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geschwind salbten, wie ich wünschte. Endlich wanderten wir fort, der
Vater mit einem Tuch zum Abliefern auf der Achsel, einem Korbe
mit einer Balle Butter am Arm und ich mit einem Stecken in der
Hand, der wenigstens ebensogroß war als ich.
Wie bei einem tüchtigen Landregen aus allen Winkeln Bächlein
fließen, zusammenströmen, zu Bächen werden und endlich in den Fluß
münden und diesen anschwellen zum gewaltigen Strom: so sendet in
weiter Umgegend fast jedes Haus seine Stellvertreter aus an einen
schönen Burgdorser Markt zu Lust und Kauf. Aus allen Fußwegen
sieht man Eilende. Sie sammeln sich schon zu Truppen in den Sträß-
chen und werden zu einer unabsehbaren Menge, wenn die Hauptstraße
sie aufnimmt. Da wogt es dann wild durcheinander von Menschen und
Vieh, und rasselnd schnurren die Wagen mitten durch, daß die plau-
dernden Fußgänger auseinander fahren, als ob eine Bombe unter sie
gefallen wäre.
Was war da für einen Buben, der noch nie auf der großen Straße
und auf einem Markt gewesen war, nicht alles zu sehen? Das Vieh
zog mich mehr an als die Menschen, und bei den kleinen, lieben Lämm-
chen mußte ich alle Augenblicke stille stehen. Je näher wir der Stadt
kamen, desto schwerer hing ich an des Vaters Rocktasche; denn immer
mehr hatte ich zu sehen. Als erst das Städtchen und das schöne Schloß
so stolz sich nlic darstellten, da wäre ich fast am Boden festgewurzelt,
so große und so viele und so schöne Häuser hatte ich nie gesehen. Sobald
ich mich von dem ersten Eindruck erholt hatte, machte ich, um bald dort
zu sein, so geschwinde Beine, daß der Vater kaum nachkonnte. Als
wir in die Stadt kamen, gab es wieder Halt, und zwar bei jedem Kram-
laden: ,,Nein, sieh doch, Vater, komm hierher!" schrie ich bei jedem
Schritt, und zerrte an der Rocktasche, daß sie krachte.
Aber der Vater hatte nicht Zeit; er mußte das Tuch abliefern.
Nachdem das geschehen war, stellte er sich mit seiner Butterballe auf
zum Verkaufen und legte das Tuch, mit welchem die Balle zugedeckt
gewesen, schön zurück. Mir brannte der Boden unter den Füßen; ich
zappelte um den Vater herum und bat ihn, daß er doch mitkomme
zu den Krämern. Endlich gab er mir einen Batzen mit dem Bedeuten,
ich solle mir dafür etwas kaufen, mich ein wenig umsehen, aber nicht
weit gehen und ja bald wiederkommen.
Glücklicher als ein König stürmte ich fort mit meinem Schatz unter
die Herrlichkeiten alle. Wo der Vater stand und welchen Weg ich nahm,
1*
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achtete ich nicht, und daß ich ihn nicht wiederfinden könnte, dachte ich
nicht. Ich ging von Bude zu Bude und versank in immer tiefere Be-
wunderung. Hier sah ich so schöne Reiter aus den Rossen, oben rot
und unten blau, und Säbel und Gewehre daneben und schöne Wagen
aller Art, dort Pelzkappen und Gold darum, an einem dritten Orte
ganze Haufen von Büchern und Bilder dabei und daneben Lebkuchen,
ganze Stöße und groß wie Ofenbretter. Vor allem stand ich still, wie
lange, weiß ich nicht. Ich hatte Vater und Zeit und alles vergessen.
Den Batzen hielt ich in der Hand, dachte vor dem Sehen lange nicht an
das Kaufen, und als endlich Wünsche nach dem Besitzen von etwas
in mir aufstiegen, wußte ich lange nicht, was ich nehmen sollte. Mich
hungerte, und die Lebkuchen lockten mich gar sehr. Aber die Pelzkappen
wären so schön, die Männer auf den Rossen so stattlich, und die Bilder,
ach! die gefielen mir gar zu wohl. Endlich siegte die Lust nach diesen;
ich drängte mich durch, streckte den Batzen dar und begehrte das Bild,
welches mir am besten gefiel. Aber da lachte der Krämer und sagte,
dieses koste manchen Batzen. Kleinere wollte er mir zeigen; aber mein
Sinn war einmal auf dieses gestellt.
