Sigismund.
253
In Ungarn war 1301 mit Andreas Hl. das Geschlecht der Arpaden
erloschen, worauf nach längerer Anarchie von den Kronprätendenten Karl
Robert, aus dem neapolitanischen Hause (1310), den Thron behauptete.
Ihm folgte (1342—1382) sein Sohn Ludwig der Große; derselbe zwang
Serbien, Bosnien, die Moldau und die Walachei zur Anerkennung seiner
Oberherrschaft und entriß der Republik Venedig Dalmatien, das diese
seinen Vorgängern abgenommen hatte; er war überdies eifrig bedacht,
das Wohl seiner Völker durch Gesetze und Stiftungen zu befördern. 1370
wurde er auch König von Polen und dadurch der mächtigste Monarch
- im östlichen Europa; er war auch weise genug, um Neapel nicht mit Un-
garn vereinigen zu wollen, nachdem er die Ermordung seines Vetters
Andreas gerächt hatte (s. unten bei Neapel). Von seinen Töchtern sollte
die jüngere, Hedwig, die Krone Polens, die ältere, Maria, die Ungarns
erben; Maria verlobte er mit Sigismund, die Königin-Wittwe Elisabeth
sollte nach Ludwigs Tod einstweilen die Regentschaft führen. Eine Partei
der ungarischen Großen wählte dagegen Karln Hi. von Neapel zum
König; derselbe wurde auch 1385 zu Stuhlweißenburg gekrönt, aber im
Februar 1366 von der Partei der Königin ermordet. Sein Sohn Ladis-
laus verfolgte zwar seine Ansprüche mit Waffengewalt, Horvath, der
Ban von Kroatien und Ladislaus mächtigster Anhänger, ermordete sogar
die Königin-Wittwe, Sigismund errang jedoch mit Waffengewalt die
Oberhand und war seit 1378 König von Ungarn; hier hatte er bald
mit den unruhigen Großen, bald mit den fürchterlichen Türken zu
schaffen; gegen die Türken verlor er 1396 die große Schlacht von Ni-
kopolis, was aber die Herren in Ungarn und Siebenbürgen nicht hin-
derte, zu ihren Aufständen Türkenhilfe zu gebrauchen und 1401 den
König in Ofen gefangen zu nehmen. Nun bekriegten die deutschen
Luxemburger Ungarn und schon nach achtzehnwöchentlicher Gefangenschaft
wurde Sigismund aus seiner Haft wieder frei. Darauf demüthigte
er mit Hilfe des Adels den hohen Klerus und erließ ein Landesgesetz,
durch welches die Geistlichen gehalten wurden, in weltlichen Dingen von
weltlichem Gerichte Recht zu nehmen, gerade wie es die eidgenössischen
Bauern einige Jahre vorher angeordnet hatten. Sonst verdankt ihm Un-
garn manches; so beförderte er den Handel durch vernünftige Zollgesetze,
gab den Bauern freien Zug in die königlichen Städte (deutsches, viel-
bestrittenes Städterecht), berief zum Reichstage Abgeordnete des Komi-
tatsadels und der königlichen Städte, von welcher Zeit an der ungarische
Reichstag aus zwei Tafeln bestand: Ltntus et oräir>68.
Mit Venedig führte Sigismund als ungarischer König einen drei-
jährigen blutigen Krieg. Den Venetianern hatte der Usurpator der un-
garischen Krone, Ladislaus von Neapel, das dalmatische Küstenland
1409 um 100,000 Dukaten verkauft und sie wollten es nun um keinen
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Andreas_Hl Karl
Robert Karl Ludwig_der_Große Ludwig Andreas Hedwig Maria Maria Maria Maria Sigismund Elisabeth Ludwigs Horvath Ladislaus Sigismund Sigismund Sigismund Ladislaus
Sigismund.
281
Robert, aus dem neapolitanischen Hause (1310) der Ansou, den Thron
behauptete. Ihm solgte (1342—1382) sein Sohn Ludwig der Große;
derselbe zwang Serbien, Bosnien, die Moldau und die Walachei zur
Anerkennung seiner Oberherrschaft und entriß der Republik Venedig Dal-
matien, das diese seinen Vorgängern abgenommen hatte; er war über-
dies eifrig bedacht, das Wohl seiner Völker durch Gesetze und Stiftun-
gen zu befördern. 1370 wurde er auch König von Polen und dadurch
der mächtigste Monarch im östlichen Europa; er war auch weise genug,
um Neapel nicht mit Ungarn vereinigen zu wollen, nachdem er die Er-
mordung seines Vetters Andreas gerächt hatte (s. unten bei Neapel).
