Deutsches Lesebuch
für
Here Lehranstalten.
Achte Abteilung,
für
P r í m a,
Geh. Reg.-Rat Professor Dr. C Í) f. U f f,
Rektor der Königlichen Landesschule Pforta.
Die Sprache ist tief in die geistige Entwicklung
der Menschheit verschlungen, sie begleitet dieselbe auf
jeder Stufe ihres Bor- und Rückschreibens, und der
jedesmalige Kulturzustand wird auch in ihr erkennbar.
Wilhelm von Humboldt.
Dritte, verbesserte Auflage.
Berlin,
G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung.
1908.
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T30: [Periode Abschnitt erster zweiter Zeitraum dritter Jahr Kapitel Sonne Planet], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm_von_Humboldt Wilhelm
Die Frage, ob ein deutsches Lesebuch in Prima gebraucht werden soll oder nicht,
kaun hier nicht näher erörtert werden. Ich verweise darüber auf den vortrefflichen Auf-
satz, den A. Matthias in der Zeitschrift für das Gymnasialwesen, Jahrgang 1889,
Seite 641 ff. veröffentlicht hat und in dem er zu folgendem Ergebnis kommt: „Ein literar-
historisches Lesebuch ist kein dringendes Bedürfnis; wenn ein Lehrerkollegium nicht ohne
dasselbe fertig werden kann, mag es gute Dienste leisten. Daß es feelenverderberisch wirke,
ist wohl kaum anzunehmen. Ein rhetorisch-stilistisches oder, sagen wir besser, ein philo-
sophisches Lesebuch werden wir kaum entbehren können, wenn wir den Lehrplänen und
allen billigen Anforderungen, welche man an den deutschen Unterricht stellen muß, genügen
wollen. Die Frage, wie ein solches philosophisches Lesebuch eingerichtet sein soll, ist noch
nicht vollständig gelöst. Ihre Lösung ist aber des Schweißes der Edeln wert."
Diese Sätze sind mir aus der Seele geschrieben.
Auch ich bin der Meinung, daß man auf eine Zusammenstellung literargeschichtlicher
Charakteristiken mit entsprechenden Proben ganz gut verzichten kann. Die „Chrestomathien-
leserei" hat sogar, wie Henke im 1. Heft der Lehrplanübersichten des Barmer Gymnasiums
1884 nachweist, ihre großen Gefahren, insofern sie zur Oberflächlichkeit und zum Wissens-
dünkel verführen kann. Es genügt vollkommen, wenn der Lehrer, der seinen Schülern
Lebensbilder aus der deutschen Literaturgeschichte vom Beginn des sechzehnten bis zur
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in knapper Darstellung vorführt (siehe Lehrpläne
von 1892, Seite 15), ihnen das Verständnis durch Vorlesen charakteristischer Stellen aus
den Schriften der Männer erleichtert und fördert.
Dagegen halte ich die Einführung einer Sanunlnng gediegener Aufsätze, eines
rhetorisch-stilistischen oder philosophischen Lesebuches, wie Matthias es nennt, für durchaus
wünschenswert, wenn nicht für notwendig. Wohl sollen unsere Klassiker mit bestimmten,
besonders wertvollen und geeigneten Werken im Mittelpunkt des deutschen Unterrichts
stehen; aber die Prosa der großen Schriftsteller gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
gehört, wie Matthias treffend bemerkt, im wesentlichen einer literarisch-ästhetischen Periode
unserer Geschichte an, wo das historische und politische Interesse vor den Beschäftigungen
mit Poesie und Philosophie sehr zurücktrat. Wenn also auch die nachgvethischen Prosaiker,
in denen der Pulsschlag einer kräftigen, politisch, historischen Zeit sich regt, zur Geltung
kommen sollen, so muß das Lesebuch eintreten und Aufsätze bringen, die den großen
Gebieten der Theorie und Praxis, der Religion und Philosophie, der Welt-, Kultur- und
Kunstgeschichte, der Naturwissenschaft und der Sozialpolitik entnommen sind. Auf diese
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
Vi
Vorwort.
