181 ^:
Etwas höher findet man Wälder, noch höher treffliche Matten, auf
denen das Vieh im Sommer eine herrliche Weide findet. Noch etwas
weiter hinauf fangen die Felsen an, die aber noch mit Gesträuchen
und Bäumen bewachsen find. Gemsen und Steinböcke irren auf ihnen
umher und setzen manchen Jäger, der ihnen nachklettert, in große
Angst, wie er den Rückzug finden will. Noch weiter hinauf werden
die Berge kahl und öde, und die Gipfel derselben bedeckt ein immer-
währender Schnee, den auch die Glut des heißesten Sommers nicht
ganz schmelzt.
Von dem Weg auf den St. Bernhard kann man jetzt von Mar-
tinach an der Rhone aus eine ziemliche Strecke im Wagen zurück-
legen; die letztere höhere Strecke können nur Fußgänger und Lastthiere
begehen. Früher waren keine Fahrwege möglich, sondern man fand
nur Fußsteige, die oft sehr schmal waren und so dicht an den Felsen
hingingen, daß man sie nicht ohne Schwindel und ohne die größte
Gefahr, in unabsehbare Abgründe zu stürzen, pasfiren konnte. Doch
noch jetzt ist die Reise in der Schneegegend gefährlich. Die Kälte
ist erstaunlich streng, und bei unfreundlicher Witterung steht man den
Weg nicht und ist in Gefahr, in tiefen Schnee zu versinken oder in
mehr als hundert Ellen tiefe Felsenriffe zu stürzen. Waaren und Ge-
räthschasten werden großentheils durch Maulesel über den Berg ge-
tragen, die dazu abgerichtet sind und sicher gehen. Da indessen jähr-
lich gegen 20,000 Menschen hier die Alpen überschreiten, so geht
wohl kaum ein Jahr vorüber, in dem nicht Menschen verunglücken.
Dies bewog in der Vorzeit einen menschenfreundlichen Edelmann und
.Geistlichen, Namens Bernhard von Menthon, auf der Höhe dieses
Bergübergangs in einem engen Hochthal zwischen hohen Felsen, am
Ufer eines kleinen Sees, ein Kloster anzulegen und die Mönche zu
verpflichten, die Reisenden aufzunehmen und zu bedienen, ja sogar aus-
zugehen, um die Verirrten oder Verunglückten aufzusuchen und leben-
dig oder todt in das Kloster zu bringen. Für einen Vorsteher (Prior)
und für zwölf bis fünfzehn Mönche ist dieses Kloster eingerichtet, und
so lange es steht, hat es nicht an Männern gefehlt, die ihr Leben
diesem beschwerlichen Dienst aufzuopfern bereit waren. Man denke,
was für ein Leben sie dabei wohl führen müssen. Einen großen Theil
ihrer Lebenszeit bringen sie auf dem hohen Berge zu, wo sie keine
Pflanze, kein Kraut, sondern nur Himmel und Schnee um und neben
sich sehen. Uns dünkt ein Winter von acht Wochen lang, und diese
Menschen leben in einem beinahe ewigen Winter, wo sie keine Sonne
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne]]
Extrahierte Personennamen: Bernhard Bernhard_von_Menthon
281
130. Leben -er Christen in den ersten Jahrhunderten.
Dieselbige Veränderung, die das Christenthum im Herzen der
Menschen hervorbrachte, konnte nicht im Innern verborgen bleiben, sie
mußte sich im Leben und im Wandel offenbaren. Welch ein Unter-
schied, wenn man das Thun und Treiben der Heiden der damaligen
Zeit mit dem Leben der Christen vergleicht! Die Christen lebten in
der Liebe zu ihrem Herrn und zu ihren Brüdern ein frommes, demü-
thiges Leben in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit; sie nannten sich
unter einander Brüder und waren bereit, für einander das Leben zu
lassen. Ihre Kinder wurden in der Furcht des Herrn erzogen; ihre
Sklaven mit Gerechtigkeit und Güte behandelt; ihre Armen, Kran-
ken, Wittwen und Waisen wurden mit aufopfernder Sorgfalt ge-
pflegt; auch der Fremde, sogar der Feind, war nicht von dieser Liebe
ausgeschlossen. Ein heiliger, aber heiterer Ernst begleitete alles Thun
der Christen; ihr Blick war gerichtet auf das, was droben ist, sie
sahen den Himmel als ihr Vaterland an und nannten ihre irdische
Wohnung nur ihre Herberge. So waren sie das Salz der Erde
und ein Licht der Welt, und auch ihre Feinde konnten ihnen ein
gutes Zeugniß nicht versagen.
In den Gemeinden der Christen war eine einfache Ordnung ein-
geführt. Einige der erfahrensten Christen, die den Namen Presbyter
oder Aelteste führten, wurden dazu ernannt, die gemeinschaftliche Er-
bauung zu leiten und über Lehre und Leben der Brüder zu wachen.
