1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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L Das Königreich Persien (26,450 Q.-M., 5 Mill. E.)
liegt zwischen dem Kaspi-See und dem persischen Meerbusen, und hat, mit
Ausnahme des südlichen Küstenstrichs und der Wüste, ein mildes, aber
trocknes Klima. Die Perser, von vermischter Herkunft, sind Muhamedaner,
(Schiiten) und Hauptfeinde der Türken (Sunniten); im Aeußern erscheinen
sie als ein schöner, kräftiger,, gewandter und ausdauernder Menschenschlag.
Sie zeichnen sich durch Geist, Verstand (das Schachspiel ist in Persien
erfunden), poetischen Sinn, Milde, Tapferkeit, Mäßigkeit und Höflichkeit
aus. Aber diesen Tugenden kommen folgende Hauptfehler gleich: Falschheit,
Verstellung, Geiz und Eifersucht. Kein noch so feierlicher Eidschwur vermag
ihre Habsucht oder ihren Ehrgeiz zu mäßigen. Araber und Türken sprechen
mit der größten Verachtung von den vielen Complimenter: und den schönen
Worten der Perser. Viele Stämme sind noch Nomaden (Ihlasis); die
Angesessenen nennt man Tadschiks. Sie verfertigen vorzügliche Teppiche,
Shawls, Säbel, Leder-, Gold- und Silberwaaren. Obwohl in Persien der
Islam die herrschende Religion ist, so werden doch auch die Religionen
der Parsen, Juden, Christen re. geduldet. In Persien und Beludschistan
sollen noch 100,000 Anhänger von Zoroasters Lehre sein; die Moslemin
nennen die Feueranbeter in der Regel Guebern, d. i. Ungläubige. — Der
Boden, welcher auf künstlichem Wege bewässert wird, liefert neben unsern
europäischen Getreidearten viel Obst, guten Wein, prächtige Rosen (Rosenöl)
und reichliche Weiden für die Pferde- und Kameelzucht. Auch der Seiden-
bau ist ein nicht unbedeutender Erwerbszweig in Persien, welcher noch ergie-
biger wäre, wenn die Handelsverbindungen des Landes nach Außen sich
günstiger gestalteten und die Sicherheit der Landstraßen von wegelagernden
Räubern nicht gefährdet würde. Der Handelsstand ist sonst in Persien sehr
geachtet; Geistliche und hohe Beamte verschmähen es nicht, Geschäfte zu machen.
Die Perser werden von einem despotischen Herrscher, „Schach", regiert;
die Söhne desselben, Mizars genannt, verwalten die Provinzen, wenn sie
mündig sind. Alle Unterthanen haben gleiche Rechte und werden nach dem
Koran gerichtet. Vor Gericht sollen große Bestechlichkeiten vorkommen und
gräßliche Strafen verhängt werden, z. B. Bastonade, Schinden, Spießen,
Augenausstechen rc. Die bedeutendsten Städte sind: Teheran, 80,000 E.
Schiras, 30,000 E. (Gräber der persischen Dichter Saadi und Hasiz.)
Jspahlu, 60,000 E. Tauris am Urmiasee, 100,000 E. Balfrusch nahe
am Kaspi-See, 250,000 Einw. Herat, früher ein selbständiger Staat, ist
1851 von den Persern erobert worden.
2. Afghanistan (Kabul) mit Herat (12,160 O.-M., 4 Mill. Cinw.)
wird von den nomadisirenden Afghanen bewohnt, welche aus den Hindukuh-
bergen gekommen sind, in mehrere Stämme zerfallen und in immerwähren-
dem Kriege mit einander leben. Auch hier bauen die Tadschiks" das Land,
treiben Gewerbe oder nehmen Theil an dem Handel, welcher durch
Kabuls Lage, wo die Waaren von West- und Ostasien aufgestapelt werden
und Karawanen von allen Richtungen anlangen oder abgehen, begünstigt
wird. Kabul wird vou einem Schach regiert, welcher in Kabul residirt.
Kandahar, 80,000 E. Herat, 100,000 E., Fabriken, Mittelpunkt eines
ausgebreiteten Handels.
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von hagerer Gestalt und brauner Gesichtsfarbe. Sie sind Christen, haben
sich aber im 6. Jahrhundert von der allgemeinen christlichen Kirche getrennt.
In religiösen Dingen sind sie abergläubisch und nichts weniger als neuerungs-
fähig. Ihr Glauben ähnelt dem griechischen, doch sind die Sitten der Ar-
menier reiner.
Die Maroniten sind ein tapferes, einfaches, sittenreines Volk, welches
die alte Gastsieiheit und Genügsamkeit wohl erhalten hat. Sie bilden eine
eigne christliche Sekte, welche die Oberhoheit des Papstes anerkennt, aber
der lateinischen Sprache sich beim Gottesdienste nicht bedient, und die Ehe-
losigkeit der Geistlichen nicht duldet. Sie bilden am Libanon eine Art von
militärischer Republik; ihre Zahl mag sich auf 120,000 belaufen.
