Preußens Unglücksjahre 1806 und 1807. 59
die preußische Sache verlassen und dafür den Königstitel erhalten hatte.
Endlich nutzte Preußen 120 Millionen Mark Kriegskosten zahlen; erst nach Zahlung dieser Summe sollten die preußischen Festungen und das Land von den Franzosen geräumt werden. Gleichzeitig nutzte Preutzen sich verpflichten, sein Heer auf 42 000 Mann herabzusetzen.
So ging die Hälfte des preußischen Staates verloren, und die unerschwinglichen Kriegskosten und die im Lande verbleibende feindliche Besatzung sollten die letzte Kraft des geschwächten Staates untergraben. Des Königs Bundesgenosse, Alexander von Rußland, aber erlitt keine Einbuße; eine Teilung der Herrschaft in Europa war verabredet worden: Alexander den Osten, Napoleon den Westen.
4. Die Ursachen des Zusammenbruchs der preußischen Großmacht.
a) Die preußische und diefranzösischekriegsmacht. Das preußische Heer hatte seit dem Tode Friedrichs des Großen viel von seiner Kriegstüchtigkeit eingebüßt. Es betrug zwar noch 200 000 Mann; aber nur ein kleiner Teil davon bestand aus Landeskindern, alle übrigen Soldaten waren angeworbene Fremde, denen die rechte Liebe zur Verteidigung des Vaterlandes abging. Am an Sold zu sparen, wurde ein sehr großer Teil im Frieden beurlaubt zu Arbeiten auf dem Lande oder in den Garnisonstädten. Mit den wenigen Zurückbleibenden aber konnten keine lehrreichen kriegsmäßigen Felddienstübungen vorgenommen werden; so litt dadurch die kriegsmäßige Ausbildung. Die Ausrüstung war mangelhaft, die Uniform eng und unpraktisch, und die schnelle Bewegung der Armee wurde behindert durch einen endlosen Troß von Packpferden und Packwagen. Die obersten Befehlshaber waren alt und grau und wollten nichts von Neuerungen wissen, wie sie jüngere Offiziere, wie Blücher, Kleist, Scharnhorst und Elausewitz schon damals angeregt hatten. ,,Am Alten getreulich festhalten," das war das Losungswort, nach dem man im preußischen Heere handelte; darum verachtete man auch die von Napoleon eingeführte zerstreute Gefechtsweise als feige Kampfesart und blieb bei dem geschlossenen Aufmarsch und Angriff.
Und nun die französische Armee! Sie bestand in ihrem Kern aus alt gedienten, durch die vielen Kriege gut geschulten Truppen, geführt von jungen Offizieren, die zum größten Teil im Felde aus den einfachen Mannschaften hervorgegangen waren, und an der Spitze stand der Kaiser, selbst ein Sohn des Volkes und der größte Feldherr der damaligen Zeit. Durch die reichen Erfahrungen
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64 Preußens Niedergang und Erhebung
So zeigte sich überall echt oaterlänbifcher Ginn, und in Tausenden reifte der Entschluß kühnen Wagens und opferbereiter Hingabe für König und Vaterlanb.
Iv. Preußens Erhebung.
1. Der Anfang der Erhebung. Im Sommer des Jahres 1812 war Napoleon mit einem ungeheuren Heer von mehr als einer Halben Mflltöif “Streitern gegen Ruklanb gezogen, um auch das große russische Reich zu unterwerfen. Aber bort ereilte ihn das Schicksal. Seine ,,Große Armee" würde vollstänbig vernichtet; nur 90 000 Mann kehrten zur kalten Winterszeit unter unsäglichen Mühen und Leiben in die Heimat zurück.