Andere übernahmen die Sorge für Arme und Kranke; diese hießen
Armenpfleger oder Diakonen. Derjenige unter den Presbytern, der
den Vorsitz führte, hieß Bischof oder Aufseher der Gemeinde. Als
später sich mehrere nahliegende Gemeinden unter einem Bischof an
einander schlossen, wurde das Amt der Bischöfe noch bedeutender und
ihr Ansehen größer.
Am Tag des Herrn, am Sonntage, versammelten sich die Chri-
sten in einem Christenhause', in Zeiten der Verfolgung auch wohl zur
Nachtzeit in Wüsten und Höhlen. Erst später baute manche Ge-
meinde ein eigenes Haus zu gottesdienstlichen Versammlungen und
nannte es des Herrn Haus, auf griechisch: Kyriake, woraus unser
deutsches Wort: Kirche worden ist. Bei diesen Zusammenkünften
wurde ein Psalm gesungen, ein Abschnitt aus der heiligen Schrift
gelejen, darüber geredet und gebetet. Jeden Sonntag, und in ae-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
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360
Blut von zwei und zwanzig Jahren, und eitel heiße Jugend mit ihm.- Am
andern Tag nahm Luther von seinen Freunden schriftlich Abschied und schrieb
auch seinen Eltern, wie er nach Gottes Schickung ein Mönch worden sei. Der
Vater ist übel damit zufrieden und will es nicht gestatten; er erklärt das Ge-
lübde für einen Betrug des Teufels, sagt seinem Sohn alle väterliche Gunst
und Willen ab und heißt ihn fortan Du; zuvor hieß er ihn Ihr, weil erma-
fiister war. Endlich aber gibt er seinen Witten und spricht: „Gott gebe, daß
ec wohl gerathe!" —
165. Luther im Kloster.
(1505 --1524.)
Zu Anfang wurde Luther in dem Kloster gar hart gehalten: er mußte
mit dem Vettelsack in der Stadt umherlaufen, die Thüre hüten, die Glocken
läuten, die Kirche kehren und dergleichen, bis ihni auf Fürbitte der hohen
Schule, deren löblich Mitglied er gewesen, dieser schwere Dienst zum Theil ab-
genommen wurde. Er war in allen Stücken seinen Oberen gehorsam und
den Regeln seines Ordens streng getreu. Also sagt er von sich selbst: „Wahr
ist es, ein frommer Mönch bin ich gewesen, und hab so gestreng meinen Orden
gehalten, daß ich sagen darf: ist je ein Mönch in den Himmel kommen durch
Möncherei, so wollt ich auch hinein kommen sein. Das werden mir zeugen
alle meine Klostergesellen, die mich gekannt haben; denn ich hätte mich, wo es
länger gewährt hätte, zu Tode gemartert mit Beten, Fasten, Wachen, Frieren, Lesen
und anderer Arbeit; dennoch war ich ganz traurig und betrübt, weil ich ge-
dachte, Gott wäre mir nicht gnädig." Luther erkannte nemltch immer deutlicher in
sich den unseligen Zwiespalt, welchen St. Paulus Römer 7, 14 — 24. be-
schreibt. Wie Paulus, seufzte auch Luther: „Ich elender Mensch, wer wird
mich erlösen von dem Leibe dieses Todes!" — Das große Wort: „Ich danke
Gott durch Jesum Christum, unsern Herrn" — war seinen Augen noch ver-
borgen. Aber in schweren Käuipfen ward es ihm endlich aufgeschlossen, daß
Gott nicht bloß gerecht sei, sondern auch gerecht mache Alle, die seiner
Gnade in Christo trauen; Gott theile aus Gnaden die wahre Gerechtigkeit dem
sündigen Menschen mit durch den Glauben, und der Gerechte lebe seines
Glaubens. (Röm. 1, 17.) „Hier fühlete ich alsbald", so sagt er selbst,
„daß ich ganz neu geboren wäre, und nun gleich eine weit aufgesperrte Thür, ^
^ in das Paradies selbst zu gehen, gefunden hätte; sah auch die liebe heilige
Schrift nunmehr ganz anders an, deitn zuvor geschehen war; lies derhalben bald
durch die ganze Bibel, wie ich mich berselbigen erinnern konnte, und sammelte
in anderit Worten nach dieser Regel alle ihre Auslegung zusammen, als daß
Gottes Werk dieses heiße: das Gott in uns wirket, — Gottes Kraft: damit
er uns kräftig und stark machet, — Gottes Weisheit: damit er uns weise macht,
also die andern, Gottes Stärke, Gottes Heil, Gottes Herrlichkeit und dergl.
