Vom weüfäl. Frieden bis zur ersten französischen Revolution. 167
zum Aufstand; Städte und Adel wandten sich um Schutz gegen die
Ritter an den König von Polen und erhielten ihn. Die Macht des
Ordens ward in langem Streite gebrochen; er mußte zuletzt im Frieden
von Thorn (1466) ganz Westpreußen an Polen abtreten und seine
übrigen Besitzungen zu Lehen annehmen. Um aber dem Orden Hülfe
gegen das mächtige Polen zu verschaffen, wählten die Ritter 1511 den
Markgrafen Albrecht von Brandenburg zum Hochmeister. Aber auch
er konnte dem Könige Sigismund von Polen, der ihm verwandt war,
die Spitze nicht bieten, sondern mußte sich zum Frieden von Krakau
bequemen (1525), zufolge dessen Albrecht auf Luthers Rath und mit
Genehmigung des Volkes Preußen in ein weltliches Herzogthum ver-
wandelte und es*von Polen als Lehen empfing. Inzwischen hatte die Preußen wird
Resornlation Eingang in Preußen gefunden, und kaum hatte Albrecht
sein Ordenskleid abgelegt, so bekannte auch er nebst den meisten Ordens- Herzogthnm
brüdern sich öffentlich zu Luthers Lehre und vermählte sich erst mit einer
dänischen und nach deren Tod mit einer braunschweigischen Prinzessin.
Unter seiner Regierung gewann Preußen trotz mehrfacher bürgerlicher
Unruhen und Religionsstreitigkeiten an Wohlstand und Bildung; durch
ihn erhielt es 1544 die Universität Königsberg, gute Schulen, eine
polnische Uebersetzung der Bibel und andere nützliche Bücher in deutscher,
polnischer und lithauischer Sprache. Albrecht starb 1568 und hinter-
ließ das Herzogthum seinem Sohne Albrecht, welcher aber blödsinnig
wurde. Dessen. Schwiegersohn, Kurfürst Johann Sigismund von Bran-
denburg, erbte es (1618) und empfing es als Lehen von Polen; seitdem
ist Preußen ununterbrochen bei dem hohenzoller'schen-brandenburgischen
Hause geblieben.
Georg Wilhelm folgte seinem Vater 1619. Es begann für das Preußens ».
Land eine höchst traurige Zeit, als die Schrecken des dreißigjährigen Branden-
Krieges hereinbrachen. Die Schwäche und Unentschlossenheit des Kur- ^9’üf ttd-
fürsten schob ein Bündniß mit Gustav Adolf hinaus (S. 90) und büijähngen
führte den Fall Magdeburgs herbei, so sehr auch der Kurfürst persön-
lich der Sache des Protestantismus geneigt war. Er beging damals
den großen Fehler, daß er wegen der im Lande herrschenden Spaltung
zwischen Lutheranern und Reformirten den katholischen Grafen Adam
von Schwarzenberg zu seinem Rathgeber erkor, welcher die Interessen
des Fürsten und des Landes an Polen und Oestreich verrieth. Als
Schwarzenberg endlich durch Gustav Adolfs Drängen entfernt worden
war, hatte das Kurfürstenthum durch die Brandschatzungen Wallensteins
und Tillys furchtbare Verluste zu beklagen, und als Brandenburg 1635
durch Schwarzenberg verleitet, dem Prager Frieden beitrat, brachen
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Extrahierte Personennamen: Albrecht_von_Brandenburg Albrecht Sigismund_von_Polen Albrecht_auf_Luthers_Rath Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Johann_Sigismund_von_Bran- Johann Georg_Wilhelm Wilhelm Gustav_Adolf Gustav Adolf Adam
von_Schwarzenberg Rathgeber Schwarzenberg Gustav_Adolfs Gustav Adolfs
282
Dritte Periode der neueren Geschichte.
Der Krieg der venetianische Königreich von Oestreich abgefallen und hatte die Truppen
derlombardet unter ^er Führung des greisen Feldniarschalls Radetzky zurückgedrängt.
