochene Arbeit wieder ins Leben zu rufen, welche allein unsern Arbeitern und Bauern wieder ihre Thätigkeit verschaffen kann? Giebt es irgend Jemand, der uns sagen könnte, daß es etwas Dringlicheres gebe, als alles dieses? Nein! Nein! Meine Herren! Frieden machen, reorganisiren, den Credit erheben, die Arbeit beseelen — dies ist die einzig mögliche, in diesem Augenblicke allein begreifliche Politik."
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Preußen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Der geistliche Kampf (der sogenannte Cnltnrkampf). 723
Die preußische Regierung schritt nun zu weiteren Zwangsmaßregeln bis zur Einstellung der Leistungen des Staats an die katholische Geistlichkeit und bis zur Abänderung der Verfassungs-Artikel über die Selbstständigkeit der Kirche.
Aber inmitten des heftigsten Kampfes hielt die Regierung doch die Aussicht und den Wunsch auf Frieden fest. Fürst Bismarck sagte in dieser Beziehung: „Wir können den Frieden nicht suchen, so lange unsere Gesetzgebung nicht von den Fehlstellen gereinigt ist, mit denen sie seit 1840 in einem übel angebrachten Vertrauen auf Billigkeitsgefühl der anderen Seite, aus Patriotismus bei denjenigen, die man mit der Ausführung betraute, stellenweise unwirksam gemacht worden ist. Diese Bresche muß überschüttet werden, sie muß ausgefüllt werden; sobald das geschehen ist, werde ich kein eifrigeres Bemühen haben, als den Frieden, selbst mit dem Centrum, namentlich aber mit dem sehr viel mäßiger gesinnten römischen Stuhle zu suchen, und ich hoffe, ihn dann auch mit Gottes Hülfe zu finden, und ich werde dann, so lange mir das Leben gegeben ist, dazu beitragen, den Kampf, den aggressiv zu führen wir eine Weile genöthigt gewesen sind, demnächst nur defensiv fortzusetzen und die Aggression mehr der Schulbildung als der Politik zu überlassen. Nachdem auf diese Weise der Gesetzgebung die Bahn frei gemacht ist, hoffe ich, meine Herren, auf diesem Wege mit Gottes Hülfe diesen Frieden zu finden, denselben Frieden, unter dem unsere Väter Jahrhunderte lang in einem starken Staate und gestützt in diesem starken Staate durch unsere Dynastie mit einander in confessioneller Einigkeit gelebt haben."
Er schloß mit den Worten:
„Wie uns die Geschichte kriegerische Päpste und friedliche, fechtende und geistliche zeigt, so hoffe ich, wird doch auch wieder einmal demnächst die Reihe an einen friedliebenden Papst kommen, mit dem sich Friede schließen lassen wird; darauf ist meine Hoffnung gerichtet."
Als nun Papst Pius Ix. im Februar 1878 gestorben war, der neue Papst Leo Xiii. aber dem Kaiser Wilhelm seine Thronbesteigung anzeigte und zugleich das Bedauern aussprach, nicht die guten Beziehungen vorzufinden, welche einst zwischen Preußen und dem päpstlichen Stuhl bestanden hätten, antwortete ihm der Kaiser: gern entnehme er den freundlichen Worten des Papstes die Hoffnung, daß er geneigt sein werde, mit dem mächtigen Einfluß, welchen die Verfassung Seiner Kirche ihm auf alle Diener derselben gewährt, dahin zu wirken, daß auch diejenigen unter den Letzteren, welche es bisher unterließen, den Gesetzen des Landes, in dem sie wohnen, sich fügen werden.
Nachdem der Papst in einer Erwiderung vom 17. April der Hoffnung auf Erneuerung des früher bestandenen guten Einvernehmens wiederholt Ausdruck gegeben, und als Mittel zur Erreichung desselben die Abänderung verschiedener in Preußen bestehender gesetzlicher und verfassungsmäßiger Bestimmungen bezeichnet hatte, richtete der Kronprinz im Namen des damals krank darniederliegenden Kaisers ein Schreiben an den Papst, worin er sagte:
„Wenn es daher nicht in Meiner, und vielleicht auch nicht in Ew.
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Extrahierte Personennamen: Bismarck Leo_Xiii Leo Wilhelm