Weise wird am besten die unerläßliche Bekanntschaft mit dem Leben der Gegenwart und
seinen Bestrebungen vermittelt.
Man werfe nicht ein, daß durch die Schülerbibliothek und durch die Möglichkeit
billiger Beschaffung von Büchern aller Art unseren Primanern sein reicher Wissensstoff
zugeführt werden könne und zugeführt werde. Es kommt nicht auf reichen, sondern auf
passenden Stoff an; es gilt nicht ein wüstes Aufspeichern von Kenntnissen, sondern eine
angemessene, regelrecht fortschreitende Erweiterung des Gesichtskreises und Vertiefung der
Gedankenwelt im Anschluß an den Unterricht. So soll das Lesebuch nicht der Zersplitterung
Vorschub leisten, sondern das Wissen verdichten und einigen. Es ist daher bei der Aus-
wahl der Stücke in diesem Buche mit der größten Sorgfalt verfahren worden. Die maß-
gebenden Unterrichtsfächer der Klasse sind alle bedacht, und immer sind cs allgemeine
Gesichtspunkte, Grundbegriffe, hervorragende Persönlichkeiten und wertvolle Werke, über die
gehandelt und Aufschluß gegeben wird.
Von ebensogroßer, wenn nicht von größerer Wichtigkeit ist ein zweiter Punkt, der
nämlich, daß durch das Lesebuch das Denken ganz besonders geübt und geschult werde.
Auf diese Forderung wird in den Lehrplänen von 1892, Seite 16 mit den Worten hin-
gewiesen: „An die Stelle der genannten Prosalektüre tritt unter Umständen in Ib wie
in Ia die Durcharbeitung schwierigerer Stücke eines Lesebuches für I". Vielleicht hätte
es nur zu heißen brauchen „ihnen zur Seite", nicht „au ihre Stelle", und dann hätte
das Verfahren wohl mehr empfohlen werden können. Denn gerade von ihm gilt das,
was an einer anderen Stelle (Seite 18) von der zweckmäßig geleiteten Prosalektüre gesagt
wird, daß sie die 'oft recht unfruchtbar betriebene und als besondere Lehraufgabe aus-
geschiedene philosophische Propädeutik ersetzen könne.
Zu dem Zwecke habe ich fast durchweg solche Aufsätze gewühlt, die der Geisteskraft,
vor allem der Verstandestätigkeit des Schülers etwas zumuten, ihn zu ernster Mitarbeit
zwingen und ihn anleiten, folgerichtig zu denken, zu entwickeln und zu schließen. Sie
sind also eine gute Vorschule für die eigenen Aufsätze und für die ganze große Denk-
arbeit im Leben.
Eine dritte Forderung, daß alles, was geboten wird, in gutem Deutsch geschrieben
sei, um auf die Darstellung des Schülers vorbildlich einwirken zu können, ist zu selbst-
verständlich, als daß sie noch besonders betont zu werden brauchte.
Paul Cauer hat in der Zeitschrift für das Gymuasialwesen, Heft Juli-August 1894,
eine besondere Abhandlung geschrieben, um ausführlich darzulegen, wie er einzelne Stücke
des von ihm herausgegebenen und, wie ich gern anerkenne, guten Lesebuches niit seinen
Primanern behandelt. Diese sehr sinnige Art der Behandlung dürfte sich ohne weiteres
auch an meinen Lesestücken vornehmen lassen; ich verzichte aber auf eine Angabe der
Gründe, warum ich gerade diese Aufsätze ausgewählt und gerade diese Reihenfolge
beobachtet habe.
Ob es mir gelungen ist, etwas zur Lösung der Frage beizutragen, der, wie wir
oben gesehen hatten, mit Recht so (große Wichtigkeit beigelegt wird? Ich darf es nur
wünschen und hoffen, entscheiden mögen es die, die das Lesebuch benutzen.