Da gedachte ich des Vaters, daß der viele Batzen habe, kehrte um,
ihn zu suchen und Batzen zu holen. Ich lief und lief, aber fand den
Vater nicht, fand den Ort nicht, wo ich ihn gelassen. Da wurde mir
auf einmal entsetzlich bange ums Herz; eine Angst, von welcher man
sich keinen Begriff macht, befiel mich; der Schweiß bedeckte mich, das
Weinen übernahm mich, und ich fing an zu schreien: „Ätti, o Ätti,
wo bist?" Aber kein Ätti gab Bescheid. Alleine war ich in der großen
Stadt, die mir endlos schien, allein unter den Tausenden; unter ihnen
kein bekanntes Gesicht, keine teilnehmende Seele. Nirgends einen Ätti,
nicht einmal das Tor fand ich, zu welchem wir hereingekommen. In
unendlichem Jammer drückte ich mich endlich an eine Mauer, hielt die
Hände vor das Gesicht und weinte bitterlich. Die Reiter, Pelzkappen,
Bilder, Lebkuchen — alles war noch da und auch mein Batzen noch.
Aber für alles dieses hatte ich keine Augen mehr; für mich gab es
keinen Trost, da der eine mir fehlte, der mir alles war, der Ätti.
Ich weinte bitterlich, wie lange, weiß ich nicht. Da nahm mir
jemand die Hände von den Augen, und eine bekannte Stimme fragte:
„Eh, Peterli! bist du's? Was hast, daß du so weinst?" Mit ver-
dunkelten Augen sah ich durch Tränen auf und erkannte unsern Lehrer.
O, was so ein bekanntes Gesicht einem wohltun kann, wenn man sich
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Gegen Weihnachten schlachteten wir gewöhnlich ein Schwein und
machten ein würziges Rauchfleisch davon. Und das wußte unsere Mutter
so einzuteilen, daß sie wohl jeden Sonntag im Jahre ein Stück in den
Topf stecken konnte. Dabei war sie immer guten Mutes, und oft hörte
ich sie sagen: „Mit vielem hält man Haus, mit wenigem kommt man
auch aus."
Wurde uns das Brot zu knapp, so hielten wir uns, ohne saure
Mienen zu ziehen, an die Kartoffeln; waren die aber mal nicht gut
geraten, was immer das Schlimmste war, so mußten wir uns mit Bohnen,
Linsen, Erbsen, Wurzeln und Steckrüben begnügen.
Da sich die Steckrüben im feuchten Geller nicht lange zu halten
pflegten, wurden sie in den Vorwinterabenden in dünne Scheiben ge-
schnitten, in der Pfanne geröstet, dann in Beutel getan und unter den
Stubenbalken gehängt. Besonders geschah das wegen der mit uns
hausenden und mit uns schmausenden Mäusesippschaft. Die Racker
hätten's ja anderswo weit besser haben können; allein es schien ihnen
nirgends so gut zu gefallen wie bei uns in der Lindenhütte. Wenn
sie nur nicht jeden kargen Bissen hätten mit uns teilen wollen! Was
mich anbetrifft, so wünschte ich freilich aufs lebhafteste, daß die graue
Gesellschaft die Steckrübenschnitzel alle miteinander über die Seite schaffen
möchte; denn das Steckrübenmahl war mir ganz und gar zuwider.
Aber unerbittlich hielten die Eltern darauf, daß ich meinen Widerwillen
bezwang; manchmal half mir der Vater sogar mit seinem Leibriemen
nach. „Wenn du mal zu fremden Leuten kommst," hieß es, „wird man
dich nicht erst fragen, ob du ein Essen gern oder ungern hast. Da muß
man daran gewöhnt sein, rauh und schlicht zu genießen."
Rauh und schlicht war unsere Lebensweise in der Lindenhütte, und
darin bin ich gestählt worden für die harte Rot des Lebens.
6. Der erste Flecken.
Wilhelm Müller.
Wenn du durch den Kot der Straße mußt mit neuen Schuhen geh'n,
Wirst du trippelnd auf den Spitzen nach den blanken Steinen seh'n;
Hat sie erst beschmutzt ein Fleckchen, lernst du waten sicherlich;
Hüte, Kind, in deiner Seele vor dem ersten Flecken dich!
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8. Deutscher Rat.
Robert Reinick.
1. Vor allem eins, mein Kind: Sei treu und wahr!
Latz nie die Lüge deinen Mund entweih'n!