Die Drusen, ungefähr 150,000 an der Zahl, wollen von den Franken
abstammen, sind aber eine halb muhamedanische Sekte geworden, und
wohnen am Libanon. Sie zahlen der Pforte zwar Tribut, sind aber sonst
ganz unabhängig und treiben Feld- und Weinbau, Seidenzucht rc. Sie sind
abgehärtete, tapfere und gastfreie Leute, welche nur gereizt eine wilde Grau-
samkeit an den Tag legen.
Die Kurden, ein rohes, lebhaftes Volk aus Persien, durchzieht nomadi-
sirend Assyrien, Kleinasien und Syrien. Sie sind weder schöne, noch ange-
nehme Gäste, denn ihre liebste Beschäftigung ist der Raub. Sie überfallen
einzelne Reisende und ganze Karawanen, plündern und stehlen auf höchst
listige, rasche Weise, und überlassen den Frauen die Besorgung der Heerden,
der Nahrung und Kleidung. Einige Stämme sind Christen, aber um kein
Haar besser als ihre muselmännischen Brüder.
Klima und Boden in der astatischen Türkei begünstigen den Ackerbau;
namentlich wird die Fruchtbarkeit von Kleinasien und Mesopotamien gerühmt.
Am wichtigsten sind der Oel- und Seidenbau, die Mohnpflanzungen, Arznei-
und Gewürzpflanzen, Baumwolle, Tabak, eine ausgebreitete Rosencultur zur
Bereitung zweier köstlicher Handelsartikel, des Rosenöls und Rosenwassers.
Dagegen fehlt es an Wäldern, welche, wie auch der Cedernwald am Liba-
non zeigt, stark im Abnehmen sind. Kameele, Angoraziegen, Pferde, Seiden-
raupen, Schafe, namentlich in Kurdistan, Bienenzucht ernähren viele Stämme
und Familien. Dagegen ist der Bergbau unbegreiflich vernachlässigt. Die
wichtigsten Erzeugnisse der Industrie, welche in der asiatischen Türkei auf
einer höheren Stufe steht, als in der europäischen, sind Seidenzeuge (Aleppo,
Damaskus, Mardin, Bagdad, Brussa), Baumwollenstoffe (Mossul, Damas-
kus, Diarbekr, Smyrna rc.), Linnenwaaren, Shawls und Kamelots von
Angora, Teppiche von Brussa und Damaskus, Saffiane, Säbelklingen (Da-
mastener), Glaswaaren, Färbereien re. Der Seehandel ist in den Händen
der Franken, so heißen im Orient die Europäer schon seit Karl d. Gr.;
den Landhandel treiben Karawanen. Man führt insbesondere aus: Seide,
Baumwolle, Kameelgarn, türkisches Rothgarn, Galläpfel, Oel, Meerschaum,
Saffian rc. Wir wenden uns zur Ortsbeschreibung.
1. Kleinasien*),
auch Natolien, die Levante, Anatoli genannt, war eins der reichsten Länder
') Vergl. oben § 76, 3.
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Rußland ist. Die Pelen zeichnen sich durch Vaterlandsliebe, Tapferkeit,
militärisches Talent, Gelehrigkeit und Lebhaftigkeit aus. Während die
niedern Volksklassen als unreinlich, trunken und servil geschildert wer-
den, erscheinen die Vornehmen fein, nüchtern, höflich und sehr stolz. Die
Polen bekennen sich zur römisch-katholischen Kirche. Polnische Ordnung
auf den ehemaligen Reichstagen ist sprichwörtlich geworden.
Warschau, 170,000 E. (10,000 Juden), Univers., Residenz des Statt-
halters. Festung und Vorstadt Praga an der Weichsel. Kalisch, 12,600 E.
und Ljubliu, 19,000 E. Ostrolenka. Wallfahrtsort Czenstochau an der
Warthe.
8 54.
Das Königreich Schweden «nd Norwegen.
(13,830 Q.-M., 5,703,000 Einw.)
Schweden und Norwegen bildeten vom Jahre 1397 bis 1524 mit
Dänemark ein großes Reich, welches die dänisch-norwegische Königin Marga-
retha durch die in der schwedischen Stadt Calmar geschlossene Union vereint
hatte. 1524 riß sich Schweden von der Union wieder los und ward ein
selbständiges Königreich. Als endlich Schweden 1814 sich zu Napoleons
Gegnern schlug, erhielt es als Preis für seinen Beistand das Land Norwegen,
welches den mit Frankreich verbündeten Dänen durch den erwählten Kron-
prinzen von Schweden, den vormaligen französischen Marschall Bernadotte,
entrissen wurde. Seitdem bilden die beiden Königreiche eine gemeinschaftliche
Monarchie, jedes hat aber seine eigene Verfassung und Verwaltung. Die
Finanzen befinden sich in einem günstigen Zustande.
