Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Frauenschule
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Geschlecht (WdK): Mädchen
Viertes Kapitel.
Finanzwesen.
§ 16. Allgemeines.
Finanzen des absoluten Staates: Im absoluten
Staat ist der Fürst niemandem Rechenschaft schuldig über die
Art und Verwendung der Staatseinkünfte. Er kann für Privat-
zwecke, Hofhaltung, Bauten, Feste große Summen aufwenden
neben den Ausgaben für Kriegsführung und Staatsverwaltung.
Seine Haupteinnahmequellen sind zunächst Grundeigentum,
Domänen, Forsten usw. Daneben treten eigene Verkehrs- und
Gewerbebetriebe: Post, königliche Manufakturen usw. Er er-
hebt auch Steuern von seinen Untertanen; am frühesten bilden
sich die verschiedenen Formen der Grundsteuern und Boden-
ertragssteuern aus, da der Grund und Boden der wertvollste
Besitz ist (Bede. Zehnten, d. h. Abgabe des zehnten Teils des
jährlichen Bodenertrags). Mit der Entwicklung von Handel und
Gewerbe kommen dazu die verschiedenen Formen der Gewerbe-
steuern: Auflagen auf bestimmte Waren (Akzise), Privilegierun-
gen einzelner Betriebe: wer ein bestimmtes Gewerbe betreiben
will, bedarf der staatlichen Erlaubnis und muß dafür aber eine
Abgabe zahlen.
Die Ausbildung der öffentlichen Finanzen in Deutschland
liegt teils bei den Städten mit ihrem lebhaften Verkehr in der
Form von Marktabgaben u. dgl., teils bei den Territorialfürsten,
die sich vor allem das Münzrecht sichern, d. h. die Ausprägung
von Edelmetall, die möglichst einträglich gestaltet wurde, und
das Gewerbewesen begünstigten, um daraus Abgaben zu erheben.
Demgegenüber fehlte es dem Kaisertum des alten Reiches an
eigenen Steuerquellen. Die Einkünfte aus den kaiserlichen Kron-
gütern reichten nicht, die durch Kriegführung häusig stark be-
lasteten Ausgaben zu decken, und die Verpfändung solcher Güten
machte die finanzielle Lage des Kaisers nur noch schwieriger.
Mehrmals, so in den Kriegen gegen die Türken, wurde der Ver-
such gemacht, eine allgemeine direkte Reichssteuer einzuführen,
den sogenannten „gemeinen Pfennigs, der vom Vermögen er-
hoben wurde, aber es gelang nicht, ihn zu einer dauernden Ein-
richtung auch für Friedenszeiten zu machen. Dieser Mangel an
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— 76
und der Konsumtion. In der Regel kauft der Verbraucher direkt
vom Hersteller. Deshalb ist die Stadtwirtschaft die Stufe der
Kundenproduktion genannt worden.
§ 4. Die Volkswirtschaft.
Die dritte Stufe der wirtschaftlichen Tätigkeit, die Volks-
wirtschaft, setzt erst ein, als der Staat erstarkt und die Macht
der Städte gebrochen war. Die Landesherren versuchen ihr
Herrschaftsgebiet einheitlich zu gestalten. Die Verwaltung, die
Rechtsprechung, die Pflege von Landwirtschaft, Gewerbe und
Handel werden zu staatlichen Aufgaben, die großzügig von einem
Mittelpunkt aus geleitet werden sollen. Dieser Mittelpunkt ist
der absolute Monarch (siehe Teil I § 2 und § 16). Das
Ideal des absoluten Staates, wie er sich im 17. und 18. Jahr-
hundert herausgebildet hatte, ist es, das Staatsgebiet zu einer
selbständigen Wirtschaftseinheit zu machen, wie es vorher die
Städte gewesen waren. Gegen das Ausland ist die Grenze durch
Zölle gesichert. Alles Geld soll im Lande bleiben, darum wird
möglichst jede Einfuhr verboten. Dagegen ist die Ausfuhr von
Waren, die bares Geld einbringt, sehr geschätzt. Die Finanzierung
des Staates ist eine der wichtigsten Aufgaben. Um den Bürgern
genügende Mittel zu verschaffen — und damit Abgaben für den
Staat — werden nun das Gewerbe und der Handel geschützt
und gepflegt. Man hat für die Bestrebungen jener Zeit geradezu
den Begriff Merkantilstaat (mereator — Kaufmann) geprägt und
bezeichnet damit eine staatliche Politik, die das gesamte Wirt-
schaftsleben unter dem Gesichtspunkt der Steigerung der Erträge,
des Wohlstandes der Untertanen und der Fürsten behandelt.