Von seinen Töchtern sollte die jüngere, Hedwig, die Krone Polens, die
ältere, Maria, die Ungarns erben; Maria verlobte er mit Sigismund,
die Königin-Wittwe Elisabeth sollte nach Ludwigs Tod (1382) einst-
weilen die Regentschaft führen. Eine Partei der ungarischen Großen
wählte dagegen Karl Iii. von Neapel zum König; derselbe wurde auch
1385 zu Stuhlweißenburg gekrönt, aber im Februar 1386 von der Par-
tei der Königin ermordet. Sein Sohn Ladislaus verfolgte zwar seine
Ansprüche mit Waffengewalt, Horvath, der Ban von Kroatien und La-
dislaus mächtigster Anhänger, ermordete sogar die Königin-Wittwe, Si-
gismund errang jedoch die Oberhand und war seit 1378 König von
Ungarn.
König Sigismund (1378—1437).
Hier hatte er bald mit den unruhigen Großen, bald mit den fürch-
terlichen Türken zu schaffen; gegen die Türken verlor er 1396 die große
Schlacht bei Nikopolis, was aber die Herren in Ungarn und Sieben-
bürgen nicht hinderte, zu ihren Aufständen Türkenhilfe zu gebrauchen
und 1401 den König in Ofen gefangen zu nehmen. Nun bekriegten
die deutschen Luxemburger Ungarn und schon nach achtzehnwöchentlicher
Gefangenschaft wurde Sigismund auö seiner Haft wieder frei. Darauf
demüthigte er mit Hilfe des Adels den hohen Klerus und erließ ein Lan-
desgesetz, durch welches die Geistlichen gehalten wurden, in weltlichen
Dingen von weltlichem Gerichte Recht zu nehmen, gerade wie es die
eidgenössischen Bauern einige Jahre vorher angeordnet hatten. Sonst
verdankt ihm Ungarn manches; er beförderte den Handel durch vernünf-
tige Zollgesetze, gab den Bauern freien Zug in die königlichen Städte
(deutsches, vielbestrittenes Städterecht), berief zum Reichstage Abgeord-
nete des Komitatsadels und der königlichen Städte, von welcher Zeit
ander ungarische Reichstag aus zwei Tafeln bestand: 8tatu8 et ordines.
Krieg gegen Venedig (14t0—1413).
Mit Venedig führte Sigismund als ungarischer König einen drei-
jährigen blutigen Krieg. Den Venetianern hatte der Usurpator der un-
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Robert Ludwig_der_Große Ludwig Andreas Hedwig Maria Maria Maria Maria Sigismund Elisabeth Ludwigs Karl_Iii Karl Ladislaus Horvath Sigismund_( Sigismund Sigismund
Ludwig Xiv. und die Kirche. 171
Hause Habsburg, so daß es in Europa nur noch zwei Wahlreiche
gab, Polen, das an dieser Freiheit zu Grunde ging, und Deutschland,
das darüber seine nationale Einheit verlor. Unterdessen wurde auch
Siebenbürgen befreit und Michael Apasi huldigte dem Kaiser als Schirm-
herrn; 1688 den 6. September fiel Belgrad durch einen fürchterlichen
Sturm in die Gewalt des christlichen Heeres, wobei sich der bayerische
Kurfürst wieder besonders auszeichnete. Nach Karl von Lothringen führte
den Oberbefehl der wackere Markgraf Ludwig von Baden, der 1689
die Türken bei Patasch und Nissa schlug, diese Stadt sowie Semen-
dria und Widdin eroberte und 1691 den großen Sieg bei Salanke-
men erfocht, in welchem Mustafa Kiuprili blieb, der 1690 den Christen
Belgrad und Serbien wieder entrissen hatte. Zuletzt befehligte Prinz
Eugenius und vertrieb die Türken durch die Schlacht bei Zenta
(11. Sept. 1697) aus Ungarn. Zm Frieden von Karlowitz (1699)
trat der Sultan Ungarn bis auf das Banat von Temeswar und Sie-
benbürgen (der junge Michael 11. Apasi legte 1690 die fürstliche Würde
in die Hände des Kaisers nieder) an Oesterreich ab, an die Venetianer
Morea und einige Inseln, denn auch Venedig half die Roßschweife rupfen,
seit die kaiserlichen Waffen siegreich waren. So wurde Ungarn größten-
theils durch deutsches Blut den Türken entrissen und die Magyaren soll-
ten es nie vergessen, daß sie ohne deutsche Hilfe die Sklaven türkischer
Paschen wären.