Von alters her im deutschen Volke war
Der höchste Ruhm, getreu und wahr zu sein.
2. Du bist ein deutsches Kind, so denke dran!
Noch bist du jung, noch ist es nicht so schwer.
Aus einem Knaben aber wird ein Mann;
Das Bäumchen biegt sich, doch der Baum nicht mehr.
3. Sprich ja und nein, und dreh' und deutle nicht;
Was du berichtest, sage kurz und schlicht,
Was du gelobtest, sei dir höchste Pflicht,
Dein Wort sei heilig, drum verschwend' es nicht!
4. Leicht schleicht die Lüge sich ans Herz heran,
Zuerst ein Zwerg, ein Riese hintennach;
Doch dein Gewissen zeigt den Feind dir an,
Und eine Stimme ruft in dir: ,,Sei wach!"
5. Dann wach' und kämpf', es ist ein Feind bereit;
Die Lüg' in dir, sie drohet dir Gefahr.
Kind! Deutsche kämpften tapfer allezeit;
Du deutsches Kind, sei tapfer, treu und wahr!
9. Oer Knabe im Feldlager.
Fleinrich Dittmar.
Ein preußischer Soldat schrieb im Frühling des Jahres 1793
aus dem Lager am Rheine an seine Frau im Magdeburgischen
und äußerte in diesem Briefe unter anderm sein Verlangen nach
einem Gericht Kartoffeln. Der Brief kam gegen Abend an. Der
zwölfjährige Sohn des Soldaten vernahm diesen Wunsch seines Vaters,
steckte den Brief zu sich, stand des Morgens früh auf, ging in den
Keller, füllte einen Quersack mit drei Metzen Kartoffeln, nahm seinen
Wanderstab und marschierte ohne Zehrpfennig und ohne irgend
jemand ein Wort zu sagen gerade nach dem preußischen Fleere.
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Körper des Herrn, er faßt ihn mit der Schnauze fest im Rücken,
beißt sich in das Tuch des Ramses und schwimmt dem Ufer zu.
Er zieht, zerrt, schleift, bis er den kleinen Körper oben hat auf
dem Uferbord. Da leckte er das Gesicht und die Hände, winselt
und wedelt, riecht und schnuppert. Hans will nicht erwachen. Da
stößt Leo ein mächtiges Geheul aus, daß es weit schallt wie ein
Feuerhorn über die Ebene. Alles still! Da legt er sich hin über
den Knaben, seine warmen Tatzen decken die nasse Brust — und
hält Wacht. Ist’s Totenwacht? Von Zeit zu Zeit wiederholt er sein
machtvolles Geheul, daß die Wellen erschrecken im Flusse. Endlich
nahen Schritte. Ein paar Männer kommen von W. her über die
Brücke. Sie hören das Heulen, finden den treuen Wächter neben
dem kalten, nassen Knaben. Sogleich laden sie ihn auf und tragen
ihn heim in ihr Haus, das seitab liegt von der Landstraße.
Friedrich fährt weiter, ohne zu wissen, was vorgefallen ist.
Als die Braunen vor der Mühle halten, wird er munter. Er will
absteigen und dem Hans herunterhelfen. ,,Ach Gott, wo ist er?"
Der Platz ist leer. Der Müller kommt heraus, die Mutter auch.
Sie hat sich geängstet um Hans und will ihn heimholen. Da ist
er nicht auf dem 'Wagen. Welch ein Jammer! Friedrich weiß keine
Auskunft zu geben, und obwohl er hoch und teuer versichert, nicht
geschlafen zu haben, sieht jedoch jeder, daß im Schlafe der Knabe
an seiner Seite verschwunden ist. Die Mutter will selbst hinaus
in die Nacht, das Kind zu suchen. Der Vater weist sie hinein in
die Stube. Er selbst zündet eine Laterne an und sagt: „Ich find’
ihn allein; der Leo ist auch nicht heimgekommen, so ist er beim
Hans; es kann nicht schlimm sein." Er wandert hinaus, W. zu.
Aber schon auf halbem Wege kommt ihm ein Bote entgegen, einer
der Männer, der ihm erzählt, wie und wo Hans gefunden worden,
und daß er, nächst Gott, es dem treuen Leo verdanke, daß er ge-
rettet und lebend sei. Im warmen Bette bei der Nachbarsfrau habe
er die Augen aufgeschlagen und die Rede wiedergefunden. Da eilt
der Vater mit dem Manne, sein Kind zu umarmen und sich zu
versichern, daß es ihm neu geschenkt sei. Seine Angst verwandelt
sich in Dank.