Im 19. Jahrhundert wird die merkantilistische Politik abgelöst
durch die „liberale Wirtschaftsperiode". Die alten Gebunden-
heiten: Hörigkeit, Zünfte usw. werden gelöst, eine weitgehende
Verkehrs- und Gewerbcfreiheit soll an ihre Stelle treten und
allen Kräften des Wirtschaftslebens zu freier Entfaltung ver-
helfen (siehe Seite 94). Der Staat soll so wenig als möglich
in Handel und Gewerbe eingreifen. Diese rein liberale Wirt-
schaftspolitik (Manchesterrum) ist heute in wachsendem Maße mit
sozialen Gesichtspunkten durchsetzt, so daß man von einer dritten,
der „sozialen Wirtschaftsperiode" sprechen kann. Der Staat
greift wieder stärker in das Getriebe des Wirtschaftslebens ein,
erläßt Gesetze — wie z. B. die sozialen Schutzgesetze, um die
Schwachen vor Ausbeutung zu schützen. Er ist bestrebt, eine
gerechtere Verteilung der Güter innerhalb der Volkswirtschaft
herbeizuführen.
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verschaffen. Die Produktion ist nicht mehr Selbstzweck, sondern
Mittel zum Zweck.
Die großen Banken beteiligen sich mit an den Unternehmen
und verstärken mit der Macht ihres Kapitals den Zug zur Ver-
größerung. Sehr häustg werden Einzelunternehmen zu einem
Gesamtunternehmen verschmolzen. Als Beispiel mag die Fusio-
nierung großer Bergbau-Aktiengesellschaften gelten. Die Aktien-
gesellschaft „Phönix" kauft die Zechen „Westende" und „Ruhr
und Rhein", fusioniert sich mit dem Hörder Bergwerksverein,
nimmt das Steinkohlenbergwerk „Nordstern" auf, so daß das
Aktienkapital des „Phönix" jetzt 100 Millionen Mark beträgt.
Natürlich existieren die verschiedenen Unternehmungsformen
noch heute nebeneinander. Wir haben zahlreiche kleinere und
größere Einzelunternehmungen neben den verschiedenen Arten
der Gesellschaftsunternehmen. Aber die Statistik zeigt, daß der
größte Teil der industriellen Bevölkerung in den Großbetrieben
beschäftigt ist, ihre Entwicklung muß daher vor allem gezeigt
werden.
Die Unternehmervereine: Der erste Typus des
Unternehmers will in jeder Hinsicht selbständig sein. Der Staat
soll ihm keine Vorschriften machen — und tat es zuerst auch
nicht —, die Arbeiter sollen keine Forderungen stellen; was er
ihnen (z. B. an Wohlfahrtseinrichtungen) gibt, will er als frei-
williges Geschenk aufgefaßt sehen, die anderen Unternehmer sind
für ihn Konkurrenten und sollen möglichst wenig in seinen Be-
trieb Einblick gewinnen. Der Unternehmer will unabhängig, er
will „Herr im Hause" sein, nach dem Wort des Freiherrn von
Stumm, das beinahe sprichwörtlich geworden ist.
Diese Unabhängigkeit existiert heute nicht mehr. Der Staat
hat durch die Versicherungsgesetze und die sozialen Schutzgesetze
eine große Anzahl von Vorschriften erlassen, die der Unternehmer
einhalten muß. Die Arbeiter haben sich in großen Organisationen,
Gewerkschaften und Gewerkvereinen, zusammengeschlossen und
stellen Forderungen aus; sie haben durch das Machtmittel des
Streiks, der Arbeitseinstellung, diesen Forderungen sehr wirksam
Gehör verschafft. Nicht mehr der einzelne, abhängige Arbeiter
steht dem einzelnen, mächtigen (weil kapitalkräftigen) Unter-
nehmer gegenüber, sondern eine geschloffene, geeinte Arbeiterklasse.