Die 5hmbe von biefem Ereignis bewegte ganz Europa; benn jetzt schien für die unterbrückten Völker die Stunbe gekommen zu sein, das verhaßte Joch der Franzosenherrschaft abzuwerfen. Den ängstlichen Gemütern aber war es noch zweifelhaft, ob die günstige Gelegenheit auch mit Erfolg benutzt werben könnte. Noch stauben alle Rheinbunbfürsten auf Napoleons Seite; er selber war schon roieber in Paris und konnte bort leicht eine Armee gesammelt haben, ehe noch ein Versuch zur Befreiung gemacht worben war. Da gab der preußische General von 2) ork den Anstoß zur Erhebung des Volkes. Preußen hatte dem Kaiser Napoleon zu seinem Zuge nach Rutzlanb ein Hilfsheer von 20 000 Mann stellen müssen; den Oberbefehl führte der General von ?)orf. Als er die Nachricht von dem Untergänge der französischen Hauptarmee erhielt, schloß er auf eigene Gefahr mit dem russischen General Diebitsch einen Vertrag, in welchem er sich verpflichtete, alle Feinbseligkeiten mit Rußlanb einzustellen, wofür ihm freier Rückzug nach Preußen zugesichert würde. Zugleich schrieb er an seinen König: ,,Ew. Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt haben sollte. Jetzt ober nie ist der Zeitpunkt gekommen, wo Ew. Majestät sich von den übermütigen Forberungen Ihres Verbünbeten losreißen können."
9)orks felbstänbiges Vorgehen mußte freilich von der preußischen Regierung öffentlich getabelt toerben; benn noch hatten die Ober-festungen und die großen Städte, auch Berlin, französische Besatzung. Darum würde 9)ork abgesetzt; aber der Abjutant, der ihm biesen Befehl überbringen sollte, würde von den Russen abgefangen und festgehalten, und Pork, der so keine Nachricht erhielt, blieb auf seinem Posten.
Nun rückten die preußischen Truppen unter Pork in O st-preußen ein; auch der bisher verbannt gewesene Freiherr von
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Napoleons Paris Berlin
34 Preußens Aufstieg zur Großmacht.
südlich von Halle, hatte Friedrich sein Lager aufgeschlagen und liefe sich scheinbar sorglos von den übermütigen Feinden umzingeln. Der König beobachtete sie aber vom Dache des Schlosses aus und bereitete ganz im Stillen den Angriff vor. Um 2 Uhr gab er Befehl, ungesäumt den Feind anzugreifen. Der General Seydlitz warf sich mit seinen Kürassieren auf den überraschten Feind und sprengte ihn auseinander, während das preußische Fußvolk und die Artillerie ein heftiges Gewehr- und Kanonenfeuer eröffneten. In kurzer Zeit war das dreimal so starke Heer der Franzosen und der Reichsarmee in wildester Flucht.
Mit einem Schlage war Friedrich von den Feinden, die ihn im Westen bedrohten, befreit; dem preußischen Heere war wieder das alte Selbstbewußtsein und die frühere Siegeszuversicht gekommen, und allerorten, weit über Preußens Grenzen hinaus, flammte die Begeisterung für den preußischen Heldenkönig empor. Die wichtigste Folge der Schlacht aber war, daß England ein neues englisch-deutsches Heer ausrüstete, das unter der Führung des Herzogs Ferdinand von Braunschweig die Franzosen dauernd zurückhielt.
Nun galt es, gegen die Österreicher in Schlesien vorzugehen. In Eilmärschen rückte Friedrich von Roßbach heran und traf bei dem Dorfe Leuthen, unweit von Breslau, die Österreicher in langgedehnter Schlachtordnung. Der Feind war diesmal dreimal so stark; aber der König sprach zu seinen Soldaten: ,,2bir müssen den Feind schlagen oder uns alle vor seinen Batterien begraben lassen." Am Morgen des 5. Dezember 1757 begann die Schlacht. Lange schwankte der Kamps hin und her; endlich brachte die preußische Reiterei die Entscheidung, und bei der sinkenden Abendsonne traten die Österreicher den Rückzug an. Einer der glänzendsten Siege in der Geschichte Preußens war erfochten; mit einem Heere von 30 000 Mann hatte Friedrich durch seine geschickte Führung 80000 geschlagen; Breslau wurde zurückerobert, und zu Anfang des neuen Jahres war ganz Schlesien wieder in Preußens Besitz.
Zorndorf und Hochkirch 1758. Unterdessen waren die
Russen bis in die Neumark vorgedrungen, hatten überall auf ihrem Wege mit Raub, Mord und Brand fürchterlich gehaust und die starke Festung Küstrin in Trümmer geschossen. Auf den Notschrei seines gequälten Volkes eilte der König herbei und griff die Russen bei Zorndorf in der Nähe von Küstrin an. Von früh’ 9 Uhr bis abends 10 Uhr wütete der grimmige Kampf, in dem die standhaften Russen völlig besiegt wurden.
