324 Nahrungsquellen, Industrie und Handel in Rußland. §. 63.
d. Nahrungsquellen.
Schon aus der Uebersicht der klimatischen und Vegetationsverhält-
nisse (S. 320) geht hervor, wie verschiedenartig die Nahrungsquellen
der Bevölkerung in den verschiedenen Zonen des Reiches sind. Am
weitesten ist die Viehzucht über das Ganze verbreitet und umfaßt
alle Gattungen vom Kameel des Südens bis zum Rennthier des Nordens;
der Ertrag des Ackerbaues, wiewohl das einheimische Bedürfniß über-
steigend, würde bei zahlreicheren Arbeitskräften und besseren Absatzwegen
noch einer weit größern Ausdehnung fähig sein, denn selbst im euro-
päischen Rußland ist kaum fl« des Bodens zum Anbau benutzt. Wein-
bau (bis 48° n. Br.) und Seidezucht sind naturgemäß ebenso auf
den Süden, wie der sehr lohnende Bergbali aus den (Mittlern) Ural,
den Altai und das da-urische Erzgebirge in Asien (s. S. 104) beschränkt;
die sehr bedeutende Waldcultur erstreckt sich vorzugsweise über den
N. und W., die Fischerei (mit einem Ertrage von mehr als 15. Mill.
Rubel) auf alle Meere, Flüsse und Seen, die Jagd (auf Pelzthiere),
namentlich in Sibirien, ist wichtiger als in irgend einem europäischen
Lande; der Salz gewinn, theils aus Steinsalzgruben im südlichen
Ural, theils aus den Salzseen in den Steppen zwischen der Wolga und
dem Dniepr, ist sehr bedeutend.
Die Industrie wurde seit Peter dem Großen von der Regierung
außerordentlich begünstigt, theils durch Anlage von Fabriken aus Staats-
mitteln , theils durch Bewilligung von Abgabenfreiheit auf eine gewisse
Zeit, theils durch eine strenge Grenzsperre. Die meisten Fabrikanlagen
finden sich in den von der Natur bevorzugten Centralprovinzen, nament-
lich im Gouvernement Moskau. Der Bauer verfertigt sich selbst die
meisten Zeuge und Geräthschaften, deren er bedarf.
Der innere Handelsverkehr, dessen Hauptpunkte Moskau,
Nischnij-Nowgorod, Jrbit (im Gouvernement Perm), Charkow, Kasan
und Orenburg sind, wird durch die Leichtigkeit des Transports auf den
zahlreichen, natürlichen und künstlichen Wasserstraßen, sowie auf der
Schlittenbahn zur Winterszeit in lebhafter Weise betrieben und ist,
außer in Polen und Finnland, wenigen Beschränkungen (sehr geringen
Straßen- und Canalabgaben) unterworfen. Die begonnene Anlage von
Eisenbahnen, wodurch bereits Petersburg, Moskau, Warschau und
Krakau verbunden sind, wird erst ihren unermeßlichen Einfluß auf die
Cultivirung des Bodens in den Centralländern und den Absatz ihrer
Produkte vollständig entwickeln, wenn die beabsichtigte Fortsetzung nach
S., von Moskau einerseits nach Odessa, andrerseits nach Cherson, zur
Ausführung gekommen ist.
Der Handel mit dem Auslande wird zum größten Theile zur
See und zwar meist auf fremden Schiffen, vorzugsweise von englischen
Kaufleuten betrieben. Die wichtigsten Ausgangspunkte desselben sind:
Petersburg und Riga (die Ostseehäfen sind mit 3u betheiligt), Odessa,
Astrachan, Archangel. Den Landhandel mit dem Auslande betreiben
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Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland.
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Xx.
Kaiser Karl V. und die Kirchenlrennung in Deutschland.
1. Karl, geboren zu Gent am 24. Februar 1500, erhielt von den
Kronen, die er zu tragen bestimmt war, zuerst die der spanischen Reiche.
In Bezug auf Caftilien war zwischen seinem Vater Philipp und seinem
Großvater Ferdinand seit Jsabellens Tode ein gespanntes Verhältniß
gewesen, das der baldige Tod Philipps löste. Bei seiner Mutter Johanna
hatte sich durch Philipps Tod eine Gemüthskrankheit so gesteigert, daß sie
außer allem Verhältniß zu den öffentlichen Angelegenheiten blieb. Als
Ferdinands Tod herannahte, sandte Karl aus den Niederlanden, wo
er ausgewachsen war, seinen Lehrer, den Cardinal Hadrian von
Utrecht', und leicht verständigte sich dieser mit dem Cardinal Ximenez,
da dieser große Mann, der zu seinen Verdiensten um die Verwal-
tung und dem Ruhme seiner Gelehrsamkeit im Jahre 1509 durch die
Eroberung von Oran den Lorbeer des Heerführers gesellt hatte, gern
dem Boten seines neuen Herrn den Vorrang einräumte, ohne in seiner
Thätigkeit für denselben nachzulassen. Ximenez beseitigte die Gefahr,
welche bei der ohnehin schwierigen Zeit eines Regierungswechsels durch
die dem Lande fremden niederländischen Räthe Karls herbeigeführt wurde.