Auch bei der Ausgabe dieser Abteilung habe ich wieder die Freude, für geleistete
Hilfe danken zu können. Ich hätte ein Buch von (diesem Umfange in so kurzer Zeit
nicht herstellen können, hätte ich nicht Kollegen gefunden, die bereit und geschickt waren,
in einem Geiste mit mir zu arbeiten. Das sind die Herren Oberlehrer vr. Hildebrandt
und Hahn in Stettin, Hochhuth in Wiesbaden, vr. Rausch in Jena, Franz, Manns und
Dr. Eigenbrodt in Kassel. Ich spreche ihnen allen für (die guten Dienste, die sie mir
und dem Werke geleistet haben, meinen tiefgefühlten Dank aus.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Paul_Cauer Hochhuth Franz Franz
Vorwort.
Vii
Mit dem Teile für Prima, der hier vorliegt, erhält das von mir herausgegebene
Lesebuch seinen Abschluß, nachdem auch die beiden Teile für die Vorklassen einer Neu-
bearbeitung unterzogen sind. Möge das zehnbändige Werk, das den Lesestoff von der
Oktava der Vorschule bis zur Prima des Gymnasiums nach einheitlichem Plane dar-
bietet, an den deutschen Schulen in Segen wirken!
Kassel, den 25. Januar 1895.
Christian Muff.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Die zweite Auflage unterscheidet sich von der ersten nur darin, daß die neue Recht-
schreibung durchgeführt und in den Angaben alles berichtigt ist, was etwa versehen war.
Tiefergreifende Änderungen bleiben der nächsten Auflage vorbehalten.
Pforta, den 1. März 1903.
Christian Muff.
Vorwort zur dritten Auflage.
In der vorliegenden dritten Auflage des Lesebuches für Prima, die früher nötig ge-
worden ist, als man erwarten durfte, löse ich das Versprechen ein, das ich im Vorwort
zur zweiten Auflage gegeben habe. Es hieß dort am Schluß: „Tiefergreifende Änderungen
bleiben der nächsten Auflage vorbehalten." Aber ist das erlaubt? Ist nicht vielmehr, und
zwar mit gutem Recht, von den Behörden immer wieder befohlen worden, die verschiedenen
Auflagen von Lehr- und Lesebüchern in solcher Übereinstimmung zu halten, daß sie bequem
nebeneinander gebraucht werden können? Doch das gilt nur für die unteren und mittleren
Klaffen, in denen das Lesebuch dem Unterrichte zugrunde liegt und wo es sich von Bruder
auf Bruder vererbt. In Prima dagegen, wo das Lesebuch nur zur Ergänzung der Klassiker-
lektüre dient und wo nur ab und zu ein Stück herausgegriffen wird, um logischen und
stilistischen Zwecken zu dienen, ist eine völlige Übereinstimmung der verschiedenen Auf-
lagen nicht erforderlich, auch schon um deswillen nicht, weil Lesebücher für Prima danach
angetan sind, den abgehenden Schüler ins Leben zu geleiten. Schließlich ist der Eingriff,
den ich mir gestattet habe, nicht allzu groß; es sind neun Stücke entfernt und sieben neue
dafür aufgenommen worden. Ich denke, daß die Veränderungen zugleich Verbesserungen
sind. Die Philosophie ist zu größerer Geltung gekommen, und auf den ausdrücklichen
Wunsch von Lehrern realistischer Anstalten ist das klassische Altertum mehr als bisher
berücksichtigt worden.
Möge es dem Buche auch in der neuen Auflage vergönnt sein, zur rechten Bildung
und Erziehung unserer Jugend das Seine beizutragen!
Pforta, den 15. Januar 1908.
Christian Muff.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Christian_Muff März Christian_Muff Christian_Muff
2 von Helmholtz: Über wissenschaftliche Arbeit.
gedruckt vor sich liegen hat. Es muß eben auch dabei jede einzelne Tat-
sache durch aufmerksame Beobachtung aufgefunden, nachher geprüft und ver-
glichen werden, es muß das Wichtige von dem Unwichtigen gesondert werden,
und dies alles kann offenbar nur jemand tun, der den Zweck, zu welchem
gesammelt wird, den geistigen Inhalt der betreffenden Wissenschaft und ihre
Methoden lebendig aufgefaßt hat, und für einen solchen wird auch jeder
einzelne Fall wieder in Zusammenhang mit dem Ganzen treten und sein
eigentümliches Interesse haben. Sonst würde ja auch eine solche Arbeit
die schlimmste Sklavenarbeit sein, die sich ausdenken ließe. Daß auch aus
diese Werke die fortschreitende Jdeenentwicklung der Wissenschaft Einfluß
hat, zeigt sich eben darin, daß man fortdauernd neue Lexika, neue natur-
historische Systeme, neue Gesetzsammlungen, neue Sternkataloge auszuarbeiten
für nötig findet; darin spricht sich die fortschreitende Kunst der Methode
und der Organisation des Wissens aus.