In Schweden ist der König durch einen Reichstag eingeschränkt, welcher
sich in jedem fünften Jahre versammelt. In Norwegen genießt das Volk
größere Vorrechte, als die Schweden haben. Das Volk wählt nämlich eine
Versammlung von 75 bis 100 Mitgliedern, den Storthing, welcher alle
3 Jahre ohne besondere Berufung auf drei Monate in Christiania zusammen-
tritt. Diese Versammlung theilt sich in 2 Kammern; haben diese einen
Gesetzes-Vorschlag berathen und angenommen, so bedarf derselbe noch der
Bestätigung des Königs, welcher ihn jedoch auch verwerfen kann. Wird aber
derselbe Vorschlag von den beiden folgenden Storthings erneuert, so muß er
Gesetzeskraft erhalten. Beide Reichstage haben die Steuern festzusetzen.
Die Schweden und Norweger sind deutschen Stammes, und bilden den
Kern der Landesbevölkerung; im diorden wohnen Finnen und Lappländer.
Die herrschende Religion ist die lutherische; die Lappen sind zum Theil noch
Heiden. Für das Volksschulwesen ist so gut gesorgt, daß man unter den
Schweden und Norwegern wohl selten Jemand findet, der nicht schreiben und
lesen kann. In Norwegen muß Jeder, der confirmirt werden soll, lesen
können, Jeder, der heirathen will, confirmirt sein, und wer im 20. Jahre
nicht confirmirt ist, kann gewaltsam im Zuchthause angehalten^werden, das
zur Confirmation Erforderliche zu leruen. Während aber die Schweden und
Norweger durch ihre Bildung und geistige Kraft eine hervorragende Stellung
Kitter den Earopäern einnehmen, stehen die Lappen und Finnen noch auf einer
niedern Culturstufe. Die Lappen sind insbesondere Nomaden, welche mit
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Die französische Industrie, welche an Großartigkeit der englischen nach-
steht, ist in Mode- und Luxusartikeln die Tonangeberin für den Continent
geworden. Die Seidenwaaren von Lyon, die Schmuck- und Bijouteriesachen
von Paris, ebenso seine Porzellan- und Bronzewaaren, seine Handschuhe und
Hüte, die Seidenbänder von St. Etienne werden allen ähnlichen Fabrikaten
als die nettesten und geschmackvollsten vorgezogen. Daneben leisten denn auch
die Baumwollen-, Wollen-, und Linnenfabriken in den verschiedenen Theilen
des Landes nicht Unbedeutendes. Außer Paris herrscht in den an Belgien
grenzenden Städten im Elsaß, in St. Etienne und Lyon die größte in-
dustrielle Thätigkeit, deren Erzeugnisse rasch in alle Theile des In- und
Auslandes entweder vermittelst der Eisenbahnen oder der Wasserwege ver-
sendet werden können. Die bedeutendsten Seehandelsplätze Frankreichs sind
Marseille, Bordeaux, Havre, Nantes und Brest; im Innern treiben Paris,
Lyon, Rouen, Straßburg, Nimes, Nantes u. a. den meisten Handel.
Das französische Volk wird von allen ziemlich gleich geschildert, und
in dem, was Julius Cäsar in seinem gallischen Kriege von dem Tempera-
mente der Gallier erzählt, treffen wir bereits die Anfänge des jetzt entwickel-
ten Volkscharakters. Die Franzosen sind im Allgemeinen gut gebaut, nicht
groß, leicht, behend und flink. Ihr Temperament neigt sich entschieden zur
Fröhlichkeit und Heiterkeit, aber auch zur Heftigkeit und Streitsucht. Wie
leicht braust eiu Franzose auf! Wie rasch ist er Feuer und Flamme! Wie
bald ist er für eine Sache begeistert, wie schnell verflackert aber auch seine
Hitze, sein Zorn, seine Begeisterung! Die Franzosen sind gesellig, sehr bös-
lich und gutmüthig. Die Sitten der Nation darf man nicht, wie häufig
geschieht, nach der Verdorbenheit der Hauptstadt beurtheilen. Besonders ist
den Franzosen eine große Eitelkeit, ein bedeutender Nationalstolz und eine
ins Kleinliche gehende Höflichkeit im geselligen Umgang eigen. Der Eng-
länder spricht nie mit einem Fremden und hält den letztem, wenn er eben-
falls schweigt, für einen gebildeten, anständigen Mann. Der Deutsche ent-
schließt sich schwer, der Franzose wird es nie unterlassen, mit Reisenden ein
Gespräch und eine Bekanntschaft anzuknüpfen, die aber bald wieder vergessen
wird. Im Genusse von Speise und Trank ist der Franzose entschieden
mäßiger, als der Engländer und Deutsche, bei welchen keine festliche Gelegen-
heit ohne einen großen Aufwand von Gerichten und Weinen begangen wer-
den kann. Besonderes Gewicht legt der Franzose im öffentlichen und Pri-
vatleben auf einen Witz (don-mot); dieser vermag eine ganze Geschichte zu
verderben und angesehene Personen für immer ihres Einflusses zu berauben.