Viertes Kapitel.
Ludwig Xiv. und die Kirche.
Aushebung des Edikts von Nantes (22. Vktober 1685).
Während der französische König Eroberungen über seine Nachbarn
machte und auf neue sann, setzte er den Uebergriffen seiner Vorfahren
gegen die Kirche die Krone auf und die Päpste mußten es bereuen, daß
sie in ihrem Kampfe gegen die deutschen Kaiser den französischen Königen
zu gefällig gewesen waren. Wie Philipp der Schöne Bonifacius Viii.
lohnte, wissen wir, und von dieser Zeit an geht ein Widerstreben gegen
den päpstlichen Stuhl durch die Geschichte Frankreichs, dem auch der hohe
Klerus nicht fremd blieb, der sich auf die alten Rechte der „galli-
kanischen Kirche" berief und die Bestimmungen des Konstanzer und
Basler Koncils über das Verhältniß der Päpste zu den Koncilien an-
führte; keine Rede davon, daß Rom gegen den französischen Klerus jene
Reservationen von Beneftcien, Erspektationen und Annaten geltend machen
durfte, über welche in Deutschland so viel geklagt wurde. Papst Leo X.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig Michael_Apasi Karl_von_Lothringen Karl Ludwig_von_Baden Ludwig Mustafa_Kiuprili Eugenius Karlowitz Michael_11._Apasi Ludwig_Xiv Ludwig Philipp_der_Schöne_Bonifacius Philipp Leo_X Leo
Extrahierte Ortsnamen: Europa Polen Deutschland Belgrad Serbien Zenta Ungarn Ungarn Temeswar Oesterreich Ungarn Nantes Frankreichs Rom Deutschland
Rußland von der Mongolenherrschaft bis auf Peter den Großen. 193
aus dem Hause Romanow, mütterlicherseits von Rurik stammend,
bewilligen müssen; überdieß mußte er den Polen Smolensk, Severien
und Tschernigow überlassen. Dessen Sohn Al er ei I. (1646—1676)
eroberte in dem polnischen Kriege 1667 Smolensk und Severien wieder
und zwang die Kosaken in der Ukraine zur Anerkennung der russischen
Oberherrlichkeit. Sein Sohn Feodor Iii. (1676—1682) vernichtete
die Geschlechtsregister, aus welchen die Bojaren ihre Ansprüche auf
Dienstrang herleiteten, und unterwarf sie der kaiserlichen Allgewalt. Ihm
folgte (1682) sein blödsinniger Bruder Iwan und als Mitregent der
designierte Thronerbe Peter, ein Sohn aus Alereis I. zweiter Ehe;
aber durch die Strelitzen, welche in Rußland die Rolle der Prätorianer
und Janitscharen spielten, bemächtigte sich Peters ältere Halbschwester-
Sophia der Gewalt. Allein schon in seinem siebenzehnten Jahre (1689)
wagte es Peter, das ihm entrissene Recht wieder mit Gewalt sich anzu-
eignen; cs gelang ihm und er sperrte seine Schwester in ein Kloster;
Iwan führte jedoch bis zu seinem Tode (1696) den Titel Zar. Durch
den Genfer Le Fort hatte Zar Peter als Prinz von der Kultur Eu-
ropas erfahren; in seinem Herzen wurde eine brennende Sehnsucht rege,
diese Kultur mit eigenen Augen zu schauen und sie nach Rußland zu
verpflanzen. So wenig es seinen Russen gefiel, beförderte er doch die
Einwanderung fremder, besonders deutscher Handwerker, um den Ge-
werbsfleiß in Rußland einheimisch zu machen, berief auch viele Seeleute
und Offiziere, die er zur Bildung einer geregelten Militärmacht zu be-
nutzen gedachte. Dann ging er auf Reisen, indem er sich einer Ge-
sandtschaft anschloß, die er an mehrere Höfe abgeschickt hatte (1697).