Unser Wissen soll nun aber nicht in der Form der Kataloge liegen
bleiben; denn eben, daß wir es in dieser Form, schwarz auf weiß gedruckt,
äußerlich mit uns herumtragen müssen, zeigt an, daß wir es geistig nicht
bezwungen haben. Es ist nicht genug, die Tatsachen zu kennen; Wissen-
schaft entsteht erst, wenn sich ihr Gesetz und ihre Ursachen enthüllen. Die
logische Verarbeitung des gegebenen Stoffs besteht zunächst darin, daß wir
das Ähnliche zusammenschließen und einen allgemeinen Begriff ausbilden,
der es umfaßt. Ein solcher Begriff begreift, wie sein Name andeutet, eine
Menge von Einzelheiten in sich und vertritt sie in unserem Denken. Wir
nennen ihn Gattungsbegriff, wenn er eine Menge existierender Dinge, wir
nennen ihn Gesetz, wenn er eine Reihe von Vorgängen oder Ereignissen
umfaßt. Wenn ich ermittelt habe, daß alle Säugetiere, d. h. alle warm-
blütigen Tiere, welche lebendige Junge gebären, auch zugleich durch Lungen
atmen, zwei Herzkammern und mindestens drei Gehörknöchelchen haben, so
brauche ich die genannten anatomischen Eigentümlichkeiten nicht mehr vom
Affen, Pferde, Hunde und Walfisch einzeln zu behalten. Die allgemeine
Regel umfaßt hier eine ungeheure Menge von einzelnen Fällen und vertritt
sie im Gedächtnis. Wenn ich das Brechungsgesetz der Lichtstrahlen aus-
spreche, so umfaßt dieses Gesetz nicht nur die Fälle, wo Strahlen unter den
verschiedensten Winkeln auf eine einzelne ebene Wasserfläche fallen, und gibt
mir Auskunft über den Erfolg, sondern es umfaßt alle Fälle, wo Licht-
strahlen irgendeiner Farbe auf die irgendwie gestaltete Oberfläche einer irgend-
wie gearteten durchsichtigen Substanz fallen. Es umfaßt also dieses Gesetz
eine wirklich unendliche Masse von Fällen, welche im Gedächtnisse einzeln
zu bewahren gar nicht möglich gewesen sein würde. Dabei ist aber weiter
zu bemerken, daß dieses Gesetz nicht nur diejenigen Fälle umfaßt, die wir
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler]]
von Helmh oltz: über wissenschaftliche Arbeit.
3
selbst oder andere Menschen schon beobachtet haben, sondern wir werden
auch nicht anstehen, es ans neue, noch nicht beobachtete Fälle anzuwenden,
um den Erfolg der Lichtbrechung danach vorauszusagen, und werden uns
in unserer Erwartung nicht getäuscht finden. Ebenso werden wir, falls wir
ein unbekanntes, noch nicht anatomisch zerlegtes Säugetier finden sollten,
mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit voraussetzen dürfen,
daß es Lungen, zwei Herzkammern und drei oder mehr Gehörknöchelchen habe.
Indem wir also die Tatsachen der Erfahrung denkend zusammenfassen
und Begriffe bilden, seien es nun Gattungsbegriffe oder Gesetze, so bringen
wir unser Wissen nicht nur in eine Form, in der es leicht zu handhaben
und aufzubewahren ist, sondern wir erweitern es auch, da wir die gefundenen
Regeln und Gesetze auch auf alle ähnlichen künftig noch aufzufindenden
Fälle auszudehnen uns berechtigt fühlen.