Was sitzt der Leo so vergnüglich auf der sonnenbeschienenen
Steinplatte vor dem Hause? Was blinzelt er mit den kleinen Augen
in die Sonne und leckt sich die Schnauze? Neben ihm steht eine
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Extrahierte Personennamen: Ramses Leo Leo Friedrich Hans Friedrich Leo Hans Hans Leo Leo Leo
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9. „Willkommen!" ruft vom hohen Stein
Der blinde Greis hinab,
„Nun wird mein Alter wonnig fein
Und ehrenvoll mein Grab.
Du legst mir, Sohn, zur Seite
Das Schwert von gutem Klang;
Eunilde, du Befreite,
Singst mir den Grabgesang!"
22. Seltsamer Spazierritt.
Johann Peter Hebel.
Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus und läßt seinen Buben
zu Fuß nebenher laufen. Kommt ein Wanderer und sagt: „Das ist
nicht recht, Vater, daß Ihr reitet und laßt Euern Sohn laufen; Ihr
habt stärkere Glieder." Da stieg der Vater vorn Esel herab und ließ
den Sohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann und sagt: „Das ist
nicht recht, Bursche, daß du reitest und lässest deinen Vater zu Fuß
gehen. Du hast jüngere Beine." Da saßen beide auf und ritten eine
Strecke. Kommt ein dritter Wandersmann und sagt: „Was ist das
für ein Unverstand! Zwei Kerle auf einem schwachen Tiere! Sollte
man nicht einen Stock nehmen und euch beide hinabjagen?" Da stiegen
beide ab und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und
der Sohn und in der Mitte der Esel. Kommt ein vierter Wanders-
mann und sagt: „Ihr seid drei kuriose Gesellen; ist's nicht genug,
wenn zwei zu Fuß gehen? Geht's nicht leichter, wenn einer von euch
reitet?" Da band der Vater dem Esel die vorderen Beine zusammen,
und der Sohn band ihm die Hinteren Beine zusammen, zogen
einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand und trugen
den Esel auf der Achsel heim.
So weit kann's kommen, wenn man es allen Leuten will recht
machen.
23. Der kleine Friedensbote.
Karl Stöber.
Ein Gerber und ein Bäcker waren Nachbarn, und die gelbe und
die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein
Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und wenn der
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Extrahierte Personennamen: Johann_Peter_Hebel Johann Karl_Stöber Karl
Bäcker in seinem großen Obstgarten an der Stelle eines ausgedienten
Invaliden eines Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine schöne
Baumschule und hob den schönsten Mann aus, den er darin hatte,
eine Pflaume oder einen Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je
nachdem er auf diesen oder jenen Posten, auf einen fetten oder magern
Platz gestellt werden sollte. — An Ostern, an Martini und am heiligen
Abend kam die Bäckerin, welche keine Minder hatte, immer, einen
großen Korb unter dem Arme, zu den Nachbarsleuten hinüber und
teilte unter die Paten aus, was ihr der Hase oder der gute Märtel
oder gar das Christkindlein selbst unter die schneeweiße Serviette ge-
legt hatten. — Je mehr sich die Kindlein über die reichen Spenden
freuten, desto näher rückten sich die Herzen der beiden Frauen, und
man brauchte keine Zigeunerin zu sein, um aus dem Satz in ihren
Kaffeeschalen zu prophezeien, daß sie einander immer gut bleiben würden.
Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der Gerber
als Iagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann und der Bäcker
einen kleinen, schneeweißen Mordar. Beide meinten, die besten und
schönsten Tiere in ihrem Geschlechte zu haben. And da geschah es
denn eines Tages, daß Morda.r ein Kalbsknöchlein gegen den Feld-
mann behauptete. Denn er hatte wahrscheinlich vergessen, daß es nicht
gut sei, einem großen Herrn etwas abzuschlagen. Vom Knurren kam
es zum Beißen, und ehe sich der Bäcker von seiner grünen Bank vor
dem Hause erheben konnte, lag sein Hündlein mit zermalmtem Genicke
vor ihm, und der Feldmann lief mit dem eroberten Knochen und mit
eingezogenem Schweife davon.