Kaum hatten die Russen öerfltfütfiug angetreten, als Friedrich sich nach Sachsen begeben mußte, weil hier ein österreichisches Heer den Prinzen Heinrich stark bedrängte. Der König beging die Un-
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Extrahierte Ortsnamen: England Eilmärschen Breslau Breslau Hochkirch Neumark Sachsen
Der Krieg gegen Dänemark 1864. 93
b) Der Verlauf des Krieges. An der Spitze der preußischen Truppen stand der Prinz Friedrich Karl, ein Neffe Röntg Wilhelms, das österreichische Armeekorps befehligte der Feldmarschall von Eablenz, den Oberbefehl über beide hatte der greise preußische Feldmarschall von Wrängel.
Die Dänen hatten am Daneroerf, d. i. ein starkes Befestigungswerk von 15 km Länge an der Schlei, Stellung genommen. Das preußische Korps versuchte vergeblich bei Missunde die Schlei zu überschreiten, während die Österreicher geradeaus gegen das Dane-werk vorrückten und einige vor den Schanzen liegende Werke nahmen. Da aber die Dänen fürchteten, die weit ausgedehnte Stellung doch nicht halten zu können, zogen sie sich heimlich in einer stürmischen Nacht zurück, um hinter den ,,Düppler Schanzen" Schutz zu suchen.
Das österreichische Korps und die preußische Garde zogen weiter nach Norden bis nach Jütland hinein, während dem preußischen Armeekorps unter dem Prinzen Friedrich Karl die schwere Aufgabe zufiel, die zehn starken Düppler Schanzen zu erobern. Diese Befestigungswerke lagen auf der kleinen Halbinsel Sundewitt, der Insel Alsen gegenüber. Es waren gewaltige Schanzen, welche die Dänen hier auf einer etwa 70 m hohen Hügelkette errichtet hatten. Erschwert wurde die Annäherung noch durch verschiedene Hindernisse: Fußangeln, umgekehrte Eggen, Gräben, Pallisaden mit haarscharf geschliffenen Schwertern und stachelige Drahtzäune. Von der Seeseite wurden die Schanzen durch die Kanonen der Kriegsschiffe geschützt. Prinz Friedrich Karl schritt zu einer regelrechten Belagerung. Wochenlang wurden die Schanzen beschossen, und in Laufgräben suchten die Preußen sich ihnen zu nähern. Endlich wurde der 18. April für die Erstürmung der Schanzen angesetzt. Um 4 Uhr morgens begann eine fürchterliche Beschießung aus allen Batterien, während sich die Fußmannschaften in den Laufgräben zum Sturm vorbereiteten. Um 10 Uhr schwiegen die Kanonen, und ein schmetterndes Hornsignal gab das Zeichen zum Sturm. Die Tambours schlagen an, die Musik spielt den Düppler Sturmmarsch, und mit tausendstimmigem Hurra geht es gegen die Schanzen vor. Die Pioniere beseitigen die Hindernisse, sprengen mit Pulversäcken die Pallisaden, durchschneiden die Drahtzäune, überdecken die Eggenreihen mit Sandsäcken, und das alles unter dem heftigsten Kartätschenfeuer der Dänen. Endlich sind die Stürmer oben; mit Kolben und Bajonett wird der letzte Widerstand gebrochen, und um 12 Uhr sind sämtliche 10 Schanzen im Besitz der Preußen.
Das war die herrlichste Ehrentat der preußischen Waffen in diesem Kriege; ganz Deutschland jubelte, das Ausland staunte. König
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96 Die deutsche Einigung unter Preußens Führung.
Feldzeugmeister Bene de k. In drei großen, gesonderten Armeen, insgesamt 280000 Mann stark, rückten die Preußen auf verschiedenen Straßen in Böhmen ein. „Getrennt marschieren, vereint schlagen", so hatte es der General Moltke geplant. Die erste Armee in der Mitte befehligte der Prinz Friedrich Karl, die zweite auf dem linken Flügel führte der Kronprinz Friedrich Wilhelm, und die dritte, die Elbarmee unter dem General Her-warth von Bittenfeld, bildete den rechten Flügel.
