43 5
beleidigen. Er starb schnell in einem Alter von 57 Jahren und setzte
den August zum Erben ein.
Virgilius Maro, der ausgezeichnetste epische Dichter der Römer,
war zu Andes bei Mantua geboren.
Im 30sten Jahre kam er nach Rom, um die Zurückgabe seiner
Güter, welche' in Folge des Befehls der Triumvirn, wie die so
vieler Anderer, in Besitz genommen worden waren, zu bewirken.
Pollio, Tribun, führte ihn bei Oktavian ein und bald gewann sich der
talentvolle junge Mann Mäcens Gunst. Schon wollte er in das ihm
zugesagte rechtmäßige Eigenthum einziehen, als der jetzige Besitzer
sich weigerte, es herauszugeben. Er mußte eine zweite Reise nach
Nom machen. Sein Gedicht vom Laudbau, die Georgika und die
Hirtengedichte, Eklogen, sind frühere, die Aeneis oder Aeneide die letzte
Arbeit von ihm. Er starb, 52 Jahre alt, kurz nach der Rückkehr aus
Griechenland, und wurde bei Neapel begraben. Auf seinem Sterbelager
befahl er, die Aeneide, als ein mangelhaftes Werk, zu verbrennen,
ein Beweis seiner Bescheidenheit. Im Umgang war er sanft, ohne
alle Anmaßung, und in der Freundschaft treu. Unter den Dichtern
seines Zeitalters wird ihm die erste Stelle eingeräumt. Seine Kunst
des Ausdrucks ist bcwundernswerth, und von den einfachsten und
sanftesten Emvfindungen steigt er unbemerkt bis zur Darstellung des
Erhabensten hinauf.
Publius Ovidius Naso, aus ritterlichem Geschlechte, war in Sulmo
geboren. Wenn nicht an Tiefe und Erhabenheit, so doch an Leichtigkeit
und Gewandtheit übertraf er andere Dichter seines Zeitalters. Er war
oum Dichter geboren und Alles, was er schrieb, wurde zum Vers.
Sein Hang zum Vergnügen und sinnlichen Genusse, dem er sich bei
blnen: ansehnlichen Vermögen hingeben konnte, verhinderte ihn, etwas
vollendetes zu erzielen. Sein vorzüglichstes Gedicht sind die Metamor-
phosen oder Verwandlungen, ein bunter Kranz von Erzählungen, welcher
p'e Entwicklung aller Ereignisse von der Schöpfung des Weltalls an
^ auf Julius Cäsar enthält. In seinen Fasti, Kalender, ist die
^"gewebte Geschichte von der Lukretia gelungen. Auch als Sänger
^ Liebe kennen wir ihn, doch nicht der himmlischen, sondern der rein
änlichen.
. Bis in sein 50steö Jahr hatte Ovid in angenehmen Verhältnissen
111 Nom gelebt und war bei Hofe und in Gesellschaften gern gesehen,
^il er die Gabe feiner und leichter Unterhaltung in hohem Grade
Auf einmal wölkte sich sein Himmel. Er wußte um ein Vcr-
^"tuiß, das August nahe betraf, wahrscheinlich gieng es die Julia an,
28»
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T163: [Cäsar Antonius Pompejus Rom Sulla Csar Marius Jahr Krieg Heer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter]]
Extrahierte Personennamen: August Pollio Oktavian Georgika Ovidius_Naso Julius_Cäsar Cäsar August Julia
Extrahierte Ortsnamen: Mantua Rom Griechenland Neapel Sulmo
771
kleine Oper: „Der Dorfwahrsager", wozu er die Musik selbst compo-
nirte, fand vielen Beifall. Da er aber einen tadelnden Brief über
die französische Musik schrieb, so fiel Alles so über ihn her, daß er es
für gerathen fand, Paris zu verlassen, und begab sich nach Genf, wo
er in alle Rechte eines freien Bürgers eintrat. Rach Savoyen gegangen,
schrieb er in Chambery seine Abhandlung über den Ursprung der
Ungleichheit unter den Menschen, die wiederum großes Aufsehen erregte.