Sardinische, römische und toskanische Freischaaren strömten den Lom-
barden zu, und der König Karl Albert von Sardinien, welcher zum
Herrscher des einigen freien Italiens ausersehen war, rückte ebenfalls
mit 100,000 Mann heran. Inzwischen hatte Radetzky bedeutende
Verstärkungen an sich gezogen, und durch seinen Sieg bei Mortara und
Novara lieferte er nicht nur Mailand wieder in die Hände des Kaisers,
sondern nöthigte auch den König von Sardinien zum Rückzüge in sein
Land. Nach der Eroberung von Brescia wurde der Aufstand in
der Lombardei von Haynau mit blutiger Strenge unterdrückt; Ve-
nedig, welches die Republik proklamirt hatte, wurde eng eingeschlossen
und mußte sich nach einer schwierigen Belagerung endlich ergeben. Auch
in Mittel- und Süditalien gab es Unruhen. Pius Ix., seit 1846
Papst, mußte in: November 1848 nach Gaeta fliehen, und Rom ward
für eine Republik erklärt; aber ein französisches Heer unter Oudinot
eroberte die Stadt, und der Papst konnte 1850 zurückkehren. Tos-
cana hatte sich für eine Republik erklärt, aber der geflüchtete Groß-
herzog kehrte in Folge einer Gegenrevolution zurück. Auch Sicilien,
und:» das sich von Neapel losgerissen, ward wieder unterjocht. In Böh-
Ungarn. men unk ¡n uit£arn waren gefährliche Unruhen ausgebrochen. Die
ersteren hatte Fürst Windifchgrätz bald gedämpft, die letzteren nahmen
einen so großartigen Charakter an, daß Oestreich allein sich außer Stand
sah, die Ruhe wieder herzustellen. Hier war nämlich der Gedanke an-
geregt worden, den Ungarn die alten Privilegien wieder zu erzwingen,
deren sie sich von je her zu erfreuen hatten, und darum verlangten die
Stände eine selbständige Natioualregierung unter dem Erzherzog Palatin,
eine Reforn: ihrer Verfassung, Minderung der Steuern und für das
ungarische Militär das Vorrecht, nicht außerhalb ihres Königreichs dienen
zu müssen. Kaiser Ferdinand I. hatte diese Forderungen nicht alle
unbedingt gewähren können, aber die Einsetzung eines besonderen ver-
antwortlichen ungarischen Ministeriums bewilligt, dessen Seele der
Finanzminister Ludwig Kossuth wurde. Zwischen den Magyaren und
Slavoniern und Kroaten bestand schon längst Uneinigkeit, und den
Augenblick, wo die Ungarn dem Kaiser jene Vorrechte im Drange der
Zeitverhältnisse abgenölhigt hatten, benutzte der Banus Iellachich von
Kroatien, um sich von Ungarn loszureißen und das kaiserliche An-
sehen wieder auszurichten. Zwar mußte der Kaiser die Absetzung des
ungehorsamen Banus verhängen, allein derselbe reiste nach Innsbruck,
wo Ferdinand weilte, und fand daselbst freundliche Aufnahme. Iellachich
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Radetzky Karl_Albert_von_Sardinien Karl Radetzky Mortara Ferdinand_I. Ludwig_Kossuth Ludwig Banus_Iellachich Ferdinand Ferdinand
Vom westfäl. Frieden bis zur ersten französischen Revolution. 157
nun mit Karls Beistand sich in den unumschränkten Besitz der Ukraine*), seines Gebietes, zu setzen. Er bot Karl Xii. ein Hülfscorps und Lebensrnittel an, wenn er ihm die Ukraine verschaffe. Karl ging auf diesen Vorschlag ein und brach nach dort auf, ohne feine frischen Truppen abzuwarten, welche ihm der tapfere General Lewenhaupt zuführte. Peter der Große griff diese an, als sie über den Dniepr gegangen waren, und trieb sie nach argen Verlusten vor sich her, bis sie sich mit Karl^vereinigten. Die Nachricht, daß der Czar mit einem ungeheuren Heere herannahe, hatte Mazeppa's Bemühungen, das Volk der Ukraine aufzuwiegeln, gänzlich vereitelt. Noch wäre es Zeit für Karl gewesen, umzukehren, aber er mochte nichts unternehmen, was einer Flucht ähnlich sah, und marfchirte auf Poltawa los. Wegen Mangels an Geschütz konnte er jedoch nichts ausrichten ; er verlor noch Pm^^iotal obendrein die polnischen Hülsstruppen, welche zum Feinde übergingen, geschlagen und erhielt bei einem Ausfalle der russischen Besatzung einen gefähr= 1709' liehen Schuß durch den Knöchel des linken Fußes. Zu allem Unglück erschien nun Peter der Große mit 65,000 Mann. Jetzt kam es zur unglücklichen Schlacht bei Poltawa, in welcher General Lewenhaupt mit 9000 Mann das Gewehr strecken mußte und Karls Armee sich auflöste.
