310
Erstes Hauptstück.
die einmal erworben wären, zu stören, daß sie vielmehr einen Jeden annehmen
wolle, der sich ihr anschließen und sie in der strengen Beobachtung der con-
stitutioncllcn Charte unterstützen werde, daß sic aber auch hoffe, diejenigen,
die von dieser unabänderlichen Linie abwichen, würden wenigstens den Muth
haben, ihr Unrecht offen zu bekennen. Diese Versicherungen aus dem Munde
eines Mannes, der während seiner ganzen parlcmcntarischcn Lausbahn stets
auf die gewaltsamsten Maßregeln gedrungen hatte, wurden nur als ein über-
müthiger Hohn aufgenommen und steigerten die allgemeine Erbitterung, statt
sie zu versöhnen. Unglücklicher Weise widersprachen den friedlichen Zusiche-
rungen der Minister die Aeußerungen ihrer Anhänger, die in Journalaufsätzen
und Flugschriften die Ansicht verfochten, daß der König durch die Verfassung
nicht gebunden sey, sondern, so wie diese ein Ausfluß der königlichen Gewalt
gewesen wäre, auch das Recht habe, sic erforderlichen Falles nach den Be-
dürfnissen des Königthumes und der Ordnung umzugestalten. Daß das Mi-
nisterium in der Abgeordnetenkammer die zur Leitung der öffentlichen Ange-
legenheiten erforderliche Mehrheit finden sollte, konnte Niemand für möglich
halten, der mit dem Geiste dieser Versanimlung einigermaßen bekannt war.
Es lag daher nahe, daß man voraussetzte: die Minister würden, sobald sie
sich überzeugt hätten, daß sic mit der Kammer nicht zu regieren vermöch-
ten, sich über dieselbe hinwegsetzen und den Versuch machen, ohne die
Kammer zu regieren. Sofern sic sich zu diesem Wagestücke entschlossen,
mußten sic aber auch Steuern erheben, die von der Kammer nicht bewilligt
waren; und da dieser nach der Verfassung das Recht der Steuerbewilligung
zustand, so waren alle Auflagen, die ohne ihre Bewilligung ausgeschrieben
wurden, gesetzwidrige, die Niemand zu zahlen auf gesetzlichem Weg? angehal-
ten werden konnte. Das einfachste Mittel, die willkürliche Gewalt der Mi-
nister zu brechen, war daher, wenn ganz Frankreich sich weigerte, die nicht auf
verfassungsmäßige Weise vcrwilligtcn Steuern zu entrichten. Dieser Gedanke,
der zuerst von dem Journal des Debats hingeworfen war, wurde sogleich
von den liberalen Blättern aufgenommen und nach allen Seiten erörtert.
Der Saame fiel auf einen fruchtbaren Boden. Zuerst trat in der kleinen
Stadt Pontivy in der alten Bretagne, deren Bewohner von je her durch
ihren Starrsinn bekannt waren, ein Verein zusammen, dessen Mitglieder sich
gegenseitig verpflichteten, aus gemeinschaftlichen Mitteln die Kosten der Pfän-
dungen aufzubringen, denen man sich durch die Verweigerung gesetzwidriger
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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326
Erstes Hauptstück.
üben können. Zwischen den beiden großen Parteien, die einander offen die
Stirn boten, in der Mitte schwankte unschlüssig ein schwaches Häuslein,
welches dem Herrn von Martignac auch nach seinem Sturze treu geblieben
war, und daß sich jetzt, gleich seinem Führer, weder entschließen konnte, mit
den Liberalen noch mit den Ultraroyalisten gemeinschaftliche Sache zu machen.