Voltaire (Woltär) widerlegte ihn auf witzige Weise. In Montmorency,
wo er in glücklicher Einsamkeit lebte, schrieb er seinen Contract social
oder Gesellschaftsvertrag, die neue Heloise und seinen Emil, Werke,
die mit ausgezeichnetem Beifall aufgenommen wurden und mächtig auf
sein Zeitalter einwirkten. Viele jedoch geben ihm Schuld, durch einige
seiner Werke zu dem Ausbruche der schauderhaften französischen Revo-
lution mitgewirkt zu haben. Indessen wurde sein Ruhm immer mehr
verbreitet, ob er sich gleich auch durch sein freies, gar oft den herr-
schenden Ansichten völlig widersprechendes Urtheil so manche Feinde
zuzog. — Die neue Heloise, ein Roman, worin zwei Liebende
am Fuße der Alpen geschildert werden, machte überall großes Aufsehen.
Die vorzüglichste Aufmerksamkeit aber erregte sein Emil, ein vortreffliches
' Werk über Erziehung.
Rousseau hatte von einer Haushälterin, die er später noch zur
Frau nahm und die sich in seine Launen gut zu fügen wußte, fünf
Kinder, die er indessen, sonderbar genug, alle in ein Findlingshaus
schickte, oder in eine solche Anstalt, wo ausgesetzte Kinder aufgenommen
werden, was ihm später große Gewissensbisse verursachte. Diesen
Fehler zu verbessern, sagte er, habe er den Emil geschrieben. Obgleich
seine über die Bibel darin, wie in der Julie oder neuen Heloise, ent-
haltenen Aeußerungen nach den Fortschritten und aufgeklärteren Begriffen
unserer Zeit manches Treffende enthalten, so wurde er doch von der
Geistlichkeit verfolgt und sein Emil selbst in Genf verbrannt. In einem
kleinen Dorfe bei Neufchatel fand er Aufnahme und bekannte sich hier
zur protestantischen Kirche. Auch von hier sich zu entfernen genöthigt,
lebte er einige Monate auf der Petersinsel am Bielersee, wo er sich
besonders der Botanik oder Kräuterkunde widmete, deren Kenntniß er
auch der Jugend besonders empfahl. Doch man trieb ihn fort und in
Paris wurde er von den Philosophen so von Spott begeifert, daß es
ihm erwünscht seyn mußte, wenn ein Hume, als Philosoph und
Geschichtschreiber bekannt, ihn mit sich nach England nahm. Zwar
wurde er hier mit Begeisterung empfangen; allein Humes Kälte stach
sehr ab gegen Nousseaus Wärme und der geistvolle Franzose trennte
49»
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Extrahierte Personennamen: Emil Emil Rousseau Emil Emil Humes
Extrahierte Ortsnamen: Paris Genf Chambery Montmorency Genf Bielersee Paris England
772
sich von dem Engländer und kehrte nach Paris zurück, wo er Noten
schrieb, Kräuter sammelte, ein musikalisches Lexikon und ein Melodrama
verfaßte, auch viele einfache, aber rührende Melodien componirte. Mit
zunehmendem Alter nahm sein grämliches Wesen zu, er zog sich zurück
und, erst 66 Jahre alt, starb er auf Ermenonville, dem Landgute eines
Marquis, der sein Gönner war (1778). Er wurde innerhalb des
Parks auf der Pappelinsel beigesetzt und über seiner Gruft ist ein sechs
Fuß hohes Grabmal errichtet.
Voltaire, als Dichter, Philosoph und Geschichtschreiber bekannt,
war 1694 in der Nähe von Paris geboren und als Kind sehr schwächlich.
Zwar sollte er Advokat werden; da aber seine Neigung zur Dichtkunst
vorherrschend war, so wandte er dem verhaßten Stande den Rücken
zu. Bald trat seine Henriade an's Licht, in dem er Heinrich lv., wie
das Gedicht, schwach und stark, feierte. Da er aber eine Hinneigung
zur Satire zeigte, so wurden mehrere Stellen seiner Schriften so anzüglich
gefunden, daß er einige Zeit in die Bastille wandern mußte. Er sollte
sogar auf einige Zeit Frankreich verlassen und gieng nach England, wo
indessen sein beißender Witz nicht gefiel. Er kehrte nach Frankreich
zurück und wenn sein Brutus weniger gefiel, so ärndtete dagegen seine
Zaire ungetheilten Beifall. Bald folgte sein Mahommct und andere
Stücke, besonders später Irene, welche mit unbegränztem Beifall
aufgenommen wurde, eben so wie mehrere seiner philosophischen und
geschichtlichen Werke, wie Candide und Carl Xll.