Karl überschritt nach dieser Niederlage die türkische Grenze und 1^"’ bewog den Sultan, den Russen den Krieg zu erklären. Sobald diese erhält Hülfe in die Moldau einrückten, traten ihnen 200,000 Türken entgegen und com <Suitan' umzingelten sie. Peter der Große sah den Augenblick herankommen, wo er mit seinen Truppen entweder verhungern oder sich ergeben müsse.
Aus dieser Noth befreite ihn seine Gemahlin Katharina, eine kluge Frau, welche eine Leibeigene gewesen und durch ihre Schönheit, sowie durch ihr einnehmendes Wesen zur Kaiserin erhoben worden war. Sie übersandte, um ihren Gemahl zu retten, ihre Juwelen nebst einer roirb a6er bedeutenden Summe Geldes dem Großvezier und bewog ihn zum v. Katharina Frieden. Karl tobte vor Wuth, als er den Abschluß des Friedens uberilftet vernahm, vermochte jedoch nichts mehr wider den Czaren. $ie ^
Auf die Nachricht von Karls Niederlage bei Poltawa regten sich u. Sachsen brauch seine Feinde in Sachsen und Dänemark aufs neue. König August ^Niederla^ bemächtigte sich der polnischen Krone wieder, allein die Dänen fanden tapferen Widerstand. Auch neue Feinde rüsteten sich, Preußen, England und Holland. Peter der Große versuchte den Sultan durch fünf Mil-
*) Die Ukraine ist eine Landschaft in Rußland links am Dniepr; ihre bedeutendste Stadt ist Charkow.
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Extrahierte Personennamen: Karls Karl_Xii Karl Karl Karl Karl Peter_der_Große Karls Karl Katharina Katharina Karl Karl Karls August
Extrahierte Ortsnamen: Karls Poltawa Poltawa Karls Karls Poltawa Sachsen Sachsen England Holland Charkow
156
Zweite Periode der neueren Geschichte.
wies die Unterhandlungen zurück, und nach zwei neuen Siegen über Äöntgetnn die Sachsen bei Clissow und Pultusk ließ er in Warschau den König Polen ab August durch den polnischen Reichstag absetzen und den Woiwoden Stanislaus Lesczynski zum Könige ausrufen. August Ii. machte mit Hülfe der Russen Versuche, den polnischen Thron wieder zu erlangen, Sachsen'zum Karl besiegte feine Gegner abermals und beschloß, trotz aller
Frieden. Vorstellungen feiner Freunde und des ausdrücklichen Verbotes des deutschen Kaisers, feinen Gegner in Sachsen anzugreifen. Er führte feinen Vorsatz aus, und als er in der Nähe von Dresden erschien, bequemte sich August zum Frieden von Altranstädt (1706), worin er für sich und feine Nachkommen auf den polnischen Thron verzichtete, dem Bunde mit Rußland entsagte und den unglücklichen Patkul dem Zorne Karls Xii. opferte.
Die schlesi- Auf Karls Rückmärsche nach Polen traf eines Tages eine Gehantener- sandtschaft schlesischer Protestanten bei ihm ein und bat um Schutz halten Karls ihres Gottesdienstes. Ein alter Bauer drängte sich an Karl heran ^ und wich nicht von ihm, bis ihm der König die Hand darauf gegeben hatte, er werde ihnen die freie Ausübung ihres Gottesdienstes verschaffen. Karl hielt Wort. Als er den Kaiser Joseph I. hierum anging, gewährte dieser bereitwillig das Gesuch und schrieb dem Papste, welcher ihn darüber tadelte, daß er die eingezogenen Kirchen herausgegeben habe, er fei noch glücklich gewesen, daß der König von Schweden nicht auch feinen Ixebertritt zur lutherischen Kirche begehrt habe; denn er wisse nicht, was er alsdann gethan haben würde.