Von dieser Mittclpartei — wenn man. die Vereinigung weniger Personen,
die bei einem entscheidenden politischen Kampfe sich selbst von der Theilnahme
ausschließen, so nennen kann — ging ein Vorschlag aus, der zum Zwecke
batte, zwar nicht den Inhalt, aber doch die äußere Form der Adresse so weit
zu mildern, daß dieselbe die Gefühle des Königs wenigstens nicht allzu em-
pfindlich verletzt hätte. Vergebliches Bemühen! Der Einzige Erfolg, den
dieser Versuch der Versöhnung hatte, war, daß beide Seiten der Kammer
denselben mit gleicher Bestimmtheit zurückwiesen. Guizot, der, vor Kurzem
erst an die Stelle eines ausgeschiedenen Mitgliedes in die Kammer gewählt,
bei dieser Gelegenheit zum ersten Male das Wort ergriff, drang darauf, daß
die Kraft der Adresse nicht geschwächt werde: „Die Freimüthigkeit unserer
Worte," sagte er, „ist die einzige Mahnung, welche die Gewalt von uns er-
halten, die einzige Stinime, die sich bis zu ihr erheben und ihre Täuschungen
zerstreuen kann." — „Was liegt daran," rief auf der andern Seite der Ad-
vocat Berryer aus, der gleichfalls zum ersten Male in der Kammer auftrat,
daß Ihre Adresse mit Versicherungen der Hingebung, der Achtung und der
Liebe angefüllt ist, wenn sie die Rechte des Königs verletzt, wenn sie die
Krone mißhandelt? Dieser traurige Gegensatz kann keine andere Wirkung
hervorbringen, als daß er unsere Gedanken in Zeiten einer beklagenswcrthen
Erinnerung zurückversetzt, daß er uns zurückruft, auf welchem Wege ein un-
glücklicher König, mitten unter den Schwüren des Gehorsams und den Be-
theuerungen der Liebe, dahin gebracht wurde, den Scepter, den er aus den
Handen fallen ließ, gegen die Palme des Märtyrers zu vertauschen." Die
Adresse wurde, als cs zur Abstimmung kam, in unveränderter Gestalt, durch
221 Stimmen gegen 181 angennommen.
Der Würfel war gefallen. Es blieb dem Könige keine andere Wahl, als
entweder der Mehrheit, die sich in der Kammer ausgesprochen hatte, nachzu-
geben, oder die Kammer aufzulösen, um durch neue Wahlen diese Mehrheit,
wo möglich, zu brechen. Zur Nachgiebigkeit konnte Karlx. sich nicht ent-
schließen, weil er darin seine Abdankung gesehen hätte. Er war auf das
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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433
Das Bürgerkönigthum.
Unterschied des Herkommens offen; und wie eifrig der Herzog es sich auch
angelegen seyn ließ, dem Könige seine unverbrüchliche Ergebenheit zu be-
zeugen, so wußte doch Jedermann, daß die auf Zurückführung des alten
Zustandes der Dinge vor der Revolution gerichteten Maßregeln der Negierung
bei ihm keine Billigung fanden.
Karl X. ließ diese Art stillschweigender Opposition sich gefallen, ohne
großes Gewicht darauf zu legen. Er selbst verschmähte es keinesweges, sich
um die Volksgunst zu bewerben, wenn sich dazu ein Mittel bot, welches we-
der seinen Stolz noch seinen Grundsätzen zuwider war; und er verzieh cs
daher auch einem Prinzen vom Geblüte, wenn er sah, daß dieser auf seine
Art danach strebte, sich beim Volke beliebt zu machen. Da er keine Ahnung
von der Schwäche der Stützen hatte, auf denen seine Macht beruhte, so
konnte er auch nicht daran glauben, daß dem Benehmen des Herzogs von
Orleans ein Plan zum Grunde lag, der gerade auf die Voraussetzung jener
Schwäche berechnet war. Der Herzog seinerseits war weit davon entfernt,
ein falsches Spiel zu spielen; er beging keine Untreue gegen den König,
wenn er einer Regierung keine allzu lange Dauer zutraute, die von einem
Geiste durchdrungen war, welcher beinahe in allen seinen Richtungen' dem
Geiste der Nation mit ausgesprochener Feindseligkeit entgegentrat. Er wies
alle Aufforderungen zurück, die voreiliger Eifer an ihn richtete, sich mit den
Gegnern des Königshauses zu dessen Sturze zu verbinden; aber er hatte
keine Neigung, um fremder Thorheiten willen Frankreich noch einmal zu ver-
lassen und im hohen Alter die Irrfahrten seiner Jugend von neuem zu be-
ginnen; und er hielt es deshalb der Klugheit angemessen, nichts zu versäu-
men, um sich mit der Volkspartei, deren Sieg er vorherfah, auf einen guten
Fuß zu stellen. Ihm einen Vorwurf daraus zu machen, daß er die Ver-
hältniße richtig beurtheilte, wie von den Royalisten nicht selten geschah, war
eine der vielen Albernheiten, an denen die Höflinge Karls X. einen uner-
schöpflichen Reichthum besaßen.
