388
Siebenter Zeitraum.
westlichen Europa wahrend der letzten drei Jahrhunderte das
Zeitalter ihrer höher» Reife und ihrer Klassicität erreichten.
Denn wenn die Klassicität zunächst auf der innigsten
und unauflöslichsten Verbindung der Richtigkeit und
Schönheit in L»rr stylistifchen Form beruht, weil das
Gesetz der Form (hervorgehend aus Logik und Aesthetik)
diese beiden Eigenschaften der vollendeten Form nothwendig
in sich einschließt; wenn diese Klassicität sowohl in der
Sprache der Prosa, als in der Sprache der Dichtkunst
und der Beredsamkeit erscheint; wenn die drei Schreib-
arten, die niedere, mittlere und höhere, bei den
entschiedenen Klassikern nach scharfen Grenzen von einander
wahrgenommen werden, und jede derselben innerhalb ihres
Kreises bis zur Vollendung ausgebildet worden ist; dann
kann man wohl der italienischen, sp a n i sch e n, fr a n-
zösi sehen, englischen und teutschen Sprache die
Annäherung an das Ideal der Klassicität nicht absprechen,
welches die ausgezeichnetsten Schriftsteller in denselben sich
vorgehalten haben! Mögen auch der italienischen Spra-
che, in Vergleichung mit den andern neuern Sprachen, die
klassischen Muster in der eigentlichen Sprache der Beredsam-
keit fehlen; Schristsieller, wie G u i c c i a r d i n i, Petrarca,
A rio st, Ta sso, G ua ri ni, A lg a ro tti, Metastasio,
Alsieri u. a. müssen neben den Klassikern anderer Völker
in den von ihnen bearbeiteten stylisiischen Formen mit hoher
Achtung genannt werden. Eben so hat Spanien seinen
Cervantes, C a l d e r o n u. a.; selbst Portugal seinen
Camoens; Frankreich aber eche glänzende Reihe von
trefflichen Schriftstellern, deren Werke dem Gesetze der Form
entsprechen. Welchem Jünglinge von Bildung wären die
hochgefeierten Namen von Montaigne, Pascal, Me-
liere, Corneille, la Fontaine, Vonrdgloue,
F l e ch i e r, F e n e l o n, S a u r i n, M a s s i l l o n, V o i -
leau, Montesquieu, Voltaire, d'alembert,
Rousseau, Marmontel u. a. unbekannt! Wie sollte er
reicht unter den Britten von dem Geiste, der in Shake-
s p e a r e' s, M i l t o n s, D r y d e n s, Addisons, Swifts,
Popels, Thomsons, Poungs, Sterue's, Fiel-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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Griechenland.
237
späterhin sehr vielfach umgestaltet wurden. So romantisch
und lieblich mehrere derselben sind; so mannigfaltig verschie-
den ist doch ihr Inhalt. Viele tragen das Gepräge einer
bestimmten Oertlichkeit, und sind an diese oder jene
Gegend, an diesen Berg, an jenen Strom, an diese Stadt,
oder an jenen Volkssiamm ausschließend gebunden; andere
enthalten wieder die u n b e st i m m t e Bezeichnung irgend
einer Begebenheit, welche sich ins fernste Alterthum ver-
liert. — Als späterhin die verschiedenen hier zusammen-
treffenden Stamme, welche bald über Thracien, bald über
den Hellespont, bald von Westen her, und selbst aus Ae-
gypten in Griechenland einwanderten, zu Einem Volke zu-
sammenschmolzen und Eine gemeinschaftliche Sprache rede-
ten, wurden jene, ursprünglich aus so verschiedenen Gegen-
den stammenden, Mythen ebenfalls zu Einem von Dichter-
handen bearbeiteten Ganzen verbunden, das man, in seiner
jüngern lebensvollen Gestalt, nicht mit den frühesten und
einfachen Grundzügen seiner einzelnen Theile verwechseln
darf.