Fünf Jahre waren feit der Schlacht bei Narwa verflossen. Peter der Große hatte die Abwesenheit feines Gegners vortrefflich benutzt, Jngermanland, Liefland und Esthland genommen und am Ausfluffe der Newa den Grundstein zur neuen Hauptstadt des Reiches, St. Petersburg, gelegt (1703). 100,000 Leibeigene arbeiteten Tag und Nacht Erch^gründet ^ ^em mühfamen Bau in morastigem Boden; viele erlagen dem St. Peters- Sumpfsieber und den übermäßigen Strapazen. Da man anfangs nur friug i,03. fyölzerne Häuser baute, so konnte die Stadt schon im zweiten Jahre nach der Gründung bewohnt und befestigt werden. Die Versuche der Karl m. Schweden, den Bau zu stören, blieben erfolglos. Da erschien (1708) ^arl nach feinem Abzüge aus Sachsen auf russischem Gebiet, nachdem Rußland er die unwegsamsten Moräste unter Entbehrungen aller Art mit feinen Truppen durchwatet hatte. Er gedachte zuerst graben Weges auf Moskau loszugehen, um sich im Herzen Rußlands festzusetzen, allein der Plan des ehrgeizigen Kofaken-Hetmans Mazeppa brachte ihn hiervon wieder ab. Dieser war bisher dem Czaren zinsbar gewesen und hoffte
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Extrahierte Personennamen: Clissow August Stanislaus_Lesczynski August Karl Karl August Karls Karls Karls Karl Karl Karl Karl Peter_der_Große Karl Mazeppa
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Warschau Polen Sachsen Dresden Karls Karls Polen Karls Schweden Narwa Petersburg Schweden Sachsen Moskau
Von der ersten französischen Revolution bis zur Gegenwart. 283
eine Republik erklärt; aber ein französisches Heer unter Dubinot eroberte die Stadt, und der Papst konnte 1850 wieber einziehen. Toscana hatte sich ebenfalls für eine Republik erklärt, aber der geflüchtete Großherzog kehrte in Folge einer Gegenrevolution zurück. Auch Sicilien, das sich von Neapel losgerissen, warb wieber unterjocht. In Böhmen und in Ungarn waren gefährliche Unruhen ausgebrochen. Die ^”b l”n ersteren hatte Fürst Winbischgrätz balb gebämpst, die letzteren nahmen einen so großartigen Charakter an, daß Oesterreich allein sich außer Stanbe sah die Ruhe wieber herzustellen. Hier war nämlich der Gebanke angeregt worben, den Ungarn die alten Privilegien wieber zu erzwingen, bereit sie sich von jeher zu erfreuen hatten, und barum verlangten die Stänbe eine selbstänbige Nationalregierung unter einem Erzherzog (Palatin), eine Reform ihrer Verfassung, Minberung der Steuern und für das ungarische Militär das Vorrecht, nicht außerhalb des Königreiches bienen zu müssen. Kaiser Ferbinanb I. hatte diese Forberungen nicht alle unbebingt gewähren können, aber die Einsetzung eines befonberett verantwortlichen ungarischen Ministeriums bewilligt, besten Seele der Finanzminister Ludwig Kossuth würde. Zwischen den Magyaren und Slavoniern und Kroaten bestanb schon längst Uneinigkeit, und den Augenblick, wo die Ungarn dem Kaiser jene Vorrechte im Drange der Zeitverhältnisse abgenöthigt hatten, benutzte der Banus Jellachich von Kroatien, um sich von Ungarn loszureißen und das kaiserliche Ansehen wieber auszurichten. Zwar mußte der Kaiser die Absetzung des ungehorsamen Banus verhängen, allein berselbe reiste nach Innsbruck, wo Ferbinanb weilte, und fanb baselbstsreunbliche Aufnahme. Jellachich überschritt alsbalb die ungarische Grenze, mußte sich aber wieber zurückziehen. Kurz baraus ernannte der Kaiser, nachdem er die ungarische Nationalversammlung aufgehoben hatte, den Banus zu feinem Stell- ^tiotutiontn Vertreter in Ungarn und bekleibete ihn mit unumschränkter Gewalt. 2bien 1848-Die Wiener «übersetzten sich sofort dem Abmärsche der österreichischen Truppen, welche zu Jellachichs Armee nach Ungarn aufzubrechen Befehl erhalten hatten, und das gefammte Proletariat der Kaiserstabt bewaffnete sich- Der Kriegsminister Latour würde vom Volke grausam ermorbet.
Da verhängte der Kaiser den Belagerungszustanb über Wien, schloß die Stadt ein und ließ sie durch den Fürsten Winbischgrätz beschießen, den Reichstag aber nach Kremster in Mähren verlegen. Wien konnte sich nicht lange halten und fiel bett Truppen in die Hänbe. Ein blutiges Strafgericht warb über die Räbelsführer „der Wiener Oktoberrevolution" verhängt. Robert Blum, ein Mitglieb des Frankfurter Parlaments, welcher auf die Kunbe von biefen Vorgängen nach Wien geeilt war,
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Kossuth Ludwig Latour Robert_Blum
Extrahierte Ortsnamen: Sicilien Neapel Ungarn Oesterreich Ungarn Kroatien Ungarn Ungarn Ungarn Wien Wien