Wie ich nun zuvor dieses Wörtlein: „Gottes Gerechtigkeit" mit rechtem
Ernst hastete, so sing ich auch dagegen an, dastelbe als mein allerlieb-
stes und tröstlichstes Wort theuer und hoch zu achten, und war mir derselbige
Ort in St. Paulo (Röm. 1,17.) in der Wahrheit die rechte Pforte des Pa-
radieses."
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Paulus_Römer Paulus Ernst
Hoffnung auf, obschon unbegründetes Misstrauen des Vaters den Sohn aufs
neue und auf lange in die Fremde trieb.
»Siehe, Gott stehet mir bei*, so konnte er mit dem gleichfalls ver-
folgten David rühmen, »der Herr erhält meine Seele«. (Ps. 54, 6.) Und
wie viel ist nicht dem Lande Württemberg in diesem Jüngling erhalten worden!
/j Die Schule der Noth und Bedrängniß, die Christoph jeit den ersten Jahren
seiner Kindheit durchlaufen mußte, war recht dazu geeignet, aus ihm einen tüchtigen
Fürsten zu machen. Er hatte gehorchen gelernt, hatte, von seinem vierten Lebensjahre
an bis zu seinem Regierungsantritt fast immer in die Fremde verstoßen, dort, zu-
mal in des Kaisers Nähe, Erfahrungen gesammelt und Verbindungen angeknüpft,
die ihm später sehr nützlich wurden.
Am Sterbetag seines Vaters (6. Nov. 1550) war Christoph von Mömpel-
gard her in Tübingen angekommen; am 8. November ließ er sich in Tübingen und
Stuttgart, und gleich darauf auch in den übrigen Städten des Landes huldigen.
Die Cannstatler riefen bei der Huldigung mit lauter Stimme: -.Hie gut Württem-
berg in Ewigkeit."
Ulrich hatte das Herzogthum in einer mißlichen Lage hinterlassen. Eine große
Schuldenlast lag auf dem Lande; spanische Besatzungen waren noch da; König
Ferdinand machte Ansprüche auf den Besitz von Württemberg; das Interim hatte
die Siebte und Mönche wieder in ihre Klöster, die Meßpriester in ihre Kirchen zu-
rückgeführt. Alles war in der größten Verwirrung. Aber Christoph wußte durch
seine Einsicht, sein Ansehen und seine persönlichen Verbindungen diese Schwierig-
keiten bald zu überwinden. Nun machte er sich an die wichtige Aufgabe, das Land,
das seit Eberhards I. Tod wohl einem vom Sturme bewegten Meere zu vergleichen
war, in den verschiedensten Beziehungen durch gute Gesetze und Einrichtungen zu
g Eine große Wohlthat für das Land war z. B. das neue, im Jahr 1553
sichte „Landrecht", das an die Stelle so vieler einzelnen Rechte, Herkommen
oohnheiten treten sollte. An sie schloß sich die erneuerte und verbesserte
irdnung", d. h. Polizeiordnung an, die „Landmeß - und Eichordnung",
welche gleiches Maß und Gewicht einführte, die „Forst-, Bau-, Zoll- und Feuer-
ordnung" nebst vielen andern Gesetzen und Verordnungen. Gesetze sind nun freilich
keine Bäume, von denen man Früchte erwarten kann; aber sie sind ein Zaun um
den Garten, damit die fruchttragenden Bäume nicht beschädigt werden. Christophs
Plan, den Neckar schiffbar zu machen, kam erst unter König Wilhelm zur Ausführung.
Die Errichtung von Fruchtkästen wurde durch eine Theurung veranlaßt. Die Er-
haltung und Ausbildung der landständischen Verfassung, um die sich Ulrich wenig
oph angelegen sein. Unter ihm entstanden
Kirchenverbcfferung am Herzen, da die guten Anordnungen seines Vaters durch das
Interim wieder vereitelt worden waren. Zu diesem Geschäft berief er Johannes
Brenz, machte ihn zum Probst, d. i. zum ersten Geistlichen der Stiftskirche in Stutt-
gart und bediente sich seines Rathes und seiner Arbeit in allen wichtigen kirchlichen
Angelegenheiten. Eine neue „Kirchenordnung', die Einrichtung der Klosterschulen
177. Herzog Christoph von Württemberg./^^
(f 1568).
Besonders aber lag ihm das Werk der
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
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Extrahierte Personennamen: David David Christoph Christoph_von_Mömpel- Ulrich Ferdinand Christoph Christophs Wilhelm Ulrich Johannes
Brenz Christoph_von_Württemberg
386
durstet nach der göttlichen Wahrheit, hinwiederum aber wehe den Verächtern
göttlichen Worts! Ja! ein selig Volk ist das, welches der Herr ein Gott ist!"
Am 23. April 1544 hielt Huberinus die erste evangelische Predigt in der
Stiftskirche zu Oehringen.