Als nächstes Ziel war den preußischen Heerführern die böhmische Stadt Gitschin bezeichnet. Auf ihrem Wege dorthin, der über die Pässe und durch die Schluchten der Sudeten in die böhmischen Täler führte, hatten sie heftige Kämpfe zu bestehen.
Der österreichische Oberbefehlshaber hatte sein ganzes Heer, 220 000 Mann und 672 Geschütze, aus den Höhen zwischen Königgrätz und Sadotva gesammelt und eine sehr vorteilhafte Stellung eingenommen. Am 2. Juli war König Wilhelm aus dem Kriegsschauplatz eingetroffen und hatte selbst den Oberbefehl übernommen; mit ihm kamen auch Moltke und Bismarck an. Noch in der Nacht wurde der Befehl gegeben, daß die gesamte preußische Armee am folgenden Tage vorrücken und den Feind in seiner festen und geschützten Stellung angreifen solle. Eilboten gingen an den Kronprinzen ab, der noch am weitesten zurück war, damit auch er mit seiner Armee schleunigst herbeikomme.
So begann am Morgen des 3. Juli unter den Augen des Königs die Entscheidungsschlacht bei Königgrätz. Die Österreicher wurden geschlagen und zogen sich in fluchtartiger Eile auf die nahe Festung Königgrätz zurück. Aber der Sieg war teuer erkauft; er kostete dem preußischen Heere 10 000 Tote und Verwundete. Die Preußen zogen dem geschlagenen Heere, das keine weitere Schlacht mehr wagte, durch Böhmen und Mähren nach. Am 20. Juli lagerten preußische Truppen bereits auf dem Marchfelde, im Angesicht der Hauptstadt Wien. Während das preußische Heer in Böhmen so glänzende Erfolge errungen hatte, war auch die Mainarmee siegreich bis nach Bayern vorgedrungen. Da trat Waffenruhe ein.
c) Der Friede. Am 23. August kam nach längeren Verhandlungen der Friede zu Prag unter folgenden Bedingungen zustande:
1. Österreich schied aus dem deutschen Staatenverbande aus und erklärt sich damit einverstanden, daß die Staaten nördlich vom Main sich zu einem engern Bunde unter Preußens Führung zusammenschließen. Österreich überläßt Preußen seine Anrechte auf Schleswig-Holstein und zahlt 60 Millionen Mark Kriegskosten.
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Der deutsch-französische Krieg. 1870—1871. 99
tag des norddeutschen Bundes zusammen und bewilligte einmütig die Mittel zum bevorstehenden Kriege. Auch die süddeutschen Fürsten, auf deren Unterstützung Napoleon ganz besonders gehofft hatte, stellten ihre Truppen dem König Wilhelm zur Verfügung. Ein Sturm der Begeisterung ging durch die deutschen Lande. So einig hatte man das deutsche Volk noch nie gesehen, und überall ertönte ,,Die Wacht am Rhein" mit ihrem zündenden Aufruf zum Kampf.
Kaum 14 Tage dauerte es, so stand die vereinigte deutsche Kriegsmacht mit 600 000 Mann und 1500 Geschützen zu Angriff und Abwehr an der Grenze gegen Frankreich, und hinter diesen sammelte sich noch fast eine halbe Million Landwehr und Ersatz-truppen^ um den heimischen Herd zu schützen oder später ins Feld nachzurücken. Nach Moltkes Kriegsplan, den er in treuer Arbeit schon lange vorher bis ins Genaueste festgelegt hatte, wurden 3 Armeen aufgestellt. Die I. Armee unter dem General Steinmetz bildete den rechten Flügel und stand an der Mosel. Die Ii. Armee befehligte der Prinz Friedrich Karl; sie stand in der Gegend von Mainz. Die Iii. Armee, bei der sich auch die süddeutschen Truppen befanden, führte der Kronprinz von Preußen; sie bildete den rechten Flügel und nahm ihren Weg durch den südlichen Teil der Rheinpfalz. Ende Juli war der Heeresaufmarsch beendet, und am 31. Juli begab sich König Wilhelm zur Armee, um den Oberbefehl zu übernehmen. Wiederum stand ihm sein treuer Helfer, der General von Moltke, zur Seite.