Die genannten Beispiele sind solche, in denen die Zusammenfassung
der Einzelfälle durch Denken zu Begriffen keine Schwierigkeit mehr findet
und das Wesen des ganzen Vorgangs klar vor Augen liegt. Aber in
komplizierten Fällen gelingt es uns nicht so gut, das Ähnliche ganz zu
scheiden vom Unähnlichen und es zu einem scharf und klar begrenzten Be-
griffe zusammenzufassen. Nehmen Sie an, daß wir einen Menschen als
ehrgeizig kennen; wir werden vielleicht mit ziemlicher Sicherheit vorhersagen,
daß, wenn dieser Mann unter gewissen Bedingungen zu handeln haben wird,
er seinem Ehrgeize folgen und sich für eine gewisse Art des Handelns ent-
scheiden wird. Aber weder können wir mit voller Bestimmtheit definieren,
woran ein Ehrgeiziger zu erkennen ist oder nach welchem Maß der Grad
seines Ehrgeizes zu messen ist, noch können wir mit Bestimmtheit sagen,
welcher Grad des Ehrgeizes vorhanden sein muß, damit er in dem betreffenden
Falle den Handlungen des Mannes gerade die betreffende Richtung gebe.
Wir machen also unsere Vergleichungen zwischen den bisher beobachteten
Handlungen des einen Mannes und zwischen den Handlungen anderer
Männer, welche in ähnlichen Fällen ähnlich gehandelt haben, und ziehen
unseren Schluß auf den Erfolg der künftigen Handlungen, ohne weder den
Major noch den Minor dieses Schlusses in einer bestimmten und deutlich
begrenzten Form aussprechen zu können, ja ohne uns vielleicht selbst klar
gemacht zu haben, daß unsere Vorhersagung auf der beschriebenen Vergleichung
beruht. Unser Urteil geht in einem solchen Falle nur aus einem gewissen
psychologischen Takte, nicht aus bewußtem Schließen hervor, obgleich im
wesentlichen der geistige Prozeß derselbe geblieben ist wie in dem Falle, wo
wir einem neugefundenen Säugetier Lungen zuschreiben.
Diese letztere Art der Induktion nun, welche nicht bis zur vollendeten
des logischen Schließens, nicht zur Aufstellung ausnahmslos geltender Ge-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]
4
von Helmholtz: Über wissenschaftliche Arbeit.
setze durchgeführt werden kann, spielt im menschlichen Leben eine ungeheuer
ausgebreitete Rolle. Auf ihr beruht die ganze Ausbildung unserer Sinnes-
wahrnehmungen, wie sich namentlich durch die Untersuchung der sogenannten
Sinnestäuschungen nachweisen läßt. Wenn z. B. in unserem Auge die Nerven-
ausbreitung durch einen Stoß gereizt wird, so bilden wir die Vorstellung
von Licht im Gesichtsfelde, weil wir unser ganzes Leben lang Reizung in
unseren Sehnervenfasern nur gefühlt haben, so oft Licht im Gesichtsfelde
war, und gewöhnt sind, die Empfindung der Sehnervenfasern mit Licht im
Gesichtsfelde zu identifizieren, was wir auch in einem Falle tun, wo es
nicht paßt. Dieselbe Art der Induktion spielt denn auch eine Hauptrolle
den psychologischen Vorgängen gegenüber wegen der außerordentlichen Ver-
wicklung der Einflüsse, welche die Bildung des Charakters und der momentanen
Gemütsstimmung der Menschen bedingen. Ja, da wir uns selbst freien
Willen zuschreiben, d. h. die Fähigkeit, aus eigener Machtvollkommenheit zu
handeln, ohne dabei von einem strengen und unausweichlichen Kausalitäts-
gesetze gezwungen zu sein, so leugnen wir dadurch überhaupt ganz und gar
die Möglichkeit, wenigstens einen Teil der Äußerungen unserer Seelentätigkeit
auf ein streng bindendes Gesetz zurückzuführen.