Vollendet wurde das Werk der Reformation in Hohenlohe durch die
Nachfolger der Grafen Albrecht und Georg, die beiden Grafen Ludwig Kasimir
und Eberhard von Hohenlohe, von denen ersterer die neuensteinische, letzterer
die waldenburgische Linie stiftete. Diese traten im Jahr 1551 öffentlich der
evangelischen Lehre bei und förderten (besonders Kasimir, geb. den 12. Januar
1517) die Ausbreitung derselben mit vielem Eifer.
Ueber der Kirche wurde auch das hart darniederliegende Schulwesen
nicht vergessen. Die Grafen Wolfgang und Kraft, Neuensteiner Linie, grün-
deten besonders vom Jahr 1581 an viele neue Schulstellen. Die erste Mäd-
chenschule wurde im Jahr 1587 in Oehringen errichtet, und damit für diese
Stadt Luthers Wunsch, den er schon im Jahr 1520 aussprach, erfüllt: „Wollte
Gott, daß jede Stadt hätte auch eine Mägdleinschule, darin des Tags die
Mägdlein eine Stunde das Evangelium höreten!" Vorher nemlich war für
den Schulunterricht des weiblichen Geschlechts so viel wie gar Nichts geschehen.
Die beiden Grafen gingen dabei von der Ansicht aus, „daß in einem wohlge-
ordneten Regiment nächst dem göttlichen Worte gute Schulen das höchste Klei-
nod und gleichsam schöne Gärten seien, worin allerhand fruchtbare Bäume
erzogen werden, welche man mit der Zeit an mancherlei Orte hin versetzen
könne, wo sie nützliche Früchte bringen."
Durch den zu Augsburg im Jahr 1555 geschloffenen Neligionsfriedeu.waren
den Evangelischen gleiche Rechte mit den Katholiken eingeräumt worden; allein
die letzteren erlaubten sich als die Stärkeren im Lauf der Zeit allerlei Bedrückungen
gegen die Evangelischen, und in Folge davon kam es im Jahr 1618 zu einem
Krieg, der in Böhmen anfing, aber nach und nach sich über ganz Deutschland aus- . '«
breitete und dasselbe dreißig Jahre lang verheerte, daher man diesen Krieg den
dreißigjährigen Krieg nennt. Die protestantischen Fürsten hatten alle ihre Kraft
aufgeboten, aber vergebens; der bayerische General Tilly und der kaiserliche Ober-
feldherr Wallenstein erfochten Sieg auf Sieg über sie und über den König von
Dänemark, der ihnen zu Hülfe kommen wollte.
Die Sache der deutschen Protestanten war nun in der größten Gefahr, und
bet Menschen schien Alles verloren. Der Kaiser herrschte durch seine Heere unum-
schränkt, und jetzt war es, als hätte er die Macht in Händen, die evangelische Lehre
ganz zu unterdrücken. Doch wenn der Menschen Rath und Hülfe aus ist, sängt
des Herrn Hülfe an, und was Gott erhalten will, ist wohl erhalten! Die Blicke
der bedrängten Protestanten richteten sich nach Schweden, und dem edlen, frommen
Schwedenkönig Gustav Adolph entbrannte das Herz über dem Leiden seiner prote-
stantischen Brüder. Wohl hoffte er auch deutsches Land und Einfluß in Denffchland
zu erwerben; aber dabei lag ihm doch die Rettung der evangelischen Kirche sehr am
(1618—1648.)
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TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T30: [Gustav Schweden Adolf Wallenstein Kaiser Heer Tilly König Krieg Schlacht], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms]]
Extrahierte Personennamen: Huberinus Albrecht Albrecht Georg Ludwig_Kasimir Ludwig Eberhard_von_Hohenlohe Kasimir Tilly Gustav_Adolph Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Hohenlohe Oehringen Luthers Deutschland Schweden
388
floh in wilder Flucht. Auf dem Schlachtfeld kniete der fromme König Gnstav nie-
der und sprach: „Ich danke, Gott, ich danke dir für deinen Sieg!"