Die französische Hauptarmee unter dem Marschall B a-zaine stand bei Metz; eine Südarmee unter dem Marschall Mac Mahon hatte im Elsaß bei Straßburg Aufstellung genommen; eine Reservearmee lag noch zurück im Lager von Ehalons.
c) Die ersten Kriegstaten. Der Kronprinz von Preußen überschritt mit der Iii. Armee zuerst die französische Grenze und griff am 4. August die feindlichen Vortruppen der Südarmee bei W e i ß e n -bürg an. Er erfocht hier mit einem Teil feiner Truppen durch die Erstürmung der Stadt und des dahinter gelegenen Geisberges den ersten Sieg. Zwei Tage später, am 6. August, griff der Kronprinz mit seiner ganzen Armee den Marschall Mac Mahon an, der mit seinem Korps bei dem Städtchen Wörth eine sehr feste Stellung inne hatte. Es entspann sich eine große Schlacht. Das französische Heer wurde vollständig geschlagen und eilte in wilder Flucht auseinander. Aufs neue hatte sich hier die Waffenbrüderschaft der Nord- und Süddeutschen bewährt und befestigt.
An demselben Tage erstürmten Teile der I. und Ii. Armee die
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Extrahierte Ortsnamen: Rhein" Frankreich Mainz Rheinpfalz Mahon Elsaß Straßburg Mahon
104 Die deutsche Einigung unter Preußens Führung.
Schlachten geschlagen. Durch diese Siege und jene an der Loire wurden die Feinde von Paris fern gehalten, so daß die deutschen Belagerungstruppen hier nicht in Gefahr kamen.
Eine dritte französische Armee wollte von Lyon aus in Elsaß-Lothringen einfallen, um den Deutschen die Zufuhr aus der Heimat abzuschneiden. Diesen Plan vereitelte der General v. Werder durch seine ruhmreichen Siege bei Belfort (45000 Deutsche gegen 140 000 Franzosen). Als ihm dann noch ein neues Heer unter dem General von Manteuffel zu Hilfe kam, wurden 90000 Franzosen auf Schweizer Gebiet gedrängt, wo sie die Waffen abgeben mutzten.
i) Der Friede und die Heimkehr der Sieger. Frankreichs Widerstand war gebrochen. In 7 Monaten waren 16 größere Schlachten und 150 größere und kleinere Gefechte gewonnen, 26 Festungen erobert, über 370 000 Gefangene gemacht, 250000 in Paris zur Niederlegung der Waffen gezwungen, 90 000 über die Schweizer Grenze gedrängt und 7500 Geschütze erbeutet worden. Nach dem Fall von Paris kam zunächst am 26. Februar ein Vorfriede zu Versailles zustande, und am 1. März 1871 zog König Wilhelm mit 30 000 Preußen und Bayern in Paris ein.
Der endgiltige Friede wurde am 10. Mai 1871 zu Frankfurt ct. M. abgeschlossen. Frankreich trat Elsaß und Deutsch-Lothringen an das Deutsche Reich ab. Es zahlte 4 Milliarden Mark Kriegskosten; bis zur Entrichtung dieser Summe blieben bestimmte Teile Frankreichs von deutschen Truppen besetzt.
Während Frankreich noch einen furchtbaren Bürgerkrieg durchmachen mußte, kehrte ein großer Teil der deutschen Truppen in die Heimat zurück, überall mit Jubel und großen Ehren empfangen. Am glänzendsten war jedoch der Einzug der Gardetruppen in Berlin am 16. Juni, zu dem das gesamte deutsche Heer durch Abordnungen aller Truppenteile vertreten war. An der Spitze ritt Kaiser Wilhelm, umgeben von seinen Prinzen und Heerführern. Die eroberten Fahnen wurden auf den Stufen des Denkmals niedergelegt, das er seinem Vater Friedrich Wilhelm Iii. hatte errichten lassen und an diesem Tage enthüllt wurde. Zwei Tage darauf fand im ganzen Deutschen Reiche ein feierlicher Dankgottesdienst statt. Erst im September 1873 kehrten die letzten der Besatzungstruppen aus Frankreich zurück.