Es war im Maimonate 1830, als der König von Neapel mit seiner
Gemahlin eine Reise nach Frankreich machte, um das verwandte Königshaus
zu besuchen, mit dem er in engere Beziehungen getreten war, seit die selbst-
ständige Haltung, welche das französische Cabinet gegen außen behauptete,
ihm Hoffnung gab, durch die Herstellung des alten Familienbundes der Bour-
bonen der lästigen Bande entledigt zu werden, welche der österreichische Schutz
v. Retteck, allg. Gcsch. Xi. Hermes' Suppt. Ii. . 28
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Extrahierte Personennamen: Karl_X Karl Karls
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Karls Neapel Frankreich
437
Das Bürgerkönigthum.
auf keine Weise gebilligt haben. Aber der Gedanke war ausgesprochen,
und der König konnte in der nächsten Stunde umgestimmt werden.
Als am 30. die Erklärung der Abgeordnetenvcreinigung nach dem Pa-
lais Royal gebracht wurde, hatte der Herzog sein Versteck noch nicht ver-
lassen. Der Haushofmeister äußerte Zweifel, ob er in Ncuilly zu finden
seyn würde. General Sebastiani faßte daher ein Schreiben ab, welches er
einem Diener übergab, der sich anheischig machte, in zwei Stunden eine
Antwort zu überbringen. In der That ließ diese nicht lange auf sich war-
ten; sic war aber sehr ungenügend, denn der Herzog beschränkte sich daraus,
sagen zu lassen, daß er den andern Morgen nach Paris kommen wolle. Laf-
fitte schrieb sogleich ein kurzes Billet an den Herzog, worin er sagte, daß
derselbe nicht morgen, sondern auf der Stelle kommen müsse, da kein Augen-
blick zu verlieren sey. Ans diese dringende Mahnung begab sich der Her-
zog noch denselben Abend in bürgerlicher Tracht und zu Fuß, von einem
einzigen Adjutanten begleitet, nach Paris und ließ sogleich Lassitte, dem Für-
sten von Talleyrand und wenigen seiner Vertrauten seine Ankunft melden.