Siegreich durchzog er nun die deutschen Länder; Sachsen, Hessen, Franken, alle
hießen ihn als Netter willkommen. Den Eingang in Bayern wollte ihm Tilly
wehren; aber er verlor am Lech Schlacht und Leben. Unbeschreiblich war überall
die Freude der Evangelischen, die gar nicht wußten, wie sie ihrem Retter genugsam
rhren Dank bezeugen sollten. Sie gingen so weit, daß sie vor ihm niederfielen, als
wollten sie ihn anbeten. Gnstav erschrack darüber, und traurige Ahnungen erfüllten
sein Gemüth. Er halte das, sagte er, für ein böses Anzeichen, daß Gott seinem
Heer ein Unglück begegnen lassen, oder ihn selbst durch einen zeitigen Tod hinweg-
nehmen werde. — Der Kaiser wandte sich nun in seiner Noth wieder an den ge-
fürchteten Wallenstein. Dieser sollte den Schwedenkönig in seinem Siegeslauf auf-
halten. Um Nürnberg standen Beide zwei Monate lang einander gegenüber, ohne
einen Angriff zu wagen. Ein endlich erfolgter Sturm, den Gustav Adolph auf
das wohlverschanzte Lager Wallenfteins unternahm, wurde blutig abgeschlagen. Nnn
wandte sich Gustav nach Sachsen, Wallenstein ihm nach, und am 16. November 1632
trafen beide Heere bei dem Städtchen Lützen zusammen. Das kaiserliche Heer war
gegen 40,000 Mann stark, das schwedische etwa 27,000. Während Wallenstcin seinen
Truppen durch Versprechungen und Drohungen Muth einzuhauchen bemüht war,
stimmten die Schweden mit e'inem Mund zum hellen Schall der Feldmnsik die Lieder l
an: „Ein feste Burg ist unser Gott" rc. und „Es woll uns Gott genädig sein" re.
Um 11 Uhr rückten die Schweden vor. Gustav schwang sich nach kurzem Gebet,
das er knieend im Angesicht des Heeres verrichtete, auf sein Pferd und rief: „Nun
wollen wir dran! Das walt der liebe Gott! Jesu, Jesu, Jesu! hilf mir heut
streiten zu deines heiligen Namens Ehre!" Und damit sprengte er mit den Seinen
los gegen den Feind. Er siegte nach blutiger Arbeit'; sein linker Flügel aber war
hart bedrängt. Gustav eilte ihm zu Hülfe, da zerschmetterte ihm ein Musketenschuß
den linken Arm. „Der König blutet, der König ist erschossen!" hieß es plötzlich
unter seinen Reitern. „Es ist nichts, — folgt mir!" rief Gustav, seine Kraft zu-
sammenraffend; aber überwältigt von Schmerz, bat er den Herzog von Lauenburg,
der an seiner Seite ritt, ihn ohne Aufsehen aus dem Gedränge zu schaffen. Da-
rüber erhielt er einen zweiten Schuß durch den Rücken, der ihm den letzten Rest seiner
Kräfte raubte. „Mein Gott, mein Gott!" seufzte er, und mit den Worten: „ich -
hahe genug, Bruder! suche nur du- dein Leben zu retten!" sank er vom Pferd. Die
Schweden, voll Grimm über den Tod ihres ,'geliebten Königs, drangen aufs neue
in den Feind. Wallenstein mußte weichen. Auch die kaiserlichen Reitergeschwgder,
dir plötzlich auf das Schlachtfeld heranstürmten, geführt von dem tapfern Grafen
von Pappenhetm, wurden geworfen, ihr Führer selbst getödtet. Wallenstein ließ
zum Rückzug blasen und entfloh mit kaum achtzig Reitern nach Leipzig.
Der Sieg war auf Seile der Schweden, aber theuer erkauft. Gustavs Leich-
nam fand man erst nach langem Suchen, von Wunden entstellt, von Rossen zer-
treten, alles Schmucks, selbst der Kleider beraubt, unweit eines großen Steins, der
seitdem der Schwedenstein genannt wird. Hier ist jetzt diesem Netter des evange-
lischen Deutschlands ein von Pappeln umkränztcs Denkmal errichtet. Ein lebendiges
und von Leipzig aus über das ganze evangelische Deutschland sich ausbreitendes
Denkmal hat sich aber seit der Jahresfeier seines Todes im Jahr 1832 erbaut in
dem evangelischen Verein der Gustav-Adolphs-St'istung. Wie der edle Schwe-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T34: [Schweden König Gustav Dänemark Preußen Krieg Polen Adolf Frieden Holstein]]
TM Hauptwörter (200): [T30: [Gustav Schweden Adolf Wallenstein Kaiser Heer Tilly König Krieg Schlacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolph Gustav Gustav Gustav Muth Gustav Gustav Gustav Gustav Gustav Gustav Grimm Gustavs
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Hessen Sachsen Schweden Schweden Jesu Jesu Jesu Lauenburg Schweden Leipzig Schweden Deutschlands Deutschland
389
denkönig die rettende Bruderhand den bedrängten Protestanten Deutschlands gereicht
hat, so will nun dieser Verein, welcher seinen Namen trägt, die helfende und rettende
Bruderhand bieten den evangelischen Glaubensgenossen in katholischen Ländern, will
ihnen zum Besitz von Kirchen, von Schulen, von Predigern und Schullehrern ver-
helfen, damit ihnen das theuer errungene Kleinod der evangelischen Wahrheit un-
verkümmert erhalten werde.