Im Jahr 1750 nach Potsdam berufen, erwarb er sich die Gunst
Friedrichs Ii. in hohem Grade. Er erhielt aber, weil er sich in einen
Streit berlinischer Gelehrten einließ, seine Entlassung und Voltaire
schickte dem König den erhaltenen Kammerherrnschlüssel und das Ordens-
kreuz zurück. Er wünschte nun wieder in Paris zu leben; aber seine
Jungfrau von Orleans hatte wegen zweideutiger Stellen so mißfallen,
daß er zuerst nach Colmar gieng und darauf ein Landgut in der Nähe
von Genf kaufte. Nachdem er Rousseau, der sich ihm nähern wollte,
durch eine spöttische Bemerkung beleidigt und wegen einiger religiösen
Streitigkeiten mit vielen Angesehenen in Genf zerfallen war, kaufte er
sich das Landgut Ferney am Genfersee, wo er mit einer Nichte bequem
lebte, da er sich früher durch verschiedene glückliche Spekulationen ein
ansehnliches Vermögen erworben.
Seine Vertheidigung des guten Jean Calas (Schahng Kala),
eines Kaufmanns in Toulouse, der von dem obersten Gerichtshöfe
in Paris zum Tode verurtheilt worden war, gereicht ihm zu großer
Ehre. Als einst der Präsident desselben, nachdem seine Unschuld
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_lv. Heinrich Brutus Irene Carl_Xll Friedrichs Ferney Jean_Calas
Extrahierte Ortsnamen: Paris Paris Frankreich England Frankreich Potsdam Friedrichs Paris Colmar Genf Genf Toulouse Paris
773
entdeckt worden war, zu seiner Vertheidigung sagte: Ein gutes
Pferd strauchelt auch bisweilen! so entgegnete Voltaire: Ja wohl,
aber ein ganzer Stall voll Pferde! Freiheit und Selbstständigkeit
waren sein Ziel und seine zahlreichen Schriften, die er in diesem vom
Geräusche der Welt entfernten Aufenthalte herausgab, bewähren dieses.
Die erste vollständige Ausgabe seiner Werke versöhnte ihn mit Friedrich
dem Großen. Auch die russische Kaiserin Katharina beehrte ihn mit
prächtigen Geschenken. Indessen konnte er das abgezogene Leben nicht
ertragen und kehrte wieder nach Paris zurück, wo ihn auch Franklin
besuchte, wie er denn überhaupt mit Ehrenbezeugungen überhäuft wurde.
Man stellte seine Büste neben die von Corneille und Racine und über-
reichte ihm im Theater einen Lorbeerkranz. — Voltaire starb 1778,
85 Jahre alt. Der Erzbischof von Paris verweigerte ihm ein christ-
liches Begräbniß; allein 1791 wurden seine Ueberreste in dem Pantheon,
der ehemaligen Genovefenkirche, neben denen Rousseaus beigesetzt.
Daß er oft eitel, ehrgeizig und sogar bösartig gewesen sey, wird
allgemein angenommen. Einfachheit und Klarheit zeichnen seine überall
einen richtigen Blick verrathenden Schriften aus. Seine dramatischen
Arbeiten sind die vorzüglichsten.
133.
Finne und Putton.
Wie sehr Aeltern irren können, wenn sie hartnäckig auf der ihren
Söhnen bestimmten Lebensart beharren, mag uns Linnes Geschichte
lehren. Dieser berühmte Naturforscher, der sich herrliche Verdienste,
besonders um die Kräuterkunde, erworben und dessen botanisches System
noch jetzt hochgeschätzt wird, ob auch seit dieser Zeit manches Neuere
entdeckt wurde, war, 1707 in Smaland geboren, von seinem Vater,
einem Landpfarrer, ebenfalls dem geistlichen Stande gewidmet worden
nud wurde im zehnten Jahre auf die Schule in Weriö geschickt. Da
er aber seiner Neigung, Pflanzen aufzusuchen, zu sehr nachhieng und
lhm das Hebräische und andere Fächer entleideten, so führten die Lehrer
^lage über ihn und der Vater beschloß, ihn einem Schuhmacher in die
^rhre zu geben. Ein Arzt indessen, der das seltene Talent des jungen
Menschen zur Naturkunde erkannte, riech seinen Aeltern, ihn dem
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Voltaire Friedrich Friedrich Katharina Franklin Linnes
Extrahierte Ortsnamen: Paris Paris Rousseaus Smaland
841
Geographie las er ausgezeichnet. In seinen drei Hauptwerken, seiner
Kritik der reinen Vernunft, seiner Kritik der praktischen Vernunft und
seiner Anthropologie hat er einen Schatz von Ideen niedergelegt. Der
Weise starb 1804. Eine Büste von carrarischem Marmor, in der Halle
der Domkirche des Orts seines Wirkens, ehrt sein Andenken.