6. Die Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserreiches 18. Januar 1871.
a) Die vorbereitenden Schritte. Die gemeinsamen Siege aller deutschen Stämme hatten das Gefühl der Zusammen-
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Die deutsche Kriegsmacht unter Kaiser Wilhelm Ii.
113
„wer den Frieden erhalten will, muß zum Kriege gerüstet sein“, wandte er sein Hauptaugenmerk dem Heere und der Flotte zu. Nicht nur eine Erhöhung der Friedens st ärke des Heeres und eine Vermehrung der Kriegsflotte ist unter Kaiser Wilhelm Ii. eingetreten, sondern mit aufmerksamem Auge sind alle Erfahrungen auf fremden Kriegsschauplätzen gesammelt und alle neuen Erfindungen, wie das rauchlose Pulver, die drahtlose Telegraphie, die Verbesserung der Waffen, das Fahrrad, der Kraft-wagen und das Luftschiff für die Kriegsbereitschaft der Truppen nutzbar gemacht worden.
Im Jahre 1895 wurde der Nordostsee-Kanal dem Verkehr übergeben, den der Kaiser zum Andenken an seinen Großvater ,.Kaiser-Wilhelms-Kanal" nannte. Zum Schutz des Kanals tauschte er gegen einige Gebiete in Ostafrika von England die Insel Helgoland ein, die nach ihrer Befestigung für die deutsche Marine ein wichtiger Stützpunkt geworden ist.
8. Die deutsche Kriegsmacht unter Kaiser Wilhelm Ii.
a) Das deutsche Landheer. Die allgemeine Wehrpflicht ist durch die Reichsverfassung im ganzen Deutschen Reiche eingeführt. Jeder Deutsche ist darnach wehrpflichtig und kann sich in der Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. Die Wehrpflicht beginnt mit dem 1. Januar desjenigen Kalenderjahres, in welchem der Militärpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet; er hat dann die Pflicht, sich beim Ortsvorsteher seines Wohnortes zur Eintragung in die Rekrutierungs-Stammrolle anzumelden. Die Ersatzkommissionen mustern alljährlich die Gestellungspflichtigen und entscheiden, wer von ihnen zum Militär tauglich ist oder nicht, und bei welcher Truppengattung er seiner Dienstpflicht genügen kann. Die Tauglichen werden dann noch einmal durch die Ober-Ersatz-kommission untersucht und dann zur Fahne eingezogen.
Jeder Wehrpflichtige gehört 7 Jahre dem stehenden Heere an; davon dient er 2 Jahre in der Linie (bei der reitenden Artillerie und Kavallerie 3 Jahre), die übrige Zeit in der Reserve. Während der folgenden 5 Jahre gehört er der Landwehr an. Wer 12 Jahre freiwillig Soldat bleibt, erhält 1000 Mark und den Zivil-Vers orgungsschein, der ihn zur Anstellung im Zivildienst berechtigt.
Durch das Militärgesetz von 1893 ist die Friedensstärke des deutschen Heeres auf 557 000 Mann festgesetzt, das macht etwa 1 °/o der Bevölkerung aus; im Kriegsfälle kann das Deutsche Reich etwa 4 Millionen Soldaten stellen.
ftnol, Vaterländische Geschichte. 8
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114 Die Erstartung des Deutschen Reiches unter Kaiser Wilhelm Ii.
Die gesamte deutsche Landmacht bildet ein einheitliches Heer, das unter dem Oberbefehl des Deutschen Kaisers steht. Es setzt sich aus 2 2 Armeekorps und dem preußischen Garde-korps zusammen.