Obgleich in Griechenlands Bewohnern Völkerschaften
von sehr verschiedener Abstammung zusammentrafen; so
wanderten doch die wichtigsten und zahlreichsten Stamme
von Kleinasien her ein, und zwischen dem schwarzen und dem
kaspischen Meere scheinen die Vorfahren sowohl der asiati-
schen, als der europäischen Griechen gesucht werden zu müs-
sen. Ob von dort aus diejenigen Völkerschaften, welche
Thracien besetzten, in einzelnen Stammen auch herab
bis an den Hellespont zogen; oder ob die im Peloponnes
auftretende Horde der P e l a s g e r die erste Bevölkerung nach
Griechenland brachte, kann nicht entschieden werden. Diese
Pelasger erscheinen, nach den ältesten Sagen, unter
Jnachus, ungefähr i800 Jahre vor Christus, Zum ersten-
male in der Geschichte, aber ohne alle Civilisation, ohne
Ehe und Gewerbe, als Wilde, in Thierhaute gekleidet, die
den Gebrauch des Feuers nicht kannten und von den rohen
Früchten des Feldes lebten. Doch bald traten sie zu dem
ersten nähern gesellschaftlichen Leben zusammen, indem sie
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König]]
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'¿■i'x Erster Zeitraum.
Kenntniß der Musen (Pierinnen) zu den übrigen griechischen
Völkerschaften. Mit einer Begeisterung, welche bei den
religiösen Dichtern des Alterthums keine ungewöhnliche Er-
scheinung ist, und welche die unter seinem Namen erhalte-
nen Hymnen unverkennbar bezeichnet, trat Orpheus
unter seinen Zeitgenossen auf. Sind gleich jene Ueberreste
des Alterthums nicht selbst von ihm; so bestätigen sie doch
die Vermuthung, daß er den ersten Versuch in der religiö-
sen Dichtkunst und Musik weiter verbreitete, und daß die
Nachwelt sich bei seinem Namen dankbar jener Anfange
der Kultur erinnerte. Die epische Dichtkunst ging der
lyrischen voraus; sie entlehnte ihre Stosse aus den Thaten
merkwürdiger Menschen; und indem sie die bewunderten
Helden der Vorzeit verewigte, weckte sie zugleich den Nach-
ahmungstrieb, und gab dem ganzen Volke den gerechten
Stolz auf große Vorfahren, die ihre gerührten Enkel zu
erreichen strebten. — Die Stufenfolge der ersten griechi-
schen Kultur laßt sich nach den drei Landschaften: Ly cien,
Thrakien und Jo ni en bestimmen. Der Olymp, der
das Eigenthümliche bat, daß seine Gipfel stets heiter und
hell sind, erscheint bei den griechischen Dichtern als der
erste Sitz ihrer Götter. Hier wohnten sie im ewigen Lichte.
Erst spater, nachdem Hesiodus und seine Dichterschule
in Böotien am Helikon sich niedergelassen hatten, wurden
auch der Helikon, der Par nass ns und Pindus als
Sitze der Götter geschildert. In diesen Landschaften lebten
die ersten griechischen Barden; die Cithara und Lyra ward
hier erfunden, und allem, was nachher der Geist der Grie-
chen ausschuf, die erste Gestalt angebildet. In Thessalien
und Böotien, die in folgenden Zeiten durch geistige Thätig-
keit so wenig sich ausgezeichnet haben, ist kein Quell, kein
Fluß, kein Hügel, kein Hain, der nicht durch Dichtungen be-
kannt und in ihnen verewiget wäre« Hier floß der Peneus,
hier war das reizende Tempe, hier wandelte Apoll als Schäfer,
und die Riesen thürmten ihre Berge. Am Fuße des Heli-
kons lernte noch Hesiodus seine Sagen aus dem Munde
der Musen; kurz, hier hat sich zuerst die griechische Kul-
tur einheimisch gebildet, so wie auch von hier aus die
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
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'i 44
Erster Zeitraum.