Auf Kants System baute Fichte fort, entfernte sich aber indessen
immer mehr von ihm, so daß er endlich Gründer einer ganz neuen
Schule wurde. Mit ungemeiner Kraft und Stärke des Geistes drang
er in die Tiefen des menschlichen Wissens und immer war sein edles
Streben auf das Höhere gerichtet. Er wollte den Geist über die
Sinnlichkeit erheben und das Gemüth zur höchsten Reinheit entflammen.
Dabei besaß er einen Heldenmuth und war ein Muster aufopfernder
Menschenliebe. Von seiner Liebe zum deutschen Vaterlande zeugen
seine Reden an die deutsche Nation. Er lebte besonders in Jena und
Berlin und wurde 1814 von einem Nervenfieber dahingerafft.
149.
Schiller, Göthe, Wieland und Herder.
Diese vier Namen wird in der Nachwelt der ewige Ruhm des
Dichtertalents umstrahlen.
Friedrich von Schiller, 1759 zu Marbach in Würtemberg geboren,
ist als Dichter, Geschichtschreiber und Philosoph allgemein bekannt.
Sein Vater, zuletzt Hauptmann und Inspector auf dem von Herzog
Earl gebauten Lustschlosse Solitude, einer Baumschule, war ein
biederer und wissenschaftlich gebildeter Mann, welch Letzteres er auch
durch ein schätzbares Werk, die Baumzucht im Großen betitelt,
bewährte. Seine Mutter, von bürgerlicher Abkunft, war eine gemüth-
liche Frau von gesundem natürlichen Verstände und liebte ihren Sohn
Zärtlich. Schiller zeigte schon als Knabe eine feurige Einbildungskraft,
dabei aber neben großer Lebhaftigkeit ein frommes, kindliches Herz
und eine entschiedene Abneigung gegen schlechtes Treiben und Vorur-
therle in Betreff des Standes. Nachdem er in Lorch seine erste
erhalten, zogen seine Aeltern nach Ludwigsburg, wo er bis
1 ie lateinische Schule besuchte. Sein erstes Gedicht arbeitete er
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Kants Schiller Friedrich_von_Schiller Friedrich Schiller
Extrahierte Ortsnamen: Jena Berlin Marbach Würtemberg Lorch Ludwigsburg
843
Verdienen noch besonders bemerkt zu werden: Wallenstein, die Jungfrau
von Orleans, Maria Stuart und die Braut von Messina. Unter
seinen vielen Gedichten sind besonders die Glocke, der Taucher, der
Ritter Toggenburg und der Gang nach dem Eisenhammer allbekannt.
Wie jeder in Beziehung auf Geist und Gemüth reich begabte
Mensch, gab sich Schiller oft auch der Freude und dem Vergnügen
hin, immer aber auf eine edle Art. Leicht wurde er zu Solchen
hingezogen, welche aufrichtig und herzlich waren. Innig rührte ihn
der Reiz der Natur. Oft folgte er im leichten Kahne dem Laufe des
Stroms, wenn Stürme die Wellen durchbrausten und ein schwarzes
Gewitter um ihn her krachte und flammte. Wenn er die Elemente
selbst im Kampfe miteinander erblickte, da fühlte er Harmonie in seiner
eigenen Brust. Er arbeitete viel bei Nacht. Wenn das verworrene
Treiben der Außenwelt schwieg, dachte er klarer und freier, und oft
traf ihn die lichte Morgenröthe noch bei seinem Pulte. Wie die Gaben
seines Verstandes, so die seines Herzens, das von tiefem Haß gegen
das Falsche und Rechtswidrige glühte, aber von warmem Eifer für
das Wahre und Schöne brannte. Osten und redlich in seinen Hand-
lungen und Worten, war er zugleich frei von aller Anmaßung.