Ein Armeekorps ist im Frieden etwa 25 000 Mann stark und besteht aus 2 Divisionen, jede Division aus 2 Jnfan-teriebrigaden und 1 Kavalleriebrigade. Eine In -fanteriebrigade hat 2 Regimenter und jedes Regiment
3 Bataillone; jedes Bataillon zählt 4 Kompagnien. Eine Kavalleriebrigade besteht ebenfalls aus 2 Regimentern, von denen jedes 5 Eskadrons hat. Außerdem gehören zu einem Armeekorps 1 Feld-Artillerie-Brigade, 1 Pionierbataillon, 1 Train-Bataillon und in der Regel 1 Jäger-Bataillon und 1 Fußartillerie-Regiment. Eine Feld-Artillerie-Brigade besteht aus 2 Regimentern, und jedes Regiment aus 3—4 Abteilungen. Eine Abteilung hat in der Regel 3 Batterien, von denen jede 4—6 Geschütze führt. Ein Fuß-Artillerie-Regiment besteht aus 2 oder 3 Bataillonen zu
4 Kompagnien.
Nach der Dienstleistung, der Bewaffnung und der Ausrüstung unterscheidet man Infanterie (216 Regimenter), Jäger und Schützen (18 Bataillone), Kavallerie (101 Regimenter), Feld-Artillerie (94 Regimenter), Fuß-Artillerie (14 Regimenter), Pioniere (29 Bataillone), Train (23 Bataillone) und Verkehrstruppen— Eisenbahn, Telegraphie, Luftschiffahrt—(12 Bataillone).
Für unsere Kolonien ist eine eigene Schutztruppe mit besonderer Ausrüstung gebildet.
b) Die deutsche Flotte. Kein Hohenzoller hat so wie unser Kaiser dem Seewesen seine Teilnahme zugewendet, besonders aber der deutschen Seekriegsmacht, die der Verteidigung unserer Küsten, dem Schutze des Außenhandels und der Erhaltung der deutschen Ehre auf dem Weltmeere dient.
Den Ob erbefehl über die deutsche Flotte führt ebenfalls der Deutsche Kaiser. Die Kriegsfahrzeuge, die meist gepanzert sind, werden zu Divisionen und diese zu Geschwadern zusammengesetzt: Ostseegeschwader, Nordseegeschwader und Kreuzergeschwader. Es gibt 2 befestigte deutsche Kriegshäfen und Marine st atio-nen: Kiel an der Ostsee und Wilhelmshafen an der Nordsee.
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Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst.
5
Ii.
Die Begründung des brandenburgisch-preußischen Staates.
I. Friedrich Wilhelm der Grohe Kurfürst.
1640—1688.
I. Zustände im Deutschen Reiche und in Brandenburg bei seinem Regierungsantritt.
a) Das verwüstete Land. Durch den 30 jährigen Krieg (1618—1648) waren die deutschen Länder fast zur Einöde geworden. 'Tausende von Städten und Dörfern lagen in Schutt und Asche, und ihre Bewohner irrten heimatlos umher. Die Saaten waren zertreten, die Äcker von Unkraut und Gestrüpp bedeckt, die Obstbäume geskält und verdorben; wilde Tiere hausten in den Trümmerhaufen, und die Menschen lebten versteckt in Schlupfwinkeln und Wäldern. Deutschland hatte vor dem Kriege etwa 18 Millionen Einwohner; zwei Drittel von ihnen aber wurden durch das Schwert, durch Hunger und alle möalizien Krankheiten dahingerafft; der Viehstand war auf ein Zwanzigstel seines früheren Bestandes herabgesunken.
b) Der Verfall deutscher Titte. Kirche und Schule hatten schrecklich durch den Krieg gelitten. Da sich zwei Religionsparteien im Kriege gegenüberstanden, so zerstörte man mit Vorliebe die Gotteshäuser der Andersgläubigen, raubte und plünderte in ihren Bildwerken und Bibliotheken und vertrieb ihre Prediger und Lehrer. Die Schuljugend lief auseinander und bliebjohrce Unterricht _und Erziehung, und so wuchs ein ganzes Geschlecht auf, das nur Krieg und Kriegszeiten kannte, und dem es beim Friedensschluß wie ein Märchen klang, daß jetzt eine Zeit nahe sei, in der die Saat zur Ernte wieder reifen werde, und in der die Menschen nicht mehr nötig hätten, sich in halb verfallenen Schlupfwinkeln zu verbergen.
Arg stand es um Sitte und Zucht. Alle Gottesfurcht, alle Liebe und Treue waren verloren gegangen. Roheit und Sitten-^losigkeit, Trunksucht und Spiellust, Stehlen und Betrügen hatten
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Grohe Brandenburg Deutschland