Aber er war erst bis Wien gekommen, als ein neuer Aufstand der Stre-
litzen, den die mit Peters Neuerungen unzufriedenen Großen erregt hat-
ten, ihn heimrief. Die Empörung wurde mit leichter Mühe unterdrückt
und die vornehmen und geringen Schuldigen gepfählt, gerädert, gehenkt,
geköpft, zu Tode geknutet oder verstümmelt, wobei der Zar an 84 per-
sönlich den Henkerdienst übte. Hierauf errichtete er statt der Strelitzen
eine reguläre Garde, einige Reiterregimenter, und ging dann wieder in
das Ausland. Er besuchte Deutschland, Holland, England und Frank-
reich; da sah er Fabriken, Ackerbau, Seehäfen und Kriegshecre. In
Holland arbeitete er als Zimmermann, erlernte den Schiffsbau und
zimmerte selbst ein kleines Haus in Saardam, das man den Reisenden
noch heute zeigt. Von seinen Erfahrungen machte er für Rußland den
besten Gebrauch. Er baute auf dem Don eine Kriegsflotte, errichtete ein
Heer nach europäischem Muster, das größtcntheils von deutschen Offi-
zieren kommandiert wurde, und fuhr fort Fremde nach Rußland zu zie-
hen, die seinen Landsleuten als Muster in den Künsten des Friedens
und Krieges dienen sollten. Durch strenge Gesetze wollte er den Russen
Bumüller, Neue Zeit.
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Extrahierte Personennamen: Peter Feodor_Iii Peter Peters Peter Peter Peters Zimmermann
Extrahierte Ortsnamen: Tschernigow Smolensk Wien Deutschland Holland England Holland Saardam
Rußland unter Peter dem Großen.
205
Schlüssel des baltischen Meeres besitzt und dadurch Petersburg und seine
Städte an der Ostsee gegen jeden Angriff sicher stellt und kein englischer
Admiral mehr Petersburg in Grund zu schießen droht.
Andererseits wies Peter seine Nachfolger an das schwarze Meer.
Asow war ein zu kümmerlicher Antheil, als daß sich das russische Reich
damit begnügen konnte, und die zunehmende Schwäche der Pforte er-
leichterte die Eroberungen der Küsten des schwarzen Meeres ans eine
sehr einladende Weise. Seitdem ist das schwarze Meer bereits zu einem
russischen Landsee geworden, und wenn Rußland vollends die Meerenge
von Konstantinopel und die Dardanellen besitzt, so hat es ein zweites
geschlossenes Meer und ist auch im Süden unangreifbar.
Auch nach dem innern Asien richtete Peter seinen Blick. Auf dem
kaspischen See baute er Schiffe und fing darauf mit Persien Krieg
an, das ihm drei Provinzen: Masanderan, Asterabad und das seiden-
reiche Ghilan abtreten mußte. Jetzt befahren russische Dampfschiffe das
hyrkanische Meer der Alten und dringen den Orus und Jarartes hin-
auf in das Innere vor; der Handel mit dem Turan der alten Perser
ist in russischen Händen, Persien selbst an die russische Politik gekettet.
Peter war es aber auch, welcher die unbeschränkte Macht der rus-
sischen Herrscher seinen Nachfolgern fertig hinterlicß. Nach dem Frieden
von Nystädt, den Schweden 1721 eingehen mußte, legte er sich mit
gegründetem Stolze den Kaisertitel und den Beinamen des Großen bei.