3war war er von hagerer Statur und magerem, bleichem Gesichte;
über aus seinen blauen Augen leuchtete ein geistvolles Feuer, oie
gewölbte, freie Stirne verkündete den Dichter und Denker und sobald
er zu sprechen anfieng, war eine angenehme Nöthe und eine unbeschreib-
liche Anmuth über sein Gesicht verbreitet.
Seine Gebeine ruhen in Weimar; im Mai 1839 aber, an seinem
Todestage, wurde ihm zu Stuttgart in der Nähe der Stiftskirche und
des alten Schlosses ein ehrendes Denkmal errichtet, wozu der berühmte
dänische Bildhauer Thorwaldsen das Modell lieferte. Die Statue ist
13 Fuß hoch, Nacken und Haupt senken sich etwas zur Brust herab
und ein dichter Lorbeerkranz schwebt um die über Rücken und Schultern
hinabwallenden Locken. Das moderne Untergewand ist fast ganz von
einem Mantel bedeckt, der durch die rechte Hand gehalten wird, wäh-
rend des Dichters Linke mit eingeschlagenem Finger ein Buch hält.
Das Fußgestell ist mit seinem Namen und passenden Basreliefs geschmückt.
^ Während Schillers Richtung mehr subjectiv war, während er als
Idealist mehr zeigte, wie die Welt seyn sollte, sehen wir bei einem
andern Dichter mehr die objective Richtung, indem er mehr die Welt
darstellte, wie sie ist.
Johann Wolfgang von Göthe wurde 1749 zu Frankfurt geboren,
a ferne Aeltern in glücklichen Vermögensverhältmssen lebten, so ließ
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Maria_Stuart Maria Schiller Thorwaldsen Johann_Wolfgang_von_Göthe Johann
845
geboren. Sein Talent entwickelte sich frühe: schon im 13ten Jahre
drang er in den Geist eines Virgil und Horaz tief ein und machte
eine Menge von Versen. In einem Alter von 14 Jahren bezog er
die Schule zu Klosterbergen bei Magdeburg, wo er sich in den klassi-
schen Studien noch weiter auszubilden Gelegenheit hatte, so daß er
nun, überreich ausgerüstet, 1750 die Universität Tübingen beziehen
konnte. Bald gab er mehrere Schriften heraus, welche zeigten, welchen
Gewinn er durch das Lesen griechischer, lateinischer, englischer und
französischer Werke gezogen habe. Schöne Darstellung, feiner Witz
und ein Neichthum des Ausdrucks sind darin nicht zu verkennen.
Da Frömmigkeit ein Grundzug seines Wesens war, so wirkte auch
Klopstocks Messias mächtig auf ihn. Einige Jahre nach seinem Aufent-
halte in Tübingen gieng er wieder in seine Vaterstadt zurück, wo
seine Geliebte weilte, und von da nach der Schweiz zu Bodmer, wo
er mit mehreren ausgezeichneten Männern bekannt wurde und auch
Mehreres herausgab. Nachdem er Bodmers Haus verlassen und
einige Zeit in Zürich und Bern verlebt hatte, trat er in die Umgebung
des Grafen von Stadion zu Warthausen, unweit Biberach. Da dieser
ein sehr fein gebildeter Mann war und eine vortreffliche Bibliothek
besaß, hatte Wieland alle Gelegenheit, sich noch freier auszubilden,
und seine Uebersetzung der Werke Shakespeares, schon früher begonnen,
zu vollenden, auch noch andere eigene Dichtungen zu liefern, welche
indessen thcilweise ziemlich sinnliche Schilderungen enthalten. Seinen
Ruhm begründeten übrigens vorzüglich sein Agathon und sein Musarion.
Im Jahr 1769 wurde er .als Professor nach Erfurt berufen, vor-
nehmlich durch Verwendung des Freiherrn von Dalberg, eines warmen
Freundes der Musen. Doch schon im Jahre 1772 gieng er nach
Weimar ab, wohin ihn die Herzogin Amalie als Erzieher ihrer
Prinzen abberufen hatte. Bald kam er in die Gesellschaft ausgezeich-
netcr Männer und gab auch seinen deutschen Merkur heraus, dem er
viele Sorgfalt widmete. Sein Oberon mehrte seinen Ruhm und die
Uebertragung der Werke des Horaz und Lucian wurde mit Beifall
aufgenommen. Durch die bedeuteude Einnahme, die ihm seine Werke
verschafften, wurde er in den Stand gesetzt, das Gut Osmannstädt zu
kaufen, wo er längere Zeit in heiterer Muße verlebte. Doch verkaufte
er das Gut im Jahr 1803 wieder und begab sich nach Weimar, wo
er noch die meisterhafte Uebersetzung von Cicero's Briefen lieferte.