Der Fürst von Talleyrand war vor wenigen Tagen von einer Badereise
nach Paris zurückgekehrt. Ungeachtet der geringen Gunst, deren er seit sei-
nem Ausscheiden aus der Verwaltung in der ersten Zeit der Restauration bei
Hofe genoß, hatte er doch besonders unter den auswärtigen Diplomaten immer
ein hohes Ansehen behalten. Er hatte Gelegenheit gesunden, sich von dem Übeln
Eindrücke zu überzeugen, welche die Ordonnanzen auf die Botschafter der
großen Höfe machten. Graf Pozzo di Borgo rief, als er die Ordonnanzen
im Moniteur las, unwillig aus: „Hätte man wenigstens 60,000 Mann zu
Paris, um eine solche Verwegenheit zu unterstützen!" Nach der Niederlage
der königlichen Truppen, als man unter der Hand erfahren hatte, daß der
Herzog von Mortemart beauftragt sey, mit den Häuptern des Aufstandes zu
unterhandeln, beschlossen die Botschafter der fremden Mächte, sich gemein-
schaftlich darüber zu berathen, ob sie zu Paris bleiben oder Karl X. nach
Saint Cloud folgen wollten. Es fand eine Versammlung bei dem Nuntius
des Papstes Statt, dem nach den alten Ueberlieferungen der Hofetiquette
der Vorrang unter den auswärtigen Gesandten zustand. Hier sprachen zwar
der Nuntius, die Botschafter von Neapel und Sardinien und der schwedische
Gesandte sich dafür aus, daß man es der königlichen Majestät schuldig sey,
zu ihren Gunsten das Gewicht in die Wagschale zu legen, welches die An-
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Extrahierte Personennamen: Sebastiani Graf_Pozzo_di_Borgo Karl_X Karl
Extrahierte Ortsnamen: Ncuilly Paris Paris Paris Paris Neapel Sardinien
Der parlement. Sieg des Liberalismus tu Frankreich. 271
fände, obwohl es sich ergeben habe, daß acht dieser Schulen unter der Lei-
tung einer gesetzlich nicht erlaubten Genossenschaft — des Jesuitenordens —
ständen. Die Minderzahl der Commission hatte aus dieser Thatsache den
richtigen Schluß gezogen, daß folglich allerdings in der Einrichtung der klei-
nen Seminare Gesetzwidrigkeiten vorhanden wären; und sie wurde durch
eine Menge Bittschriften unterstützt, die beinahe aus allen Gegenden Frank-
reichs einliefen. Das Ministerium wartete die Erörterungen nicht ab, die in
der Kammer angekündigt waren, sondern legte dem Könige zwei Verfügun-
gen zur Genehmigung vor, von denen die erste die acht Jesuitcnschulen der
Aufsicht der Universität unterwarf und zugleich verordnete, daß Niemand zu
der Leitung einer weltlichen oder geistlichen Erziehungsanstalt zugelassen wer-
den sollte, der nicht schriftlich bekräftigte, daß er keiner in Frankreich nicht
gesetzlich bestehenden geistlichen Genossenschaft angehöre. Die zweite Verfü-
gung setzte die Zahl der Schüler, welche in die kleinen Seminare ausgenom-
men werden dursten, von 40,000, die bisher diese Anstalten besuchten, auf
die Hälfte herab und traf noch verschiedene andere Anordnungen, die zum
Zwecke hatten, sie ihrer ursprünglichen Bestimmung, dem gcistltchen Unter-
richte-zurückzugeben, dem sie durch den Einfluß der Jesuiten großentheils ent-
fremdet worben waren, indem diese sich ihrer als eines Mittels bedienten,
allmälig das gesammte Unterrichtswesen an sich zu ziehen. Karl X. zeigte
sich leichter zur Nachgiebigkeit bereit, als man bei seinen bekannten religiösen
Vorurtheilen erwartet hatte. Die frommen Männer, die seine Gewissensräthe
waren, hatten ihm vorgestellt, daß es rathsam sey, das kleinere Uebel dem
größeren vorzuziehen. Als das größere Uebel aber betrachteten sie mit gutem
Grunde die unermeßliche Aufregung, in die ganz Frankreich gestürzt worden
wäre, wenn die Weigerung des Königs, die Verfügungen zu unterzeichnen,
das Ministerium genöthigt hätte, seine Entlassung zu nehmen. Dennoch
hatte Karl X. einen schweren Kampf zu bestehen, ehe er sich zu einem Schritte
entschloß, dessen Unvermeidlichkeit er sich nicht verbergen konnte. Als er im
Begriffe war, die Unterzeichnung zu vollziehen, sagte er zu dem Minister der
geistlichen Angelegenheiten: „Mein lieber Bischof, ich darf Ihnen nicht ver-
hehlen, daß nichts in der Welt mich mehr Ueberwindung kostet, als diese Un-
terschrift; ich setze mich durch dieselbe in Widerspruch mit meinen treuesten
Dienern, mit denen, die ich liebe, und die ich achte."