Dadurch wird der Unternehmer gezwungen, sich, unge-
achtet des Konkurrentengefühls, ebenfalls mit seinen Standes-
genossen zusammenzuschließen. Als Gegenbewegung gegen die
Arbeiterorganisationen entstehen die Arbeitgeberverbände.
Die Unternehmer bleiben als Produzenten selbständig; nur in
ihrer Stellung als Arbeitgeber treffen sie Vereinbarungen, und
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lose, Frachturkunden, Spielkarten, Personenfahrkarten der Eisen-
bahn, Wechsel und Schecks und auf bestimmte Verkaufsurkunden,
z. B. auf den Kauf von Grundstücken oder Automobilen.
Seit dem Jahre 1906 ist eine Reichserbs ch a fts st euer ein-
geführt, die von jeder Erbschaft und Schenkung zu entrichten ist und
je nach dem Grad der Verwandtschaft zu- oder abnimmt, also am
höchsten ist, wenn keine Verwandtschaft mehr vorliegt. Kinder,
und Ehegatten bleiben von der Steuer verschont. Der Versuch
der Regierung, diese in anderen Staaten, z. B. England, sehr er-
giebige Steuerart durch Ausdehnung auf Ehegatten und Nach-
kommen fruchtbarer zu gestalten, ist 1909 bei der Beratung der
Reich sffnanzreform gescheitert.
Eigentlich direkte Steuern erhebt das Reich nicht; sie sind
in den Einzelstaaten zur Durchführung gekommen.
Matrikularbeitrüge. Bis zur geplanten Verselb-
ständigung der Reichsfinanzen sollten die Fehlbeträge in den
Reichseinnahmen verfassungsmäßig durch die Einzelstaaten auf-
gebracht werden. Dieser Grundsatz, daß die Einzelstaaten dem
Reiche Geldbeträge überweisen, ist durch die sogenannte Francken-
steinsche Klausel vom Jahre 1870 durchbrochen worden. Danach
sollten den Bundesstaaten „diejenigen Erträge der Zölle und der
Tabaksteuer, welche die Summe von 130 Millionen übersteigen",
überwiesen werden. Somit sind die Einzelstaaten bis zu einem
gewissen Grade Kostgänger des Reiches geworden. Eine Reihe
von Jahren hat das Reich beträchtliche Überschüsse gehabt und
mußte diese verfassungsmäßig an die Einzelstaaten je nach ihrer
Bevölkerungszahl verteilen. Es war dadurch verhindert, recht-
zeitig an eine Schuldentilgung zu gehen. Bei der schlechten
Finanzlage des Reiches haben diese Überweisungen an die Bundes-
staaten schon längere Zeit aufgehört. Die Reichsregierung setzt
jährlich die Höhe der Matrikularbeiträge fest. Soweit diese mehr
als 40 Pf. pro Kopf der Einwohner betragen, kann ihre Erhebung
gestundet werden. Die Unsicherheit der Höhe der Matrikular-
beiträge ist für die Aufstellung des Etats der Bundesstaaten sehr
unzuträglich. Die wiederholten Versuche eine bessere Ordnung
mit schärferer Trennung der beiden Finanzwesen zu schaffen,
haben bisher keinen Erfolg gehabt.