Man könnte nun diese Art der Induktion im Gegensatze zu der logischen,
welche es zu scharf definierteu allgemeinen Sätzen bringt, die künstlerische
Induktion nennen, weil sie im höchsten Grade bei den ausgezeichnetern
Kunstwerken hervortritt. Es ist ein wesentlicher Teil des künstlerischen
Talents, die charakteristischen äußern Kennzeichen eines Charakters und einer
Stimmung durch Worte, Form und Farbe oder Töne wiedergeben zu können
und durch eine Art instinktiver Anschauung zu erfassen, wie sich die Seelen-
zustände fortentwickeln müssen, ohne dabei durch irgendeine faßbare Regel
geleitet zu sein. Im Gegenteil, wo wir merken, daß der Künstler mit Be-
wußtsein nach allgemeinen Regeln und Abstraktionen gearbeitet hat, finden
wir sein Werk arm und trivial, da ist es mit unserer Bewunderung zu
Ende. Die Werke der großen Künstler dagegen bringen mit einer Lebhaftig-
keit, einem Reichtum an individuellen Zügen und einer überzeugenden Kraft
der Wahrheit die Bilder der Charaktere und Stimmungen uns entgegen,
welche der Wirklichkeit fast überlegen scheint, weil die störenden Momente
daraus fortbleiben.
Überblicken wir nun die Reihe der Wissenschaften mit Beziehung auf
die Art, wie sie ihre Resultate zu ziehen haben, so tritt uns ein durch-
gehender Unterschied zwischen den Naturwissenschaften und den Geistes-
wissenschaften entgegen. Die Naturwissenschaften find meist imstande, ihre
Induktionen bis zu scharf ausgesprochenen allgemeinen Regeln und Gesetzen
durchzuführen, die Geisteswissenschaften dagegen haben es überwiegend mit
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler]]
Erdmann: Die fünf Sinne.
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Fiktion. Ich erinnere mich, vor Jahren von einem unglücklichen Mädchen
in Nordamerika gelesen zu haben, das, taubstumm und blind (zwar nicht
geboren, aber schon im zweiten Jahre geworden), seinen Geruch und Ge-
schmack verlor und dennoch seine menschliche Individualität nicht eingebüßt
hatte, sondern weit über das Tierische hinausgehende Gefühle und Gedanken
verriet. Auf der anderen Seite ist sehr leicht zu zeigen, daß bei völliger
Ausbildung der vier anderen Sinne, wenn der Gefühlssinn mangelte, der
Mensch in seiner Entwicklung außerordentlich zurückbleiben müßte. Woher
weiß ich eigentlich, daß die Hand, die hier vor mir auf dem Papiere liegt,
die meine ist? Das Auge sagt es mir nicht, es sagt mir höchstens, daß
sie sichtbar ist. Daß aber, wenn ich sie mit der anderen Hand berühre,
gleichzeitig immer zwei Empfindungen sich vereinigen, daß ich die eine Hand
fühle, die andere betaste und mein Fühlen und Tasten eins ist, das ist ein
Anstreifen an jenes Sicherfassen, welches man Ich nennt. Ganz ohne Ge-
fühlssinn wären wir also außerstande, unseren Leib von anderen Gegenständen
zu unterscheiden, und wollen Sie sich nun wundern, wenn dieser, ich möchte
sagen, Subjektivitätssinn nicht nur das Organ der größten Lust und der
intensivsten Schmerzen ist, sondern auch das hauptsächlichste Mittel für den
Menschen, zu sich selbst zu kommen? Ebenso aber auch, um hinter das
Wesen der Dinge zu kommen. Während wir (den Fall ausgenommen, daß
der Durchmesser des Gegenstandes kleiner ist als die Distanz unserer Augen)
jeden Gegenstand zurzeit nur von einer Seite sehen und auch diese eigent-
lich nur sukzessive in ihren einzelnen Punkten fixieren, fassen wir eine
Kugel, die unsere Finger halten, von zehn verschiedenen Seiten auf einmal;
hier sind hinsichtlich der Form zehn Punkte gegeben, und so sicher, daß ich
es sehr begreiflich finde, daß man, um eine Wahrheit recht unerschütterlich zu
nennen, sie handgreiflich nennt. Was wir sehen, das scheint in unser Auge,
was wir betasten, das scheint nicht nur, das ist; und wie darum der Ge-
fühlssinn uns davor sichert, unseren Leib mit den übrigen Dingen zu einem
großen Chaos zu vermischen, so ist auch er es, der uns versichert, daß wir
es nicht mit Phantasmagorien zu tun haben.