Bei dieser Leichtigkeit des französischen Naturells ist es denn nicht zu ver-
wundern, daß die Bildung der Franzosen keine sehr gründliche ist. Viele
Tausende, denen es an äußerer Politur gar nicht fehlt, können weder lesen
noch schreiben. Noch jetzt wachsen viele Tausende ohne Unterricht auf, da
noch lange nicht jede Gemeinde eine Volksschule hat. Dagegen ist für die
höhere Bildung durch Privat- und Staatslehranstalten gut gesorgt. Beson-
ders viel haben die Franzosen in den Natur- und Militärwissenschaften und
in der Mathematik geleistet; in anderen Wissenschaften verschwinden dagegen
ihre Leistungen im Vergleiche mit den deutschen und englischen Studien.
Das französische Staatsschiff ist nach verschiedenen Stürmen wieder in
den Hafen der Ruhe eingelaufen. Kein Volk hat bisher so viele Revolu-
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mit einem Denkmal der Jungfrau Ieanne d'arc. Poitiers (32,000 E.),
in dessen Nähe Carl Martell 732 die Araber schlug, und die Kriegshäfen
la Rochefort und Rochelle; jenes besitzt bedeutende Arsenale und einen Bagno
für Galeerensträflinge, dieses ein besuchtes Seebad.
15. Die Bretagne,
eine Halbinsel, hat ihren Namen von den Briten, welche sich aus ihrem
Vaterlande vor den Angeln und Sachsen hierher flüchteten. Städte von
Bedeutung sind Nantes an der Loire (105,000 E.) ein wichtiger Handels-
platz mit gutem Hafen. Das Edikt von Nantes 1598. Rennes, 47,000 (5.,
war die alte Hauptstadt der Bretagne. Brest (70,000 E.) besitzt den be-
deutendsten Kriegshafen in Frankreich; er faßt 500 Schiffe. St. Malo hat
eine große Handelsflotte.
16. Die Normandie
hat ihren Namen von den eingewandeten Normannen, deren Herzog Rollo
911 das Land von Carl dem Einfältigen als Lehen erhielt. Die heutige
Bevölkerung wird als kriegerisch und streitsüchtig geschildert. Rouen an der
Seine (106,000 E.) ist eine sehr reiche Fabrikstadt. Hier wurde 1431 Ieanne
d'arc von den Engländern verbrannt. An der Seine-Mündung ist le Havre
de Grace zu merken (76,000 E.), das einen lebhaften Verkehr mit Nord-
amerika unterhält. Wichtiger noch ist der feste Kriegshafen Cherbourg.
Dieppe treibt ansehnliche Häriugsfischerei, und ist als Seebad besucht. Caen
(45,000 E.) ist nach Rouen der größte Ort im Binnenland.
17. Corsika
(160 Q.-M., 253,000 E.) ist eine gebirgige, an Erz und Marmor reiche
Insel. Ackerbau und Industrie bleiben unbedeutend, so lange der Corse das
ungebundene freie Leben auf der Jagd und beim Fischfang beibehält; bisher
konnte er dieser Beschäftigung nicht entsagen. Man schildert die Corsen als
ein wildes, tapferes und rachsüchtiges Volk. Hauptstadt ist Ajaccio, 14,200
Einw. Seeplatz. Hier wurde Napoleon Bonaparte am 15. August 1769
geboren; er starb bekanntlich am 5. Mai 1821 in der Verbannung auf
der Insel St. Helena. — Auf Corsika wird italienisch gesprochen.
18. Das Herzogthum Savoyen (200 Q.-M., 600,000 E.)
ist 1860 mit der Grafschaft Nizza durch Vertrag dem Kaiserthum Frank-
reich einverleibt worden. Die Bewohner des Herzogthums (Savoyarden)
haben in Sprache und Lebendigkeit viel mit den Franzosen gemein; sie sind
kleiner Statur, nicht sehr schön, aber von einer seltenen Gutmüthigkeit, Ehr-
lichkeit und Genügsamkeit. Das arme Bergland nöthigt Viele schon in frü-
her Jugend ins Ausland zu wandern, wo sie als Diener sich vermiethen,
oder mit abgerichteten Murmelthieren, musikalischen Leierkasten, Tinte- oder
Schmierfäßchen, Mausefallen oder Aeffchen ihr Brot verdienen. Hauptstadt
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im Innern ist weder durch Straßen und Kanäle noch durch ein großartiges
Eisenbahnnetz unterstützt. Seehandelsplätze sind Cadix, Barcellona, Malaga,
Santander, Bilboa rc.