wozu nur die Betrachtung schöner menschlicher Formen den
Maasftab darbieten konnte. — Auf eine ähnliche Art
suchte der forschende Verstand die Gründe physischer Er-
scheinungen auf, und aus einer Menge einzelner Versuche
in dieser Gattung, welche ein neues Chaos widersprechen-
der Ansichten und Lehren bildeten, sind nach und nach
unter den Handen der Dichter, die diese mannigfaltigen
Stoffe bearbeiteten und gruppirten, Kosmogonieen und
Theogonieen entstanden. Daß es Gedichte dieser Art bereits
vor Hesiod und Homer gegeben habe, ist nicht nur aus
geschichtlichen Spuren erweislich, sondern auch aus der
Entstehung und Bildung der Werke dieser Dichter selbst so
gut als gewiß. — Die Mythologie der Griechen ist also,
wie die der andern Völker, kein buntes Gemisch von unge-
reimten Fabeln und Mahrchen; allein eben so wenig die
hohe Einheit eines, von einem einzigen genialischen Dichter
erzeugten, Kunstwerkes, sondern die älteste Geschichte
und Philosophie dieses Volkes, bis auf die ersten
Dichter in mannigfaltigen Mythen sortgepstanzt, und aus-
gedrückt in der sinnlichen, nur allmahlig sich weiter
ausbildenden, Sprache des ersten Zeitalters der geistigen
Kultur. Daß diese Mythologie so reichhaltig und ihrem
Stoffe nach so verschiedenartig ist, hat theils seinen Grund
in der Menge und Verschiedenheit der Stamme, die hier
binnen einigen Jahrhunderten ihr mythisches und heroisches
Zeitalter -verlebten; theils darin, daß schon frühzeitig die
Buchstabenschrift von einwandernden Stammen hieher mit-
gebracht ward. Dies verhütete, daß nicht allzuviele My-
then aus diesem Zeitalter ganz verloren gingen, oder so
grell entstellt wurden, wie dies der Fall mit den orientali-
schen und ägyptischen Mythen war. — Doch haben wir
die meisten Mythen der Griechen, wie uns schon ihre Ein-
kleidung zeigt, nicht mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt;
denn der menschliche Geist alleg orisirt die frühern reli-
giösen Begriffe, sobald er eine höhere Stufe der Bildung
betritt. Den griechischen Dichtern gehört das Verdienst,
daß sie die frühern rohen und sinnlichen Begriffe, die'sie
vorfanden, veredelten und weiter fortführten. Sie perso-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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268
Erster Zeitraum.
bis sie, selbst in ihrem Interesse zwischen Karthago und
Rom getheilt, (ein Zeitabschnitt, wahrend dessen sich nur
die Regierung des weisen Hi ero Vortheilhaft auszeichnete,)
zuletzt dem übermächtigen Rom unterlagen.
An der afrikanischen Küste waren Cyren e (63t I. v.
C.)/ und in Spanien Sagunt Kolonieen der Griechen.
81.
Die griechischen Dichter.
Bald nach der Zerstörung von Troja ward dieses große
Nationalunternehmcn von den jonischen Barden in Gesängen
gefeiert, welche den Herameter, das älteste ursprüngliche
Vcrsmaas der Griechen, zu seiner Fülle und zu seinem
Wohllaute ausbildeten. In spätern Zeiten reihete diese
Bardenlieder eine überarbeitende und ergänzende Hand an
einander, und stellte den Namen Eines Dichters, eines frü-
herhin gepriesenen Barden an die Spitze, den Namen des
Homers. Die Mythologie und Heldengeschichte, die unter
seinem Namen in zwei epischen Gedichten ans die Nachwelt
überging, und von den ältesten Zeiten an in Griechenland
der Mittelpunct des religiösen Kultus ward, ist unstreitig
alter, als die Form, unter welcher wir diese Gedichte
überkamen. Homers Götter sind die Götter eines noch stark
sinnlichen und nicht völlig entwilderten Volkes; die höher»
und edlern Gottheiten stehen im Bunde mit den Griechen
gegen Troja. Zugleich ist das Kolorit des Oe etlichen
in den homerischen Schilderungen nicht zu verkennen; alles
deutet auf Kleinasien hin, alles tragt den Charakter der
Kindheit der Kultur, zugleich aber auch, eines warmen und
innigen Dahingebens an die Natur. Für die Griechen ward
Homer späterhin der Inbegriff der ältesten Geschichte und
Religion, und bald die Quelle aller möglichen Weisheit und
Kenntnisse; denn auch die Erfindungen und Vorstcllnngs-
arten der spätern Zeit trug man in ihn hinein, und fand in
ihm philosophische Begriffe, die seinem Zeitalter durchaus
fremd seyn mußten. Doch welches Religionsbuch des Al-
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Extrahierte Ortsnamen: Karthago Rom Rom Spanien Troja Griechenland Troja Kleinasien
Erster ßci traimi.