So mächtig war der Einfluß der Jesuiten in Frankreich bereits geworden,
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Extrahierte Personennamen: Karl_X Karl Karl_X Karl
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frank- Frankreich Frankreich Frankreich
387
Die drei Tage.
eine Anzahl Gefangener in Freiheit gesetzt, um eine Bekanntmachung zu ver-
theilen, die in der Eile gedruckt war, und worin die Bevölkerung von Paris
aufgefordert wurde, zur Ruhe zurückzukehren, da die Truppen keine Feind-
seligkeiten mehr verüben würden, sobald sie nicht zuerst angegriffen wären.
Die beiden Maires des zweiten und des zehnten Bezirkes verfügten sich in
ihrer Amtstracht ans den Vcndümcplatz, wo der General Wall ihnen anzeigte,
daß er dem Befehle des Marschalls gemäß das Feuern eingestellt habe und
nur feine Stellung behaupten, aber keinen Schritt vorwärts thun werde.
Die dem Volke wohlbekannten Beamten ließen hierauf ihre Taschentücher
wehen und verkündeten laut, daß der Friede hergestellt sey, was denn auch
zur Folge hatte, daß die Volkshausen, die von der Ecke der Chaussve d'antin
nach der Nue de la Paix herüberfeuerten, davon abließen. Sie gingen hier-
auf nach der Dïite de l'echelle, welche, dem einen Flügel der Tuilcrien gerade
gegenüber, die Nue St. Honoré mit der Nue de Nivoli verbindet, und wo
sich der hitzigste Kampf entsponnen hatte. Sie meldeten dies dem Marschall,
der ihnen sagte, daß er zwar den Befehl ertheilt hätte, auch hier mit dem
Feuern einzuhalten, daß sich aber das Volk dadurch nicht abhalten lasse, an-
griffsweise zu verfahren. Der Herzog von Nagusa gab den beiden Maires
einige Ordonnanzofficiere zur Begleitung, mit denen sie, die Taschentücher
schwenkend, bis zu dem Théâtre français kamen. Ucbcrall steckten die Soldaten
der Garde ihre Taschentücher ans die Bajonette, und es gelang ihnen, all-
.mälig sich auch bei dem Volke Gehör zu verschaffen, als plötzlich ein lebhaf-
tes Gcwchrscuer in ihrem Rücken erschallte. Dreißig oder vierzig Soldaten,
die ein Eckhaus in der Rue St. Honore eingenommen, feuerten auf die an-
drängenden Volksmassen aus den Fenstern. Der Kampf wurde im Augen-
blicke wieder allgemein, und die beiden wackeren Beamten, die sich selbst in
ein benachbartes Haus flüchten mußten, sahen jetzt wohl, daß ihre Sendung
verfehlt war.
Noch vor der Ankunft der Maires in den Tuilcrien hatten sich zwei
Männer von hohem Range hier eingcsunden, die einen Vermittlungsversuch
anderer Art machten: der Großreferendar der Pairskammer Marquis von
Ssmonville und Graf d'argout. Beide edle Pairs gehörten jener Schatti-
rung des französischen Adels an, die der Restauration von dem Kaiscrthume
in hohen Ehren und Würden überliefert und von jener zu Gnaden aufgenommen
war, da man sich überzeugt hielt, daß man auf ihre Treue vertrauen durfte,
23'
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Maires Graf
Extrahierte Ortsnamen: Paris Vcndümcplatz Nivoli Nagusa
Der parlement. Sieg des Liberalismus in Frankreich. 323
trägen, die uns der Vater des Vaterlandes gegeben, werden wir uns nur
auf verfassungsmäßiger Bahn bewegen; weder Schmähungen noch Drohungen
werden uns bestimmen, von der Linie abzuweichen, die Ehre und Pflicht uns
verzeichnen." — „Sie haben die Meinung der Commission nicht richtig auf-
gefaßt," entgcgnete Dupin der ältere, der einen vorzüglichen Antheil an der
Abfassung des Adressccntwurfes gehabt hatte. „Der Grundgedanke der
Adresse ist eine tiefe Verehrung für die Person des Königs; sie drückt die
hochachtnugsvollste Ergebenheit gegen jenes alte Geschlecht der Bourbonen
ans, und enthält nichts, was man als einen Eingriff in die Freiheit des
Monarchen deuten könnte. Sie spricht nur eine Thatsache ans, deren Ein-
druck sich allen Gemüthern aufdrängt. Wenn wir diese Thatsache verhehlen
wollten, würde sie deshalb nicht weniger vorhanden seyn. Da die Minister
in der Thronrede, indem sie von den Hindernissen sprachen, die man ihnen
entgegenstellen möchte, kein anderes Mittel anführten, durch welches sich die-
selben übersteigen ließen, als den Gebrauch der Gewalt, so glaubten wir, daß
es uns erlaubt seyn würde, von dem Gesetze zu sprechen. Wir haben als
die einzigen anwendbaren Mittel die gesetzlichen, verfassungsmäßigen bezeichnet.