Spanien war früher als ein goldreiches Land bekannt, und der Berg-
bau scheint stark betrieben worden zu sein. Erst seitdem die unerschöpflichen
Goldgruben Amerikas für Spanien versiegt sind, scheint man den heimischen
Gruben wieder mehr Sorgfalt zu widmen. Außer dem bereits erwähnten
Quecksilberbergwerk in Almaden sind die bedeutendsten Blei- und Eisengruben
in Granuda und den baskischen Provinzen. Das Land hat überdies großen
Ueberstuß an Steinkohlenlagern und Mineralquellen aller Art.
Der spanische Volkscharakter weist viele gute Seiten auf, welche aber
durch die strenge politische und religiöse Bevormundung des Volkes arg ver-
wischt worden sind. Man rühmt vor allem an den Spaniern echte Vater-
landsliebe, Tapferkeit, Muth und Ausdauer, Redlichkeit, Ernst, Einsicht
und Lebendigkeit. Es gibt wenig Völker in Europa, welche dem Spanier
an Mäßigkeit gleichkommen. Ein spanischer Soldat begnügt sich für einen
Tag mit Wasser, Brot und einer süßen Zwiebel; „Oliven, Salat und Ra-
dieschen sind Speisen eines Ritters." Eben wegen ihrer Mäßigkeit und tapfern
Ausdauer sind die Spanier die besten Soldaten und Festungsvertheidiger.
Richt mit Unrecht wirft man dem Spanier Grausamkeit, Hochmuth, Rach-
sucht und Geiz vor. Die Volksbelustigungen der Spanier, die Stiergefechte,
denen Männer und Frauen aller Stände mit unbegreiflich innigem Wohl-
gefallen beiwohnen, empören und beleidigen unser Gefühl. Während sich in
allen übrigen Ländern Vereine bilden, um jeglicher Art von Thierquälerei
entgegenzuwirken, ergötzen sich die Spanier bei den Stiergefechten um so
mehr, je ärger ein Stier gehetzt, gestachelt, gebrannt und gemartert wird,
und achten in ihrer Freude kaum der Gefahren und Wunden, denen der
muthige Kämpfer sich der Zuschauer wegen aussetzt. Bei allen größeren
Städten in Spanien gibt es schöne Alamedas, mit Baumreihen bepflanzte
Spaziergänge, auf welchen am Abend ein ungemein reges Treiben herrscht.
Da klingen Guitarren und Castagnetten, Gesang und Flötenspiel und nicht
selten kann man den Nationaltanz, den Fandango, sehen.
Die Volksbildung in Spanien steht auf einer sehr niedrigen Stufe. Von
17 Kindern wird eins unterrichtet, und kaum der vierte Theil der nach
unsern Begriffen schulpflichtigen Kindern besucht die Elementarschule. Die
sogenannten Gelehrtenschulen, Gymnasien und Lyceen, entsprechen ebenso wenig
wie die Universitäten unseren Anforderungen.
Die spanische Monarchie ist ein konstitutoneller Staat, dessen Königs-
würde in männlicher und weiblicher Linie erblich ist. Die Cortes, die spa-
nische Nationalversammlung, besteht aus 2 Kammern, dem Senat, der Kam-
mer der Proceres, und aus der Deputirten-Versammlung, der Kammer der
Procuratores. Der Kronprinz führt den Titel Prinz von Asturien, die
übrigen Prinzen heißen Infanten von Spanien. Die Finanzen der spani-
schen Monarchie sind sehr zerrüttet; die Staatsschuld, welche 4 bis 5000
Millionen Franken beträgt, hat in den letzten Jahren regelmäßig zugenommen.
Wir werden die wichtigsten Orte Spaniens nach den Kronländern auf-
führen, aus denen die Monarchie zusammengesetzt ist.
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preußischen Provinz Sachsen eingeschlossen und werden von der Elbe, Mulde
und Saale durchflossen.
Hauptstadt ist Destau an der Mulde, ein sauberes, stilles Städtchen
mit 16,300 E. In der Nähe ist Wörlitz, mit berühmten Gartenanlagen.
Zerbst, 11,400 E. Köthen, 12,000 Einwohner, Knotenpunkt von Eisenbahnen.
Bernburg, 12,200 Einw., mit Schloß. Ballenstedt, 4500 E., am Rande
des Harzes schön gelegen, mit Schloß.