R e i ch s s ch u l d e n: Das Reich hat im Lause der letzten
Jahrzehnte eine außerordentlich große Schuldenlast aufgehäuft,
die um so bedenklicher ist, da sie fast im ganzen Umfang bloß auf
Kredit beruhende reine Finanzschuld ist, der kein großes eigenes
Vermögen gegenübersteht. Die Schuld betrug im Jahre 1908
4123 Millionen Mark. Ihre Verzinsung und mehr noch ihre
Tilgung ist eine ernste Sorge für das Reich. 1906 wurde be-
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Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
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der römische Papst ist. Man kann sie als Wahlmonarchie be-
zeichnen. Sie legt in den verschiedenen Staaten ihre Stellung
zur weltlichen Obrigkeit gesetzlich fest durch päpstliche Ver-
ordnungen. In Preußen gibt es zwei Erzbistümer: Köln und
Gnesen und zehn Bistümer: Trier, Münster, Paderborn, Kulm,
Fulda, Limburg, Breslau, Ermland, Osnabrück, Hildesheim.
Doch richten sich die Einteilungen der Bistümer nicht genau nach
der politischen Grenze; sie fassen z. B. österreichisches Gebiet in
sich. Die Bischöfe müssen dem Könige den Treueid leisten, ihre
Wahl muß genehmigt werden. Das Prinzip der Selbstverwaltung
ist innerhalb der katholischen Kirche nur schwach entwickelt; die
Laienvertretung — der Kirchenvorstand und die Gemeinde-
vertretung — hat im wesentlichen nur bei der Vermögens-
verwaltung mitzusprechen. Der Staat behält sich eine Kontrolle
über die Anwendung der Gelder vor; ebenso über die Tätigkeit
der zugelassenen Orden.
Die übrigen Religionsgemeinschaften.
Den verschiedenen christlichen Sekten ist volle Freiheit für
Ausübung ihres Kultus gewährt, doch wird ihnen nicht die große
staatliche Unterstützung zuteil, die den beiden „öffentlich auf-
genommenen" Konfessionen zufällt.
Die jüdischen Gemeinden haben eine wohlorganisierte Selbst-
verwaltung. Sie erheben gleichfalls Kirchensteuern und stellen
Geistliche in den Synagogen an; beides bedarf der Bestätigung
des Staates.
In Preußen gibt es etwa 23% Millionen Protestanten,
131/2 Millionen Katholiken, 400000 Israeliten und 180000
Angehörige von Sekten.
Alle kirchlichen Angelegenheiten werden im Kultus-
ministerium verwaltet.
§ 23. Das Anterrichtswesen in Preußen.
Durch die Sorge für guten Unterricht der Jugend, also der
künftigen Generation von Staatsbürgern, sorgt der Staat zu-
gleich für sein eigenes Fortbestehen und Gedeihen. Es ist eine
seiner wichtigsten Kulturaufgaben, möglichst allen Kindern die
größtmögliche Bildung zu verschaffen. So beurteilt man die
Entwicklungshöhe eines Volkes nach der Anzahl von Analpha-
beten smenschen, die nicht lesen und schreiben könnenj. Während
sie in anderen Ländern noch große Prozentsätze ausmachen
sspanien 75 " 0, Italien 60%, Frankreich und England 15 °/o],
Heuß-Knapp, Bürgerkunde. 4
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Extrahierte Ortsnamen: Gnesen Paderborn Kulm Fulda Limburg Breslau Osnabrück Hildesheim Italien Frankreich England Heuß-Knapp
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Geschlecht (WdK): Mädchen
37
einer festen, geordneten Finanzgrundlage war eine der Haupt-
ursachen für den Niedergang des alten deutschen Reiches.
Finanzen des konstitutionellen Staates: Der mo-
derne konstitutionelle Staat scheidet streng zwischen den Finanzen
des Fürsten und denen des Staates. Der Herrscher hat eigenen
Besitz und eigenes Vermögen, über das er frei verfügen kann.
Daneben bezieht er aus der Staatskasse eine bestimmte Jahres-
summe für sich und eventuell für Mitglieder seiner Familie
(Zivilliste und Apanage), die von der Volksvertretung zu be-
willigen ist.
Einnahmen und Ausgaben für Staatszwecke sind davon
getrennt und - unterstehen der Bewilligung und Kontrolle des
Parlamentes; ein Recht, das wesentlich zur politischen Be-
deutung der Volksvertretung beigetragen hat (England). Für
bestimmte Zeitperioden, meistens ein Jahr, wird von der Re-
gierung der Staatshaushaltplan (Budget, Etat) entworfen, worin
der Voranschlag für die Einnahmen und Ausgaben aufgestellt
ist; er wird im Parlament beraten, bewilligt oder abgelehnt.