In diesen liegt das königliche Vorrecht, welches durch nichts gehemmt, durch
nichts geschmälert werden kann. Der König ist in seinem Vorrechte unbe-
schränkt; wenn er von demselben innerhalb seiner gesetzlichen Grenzen Ge-
brauch machen will, so kann Niemand diese Anwendung verzögern, Niemand
sieh ihr widersetzen." — Der ultraroyalistische Herr von Chautelauze erklärte,
ohne aus die scharfsinnigen'unterscheidungen seines rcchtsgelcbrten Vorgängers
sich einzulassen, die Adresse für verfassungswidrig, für feindlich gegen das
Königthum. „Warum versucht man cs zu leugnen," sagte er, „was einem
Jeden klar vor Augen liegt? man will den Sturz des Ministeriums gegen
den Willen des Königs erzwingen. Dadurch würde aber das Königthum in
das Herz getroffen; cs hörte auf zu existircn, wenn die Adresse angenommen
würde. Man verlangt, die Kammer soll sich allein der Gewalten anmaßen,
^die dem Könige, wie jener, die den Pairs zustehen. Damit wäre alles
Gleichgewicht in unseren Staatsciurichtungen aufgehoben. Wir brauchen
einen monarchischen fünften September; dieser allein kann uns retten."
Die Parteien standen einander in zu schroffer Trennung gegenüber, als
daß alle diese Erörterungen, die doch zuletzt nur ans gegenseitige Beschuldi-
gungen hinauskamen, auf den Ausgang einen wesentlichen Einfluß hätten
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
406
Zweites Hauptstück.
tem Geschrei ein Mensch hereingebracht, der mit einem sorgfältig versiegelten
Packete an einer der Barrieren ergriffen worden war. Das Packet enthielt
Depeschen des schwedischen Gesandten Grafen Löwenhjelm an das Cabinet von
Stockholm; Hr. Baude ließ dasselbe, ohne es zu erbrechen, sofort dem Ge-
sandten zurückstellen. Gras Löwenhjelm wollte diese Gelegenheit nicht un-
benutzt lassen, um sich mit eigenen Augen von dem Stande der Dinge zu
überzeugen. Er eilte nach dem Hotel de Ville, und sagte Herrn Baude, das
eben so gemäßigte als kraftvolle Benehmen der Pariser habe dem diplomati-
schen Corps die höchste Achtung eingeflößt; an seinem Hofe wenigstens würde
die Nachricht von diesen wunderbaren Ereignissen aller Wahrscheinlichkeit nach
keinen unvortheilhaften Eindruck machen.
Bald erschienen auch schon Personen, die sich um Aemter und Stellen
bei der neuen Negierung bewarben, deren Sitz sic in dem Hotel de Bille ver-
mutheten. Einer der ersten war Alexander Dclaborde, der sich an den ihm
persönlich bekannten Evarist Dumoulin wandte. Dieser hatte den General
Dubourg in der Uniform eines Hauptmanns der Nationalgarde begleitet, und
sich durch denselben zum Commandanten des Hotel de Ville ernennen lassen.