8. Das Großherzogthum Oldenburg
(114‘/4 Q.-M. und 302,000 meist evangel. Einwohner)
gehört vorzugsweise dem norddeutschen Tieflande an und liegt an der Nord-
see; die Fürstenthümer Eutin an der Ostsee und das Amt Birkenfeld am
Hundsrück rechts vom Rhein sind vom Hauptlande getrennt. Die Weser,
Hunte und Nahe sind die einzigen Gewässer des Landes. Seiner Boden-
beschaffenheit nach zerfällt es in Geest-, Marsch- und Moorland. Daö
Geestland im Süden ist trockner Boden, sandig und mager, häufig zu Wal-
dungen benutzt; das Marschland im N. ist naß, wird durch Kanäle ent-
wässert und gegen das Meer durch kostspielige Deiche geschützt; das Marsch-
land hat üppige Fruchtfelder, fette Weiden, schöne Häusergruppen, zahlreiche
.Viehherden. Das Moor- und Sumpfland ist voll stockender Gewässer und
liefert viel Torf; es wird im Frühjahr abgebrannt und mit Buchweizen
besäet. Der angezündete Torfboden brennt, die Luft mit dickem Qualm
(Höhenrauch) erfüllend, einen Zoll tief herab, und dient dann den Saat-
körnern als Dünger. Die Mehrzahl der Bevölkerung gehört dem Bauern-
stande zu, redet plattdeutsch und zeichnet sich durch Ruhe, Einsicht, Schweig-
samkeit, gesunden Witz und Biederkeit aus. Die Hauptorte sind:
1) im Großherzogthum: Oldenburg, 13,700 E., Residenz- und Han-
delsstadt ;
2) in Cutin: Eutin an dem gleichnamigen See, 3300 E. Fischfang;
3) in Birkenfrtd: Birkenfeld an der Nahe, 2500 E. Das Amt
Birkenfeld ist reich an Holz, Eisen, Steinkohlen, Achaten und Kar-
neolen, welche in Idar und Oberstein geschlissen werden.
9. Das Großherzogthum, Mecklenburg
(294 Q.-M. und 652,000 evangel. Einwohner)
gehört dem norddeutschen Tieflande an und theilt mit ihm die Ebene, die
Hügelreihe und den Reichthum an Binnenseen. Mecklenburg zählt von letzteren
460, zum Theil sehr fischreiche; der Müritzer und Schweriner See sind die
größten. Ackerbau, Viehzucht, Fischerei und Schifffahrt bilden die Haupt-
nahrungszweige der mecklenburgischen Bevölkerung, welche sich durch ein
starres Festhalten am Alt-Herkömmlichen auszeichnet; dies und eine gewisse
Langsamkeit im Auffassen neuer Dinge, Muth und Ausdauer, Vaterlands-
liebe und Treue in Erfüllung übernommener Pflichten sind Grundzüge im
Charakter der Mecklenburger. Auf dem Lande finden sich große Herrengüter,
Cassian, Geographie. 4. Aufl. n
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des in eine Pfanne mit siedendem Fett. Die Kunst besteht darin, daß das
Gericht eher auf den Tisch kommt, als das Eis in der Teighülle geschmolzen
ist. Entweder verbrennt man sich, wenn man dies verspeisen will, oder zer-
beißt man es, so empfindet man die Kälte des Eises.
Die chinesischen Frauen werden von Jugend auf schlecht behandelt und
verachtet. Das Mädchen lebt abgeschlossen von der Außenwelt, muß arbeiten
wie eine Magd, erhält keinen Unterricht als im Nähen, und wird zuletzt
wie eine Waare an den Meistbietenden wider ihren Willen verkauft. So
glänzend der Brautschmuck, so festlich die Hochzeit auch ist, so wenig benei-
denswerth ist das Loos, welches ihrer im Hause ihres Mannes wartet. Sie
darf nicht mit der Familie am Tisch essen, sondern muß den Mann und
die Söhne bedienen, und speist erst, wenn alle gesättigt sind, abseits nur
wenig und schlechtere Kost. Unter diesen Umständen ist es erklärlich, daß
viele Frauen sich tobten und viele Mütter ihre Töchter aussetzen. Die
Chinesen sagen, die Frauen haben keine Seele, sondern nur die Männer.
Ein Grundzug des chinesischen Charakters ist unbegrenzter Stolz; China ist
ihm der Mittelpunkt der Erde und berufen, über alle zu herrschen. Neben
diesem Stolze besitzt der Chinese eine lächerliche Kleinigkeitskrämerei. Alles
geschieht nach bestimmten Regeln, wie vor 2000 Jahren auch. Er steht
nach Regeln auf, er wäscht sich, macht und empfängt Besuche, grüßt, spricht,
schreibt arbeitet, ruht — Alles nach hergebrachten Regeln. Gefühllosigkeit, Ei-
gennutz, Unsittlichkeit, Falschheit werden als Schatten-, Wißbegierde, Höflichkeit,
Mäßigung, Heimathliebe, Achtung vor älteren Personen als Lichtseiten ihres
Charakters angegeben. Den angeborenen Hang zum Lernen unterstützen in
China unzählige Schulen aller Art, und die Aufmerksamkeit und Ehrerbietig-
keit der chinesischen Schüler gegen ihre Lehrer soll die in unseren Schulen
beobachtete weit übertreffen.
Der Beherrscher des himmlischen Reichs führt den Titel Kaiser, „der
himmlische Sohn"; er ist unumschränkter Herr über Leben und Tod
seiner Unterthanen. Er ernennt alle Beamte, welche Quane (Vorgesetzte)
oder Mandarine (Befehlshaber) heißen. Jeder von diesen muß studirt haben
und geprüft sein. Kein Mandarine kann ohne besondere Einwilligung des
Kaisers etwa neue Verordnungen erlassen oder alte außer Kraft erklären.