Ausgaben des modernen Staates: In diesem
Staatshaushaltplan sind die wichtigsten Ausgabeposten: Heer
und Marine, Verwaltung mit Beamtengehältern, Schule und
Universitäten, Verkehrsanlagen, Bauten, soziale Versicherungen,
Wohlfahrtspflege, Schuldentilgung usw.
Einnahmen des modernen Staates: Die wichtig-
sten Einnahmequellen sind: Erträge von eigenen Betrieben,
Steuern und Anleihen.
1. Der Ertrag aus Eigenbetrieben verteilt sich
hauptsächlich auf die aus alter Zeit stammenden landwirtschaft-
lichen Staatsgüter, Domänen und Forsten, und aus den modernen
Verkehrseinrichtungen, Post und Eisenbahnen, die der Staat
monopolisiert, d. h. sich vorbehalten hat. In geringerem Maße
kommen Überschüsse aus eigentlichen Gewerbebetrieben in Be-
tracht: aus Berg- und Hüttenwerken, Salinen, Porzellanmanu-
fakturen.
2. Steuern: Die Vielfältigkeit der modernen Staats-
interessen und der modernen Wirtschaftsentwicklung haben ein
höchst verwickeltes System von Steuerarten geschaffen, in denen
sich überkommene Formen mit ganz neuen Bildungen mischen.
Man unterscheidet zunächst:
a) veranlagte (direkte) Steuern. Dazu gehören:
Grundsteuern, Gewerbesteuern als alte, Einkommen- und Ver-
mögenssteuern als neue Formen. Die direkten Steuern sollen
den Staatsbürger nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Leistungs-
fähigkeit zu den Staatsausgaben heranziehen. Er wird ver-
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156
Warenhaus: Am deutlichsten zeigt sich die moderne Form
des Detailhandels in dem Warenhaus. Es verkörpert so sehr
die Tendenz der Vergrößerung, der Ausschaltung von Zwischen-
gewinnen, der Zusammenlegung verschiedener Geschäftszweige,
daß ein wahrer Kamps der mittleren und kleinen Geschäfte gegen
diese neue Gattung des Handels anbrach, den einzelne Staaten
unterstützten durch Einführung einer besonderen Steuer des
Warenhauses, die auf seine Umsätze gelegt wird.
Trotzdem hat sich die Form des Warenhauses durchgesetzt.
Neben der großen Menge solcher Geschäfte, die nur ganz geringe
Qualitäten, Massenartikel an die wenigst zahlungsfähigen Kreise
des Volkes verkaufen, haben wir eine Reihe von Warenhäusern
großen Stils, wie sie bis vor wenigen Jahrzehnten nur Frank-
reich, England und Amerika aufweisen konnten. Gemeinsam ist
ihnen das Bestreben, möglichst allen Bedürfnissen der Kundschaft
gerecht zu werden (das Führen vieler Warengattungen bedeutet
zugleich Mietsersparnis), hingegen von jedem Artikel nur die ge-
bräuchlichsten Arten zu führen, außerdem das Prinzip der Bar-
zahlung, das den bei einer so großen Kapitalanlage notwendigen
raschen Umsatz des Geldes sichert. Der Abschluß eines Kaufes
im Warenhaus steht im denkbar größten Gegensatz zum ehe-
maligen Verkehr des Bestellers mit dem Handwerker, der selbst-
gefertigte Ware lieferte, oder auch des Kaufmanns, der im per-
sönlichen Verkehr mit dem Kunden für die Güte der durch ihn
vermittelten Waren Bürgschaft leistete. Hier hat der Konsument
nur mit einem wohlorganisierten großen Apparat von Angestellten
zu verhandeln, die in keinerlei innerer Beziehung zu ihm oder
zu den Waren stehen. Auch hier ist das Abnehmen des Per-
sönlichen, die wachsende Sachlichkeit ein Merkmal des kapita-
listischen Großbetriebes. Doch braucht nicht Verschlechterung der
Waren als Folgeerscheinung aufzutreten (wenn auch die anfäng-
liche Entwicklung der Warenhäuser daraus hindeutete). Dagegen
ist eine Gleichmachung, Nivellierung der Waren ein stets ein-
eintretendes Ergebnis dieser Entwicklung. Das Warenhaus, das
dem Publikum ungeheure Mengen gleicher oder ähnlicher Artikel
anbietet, trägt viel dazu bei, daß unsere Großstädte ihren Be-
wohnern einen uniformierten, wenig persönlichen Lebensstil auf-
prägen.