Ts
Ìcmifii; und durch den Einfluß der Musik und des Tanzes
Wohllaut, Rhythmus und Gleichmaas in ihrem äußern
Mechanismus. Keine Sprache jenseits des Indus und
Ganges hat die Biegsamkeit und den sanften Erguß der
griechischen; keine aramäische Mundart diesseits des Eu-
phrats hatte ihn in ihren ältesten Gestalten. Nur die grie-
chische Sprache ist wie durch Gesang entstanden; denn Ge-
sang und Dichtkunst und der frühe Einfluß des politischen
Lcbcns hat sie zur Musensprache der Welt gebildet. Eine
besondere Eigenthümlichkeit dieser Sprache ist der Gebrauch
v e r sch i e d e n e r Mundarten für v e r sch i e d e n e F o r-
men der Dichtkunst. Diese Mundarten, größtentheils
aus der epischen, dorischen und äolischen Sprache gemischt,
sind, in verschiedenen Schattirungen, verschiedenen Dich-
tungsarten eigen, in manchen hingegen, namentlich in der
Tragödie und Komödie, wurden sie, zur Unterscheidung
der einzelnen Theile, neben den attischen Dialekt gestellt,
der aber in der Tragödie durch höhere Farbengebung über
den Ton des gemeinen Lebens sich erhob, welcher zunächst
in der Komödie vorherrschend war. Wenn also sämmtliche
griechische Epiker dem Homer folgten; wenn Archilochus
und die Jambendichter gleichfalls den jonischen Dialekt fest-
hielten; wenn Ko ri un a ihrer vaterländischen Mundart,
der äolischen, treu blieb; so mischten Sappho und Al-
caus zu dem epischen den äolischen; Pindar aber und
die höher» Lyriker den dorischen zu dem epischen. Die Tra-
giker endlich behielten, nur im verminderten Grade, diese
Mischung in den Chorgesängen und in den metrischen Vers-
maasen der Tragödie bei, während die Komiker den eigent-
lichen Chorgesang herkömmlich behandelten.
So selten sich nun jene Umstände, unter welchen die
griechische Kultur reifte, wieder zusammenfinden werden;
so wenig das Menschengeschlecht in seine Kindheit, welche
bei den Griechen unter so glücklichen Umgebungen zur Jüng-
lingskraft gedieh, zurückgehen und einen Orpheus, Musäus,
Homer und Hcsiod von oen Todten zurückführen kann; so
wenig ist in unsern Seiten das ähnliche Emporblühen einer
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Griechenland. 335
no.
Fortsetzung.
Die griechische Mythologie hatte in diesem Zeit-
räume, unter den Handen der Dichter und Künstler, zu
Einem Ganzen sich gestaltet, dessen einzelne Theile aber
nur den Charakter und Werth der Legenden trugen; als
Volks religión hatte sie sich überlebt, und die griechische
Philosophie ging bereits von ganz andern Ideen aus, als
welche ihr diese Mythologie darbot. —
Die große Aufgabe, wie Menschen zu regieren
waren, ward in Griechenland in mehrern Regierungsver-
fassungen und unter mannigfaltigen Formen und Schatti-
rungen practisch in den einzelnen Staaten gelöset. Als aber
Platon das Ideal seiner Republik schuf, war die Freiheit
der griechischen Staaten, von innen unter dem leidenschaft-
lichen Kampfe der aristokratischen und demokratischen Par-
theien, und von außen durch die vernichtende Eifersucht auf
die von einzelnen Freistaaten angemaßte Oberherrschaft ver-
loren gegangen. Patriotismus herrschte genug in Grie-
chenland ; Kosmopolitismus aber athmete höchstens in
den Aussprüchen seiner Weisen. —
Die Sprache der Griechen ward in dieser Zeit durch
Dichter, Redner, Geschichtsschreiber und Philo-
sophen zur höchsten Stufe ihrer Bildung, ihrer Reinheit,
ihres Reichthums, ihrer Bestimmtheit und Fülle, und ihres
Umfanges fortgeführt. Was die Dichter an neugebildeten
Wörtern in die Mitte der Sprache niederlegten, das präg-
ten die Philosophen zu einer bleibenden wissenschaftlichen
Form aus, und das ging durch die Redner, als gewonnener
fester Charakter der Sprachbildung, in dem Strome der Be-
redsamkeit auf das durch den Sprecher begeisterte Volk selbst
über. — Der Ursprung des Drama war religiös,
und wahrscheinlich bei seinem Entstehen der feiernde Chor-
gesang einer Gottheit oder eines Heros, begleitet von Musik,
Gesang und Tanz. Thespis scheint die wilde Begeiste-
rung bei dem frühern Drama zuerst gezügelt zu haben.