Lassen Sie mich, ehe ich die Empfindungen verlasse, noch eine Er-
scheinung berücksichtigen, die dem Dämmernngsgebiete des menschlichen Lebens
angehört. Was ist wohl von jenen Erzählungen zu halten, nach welchen
in Krankheiten, namentlich in dem künstlich hervorgebrachten Schlafwachen,
Metastasen der Sinnesempsindungen vorkommen sollen, so daß eine Som-
nambule mit der Herzgrube sieht oder hört u. dergl.? Es gehören nun
kaum anatomische Kenntnisse dazu, sondern bloß gesunder Menschenverstand,
um einzusehen, daß es unmöglich ist, daß die Bedeckung der Herzgrube —
(ich meine nicht bloß die Haut; denn jene Experimente sind, soviel ich weiß,
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
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Erdmann: Die fünf Sinne.
sogar gemacht worden, während die Kranken wenigstens ein Nachtkleid an-
hatten) — sich in eine durchsichtige Hornhaut, in eine Linse usw. ver-
wandle, daß es unmöglich ist, daß aus den Ganglien der Magengegend ein
norvu8 optious werde, kurz, daß ein solches Vikarieren ebenso unmöglich
ist, als daß ein Mensch mit der großen Zehe eine Arie singen kann. Wollen
wir aber damit die Sache, um die sich's handelt, für abgetan halten, so
wäre dies sehr übereilt; sie kann jener unsinnigen Ausdrücke ungeachtet
doch etwas von Wahrheit in sich enthalten. Denken Sie an die Beschaffen-
heit der niederen Geschöpfe! In ihnen scheint es keine spezifischen Sinnes-
empfindungen, sondern nur eine unbestimmte Empfindung überhaupt zu
geben, eine Empfindung, in der vielleicht noch nicht einmal eine Scheidung
von Gemeingefühl und Sinnesempsindung stattgefunden hat. Gesetzt den
Fall, in einer Krankheit hörte die Spezifikation der Sinne auf und es
träte an ihre Stelle die unbestimmte Empfindung, fo wäre dies ein Zurück-
fallen auf jenen niederen, ich möchte sagen Molluskenzustand. Ich kann
mir einen solchen Zustand um so eher vorstellen, als ich in einem sehr
heftigen Fieber als Vorläufer von Lachkrämpfen einen Zustand kennen ge-
lernt habe, den ich noch jetzt, wenn ich nervös sehr angegriffen bin, manch-
mal hervorrufen kann, welchen ich nicht anders beschreiben kann, als indem ich
an Empfindungen der verschiedensten Sinne erinnere, indem ich sowohl sagen
kann, mir sei so glatt oder kühl, oder auch, mir sei so hell zumute. Dies ist
eine krankhafte, unbestimmte Empfindung, die ihren Sitz nicht in einem Sinnes-
organe hat, sondern die durch den ganzen Leib hindurchgeht und deren Träger
ich den Allsinn nennen möchte. Verbinde ich nun mit dieser eigenen Erfahrung
die von anderen gemachten, daß nervös reizbare Personen die Präsenz einer
Katze empfinden, wenn sie dieselbe nicht sehen, daß Nachtwandler mit ge-
schlossenem Auge einem Hindernis aus dem Wege gehen, daß geblendete
Fledermäuse durch einen Saal gezogene feine Drähte vermeiden, selbst wenn
man ihnen Nase und Ohren verklebt usw., so sehe ich keine Undenkbarkeit
darin, daß im höchsten Grade des Schlafwachens der Allsinn außerordent-
lich sich steigert. Und wenn Melloni ein Instrument erfunden hat, welches
den Eintritt einer Person in einen großen Saal anzeigt, indem es die dadurch
hinzugekommene Wärme sichtbar macht, so ist eine noch größere Empfind-
lichkeit der Kranken, vermöge der sie sagen kann, wer ins Zimmer trat,
nicht undenkbar. Daß weiter die Kranke, wenn sie diese sehr klare Empfindung
beschreiben soll, sich der Ausdrücke bedient, die für den klarsten Sinn die
gewöhnlichsten sind, finde ich ebenso erklärlich, wie ich es finde, wenn jemand
heute sagt: „Dies sehe ich klar, unsere politische Lage ist diese und diese."