Da er sie von dem Plane, Karln sofort vor seiner Ankunft zum Könige
ausrufen zu lassen, nicht abbringen konnte, verwandte er seine ganze
Kraft für die Ausführung ihres Beschlusses und trat den Großen Casti-
liens, welche die Ansprüche der noch lebenden Johanna zum Vorwände
des Sträubens nahmen und ihm das Recht zur Führung der Negierung be-
stritten, mit der Hinweisung auf die Kriegsmittel entgegen, die in Folge seiner
weisen Verwaltung hinreichten, das königliche Ansehen zu wahren. Erst
als der Vertrag zu Noyon das Verhältniß zu Frankreich geordnet hatte,
verließ Karl auf Ximenez' dringende Bitten die Niederlande und erschien
im Jahre 1517 in Asturien. Die Eifersucht seiner niederländischen
Räthe zeigte ihm die Thätigkeit des hochverdienten Ximenez in falschem
Lichte und beraubte ihn, da er ihn mit Versicherung der Anerkennung
von den Geschäften entfernte und derselbe bald darauf in hohem Alter
starb, eines Dieners, den nie ein anderer an Treue übertroffen hat.
Seinen Unterthanen noch fremd, beging der König, von Fremden umgeben,
manche Mißgriffe, welche den Geist der Widersetzlichkeit nährten. Als
er darauf durch die Kunde, daß er in Deutschland zum Kaiser erwählt
sei, im Jahre 1520 Spanien wieder verließ, begann sich allgemeine
Unzufriedenheit in einem Aufruhre zu entladen. Dieser Aufruhr ging
von den Bevölkerungen der Städte aus, und eine Anzahl empörter
Städte, an deren Spitze Toledo stand, bildete aus Abgeordneten unter
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Karl_V. Karl_V. Karl Karl Philipp Philipp Ferdinand Philipps Philipps Johanna Philipps Ferdinands Karl Karl Cardinal_Hadrian_von
Utrecht' Cardinal_Ximenez Karls Johanna Karl Karl Toledo
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Niederlanden Oran Karls Frankreich Niederlande Asturien Deutschland Spanien
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weil er seinen Katechismus vergessen und ihm die andern Menschen auch
nicht allzu deutlich bewiesen, daß sie denselben ihrerseits besser im Ge-
dächtnisse behalten hätten.
Solchergestalt war es beiläufig mit dem Manne bestellt, als dem
Herrn Pfarrer von der Wildsteige folgende Geschichte passierte.
Eines Nachmittags kehrte der Hochwürdige von Schongau oder
Peiting — ich weiß es nicht mehr genau — nach seinem einsam ge-
legenen Amtssitz zurück, und zwar über den Jlgenberg und den im Berg-
wald verborgenen Wallfahrts-Weiler ,Auf der Wies^ — auf einem Wege,
der stets von der Straße und belebtern Orten fern bleibt und sich durch
Busch und Heide, einsame Wiesengründe und dichten Waldstrich, wie sich
dies alles in jenen vorgebirgischen Landschaften hart aneinander findet,
bald aufwärts, bald abwärts in eigener Heimlichkeit hinschleicht. Unser
frommer Wanderer hatte eben die merkliche Höhe des Jgelbüchels er-
klommen und hielt erst aufatmend an, als ihn ein Stückchen freien
Himmels das karge Stück Erde deutlicher sehen ließ, auf welchem die
Kohlhofer Hütte stand. Sie war dem Herrn Pfarrer eben kein neuer,
überraschender Gegenstand; dennoch verweilte er ein paar Minuten über
dem Anblicke, dachte etwa daran, wie sein Pfarrhof dennoch viel lieb-
licher und lustiger auf dem grünen Büchel neben Sanct Sebastiani Kirche
oben stehe und ihn bald mit der einladend blauen Rauchsäule aus dem
blanken Schlote begrüßen werde, sah auch nach der Uhr, wie lange er
noch dieses tröstlichen Augenblickes warten müsse, und warf noch einmal
einen vergleichenden Blick auf des Kohlenbrenners jammersames Gehöfte.
Jetzt ersah er auch den Eigner desselben in nicht minder baufälliger Ge-
stalt, zerrissen und geräuchert wie jenes, und bemerkte, daß er von dem-
selben schon früher beobachtet sein mochte, weil der Martin hart am Gitter
seines Zaunes stand, die Augen nach dem Kommenden gerichtet, gleichsam
bereit, ihn an seinem Gebiete mit besonderer Aufmerksamkeit zu empfangen.