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Erster Zeitraum
40
man den ersten Versuch wagte, über ungewöhnliche Erschei-
nungen der Sinnenwelt, und über Zustande im Menschen
zu philosophiren; Versuche, die bei den ältesten Dich-
tern nicht selten sind; denn die älteste Philosophie ist
D i ch t k u n st.
3.
Fortsetzung.
Beinahe allen alten Völkern ist es eigen, den Ursprung
ihres Volkes bis auf den Ursprung des menschlichen Ge-
schlechts selbst zurück zu führen, und den Ursprung des
menschlichen Geschlechts wieder an dichterische Schilderun-
gen der Entstehung der Welt anzuknüpfen. Kosmoge-
nieen, oder dichterische Darstellungen der Schöpfung und
Bildung der Erde, oft mit den schauerlichen Bildern einer
alten Nacht und eines ewigen Chaos, oft mit der kühnen
Farbengebung einer Ausströmung alles Lichts und alles Le-
bens aus einem ursprünglichen Lichte ausgeschmückt, oft
über auch, wie in dem ersten Buche der mosaischen Urkun-
den, einfach verzeichnet und an wenige Hauptpuncte ange-
reiht; Sagen von dem ehemaligen Aufenthalte der Göt-
ter auf der Erde und von ihrem ersten Umgänge mit
den Menschen; w e h m ü t h i g e K l a g e n über die frühzeitige
Ausartung des menschlichen Geschlechts und über die Zu-
rückkehr der Götter in ihre höher» seligen Wohnsitze; bild-
liche Schilderung der Entstehung der ersten gesellschaftlichen
Verbindungen, der zunehmenden Bevölkerung, der Tren-
nung ehemals verbundener Horden und Stämme; Zurück-
führung der Stamm- und Geschlechtsregister
bis auf die ersten Menschen, und eine übertriebene, riesen-
hafte Zeitrechnung, die mit der in jenen Sagen behaupte-
ten ungewöhnlich langen Lebensdauer der ersten Menschen-
geschlechter im Ebenmaase stehet; dies alles sind allge-
meine Züge des Mythenalters beinahe bei allen Urvöl-
kern. Nur ist es zu bedauern, daß viele Mythen nicht ein-
mal in ihrer ursprünglichen Gestalt auf uns gekommen,
sondern von jünger» Dichtern gewöhnlich nach spätern
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72 Erster Zeitraum.
lieferte eine große Menge von Erklärungen, Noten und
Bemerkungen zu diesem Werke. — Das S hi-King ist
eine Sammlung von 311 lyrischen und epischen Gedichten,
welche Confucius aus mehr als 3000 in der kaiserlichen
Bibliothek vorliegenden Gesängen aushob und mit kurzen
Erläuterungen begleitete. Es besteht aus vier Theilen:
Kuefong (vermischte Gedichte aus verschiedenen Zeiten
und Gegenden des Reichs), Ya in 2 Theilen (Oden, welche
die Tugenden und Laster der Großen schildern, und Ehr-
furcht gegen den Staat und die Gesetze empfehlen); Sung
(Hymnen und Loblieder auf die Gottheiten und die Helden
der Vorzeit). — Die herrschende Religion in China ist die
Lehre des Fo *) (der 1027 vor Christus in Kaschmir ge»
bohren worden seyn soll). Sie ist der Lehre der Braminen
in vielen Puncten ähnlich, und die Hindostaner betrachten
die Geburt ihres Fo als eine neue Verkörperung ihres gött-
lichen Wischnu. Mannigfaltig verändert und entstellt, ist
die Lehre des Fo auch bei den mongolischen Völkerschaften
einheimisch, welche den Fo Lah, und seinen obersten Prie-
ster Dalai-Lama (den großen Priester) nennen. Ein-
facher scheint sich die Lehre des Fo in Siam durch die
Talapoinen erhalten zu haben. — Der sehr wahrschein-
liche Zusammenhang des Buddhaismus, insofern derselbe
aus dem Brahmaismus hervorging, und bereits in einer
dunkeln Vorzeit von den mongolischen Stammen und den
Bewohnern des heutigen Thibets angenommen ward, mit
der Lehre des Fo ist noch keiner nähern Untersuchung gewür-
digt worden, die er doch so sehr verdiente. Ueberhaupt ist
künftigen Forschungen in der ältesten Geschichte Hindostans,
China's und der Mongolei, gegründet auf die in der Aehn-
lichkeit und Verschiedenheit der daselbst seit Jahrtausenden
texte chinois, accompagné de nouvelles notes etc. par de
Guignes (den altern). à Paris, 1770. 4to. — Der erste
Theil desselben teutsch / steht in Klaproth's asiat. Maga;,
isten Bdes. 6s St. S. 455 ff. — Ueber die alte Literatur der
Chinesen/ vgl. dasselbe/ 2n Bdes. 2s St. S. 89 ff.