In keinem Lande der Erde sollen so weise und so väterliche Gesetze bestehen
als in China. Ueberall im Lande herrscht Ordnung und Sicherheit, für
welche Tag und Nacht eine zahlreiche Polizei wacht. Das Kriegsherr soll
13/2 Mill. Mann stark, aber schlecht bewaffnet sein. Die Mehrzahl führt
Bogen, Pfeile und Schwerter. Ihre Feuergewehre haben keine Schlösser.
Nicht selten tragen die Soldaten Sonnenschirme. Mit Recht bezweifelt man,
daß die chinesischen Soldaten einem europäischen Heere nachhaltigen Wider-
stand leisten könnten. Ihre Seemacht wenigstens ist noch jedesmal ordent-
lich zu Paaren getrieben worden. Dieselbe besteht aus 2000 Kriegsdschonken,
welche zwar stark bemannt, aber höchstens mit je 10 Kanonen armirt lind.
Im eigentlichen China soll es 2600 Städte geben; die Städte ersten Ranges
heißen Fu, die zweiten Ranges Tscheu.
' 1. Das eigentliche China
zerfällt in 18 wohlbevölkerte Provinzen. Hauptstadt ist Peking, 2 Mill. E.
1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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menschen (Samojeden íinb Kamtschadalen); 6) die Bewohner des Kaukasus,
unter denen die Tscherkessen oder Cerkassier und Georgier durch ihre Schön-
heit , Tapferkeit und Freiheitsliebe berühmt sind. Neben diesen Völkerschaften
sind viele fremde Kolonisten eingewandert, welche außer dem seit 1217 in
Livland, Esthland und Kurland ansässigen deutschen Adel über das ganze
Kaiserthum verbreitet sind. Nur in dem Gouvernement Astrachan sollen über
100,000 Deutsche in 100 Dörfern wohnen. Das dichtbevölkertste Gou-
vernement Rußlands ist Kaluga; hier wohnen 3000 Seelen auf einer Qua-
drat-Meile.
Die Rusien sind in der Regel untersetzte, starke, aber nicht schöne
Leute. Sie lieben berauschende Getränke, Musik, Tanz und Spiel; beson-
dere Sorgfalt verwenden sie auf den Bartwuchs. Nationale Belustigungen
sind Schaukeln, Schlitteln auf künstlichen Rutschbahnen, Schlittschuhlaufen,
Fahren rc. Nächst dem Osterfeste ist die Wasserweihe oder das Iordansfest
am Epiphanias-Tage (6. Jan.) ein großes Kirchen- und Volksfest. Die
Bäder sind den Russen allgemeines Bedürfniß; nach dem heißesten Schwitz-
bade stürzen sie sich in eiskaltes Wasser. Sie sind unwissend, gleichgültig
gegen Gefahren und sehr folgsam. Von Gemüthsart sollen die Russen im
Innern des Landes gutmüthig, mitleidig und hülfreich sein; die Grenz-
bewohner aber werden als heimttickische, habsüchtige und gefährliche Leute
geschildert. Der gemeine Russe lebt ärmlich in schmutziger Hütte und nimmt
von seinen Vorgesetzten die härtesten Zuchthiebe ruhig hin. Ehrgefühl besitzt
er nicht. Der Vornehme, welcher Pracht und Aufwand in Wohnung, Klei-
dung und Nahrung liebt, verhängt ohne Mitleid gegen seine Untergebenen
und Leibeigenen die härtesten Strafen und Qualen. Geselligkeit geht den
Russen über Alles; Ordnungsliebe, Arbeitslust und Reinlichkeit fehlen ihnen.
Während sie daheim in Hitze und Kälte, Hunger und Durst munter und
unverdrossen sind, haben sie sich im Ausland durch Anmaßung, Unverschämt-
heit im Begehren, Gefräßigkeit und viehische Trunkenheit die Verachtung
gebildeter Völker zugezogen. Im europäischen Rußland sollen nur 6 Mil-
lionen lesen und schreiben können. Die vorherrschende Religion der Russen
ist die griechisch-katholische; das sichtbare Oberhaupt der Kirche ist der Czaar,
„der Gott der Russen." Sie hat viel Ceremoniel in ihrem Cultus, ge-
bietet das Fasten und die Verehrung der Heiligen, und duldet Andersgläubige.
Der strenge Standesunterschied, welcher in ganz Rußland herrscht, verschwin-
det in der Osterwoche beinahe ganz; der gemeine Russe tritt z. B. am hei-
ligen Osterfeste in den Saal seiner Herrschaft und schenkt ihr unter drei-
fachem Kusse mit dem Ausruf: „Christus ist erstanden!" ein Ei, woraus
er mit dem Gegengruß: „Er ist wahrhaftig auferstanden!" ebenfalls ein
Osterei bekommt.