Dazumal war der Kohlhofer schon längst eingenistet in der Ödenei,
wie in dem bösen Leumunde, die beiden einzigen Besitztümer, die ihm
niemand streitig machte. Als denn der Hochwürdige den armen Sünder
mit seinem grauen Bart, wie auch die ganze Umgebung, die kümmerlichen
Kartoffelstauden im Steinfeld, das spärliche Sonnenlicht in der Wald-
grube, die Hütte nebst Zubehör abermals sich zu Gemüte zog, griff er
unwillkürlich in die Tasche, erwischte einen Groschen und ging dann
rüstigen Schrittes ans den Kohlenhof und seinen Besitzer zu. Der sprach
kein Wort, hob auch keine seiner Hände, die er über der Brnst gekreuzt
hielt, selbst als der Pfarrer hart am Gitter stand, so daß ihm dieser
den Groschen gleichsam in die Brusttasche schieben und zuerst sein „Grüß
Gott, Martin!" zurufen mußte. Jetzt wohl langte der wunderliche Thür-
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Handlungen ist jedoch selbst der Glänzendste hier seines Erfolgs nicht sicher,
da die Ehrbarkeit ein bestimmtes Eingehen auf die Anträge des Braut-
werbers verbietet, und jetzt beginnt die Aufgabe des Freiers. — Er tritt
an einem Nachmittag in das Hans der Gesuchten, und zwar jedesmal
unter dem Vorwände, seine Pfeife anzuzünden, — die Hausfrau setzt ihm
einen Stuhl und scharrt schweigend die Glut auf, dann knüpft sie ein
gleichgültiges Gespräch an vom Wetter, den Kornfrüchten rc. und nimmt
unterdessen eine Pfanne vom Gesimse, die sie sorgfältig scheuert und
über die Kohlen hängt. Jetzt ist der entscheidende Augenblick gekommen.
— Sieht der Freier die Vorbereitungen zu einem Pfannenkuchen, so
zieht er seine dicke, silberne Uhr hervor und behauptet, sich nicht länger,
aufhalten zu können; werden aber Speckschnitzel und Eier in die Pfanne
gelegt, so rückt er kühnlich mit seinem Antrage heraus, die jungen Leute
wechseln „die Treue", nämlich ein paar alter Schaumünzen, und der
Handel ist geschlossen.
Einige Tage vor der Hochzeit macht der Gastbitter mit ellenlangem
Spruche seine Runde, oft meilenweit, da hier, wie bei den Schotten, das
verwandte Blut bis in das entfernteste Glied, und bis zum Ärmsten
hinab, geachtet wird. Nächst diesem dürfen vor allem die sogenannten
Nachbarn nicht übergangen werden, drei oder vier Familien nämlich, die
vielleicht eine halbe Meile entfernt wohnen, aber in uralten Gemeinde-
registern, aus den Zeiten einer noch viel sparsamern Bevölkerung, als
„Nachbarn" verzeichnet stehen und, gleich Prinzen vom Geblüte vor den
nähern Seitenverbindungen, so auch ihre Rechte und Verpflichtungen vor
den vielleicht erst seit ein paarhundert Jahren Näherwohnenden wahren.
Am Tage vor der Hochzeit findet der „Gabenabend" statt, eine freund-
liche Sitte, um den jungen Anfängern über die schwerste Zeit wegzu-
helfen. Abends, wenn es schon stark dämmert, tritt eine Magd nach
der andern ins Haus, setzt mit den Worten: „Gruß von unserer Frau",
einen mit weißem Tuche verdeckten Korb ans den Tisch und entfernt sich
sofort; dieser enthält die Gabe: Eier, Butter, Geflügel, Schinken — je
nach den Kräften eines jeden — und die Geschenke fallen oft, wenn das
Brautpaar unbemittelt ist, so reichlich aus, daß dieses um den nächsten
Wintervorrat nicht sorgen darf. Eine liebenswürdige, das Volk bezeich-
nende Höflichkeit des Herzens verbietet die Überbringung der Gabe durch
ein Familienmitglied; wer keine Magd hat, schickt ein fremdes Kind.
Am Hochzeitsmorgen, etwa um acht, besteigt die Braut den mit einer
weißen goldflunkernden Fahne geschmückten Wagen, der ihre Ausstattung
enthält; sie sitzt allein zwischen ihren Schätzen, im besten Staate, aber
ohne besonderes Abzeichen, und weint aufs jämmerlichste; auch die auf
dem folgenden Wagen gruppierten Brautjungfern und Nachbarinnen
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