Nachdem ihm die Herzogin und viele edle Freunde vorangegan-
gen , starb er im Januar 1813, 81 Jahre alt. Der Kaiser von
Rußland und Napoleon hatten ihn ausgezeichnet. Seine irdischen
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Extrahierte Personennamen: Klopstocks_Messias Dalberg Amalie Lucian Napoleon
846
Ueberreste ruhen zu Osmannstädt und ein einfaches Denkmal ziert
sein Grab.
Noch erwähnen wir Herders, eines der eigenthümlichsten und
geistreichsten Schriftstellers der Deutschen. Er wurde zu Morungen in
Ostpreußen geboren und war der Sohn eines unteren Schullehrers.
Ob ihn gleich die ihn umgebenden Verhältnisse nicht begünstigten, so
brach er sich doch selber Bahn, und nachdem er durch Fürsorge einiger
Männer, welche sein Talent erkannten, eine Lehrerstelle in Königsberg
erhalten hatte, welche ihm erlaubte, sich noch weiter auszubilden, so
entschied er sich für die Theologie, mit welcher er tiefes Studium der
Naturwissenschaften und der Philosophie verband. Im Jahr 1765
wurde er als Nector der Domschule nach Riga berufen, eine Stelle,
mit welcher zugleich daö Predigtamt verbunden war. Nachdem er hier
lange segensreich gewirkt, sollte er mit einem Prinzen von Holstein
eine Reise nach Frankreich und Italien machen; allein durch ein
heftiges Augenübel zu Straßburg festgehalten, lernte er hier Göthe
kennen, der ihm, nachdem er Hofprediger in Bückeburg gewesen, den
Ruf als Oberconsiftorialrath nach Weimar verschaffte. Hier bot sich
ihm als geistlicher Redner und in mancher andern Beziehung ein reiches
Feld dar, sein Talent zu entfalten und seine Wirksamkeit zu zeigen.
Er glänzte mit Andern als Stern erster Größe an Weimars Himmel,
der als das deutsche Athen betrachtet wurde. Er starb im December
1803. Für die Geschichte, Philosophie, Sprachkenntniß, Alterthums-
kunde, Gottesgclehrsamkeit und Schönheitslehre hat er viel geleistet,
und auch als Dichter Proben herrlichen Talents gegeben. Sein
Hauptwerk sind seine Ideen zur Philosophie der Geschichte der Mensch-
heit. Seine darin ausgesprochenen Ideen sind schön, rührend und
erhaben.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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Extrahierte Ortsnamen: Königsberg Riga Holstein Frankreich Italien Bückeburg Weimar Weimars
A. Epos. I. Das Volksepos. 15
selbst Dichter, übten und pflegten die edle Kunst, wo immer nur Gelegen-
heit sich bot.
4. Die Anregung zur Poesie seitens der Troubadours
(z. B. Vertrau de Born (Uhland)) in der Provence, wo schon früh die
lyrische Poesie in Darstellung von Liebe und Galanterie zu kunstreicher
Ausbildung gelangt war, und seitens der Trouvöres* im nördlichen
Frankreich, welche vorzugsweise epische Stoffe behandelten und in diesen
den deutschen Epikern reiches Material boten.
Gepflegt wurden in dieser Periode: A. Epos; B. Lyrik;
C. Didaktik.
A. Kp o s.
8 7.
Das Epos tritt in zwei Gestaltungen ans, als Volksepos und
als Kunstepos, welche nach Inhalt, Quelle und Behandlung desselben
und nach der äußeren Form wesentliche Verschiedenheiten zeigen.
I. Das Dolksepos.
8 8.
Der Volksgesang wird geübt aus Markt und Straßen von Volks-
sängern, sogenannten fahrenden (reisenden) Leuten, die bisweilen auch
Spielleute oder nach dem begleitenden Instrumente Fiedeläre heißen. Die-
selben nehmen ihre Stoffe aus der heimatlichen Heldensage, die sich in
alten Liedern viele Jahrhunderte hindurch erhalten hatte.