Was würden Sie nun wohl von jemand urteilen, der auf einen solchen
Ausdruck sich umwenden wollte und sagen: „Unsinn, eine politische Situation
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Erdmann: Tie fünf Sinne.
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sieht man nicht." Ich denke, Sie würden ihn nicht loben. Um aber dem
Gegner nicht den Ausweg zu lassen, daß hier „sehen" nur ein bildlicher
Ausdruck sei, hören wir es nicht täglich, daß jemand sagt: „Ich fühle die
Röte meiner Wangen?" Daß dies, wörtlich genommen, Unsinn ist, das ist
klar, denn Röte fühlt man nicht, sondern Hitze. Und dennoch hätte der-
jenige unrecht, welcher sagen wollte: „Da man Röte nicht fühlen kann, so
ist auf den Wangen dessen, der sie zu fühlen vorgibt, nichts vorgegangen."
Analog aber, wenn auch nicht ganz so, urteilen die Ärzte und Physiologen,
welche, indem sie mit Recht festhalten, daß man mit geschlossenen Augen
nicht sehen kann, wenn eine Somnambule sagt: „Ich sehe diesen oder jenen
weinend im Nebenzimmer stehen," nur weil man nicht durch die Wand
sehen kann, augenblicklich von Betrug sprechen. Sehen gewiß nicht, ob aber
nicht empsinden, das ist eine andere Frage, die nur durch die Erfahrung
beantwortet werden kann. Wie lange ist es noch her, daß jeder Physiker
es für unmöglich erklärte, ein Spiegelbild zu fixieren? Gewiß ist es auch
jetzt noch ein Unsinn, daß man es tun könne, indem man den Spiegel mit
Honig bestreicht, damit das Bild anklebe, wie unsere Ammen uns erzählten,
aber Daguerreotype gibt es doch, ja sogar Lichtbilder, die man vermöge
des Kollodiums von der Metallplatte abnehmen kann. Auf jene Frage
also zurückzukommen, so sage ich mit allen Physiologen: Mit der Herzgrube
kann man unter keiner Bedingung sehen und hören. Dagegen aber kommen
geringere Grade eines Aufhörens der Spezifikation der Sinnesempfindungen
so häufig vor, daß man nicht ohne weiteres die höheren für unmöglich er-
klären darf, bei welchen sich der Allsinn, der beim Gesunden gar nicht
existiert, wieder zeigen, ja sogar so vordrängen könnte, daß er eine Genauig-
keit zeigte, wie sie sonst nur den höheren Sinnen zukommt. Nur einen
Punkt noch, und dann verlasse ich dies Gebiet. Ich halte die Ansicht für
unrichtig, welche glaubt, daß jener von mir so genannte Allsinn im ge-
steigerten Gemeingefühl bestehe. Das Gemeingefühl betrifft, wie ich gesagt
habe, gar nicht das Affiziertwerden durch die Außenwelt. Höchstens könnte
ich zugeben, daß, wo der Allsinn sehr hervortritt, selbst der Unterschied von
Gemeingefühl, Lebensgefühl und Sinn aufhört. Ebensowenig kann ich mich
mit denen einverstanden erklären, welche diese Erscheinungen aus einer
Steigerung des fünften Sinnes erklären wollen. Dieser ist, wenn auch
der wichtigste von allen, doch immer ein spezisischer Sinn wie die vier
anderen, er kann daher, wenn er noch so gesteigert ist, nur Kohäsionsver-
änderungen angeben, und ebensowenig, wie es möglich war, daß ein Nacht-
kleid zur sehenden Netzhaut wurde, ebensowenig die Fingerspitzen. Das
Wesentliche jener Erscheinungen ist eben, daß, während im' gesunden Zu-
stande die Empfindung in den fünf Sinnen existiert, jetzt an ihre Stelle
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