Sehr ergrimmt und entrüstet warf der Herr des Ermordeten dem
Raubmörder einen gewaltigen Stein nach. Aber was half's? Die Hand-
granate flog nicht dem Hunde an den Kopf, sondern dessen Besitzer
durch das Fenster mitten auf den Tisch, an dem er gerade die Zeitung
las und machte ein Loch hinein. Ohne zu fragen, woher der Schuß
gekommen sei, riß der Gerber den zertrümmerten Fensterflügel auf und
fing an zu schimpfen. Der Nachbar in der weißen Schürze und mit
den aufgestülpten Hemdärmeln blieb nichts schuldig, Kinder und Leute
liefen zusammen, und — hätt' ich ihn nur sehen können — Satan
stand gewiß in einer Ecke der Gasse und blies mit vollen Backen in
das Feuer.
Der Bäcker verließ den Kampfplatz zuerst, aber nur um seinen
Nachbar bei Gericht zu belangen. Die Sonne ging über dem Zorne
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Extrahierte Personennamen: Martini Feldmann Feldmann
— „Wofür wollen Sie mir danken?“ fragte Herr Müller. — „Das
ist allerdings eine alte Geschichte,“ versetzte jener; „aber wenn
Sie mir einige Augenblicke zuhören wollen, so werden Sie sich
meiner vielleicht doch noch erinnern.
2. Es sind jetzt siebzehn Jahre her — ich war damals ein
Knabe von neun Jahren —, als ich eines Tages auf meinem Schul-
wege darüber nachdachte, wie schön es sein würde, wenn ich zu
dem Brote, das mir die Mutter mitgegeben, auch einen. Apfel hätte.
Meine Kameraden hatten oft so schöne, große Äpfel, und ich bekam
nur selten Obst. Mit solchen Gedanken beschäftigt, kam ich auf
den Marktplatz, über den mein Weg führte. Da waren viele Körbe
voll der schönsten Äpfel, die mich so recht anlachten. Ich blieb
unwillkürlich stehen, um sie zu betrachten. Die Eigentümerin hatte
ihrer Ware den Rücken zugekehrt und sprach mit einer Nachbarin.
Da kam mir,der Gedanke: sie wird es kaum merken, wenn du einen
Apfel nimmst, sie behält ja noch eine große Menge. Leise streckte
ich meine Hand aus und wollte eben ganz vorsichtig einen Apfel
in die Tasche stecken. Da erhielt ich plötzlich eine so derbe Ohrfeige,
daß ich vor Schrecken den Apfel fallen ließ. Junge! sagte zugleich
eine Stimme, wie heißt das siebente Gebot? Ich hoffe, es ist das
erstemal, daß du deine Hand nach fremdem Gute ausstreckst; laß
es zugleich das letztenmal sein! — Ich fühlte, daß ich vor Scham
ganz rot geworden war und wagte kaum die Augen aufzuschlagen;
doch aber sind mir die Züge dieses Mannes ebenso unvergeßlich
geblieben wie die Begebenheit selbst.
Anfangs war ich in der Schule zerstreut; immer tönten in meinen
Ohren die Worte wider: Laß es zugleich das letztenmal sein! Und
ich nahm mir fest vor: Ja, es soll gewiß das erste- und letztenmal
sein! Noch lange nachher, wenn wir unsern Katechismus aussagten
und der Lehrer fragte: Wie heißt das siebente Gebot? erinnerte
mich das heftige Klopfen meines Herzens an jenen Morgen. Als
ich nach einigen Jahren die Schule verließ, ward ich Lehrling bei
einem Kaufmann in Bremen; von dort ging ich später nach Süd-
amerika.
Hier kam ich wohl manchmal in Versuchung, in Kaufmanns-
geschäften zu Betrügen und so die Hand nach fremdem Gute aus-
zustrecken. Aber dann war es mir immer, als fühlte ich von neuem
die Ohrfeige, und ich erinnerte mich der Worte: Laß es zugleich
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6. Das Kindlein winkt, der Schatten geschwind
Winkt aus der Tiefe ihm wieder!
Herauf! Herauf! So meint's das Kind,
Der Schatten: Hernieder! Hernieder!
7. Schon beugt es sich über den Vrunnenrand.
Frau Amme, du schläfst noch immer!
Da fallen die Blumen ihm aus der Hand
Und trüben den lockenden Schimmer.
8. Verschwunden ist sie, die süße Gestalt,
Verschluckt von der hüpfenden Welle.
Das Kind durchschauert's fremd und kalt,
Und schnell enteilt es der Stelle.