Der Inhalt dieser Heldensage ist rein menschlicher Art, schmucklos,
einfach und naturwahr, daher nicht selten derb und roh; er trägt ganz
das Gepräge der altheidnischen Germanenzeit. Bemächtigen sich Dichter
dieser Stoffe, um aus ihnen ein Epos zu gestalten, so stehen sie den-
selben objektiv gegenüber, ohne irgendwelche Äußerungen ihres eigenen
Empfindens einzufügen. Sie lassen die Sache durch sich selbst wirken
und die Handlung sich entwickeln aus dem Charakter und den Leiden-
schaften der auftretenden Personen.
Auch die äußere Form, welche mit der Melodie des Volksgesanges
eng zusammenhing, ist eigenartig, die Form der sogenannten Nibelungen-
strophe. Diese besteht aus 4 paarweise stumpf gereimten Zeilen, die jede
durch eine starke Cäsur in 2 Hälften geteilt sind. Die erste Hälfte enthält
3 Hebungen und schließt klingend; die zweite enthält gleichfalls 3 He- 1
1 Beide Wörter von trouver (trondor und trobar) — erfinden.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art]]
§ 12. Dichtungen der vorbereitenden Zeit des Kunstepos, von 1150—1180. 117
sorgsame und richtige Behandlung des Reimes und namentlich die Rein-
heit der Sprache1 fehlten. Als bedeutendste Dichtungen gehören dieser
Borbereitungszeit au:
1. Das Annolied, ein Lobgesang in hohem Schwünge auf den
hl. Anno, Erzbischof von Köln (ch 1075), welches biblische Geschichte,
Sage und Profangeschichte zwar bunt durcheinander mengt, aber dennoch
gute Anordnung bei lebhafter Schilderung und inniger Gefühlstiefe fast
nirgends vermissen läßt.
2. Das Alexanderlied vom Pfaffen Lamprecht, eine der schönsten
Dichtungen des Mittelalters, in kräftiger und oft volkstümlich lebendiger
Darstellung, welche neben manchen lieblichen Schilderungen von poetischer
Kraft auch ernste und große Gedanken in sich birgt. In dem ersten, mehr
historischen Teile werden in mittelalterlicher, durch die Kreuzzüge beein-
flußter Anschauung die Jugendjahre und die Eroberungszüge des großen
Weltbeherrschers dargestellt; in dem zweiten, mehr romantischen Teile, in
welchem Alexander bis an das Ende der Welt vordringt, beschreibt er in
einem Briefe an seine Mutter und seinen Lehrer Aristoteles die Abenteuer
und Wunder seiner Fahrt (vgl. folgende Probe). Im Übermut dringt er
vor bis zu des Paradieses Pforten, um auch dieses zu erobern, aber hier
muß er umkehren; die Nichtigkeit alles Irdischen erkennend, befleißigt er
sich nun der Mäßigung und Milde bis zu seinem Tode „und behielt
nichts mehr für sich — von alledem, was er errang — als Erde,
sieben Fuß lang, — wie's der ärmste Mann erhält, ■— der je kam in
diese Welt".
Ocr Iaubcrwatd.
Als wir hinzogen an dem Meere,
Da ritt ich außer meinem Heere
Mit dreientausend Mannen.
Darauf huben wir uns von bannen
Und gedachten Wunder zu sehen;
Da sahen wir fern von bannen stehen
Einen großen, prächtigen Wald.
Das Wunder, das war mannigfalt,
Das wir da vernahmen.
Als hinzu wir kamen,
Da hörten wir wohl in ihm
Manche wunderschöne Stimm',
Lyren- und Harfenklang
Und den süßesten Gesang. —
Der herrliche, der alte Wald
War wunderbarlich schön gestalt',
Wir konnten's all genau gewahren.
Stattlich hoch die Bäume waren,
Die Zweige waren breit und dicht,
Nur Wahrheit gibt euch mein Bericht.
Das war eine große Wonne.
Da konnte nicht die Sonne
Hindurch bis zrir Erde scheinen.
Ich und die Meinen,
1 Man nennt die Sprache, in welcher diese Dichtungen geschrieben sind, als
Zwischenstufe zwischen dem Althochdeutschen der Vorzeit und dem Mittelhochdeutschen
der Blütezeit, die mitteldeutsche, in welcher die thüringisch-hessische Mundart
vorwiegende Geltung hat.
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