Er ernannte seinerseits den Grafen Delaborde unter Trommclschall zum Prä-
feeten des Seinedepartements. Graf Montalivet, der nicht lange darauf an-
kam, verlangte von Herrn Baude die Stelle eines Directors der Abtheilung
der öffentlichen Bauten im Ministerium des Innern, sofern derselbe sich die-
sen Posten nicht etwa selbst vorbehalten habe. Herr Bande' hatte die Beschei-
denheit zu erwidern, daß es ihm weder zukäme, ein Amt zu verleihen, noch
sich selbst zu einem Amte zu befördern. Eine Menge Bittsteller geringerer
Art wurden ungchört zurückgewiesen.
Um zwei Uhr wurde dem General Dubourg die bevorstehende Ankunft
Lasayette's gemeldet, der zum obersten Befehlshaber der Volksmacht ernannt
sey. Der Abeuteucrer, der sich mit einem Male durch eine einfache Anzeige
von der ganzen Hohe seines selbstgeschaffenen Ansehens auf den gewöhnlichen
Boden herabgesetzt sah, benahm sich bei dieser Gelegenheit mit männlicher
Würde. „Mein Herr," sagte er dem Boten, „da sich Niemand an die Spitze
der H^lonne stellte, habe ich mich vorangestellt. Aber Ehre, dem Ehre ge-
bührt ! So bald der General sich zeigt, werde ich ihm das Hotel de Ville
übergeben." Als Lafayctte unter dem nicht endenden Zurufe der vielen Tau-
sende, welche den Gràveplatz und alle anstoßende Straßen bedeckten, sich nä-
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Dclaborde Alexander Dubourg
Die revolutio naircn Bewegungen in Deutschland. 837
Thätigkeit entwickle; der Minister des Innern, Herr von Schenk, wurde von allen
Seiten mit Vorwürfen überbaust, denen besonders die Verordnung vom
28. Januar über die Prcßpolizci zur Veranlassung diente. Ein Antrag, diese
Verordnung für verfassungswidrig zu erklären, führte zu den leidenschaftlich-
sten Ausbrüchen eines maßlosen Hasses. Der Abgeordnete Schwindel ver-
langte, daß Herr von Schenk in Anklagezustand versetzt werden sollte; ein
anderer Abgeordneter, der diese Forderung unterstützte, der Freiherr von
Closen, behauptete, daß das Volk Herrn von Schenk als Baierns Polignac
bezeichne und rief dem Minister zu: „Ich kann mir denken, daß ein Minister,
der sich bewußt wäre, den Staat in großen Nachtheil gebracht zu haben
und deshalb von der ganzen Nation als Gegenstand des Abscheues behandelt
zu werden, am Ministertische ein peinlicheres Gefühl habe, als der Unglück-
liche am Schandpfahle." Umsonst wies der Minister des Innern die Grund-
losigkeit aller gegen ihn erhobenen Anklagen nach; umsonst vertheidigten mehrere
der Negierung anhängende Abgeordnete die angegriffene Verordnung mit
Gründen, deren Gewicht kein Besonnener abzuleugnen vermochte, wenn auch
die Thatsache, daß sie im Widersprüche gegen Sinn und Wortlaut der Ver
fassung stand, dem in Baiern herkömmlichen Sprachgcbranche nach, unzwei-
felhaft blieb; die Kammer verwarf am 16. Mai zwar den Antrag auf Anklage
des verantwortlichen Ministers mit einer Mehrbeit von 23 Stimmen (73 gegen
80), sprach aber mit einer Mehrheit von 67 Stimmen (96 gegen 29) aus,
daß durch die Preßvcrordnung die Verfassung verletzt und daher der König
um schleunige Aushebung derselben zu bitten sey. Wenige Tage darauf
nahm Hr. von Schenk seine Entlassung. Der zu seinem Nachfolger ernannte
Staatsrath von Stürmer legte bereits am 3. Juni ein neues Preßgesetz vor,
welches, das freisinnigste bis dahin jemals von einer deutschen Negierung
ausgegangene, die Censur auf die Besprechungen auswärtiger Verhältnisse
beschränkte, für die sie jedoch auch nur zeitweise und als Ausnahme fortbe-
stehen sollte, und die Beurtheilung der durch die Presse verübten Vergehen
Gcicbwornengerichtcn zuwies, die zu diesem Zwecke besonders zu bilden wären.