Der Schmerz über den Verlust des Königs (er war erst acht und dreißig Jahre
alt) überwog die Freude des Siegs. Man fürchtete, wieder Alles zu verlieren. Allein
der schwedische Reichskanzler, Axel von Oxenstierna, ein umsichtsvoller, kräftiger
Mann, Gustavs treuester Freund und Rathgeber, nahm mit großer Geschicklichkeit
den Krieg in die Hand. Die Schweden siegten im Elsaß, in Schwaben, in Bayern,
in Niedersachsen, Westphalen. Wallenstein unternahm nichts Ernstliches gegen sie
und fand endlich in Eger 1634 mit des Kaisers Wissen von Mörderhänden den
Tod.
Die Schlacht bei Nördlingen (6. September 1634) brachte den Schweden einen
schweren Verlust. Oesterreich erhob sich wieder, Sachsen wandte sich von Schweden
ab und verband sich mit dem Kaiser gegen dieselben. Aber Oxenstierna verband
sich mit Frankreich, dem es freilich nicht um den Sieg der evangelischen Lehre, son-
dern um Schwächung der kaiserlichen Macht und um Landerwerb zu thun war.
Auch wurde der Krieg mit jedem Tag schrecklicher und mörderischer, da kaum die
Unterhaltung der Heere mehr aufzutreiben war. Das Kriegsglück war abwechfclnd,
doch meist auf Seiten der Schweden, die unter der Führung von Bernhard von
Weimar, Banner, Torstensohn, Wrangel, würdiger Zöglinge Gustavs, die glänzendsten
Waffenthaten verrichteten. Aber die Wuth der Parteien blieb so erhitzt, daß der
Friede nicht eher zu Stande kommen konnte, bis Alles sich verblutet hatte und
ganz Deutschland einem Leichnam glich.
Wie es damals in dein armen Deutschland ausgesehen hat, das wird uns von
einem neuen Geschichtschreiber folgendermaßen geschildert: „Empörenderes kann man
nicht lesen, als die Nachrichten von dem Elend jener unglücklichen Zeiten. Niemand
bebaute das Feld aus Mangel an Saatkorn, an Zugvieh und an Menschenhänden;
die Dörfer standen leer, weil Alles sich theils in die Städte flüchtete, theils Sol-
datendienste nahm, die einzige Hantirung, die noch Sicherheit und Unterhalt ge-
währte. Alle Zufuhr stockte, weil in mancher kleinen Stadt kein einziges Pferd zu
finden war. Aas vom Schindanger, Ratten und Mäuse wurden dann zu Lecker-
bissen. Viele Leichname fand man auf Misthaufen, auf denen die Armen wenige
Stunden vor ihrem Hungertod noch eine letzte Nahrung gesucht hatten. Im Magde-
burgischen soll die Hungersnoth sogar Menschenfresser erzeugt haben. Wenn es zu-
weilen geglückt war, eine Fuhr Getreide aus der Ferne in einen solchen Ort einzu-
führen, so wurden die Bäckerhäuser dergestalt umdrängt, daß Viele erstickten; und
selten konnten doch von dem frischen Brod Alle befriedigt werden. Weil die durch-
streifenden Truppen alles Vieh wegnahmen, so konnte man nirgends den Unrath aus
den Höfen und von den Straßen hinausschaffen, der dann durch jahrelange Anhäu-
fung so eckelhaste Ausdünstungen erzeugte, daß Seuchen aller Art die Menschen hau-
senweise wegrafften. An vielen Orten war das Sterben so groß, daß die Leichname
dutzendweise, wie auf dem Schlachtfeld, in eine Grube geworfen werden mußten.
Der schwedische General schrieb von Pommern aus im Jahr 1638 der belagetteu
Stadt Erfurt, er würde ihr schon lange zu Hülse gekommen sein, wenn nicht zwi-
TM Hauptwörter (50): [T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T30: [Gustav Schweden Adolf Wallenstein Kaiser Heer Tilly König Krieg Schlacht], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Axel_von_Oxenstierna Gustavs Rathgeber Oxenstierna Bernhard_von
Weimar Gustavs Gustavs
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Elsaß Schwaben Bayern Niedersachsen Westphalen Eger Schweden Oesterreich Sachsen Schweden Frankreich Schweden Deutschland Deutschland Pommern Erfurt
390
scheu der Oder und Elbe Alles sv verwüstet wäre, daß daselbst weder Hund noch
Katze, geschweige Menschen und Pferde sich aufhalten könnten."
Und wie ist es denn in jener schweren Zeit unserem Württembergerland gegangen?
Das hat leider auch seinen redlichen Antheil an dem damals in Deutschland herr-
schenden Elend getragen. Es übersteigt allen Glauben, wenn man die Beispiele von
Grausamkeit und Wnth liest, die an den armen Württembergern verübt wurden.
Die erste Hälfte der Kriegsjahre war für Württemberg die erträglichere Zeit.