26. Nachbar Helm und seine Linde.
Franz Honcamp.
1. Im Häuslein gegenüber, da wohnt ein Zimmermann,
Heut' vor dem Haus die Linde hub er zu fällen an.
Ich sprach : ,,Gott grüß' Euch, Nachbar! Doch sagt, was Ihr beginnt?
Der Baum beschützt das Häuslein vor Wetter doch und Wind!“
2. Da hielt er an und schaute von seiner Arbeit auf
Und sah mich an und blickte zur Linde hoch hinauf;
Dann legt' er beide Hände still auf sein Arbeitszeug,
Lehnt' an den Baum und sagte: „Nachbar, ich danke Euch!
3. Die Linde pflanzt' mein Vater, als ich geboren war.
Sie grünt und blüht alljährlich schon über siebzig Jahr'.
Mein Weib am Hochzeitstage — sie war ein junges Blut —
Steckt' mir von diesem Baume ein Zweiglein an den Hut.
4. Viel Gäste tät ich laden, zu enge ward das Haus,
Hier unter dieser Linde, da hielten wir den Schmaus.
Ein Sohn ward uns geboren, da gab sich's viel zu freun,
Und seinen Namen grub ich in diese Linde ein.
5. Die Linde wuchs und prangte, der Knabe ward ein Mann;
Bei Leipzig in der Ebne stand er im Heeresbann.
Zum Kampfe ziehend trug er zwei Lindenzweig' am Hut;
Bei Leipzig an den Wällen verrann sein junges Blut.
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Extrahierte Personennamen: Franz_Honcamp Franz Schmaus
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„Da setzt's was!" dachte ich, aber er zögerte keinen Augenblick, trabte
ernst und ruhig über die Brücke. In großer Eintracht ging die Strecke
vor sich, bis wir gegen Abend wohlbehalten nach Sitzeldorf kamen.
Heute ist der Graue schon lange tot. Ich werde ihm meine Hoch-
achtung bewahren wie jedem, von dem man etwas Rechtes gelernt hat.
Ich habe von ihm gelernt, daß der Esel ein gutes und nützliches Tier ist,
wenn man ihn — als Esel behandelt.
31. Mut über Gut.
Ludwig Aurbacher.
Es war einmal ein armer Handwerksmann, ein Leinweber, der
saß täglich schon in der Frühe in seiner Werkstatt und arbeitete. Und
wie er denn allezeit fröhlichen Mutes war, so sang er zum Zeitvertreib
nebenbei manch schönes weltliches oder geistliches Liedlein, je nachdem
es ihm just ums Herz war; und er hatte eine so klare und volle Stimme,
daß die Nachbarn keines Haushahnes bedurften, der sie aufweckte. Dies
war aber eben dem reichen Kaufherrn nicht recht, der neben ihm wohnte;
denn wenn der vor Mitternacht nicht schlafen konnte wegen Geldsorgen,
so mußte er nach Mitternacht noch wach bleiben wegen des vermaledeiten
Singsangs des Nachbars. Er dachte daher ernstlich darauf, dem Un-
fug ein Ende zu machen. Verbieten konnte er's ihm nicht; denn das
Singen gehört wie das Beten und Arbeiten zum Hausrecht, darin
niemand gestört werden kann. Also mußte er andere Mittel gebrauchen.
Er ließ den Handwerker kommen und fragte ihn, wie hoch er sein
Singen anschlage? Der meinte, einen Tagelohn sei es sicherlich wert,
da es ihm das Tagewerk selbst so leicht mache. Jener fragte weiter,
wieviel das betrage? Der antwortete, so viel und so viel, und es war
doch nicht viel. Darauf sagte der Kaufherr, er wolle ihn einen Monat
lang zum voraus bezahlen, nicht für das Singen, sondern daß er still
sei und das Maul halte. Und er legte ihm das Geld wirklich hin.
Der Leinweber dachte bei sich, leichter könne man sich's nicht verdienen,
und er nahm das Geld und versprach, daß er still sein wolle wie ein
Mäuslein in seiner Werkstatt.
Als er mit dem Gelde nach Hause gekommen, überzählte er es
voller Freuden, und es war lauter gute Münze und so viel, als er
noch niemals zugleich beisammen gehabt hatte. Abends, ehe er schlafen
ging, liebäugelte er noch ein gutes Stündlein mit seinem Schatze, und
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Aurbacher Ludwig