Niemand, der in der stürmisch erregten Zeit nicht ulle Besonnenheit verloren
hatte, konnte verkennen, daß das neue Preßgesetz Alles gewährte, was nach
der Verfastungsurkunde billiger Weise zu verlangen und der Gesetzgebung des
deutschen Bundes gegenüber möglicher Weise zu erreichen war. Aber die
Mitglieder der baierischen Abgeordnetenkammer verkannten ihre Stellung so
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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A. Maschinen fr die Textilindustrie.
a) Baumwollspinnmaschine durch Arkwright 1769.
b) Mechanischer Webestuhl durch Cartwright 1786.
c) Webeapparat fr gemusterte Stoffe durch Jacquard 1810.
B. Verwertung der Dampfkraft.
1. Dampfmaschine, fr die Technik verwertbar gemacht durch
den Schotten James Watt 1769.
2 Dampfschiff des Amerikaners Fulton auf dem Hudson 1807. 1819. 1. Fahrt der den Ozean (26 Tage von New-York
nach Liverpool). r r v ....
Die Segelschiffe traten mehr und mehr, besonders fr den Personenverkehr, Zurck.
(Broke Dampfschiffahrtsgesellschaften bildeten sich: 1847 Hamburg.-Amerikanische Paketfahrt-Aktiengesellschaft. 1857 Norddeutscher Lloyd in Bremen.
3. Eisenbahn und Lokomotive.
a) Schon im 16. Jahrhundert Holzschienen in deutschen Bergwerken, im 18. Jahrhundert eiserne Schienen m
England. T .
b) 1814 Erfindung der Lokomotive durch den Englander
Stephenson. .
1830 Erste Dampfeisenbahnlinie von Liverpool nach Manchester.
1835 Erste Eisenbahn in Deutschland (Nrnberg-Furth)/) 1867 Brennerbahn der die Alpen.
1869 Erste Pazifikbahn in Nordamerika. 1903 Transsibirische Bahn von Moskau nach Wladi-wostok und Port Arthur (9000 km). (Berlin bis Wladiwostok 14 Tage, bis Schanghai 18 Tage). Besonders in der zweiten Hlfte des Jahrhunderts trat eine ungeheuere Zunahme der Eisenbahnen ein:
1840: 8000 km, 1860: 100000, 1887: 550000, 1910: 1 Million km.
C. Verwertung der Elektrizitt.
1. Telegraph und Telephon. . _ ,,, . . 1833 Telegraph durch Gaich und Weber in (Bttingen erfunden. 1866 (Erstes transatlantisches Kabel von Irland nach Neu-
fundland. .
1861 Telephon durch den Deutschen Reis erfunden. 1876 Telephon durch den Amerikaner Bell verbessert. 1895/6 Drahtlose Telegraphie (Italiener Mmrcont, die Deutschen Braun, Stobt) und Graf von Arco).
2. Elektrisches Licht.
i) 1837: Teilstrecke der Linie Leipzig-Dresden? 1838: Erste Staatsbahn, Braunschrveig-Wolfenbttel; Iehlendorf-Potsdam; 1853: Erste Bahn m Indien, 1854: Australien und Afrika? 1872: Japan; 1876: China.
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Extrahierte Personennamen: Arthur_( C. Weber
Extrahierte Ortsnamen: New-York Liverpool Bremen England Englander
Stephenson Liverpool Deutschland Nrnberg-Furth Nordamerika Moskau Berlin Wladiwostok Schanghai Irland Indien Afrika Japan China