Die Centralbehörden des russischen Reichs sind der Reichsrath, der die
höchste berathende Behörde ist, der dirigirende Senat, welcher die höchste
Instanz in Iustizsachen bildet, der heilige Synod als die höchste geistliche
Behörde der griechisch-katholischen Kirche, und endlich das Staatsministerium,
welchem die ausübende Gewalt übertragen ist.
Man unterscheidet in Rußland folgende Stände: 1) den Geburtsadel;
2) den Amtsadel, welcher den Beamten nach ihren Verdiensten und Aemtern
ertheilt wird, erblich ist und bei feierlichen Gelegenheiten den Vorrang vor
1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Mitte, welche auf der äußern Inselreihe von Nell-Guinea bis Neu-Cale-
donien ihre Heimath haben. Diese Australbevölkerung ist sehr gering; wo
das Christenthum, wie z. B. bei den Negritos, noch feinen Eingang gefunden
hat, ist sie in raschem Abnehmen begriffen. Die Ursachen dieser Abnahme
sind zunächst in den gegenseitigen Kriegen, in dem feindlichen Zusammentreffen
mit den Weißen, in den Krankheiten und Lastern der Europäer, in dem all-
gemein verbreiteten Kindermord rc. zu finden.
Die Negritos neigen sich in ihrer Hautfarbe und Gcsichtsbilduug den
Aethiopiern zu; ihr langes, schwarzes, -seidenartiges Haar nähert sie den
Malayen, ihre Sprache den nordamerikailischen Indianern; in Sitten und
Gebräuchen gleichen sie aber durchaus keinem unter den bekannten Volks-
stämmen. Sie sind groß und schlank gebaut, haben große Köpfe, ein rundes
Vorderhaupt, große Augenbraunen, dicke Nasen, volle Lippen, einen großen
Mund, keine Vorderzähne, da man sie den Kindern auszieht, keine Häuser
und wenig Geräthschaften. Sie scheinen einer höhern Entwicklung ganz un-
fähig zu sein, und leben in viehischer Rohheit; sie halten in kleineren Horden
zusammen, treiben Jagd und Fischfang, aber keinen Ackerbau. Ueber ihre
Religion wissen wir nur Weniges. Sie glauben an ein höheres Wesen,
welches in Verbindung mit seinem Sohne alle Tinge geschaffen hat. Diesem
Weltschöpser feiern sie im Februar Feste; wer denselben nicht beiwohnt, zieht
sich den Haß der Gottheit zu; diese wohnt auf einer Insel und lebt von
Fischen, welche auf das erste Wort von ihr aus dem Wasser hervorkommen.
Ein Bruder des Weltschöpfers soll die Blattern verbreitet haben, und ein
böser Geist Nachts die unglücklichen Wanderer erschlagen und verzehren, wes-
halb sie sich auch die Feuerstätte nur mit einer Kienfackel versehen zu ver-
lasseu getrauen.
Die Polynesier stehen im Allgemeinen auf einer höhern Kulturstufe und
haben christliche Prediger nie mit Widerwillen aufgenommen; darum macht
auch das Christenthum erfreuliche Fortschritte bei ihnen. Sie trieben von
je etwas Ackerbau; Kokospalmen, Bananen, Panis, Bataten waren ihre gewöhn-
lichen Anpflanzungen. Jetzt werden schon europäische Getreidearten und Hülsen-
früchte gebaut, und einige Sorgfalt auf die Schweinezucht verwandt. Die Polyne-
sier werden gewöhnlich als einsichtsvolle, unternehmende, leidenschaftliche, kampf-
lustige und grausame Völker bezeichnet. Ihr Element ist das Wasser, wel-
ches sie mit ihren Barken kühn nach allen Richtungen hin durchschneiden;
daneben sind sie selbst vorzügliche Schwimmer. Ihre Bekleidung ist sehr
einfach; sie verstehen Zeuge zu verfertigen und künstliche Matten zu flechten.
Eine besondere Freude macht ihnen das Tätowiren, d. h. das Einätzen aller-
lei Figuren in die Haut mittelst scharfer Werkzeuge. Ihre Religion ist eine
durchaus heidnische und verlangt unzählige Spendungen und grausame Men-
schenopfer. Daher war auch Kindesmord, Menschenfresserei, Rachsucht, Falsch-
heit, Betrug und Mordwuth bei ihnen etwas Gewöhnliches. Aber nirgends
auf der ganzen Erde hat in jüngster Zeit die Lehre Jesu so herrliche Er-
folge gefeiert, als bei den Polynesiern. Aus rohen Wilden blüht allmählich
ein gesittetes, thätiges und friedfertiges Volk empor. An die Stelle der
L-klavenarbeit der Frauen und des Müssiggangs der Männer ist eine ge-
regelte, gemeinsame Thätigkeit getreten. Seitdem das Christenthum auf jenen
Inseln Eingang gefunden hat, herrscht Eintracht und Zufriedenheit, Thätig-