Ueber die Fo-Religion in China; — bei Klap roth/ ir Bd./
S. 149 ff. '
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TM Hauptwörter (100): [T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
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Extrahierte Personennamen: Christus
Extrahierte Ortsnamen: China Kaschmir Mongolei Paris China
Kleinasien.
455
sal aber durch verschiedene zusammentreffende Umstande bald
entschieden ward. Lydien galt als der mächtigste Staat in
diesem Erdstriche, wie Cyrus seine Siege bis in diese Ge-
genden trug; und die jonische Küste war, schon von al-
ten Zeiten her, durch Handel, Blüthe der Künste, nament-
lich der Dichtkunst, Tonkunst, Baukunst, Bildnerei und
Mahlerei, und durch die erste Morgenröthe der Wissenschaf-
ten berühmt. Hier sang Homer, wahrscheinlich der Zeit-
genosse Davids, seine unsterblichen Lieder; hier lehrte Ae-
sop wahre Lebensweisheit in seinen Fabeln; hier dachte
Thales nach über die Natur und ihre großen Erscheinun-
gen; hier verlebte Herodot seine Jugend, und noch vor
ihm widmete sich hier Hecataus der Geschichte. Große
Erinnerungen sind an dieses schöne Land geknüpft, das
selbst in den Handen roher Osmancn für den Handel auf
dem Mittelmeere wichtig geblieben ist.
Kleinasien, ungefähr am Umfange dem ehemaligen
teutschen Reiche gleich, war durch den Fluß Halys von den
semitischen Völkerschaften 'getrennt, reichte östlich bis an
den Euphrat, und grenzte an den übrigen Seiten an das
schwarze Meer, an den Archipelagus und an das Mittel-
meer. Seine Lage, sein größtenthcils fruchtbarer Boden,
seine frühe und starke Bevölkerung bestimmten diese Gegen-
den für den Handel und für die Verbindung mit den be-
nachbarten Landern. Durch sie ging der Zug der asiatischen
Horden nach Europa, die nicht selten, bevor sie Europa be-
traten, hier einen Theil ihrer asiatischen Rohheit ablegten.
Von hier gingen Kolonisten und mit ihnen ein Anstrich von
Kultur auf Griechenland und auf die Inseln des Archipela-
gus und Mittelmeeres über; bisweilen drängten sich aber
auch zurückwandernde Stamme in diesen Erdstrich wieder
ein. Hier war der Schauplatz der Kriege, die zwischen den
Völkern von Asien und Europa geführt wurden, und das
Schicksal mehrerer der mächtigsten Reiche der Vorzeit ward
hier entschieden.
Diese Halbinsel war im Alterthume nicht von Einer
Nation, sondern von einer großen Anzahl der verschieden-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T14: [König Reich Alexander Perser Stadt Sohn Land Cyrus Babylon Syrien], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T138: [Meer Insel Stadt Küste Halbinsel Kleinasien Griechenland Name Bosporus Land], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien]]
Extrahierte Personennamen: Cyrus Cyrus Homer Davids Davids Herodot
Extrahierte Ortsnamen: Kleinasien Kleinasien Europa Europa Griechenland Asien Europa