§ 36. Die Handelsangestellten.
Vieles, was von der gewerblichen Arbeiterfrage gesagt wurde,
gilt auch für die im Handel beschäftigten Angestellten, Gehilfen,
Gehilfinnen, Arbeiter und Arbeiterinnen. Auch hier haben wir
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Elftes Kapitel.
Bank und Börse.
§ 33. Der Kredit.
Unter Kredit (credere = vertrauen) versteht man das Ver-
trauen, das ein Mensch (der Kreditnehmer) bei einem anderen
(dem Kreditgeber) genießt. Dieser hat das Vertrauen, daß jener
zahlen kann und richtig und pünktlich zahlen will. Daher bringt
der Kredit ein zeitliches Auseinanderhalten von Zahlungs-
versprechen und Erfüllung mit sich. Je größer das Vertrauen
ist, desto billiger ist der Kredit, denn der Kreditgeber läßt sich
nicht nur den durch die Wartezeit entstehenden Zinsverlust er-
setzen, sondern auch das Risiko, das er trägt. Voraussetzung für
das Kreditwesen ist, daß freie Kapitalien hinreichend vorhanden
sind und die Besitzer nicht selbst den Willen haben, sie kapitalistisch
zu verwerten. Es geht eine Schulung großer Bevölkerungsklassen
voraus: Das Publikum muß lernen, Geldsummen, anstatt sie
zinslos aufzubewahren, gewinnbringend, also kapitalistisch zu
verwerten, und zugleich das Vertrauen haben, daß diese Kapi-
talien gut aufbewahrt und verwendet werden. Dies Vertrauen
wird gestützt durch eine gute staatliche Ordnung, Gesetzgebung,
die vor Ausbeutung schützt.
In unseren Rechtsstaaten herrscht heute das Zeitalter des
Kredits, die „Kreditwirtschaft". Der Kredit ist der Begleiter der
Waren aus dem Wege vom Produzenten zum Konsumenten. Die
heutige Entwicklung des Verkehrs und der Geschästsverhältnisse
ist ohne Kredit undenkbar. Alle großen wirtschaftlichen Unter-
nehmen beruhen auf ihm; auch der Staat könnte seine großen
Kulturaufgaben nicht vollbringen ohne Krediterhebung. Daher
ist der Kredit trotz mancher schädlichen Auswüchse (wovon der
schlimmste als „Wucher" durch unsere Strafgesetze verboten ist)
von der größten Bedeutung für die Volkswirtschaft. Der Ver-
brauchskredit (Konsumtionskredit), der nur zum Verbrauch
in Anspruch genommen wird und häufig die Verschwendung unter-
stützt, ist für die Volkswirtschaft schädlich. Dagegen kann der
P r o d u k t i v k r e d i t — der bei Überanspannung allerdings auch
zu schlimmen Krisen führt — sehr segensreich wirken, denn er
ermöglicht es in dem kapitalistischen Zeitalter dem Menschen, sich
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häufig Zwischenglieder ein, die die Geschäfte nur zum Zweck der
Spekulation machen. Sie beabsichtigen nicht die wirkliche Ab-
nahme oder Lieferung der gehandelten Ware oder Effekten,
sondern wollen aus den Preisdifferenzen einen Gewinn erzielen,
indem sie ihre Käufe oder Verkäufe vor dem Erfüllungstage durch
die umgekehrte Operation glatt stellen. Diese Geschäfte bezeichnet
man als Differenzgeschäfte.