Freilich wurde das Land auch damals wiederholt von feindlichen Truppen heimge,
sucht, und im Jahr 1620 wurden unter ihrem Schutze katholische Prälaten und
Mönche wieder in das Land eingeführt. Auch führte die Noth zu Verschlechterung
der Münze, z. B. die Hirschgulden waren kaum zehn Kreuzer werth. Bald nach
der Mitte des laugen Kriegs geschah die Nördlinger Schlacht, auch 4000 Württem-
berger sielen dort. Nun war es, als wäre ein Geist der Hölle ausgegangen, der
die kaiserlichen Truppen fortriß. Da kamen ausgesuchte Qualen, mehr als viehisches
Wüthen; und kaum die Sorge um die eigene Erhaltung konnte die Soldaten dahin
bringe», einer kleinen Zahl von Bürgern ihr armes Leben zu lassen, damit diese
ihnen frohnen könnten.
Auf die Nachricht von jener Schlacht floh Herzog Eberhard nach Straßburg.
Kaiser Ferdinand kam nach Stuttgart und übergab einer Statthalterschaft das Re-
giment. Da kam nun eine traurige Zeit. Es ist vielleicht in Schwaben fast keine
auch noch so kleine Gemeinde, der nicht aus dieser Zeit ein Denkmal übrig geblieben
wäre, wenigstens in den Todtenregistern. Das platte Land war hauptsächlich der
Schauplatz der Greuel und der Zerstörung; aber auch die ummauerten Orte entgingen
nicht immer demselben Schicksal. Waiblingen, das mit dem dazu gehörigen Amt
2350 Bürger gezählt hatte, behielt nach der ersten Verheerung, die auf die Nörd-
linger Schlacht folgte, nur 145. Ein Theil der Weiber und Kinder ertrank auf der
Flucht in der Rems, an den übrigen -kühlten die Soldaten ihre Wuth. In Nürtingen
lebte damals noch die siebzigjährige Wittwe des Herzogs Ludwig. Die Stadt, wo-
hin sich die Leute aus der Umgegend geflüchtet hatten, ward erobert, das Schloß
geplündert; an den Haaren schleppten die Kroaten die greise Herzogin umher, und
nur mit Mühe entriß sie der Oberst Grüne ihren Händen und der äußersten Miß-
handlung. Unter den nach Nürtingen entflohenen Geistlichen befand sich Georg
Wölflin, Pfarrer von Owen. Als die Stadt erstürmt war, floh er in den Fürften-
stand, die sogenannte „Schloßkirche". Ein Spanier traf ihn, wie er sich, die Bibel in
der Hand, auf die letzte Stunde bereitete. Mit solcher Wuth durchbohrte ihn der wilde
Soldat, daß das Schwert auch die Bibel noch durchdrang und die Stelle L Timoth. 4,7.
(Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glau-
den gehalten) mit seinem Blut gezeichnet ward.
Die Kaiserlichen nahmen einen festen Platz nach dem andern, der Kaiser ver-
schenkte Herrschaften, Städte und Aemter in Württemberg an seine Getreuen. Kost-
barkeiten, Geräthschaftcn, Kunftsachen, Bibliotheken, Archive wurden in langen Wa-
genzügen aus dem Lande nach Innsbruck, Wien und Mnncheu geschickt, in den
herzoglichen Schlössern und Gärten wurden muthwillige Zerstörungen angerichtet.
In den Dörfern wurde fast Alles vernichtet, die Wohnhäufer verbrannt oder
doch abgedeckt, die Brunnen verschüttet, selbst die Kirchen ihres Schmucks, ihrer
Kanzeln und Altäre beraubt oder auch gänzlich zerstört, das Haus- und Fcldgerathe,
so wie die Vorräthe von Wein und Früchten verderbt, das Vieh weggesühri, Reben
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Extrahierte Personennamen: Eberhard Ferdinand Ludwig Ludwig Georg
Wölflin Owen
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Straßburg Stuttgart Schwaben Waiblingen Nürtingen Württemberg Wien
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Mitteln, auf dem Rhein wurden 78,672 Scheffel Getreide herbei-
geschafft, welches samt den auf den öffentlichen F-ruchtkästen noch vor-
rätigen Früchten in herabgesetzten Preisen verkauft wurde; es wurde
dem Wucher Einhalt gethan, alle Privatvorräthe von Getreide in
Beschlag genommen, für Bestellung der Saatfelder gesorgt, und die
Königin Katharina, diese edle Menschenfreundin und Wohlthäterin
der Armen, stiftete einen Verein, der sich die Unterstützung der Armen
durch Speiseanstalten, durch Beschäftigung und durch andere Mittel
zur Aufgabe machte, den Wohlthätigkeits-Verein.