Auch die Börse hat neben mancherlei schädlichen Auswüchsen
große volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Effektenbörse bildet
einen Markt, auf dem sich unbeschäftigte Gelder sammeln, um
nun in diejenigen Kanäle geleitet zu werden, die Verwendung
dafür haben. Die Aufbringung von Kapital für einzelne Erwerbs-
zweige sowie für staatliche oder kommunale Unternehmungen wird
erleichtert durch die fein ausgebildete Geschäftsform des Termin-
handels, die das schwerfällige Hin- und Herschieben von barem
Geld erspart. Staat, Gewerbe und Handel haben ein großes
Interesse an dem Bestehen und Erstarken des Börsenverkehrs.
Im Deutschen Reich sind die Börsengeschäfte durch eine besondere
Gesetzgebung begrenzt und geregelt.
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Gemeineigentum. Nur der Staat oder die Kommune sollen Be-
sitzer von Grund und Boden sein. Daran ist jedoch für abseh-
bare Zeit nicht zu denken.
Es handelt sich vorläusig darum, die Bodenpreise herab-
zudrücken. Die Stadtgemeinden können dazu viel beitragen, in-
dem sie Boden in eigenen Besitz bringen und dadurch die Spekula-
tion unterbinden. (Die Stadt Frankfurt a. M. besitzt über die
Hälfte der Gemarkung.) Die Städte können diesen ihren Grund-
besitz durch das sogenannte Erbbaurecht gegen billigen Pacht zur
Bebauung Privatleuten überlassen, sozusagen leihweise, ohne
Verkauf (England). Im übrigen haben sie die Möglichkeit, durch
eine gute Verkehrspolitik, Bau von Vorortbahnen mit billigen
Tarifen den unbemittelten Klassen die Ansiedelung in Vororten,
statt im Zentrum der Stadt, zu ermöglichen.
Besteuerung des Baugeländes"? Sehr wichtig ist
in diesem Zusammenhang die Frage der Besteuerung des Bau-
geländes. Sie geschieht noch häufig nach dem Ertragswert, d.h.
es wird gefragt, wieviel der Boden an landwirtschaftlichen Er-
zeugnissen liefert. Statt dessen verlangen die Bodenreformer,
daß sie sich nach dem „gemeinen Wert", d. h. Verkaufswert richtet;
die Frage lautet dann: Wieviel wird dieses Grundstück beim Ver-
kauf einbringen? Diese Summe muß versteuert werden.
Die zweite Form der Besteuerung ist die sogenannte Wert-
zuwachssteuer. Der Preis eines Grundstücks kann sich vermehren
ganz ohne persönliche Arbeitsleistung des Besitzers, nur durch die
steigende Nachfrage, durch Anlegung neuer Straßenzüge, besserer
Verkehrsverbindungen, Kanalisierung usw. Damit wächst das
Grundstück an Wert; dieser Wertzuwachs ist ein höchst ge-
eignetes Objekt der Besteuerung: Die Allgemeinheit, die soziale
Gemeinschaft hat diesen Wert geschaffen, sie hat ein Anrecht
daraus, am Ergebnis finanziell beteiligt zu sein. Zugleich wirkt
diese Steuer der schrankenlosen privaten Bodenspekulation ent-
gegen.
Beispiel: Die Stadt Schöneberg hat am 30. April 1909
die Wertzuwachssteuer eingeführt, wobei nur dann eine Steuer
erhoben wird, wenn der seit 1895 entstandene Wertzuwachs mehr
als 10°/o beträgt. Im ersten Jahre ihres Bestehens bis zum
Dezember 1909 brachte die Steuer bereits ein Ergebnis von
700 000 Mk.
Wohnungsinspektion: Man hat bestimmte Mindest-
forderungen aufgestellt; Wohnungen die ihnen nicht entsprechen,
sollen im Notfall durch Zwang geräumt werden. Solche Vor-
schriften, welche den Kubikinhalt an Luft, der auf einen Be-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
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Extrahierte Personennamen: Wohnungsinspektion
Extrahierte Ortsnamen: Frankfurt England Schöneberg