Zum Glück setzte Gott selbst bald der Noth ein Ziel; die reich-
liche Ernte des Jahrs 1817 half dem Mangel ab. Mit welchen
Dankgefühlen alle Herzen erfüllt waren, als der erste Erntewagen
unter dem Geläute der Glocken, dem Lobgesang der Kinder und von
allen Einwohnern begleitet, mit Kränzen geschmückt, einzog, das wissen
diejenigen wohl, welchen jene Nothzeit noch im Andenken lebt.
207. Lied eines Armen.
Ich bin so gar ein armer Mann
Und gehe ganz allein;
Ich möchte wohl nur einmal noch
Recht frohen Muthes sein.
In meiner lieben Eltern Haus
War ich ein frohes Kind;
Der bittre Kummer ist mein Theil,
Seit sie begraben sind.
Der Reichen Gärten seh ich blühn,
Ich seh die goldne Saat;
Mein ist der unfruchtbare Weg,
Den Sorg und Mühe trat.
Doch weil' ich gern mit stillem Weh
In froher Menschen Schwarm,
Und wünscheiedem guten Tag,
So herzlich und so warm.
O reicher Gott! du ließest doch
Nicht ganz mich freudenleer;
Ein süßer Trost für alle Welt
Ergießt sich himmclher.
Noch steigt in jedem Dörflein ja
Dein heilig Haus empor;
Die Orgel und der Chorgesang
Ertönet jedem Ohr.
Noch leuchtet Sonne, Mond und Stern
So liebevoll auch mir,
Und wann die Abendglockc hallt,
Da red ich, Herr, mit dir.
Einst öffnet jedem Guten sich
Dein hoher Freudensaal,
Dann komm auch ich im Feierkleid
Und setze mich ans Mahl.
208. Sparsamkeit.
Spare was, so hast du was.
Wer glaubts? Und doch ists wahr: sparnichts, habnichts wohnen
unter einem Dach. Wie Manchem wäre wohl zu rathen, wenn er
das Seine wohl zu Rath halten könnte. Höre! Christus erübrigte bei
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9. Wer sich nicht nach der Decke streckt,
Dem bleiben die Füße unbedeckt.
10. Wer zwei Hasen zugleich hetzt, fängt gar keinen.
11. Erst wachs, dann wag's.
12. Je mehr Kinder, je mehr Vaterunser..
13. Gottesdienst geht über Herrendienst.
14. Die Sünde muß ganz getödtet sein, oder sie tödtet dich
211. Pfarrer Flattich als Armenfrennd.
Flattich war zuerst Pfarrer bei einer Gemeinde, die fast aus lauter
armen Leuten bestand, weil dort der Boden gar schlecht, und also der
Ertrag des Acker- und Gartenbaues gar gering ist. Die Leute hatten
sich daher zum Theil gewöhnt, von Zeit zu Zeit in der Gegend herum-
zustreichen und zu betteln, weil das nach ihrem Bedüuken leichter war
und dabei mehr herauskam als beim Arbeiten. Flattich hatte kaum
diesen faulen Fleck an.seiner Gemeinde, die ihn übrigens gar gern hatte,
bemerkt, als er in seinen Predigten und in allen Ermahnungen, die
er bei seinen Besuchen in den Häusern und bei andern Gelegenheiten
den Einzelnen gab, ernstlich darauf drang: der wahre Christ soll und
dürfe nun einmal nicht betteln, sondern nu'isie im Vertrauen auf Gottes
Segen das Brod essen, das ihm Gott, sei es nun wenig oder viel,
für die Arbeit seiner Hände im Schweiß seines Angesichts beschere.
Die Leute schäniten sich endlich, wenigstens vor ihrem Pfarrer und
vor einander, wenn auch noch nicht vor dem lieben Gott, und liefen
nicht mehr aufs Betteln; dagegen schickten sie nun ihre Kinder in die
Dörfer und Häuser, wo ihnen früher eine Gabe gereicht worden, um
sich doch noch die alte Kundschaft beiläufig offen zu halten. Da das aber
der Pfarrer bemerkte, eiferte er noch viel stärker dawider, als ers vorhin
wider das Betteln der Alten gethan, und zeigte denen, daß sie jetzt in
eine doppelt so schwere Sünde verfallen wären; denn erstens bettelten
sie noch fort nach wie vor, und zweitens verführten sie ihre unschul-
digen Kinder zum Faulenzen, Schlecken und Laudstreichen und richteten
diese dadurch vielleicht aus Zeit und Ewigkeit zu Grunde.
Da kamen einmal nach der Predigt etliche solche arme Väter zu
ihm und sagten: „Ja, lieber Herr Pfarrer, sehe er nur einmal bei uns
-in unserenr Haushalt nach, wie klein und wie schlecht unser Stückchen
Feld ist, und sind doch die Kinder alle Tage hungrig und wollen essend
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