Er nahm dem Adel seinen Einfluß auf die Negierung des Landes, er-
richtete statt des Bojarenhofes einen Senat, dessen Mitglieder der Kai-
ser ernennt, als obersten Gerichtshof des Reiches, für die Provinzen
aber Regierungskollegien. Die kaiserlichen Erlasse, Ukase, hatten auch
gesetzliche Geltung ohne die Beistimmung der Bojaren, und eine euro-
päisch-organisierte Polizei mit der geheimen Jnquisitionskanzlei wachte
über die öffentliche Sicherheit und über das Treiben unzufriedener Rus-
sen. Der russisch-griechischen Kirche war bisher ein Patriarch mit so
großen Rechten vorgestanden, daß er mit dem Kaiser die erste Person
des Reiches war; letzteres wurde besonders durch den Gebrauch ange-
deutet, daß der Zar und der Patriarch am Neujahrstage sich öffentlich
umarmten und küßten. Als (1700) der Patriarch Adrian starb, ließ
Peter keinen neuen mehr wählen und ernannte während 20 Jahren nur
Stellvertreter, so daß das Volk allmählig des sonst so hoch angesehenen
Patriarchen vergaß; dann setzte er 1720 eine heilige dirigierende Synode
ein, welche von ihm ihre Verhaltungsbefehle erhielt und wurde so auch
das Haupt der russischen Kirche. Ausdrücklich bemerkte er der Geistlich-
keit, er wolle nicht, daß das Volk neben dem Kaiser einen Patriarchen
sehe, dessen Worte es wie eine Stimme Gottes anhöre und ihm viel-
leicht gehorche, wenn er gegen die Verordnungen des Kaisers spreche.
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Extrahierte Personennamen: Peter Peter Peter Adrian Peter
Karl Vi. Türkenkrieg.
207
Anna, die Gemahlin Karl Friedrichs von Holstein-Gottorp, und die
erst dreizehnjährige Elisabeth, von seinem Sohne Alerei aber einen
Enkel Peter; von seinem Bruder Iwan stammte Anna, die Wittwe
des Herzogs von Kurland, und als Enkelin Anna, die Gemahlin An-
ton Ulrichs von Braunschweig; deren Sohn hieß Iwan. Diese Glieder
der kaiserlichen Familie waren bald darauf Ursache oder Vorwand von
Palastrevolutionen, wie solche an den morgenländischen Höfen vorzu-
kommen pstegen. Auf Peter I. folgte unmittelbar Katharina I., eine
Livländerin, die zuerst das Weib eines schwedischen Dragoners, dann
als Kriegsgefangene an den General Tscheremetew, hierauf an den Für-
sten Menzikow, zuletzt an den Kaiser selbst übergegangen war; Peter
erhob sie zu seiner Gemahlin und ernannte sie zur Nachfolgerin; sie re-
gierte aber nur von 1725—1727.
Zehntes Kapitel.
Karl Vi., der letzte Kaiser aus dem habsburgischen Mannsstamme
(1711 -1710).
Türkenkrieg (1716—1718).
Als der Friede mit Frankreich kaum abgeschlossen war und der nor-
dische Krieg noch fortdauerte, griffen die Türken Ungarn an, welches
sie für die Behauptung ihrer Provinzen jenseits des Balkans mit Recht
für unentbehrlich hielten. Ihr Muth war gewaltig gewachsen, weil es
ihnen (1715) gelungen war, den Venetianern Morea und alle Besitzun-
gen auf dem griechischen Festlande zu entreißen. Aber Prinz Eugen
schlug am 5. August 1716 180,000 Türken bei Peterwardein, er-
oberte im folgenden Jahre die wichtige Festung Temes war, schlug die
Türken in der blutigen Schlacht bei Belgrad und erwarb dieses Boll-
werk Ungarns wieder. Im Jahre 1521 hatte Sultan Solyman Bel-
grad erobert; dasselbe hieß bei den Türken Darol Dschihad, Haus des
heiligen Krieges, weil es ihr Hauptwaffenplatz gegen die abendländische
Christenheit und die Zwingburg für die Christen in Serbien und Bos-
nien war. 1688 hatte Kurfürst Mar Emmanuel von Bayern Belgrad
erstürmt, aber schon 1690 fiel es. wieder in die Hände der Türken.
Eugen belagerte die Festung und sie ergab sich, als er die 150,000 Tür-
ken, welche zum Entsätze anstürmten, am 16. August bis zur Vernichtung
geschlagen hatte. Den 21. Juli 1718 schloß der Kaiser unter Vermitt-
lung Englands und Hollands, aber gegen Eugens Rath, den Frieden von
Passarowitz, in welchem die Pforte das Banat, die Walachei bis an
die Aluta, Belgrad nebst einem Stücke von Serbien und Bosnien abtrat.
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Extrahierte Personennamen: Karl_Vi Karl Karl_Friedrichs_von_Holstein-Gottorp Karl Friedrichs Peter Anna Anna Iwan Katharina_I. Tscheremetew Peter Karl_Vi Karl Muth Eugen Eugen August Emmanuel_von_Bayern_Belgrad Eugen August Eugens_Rath Eugens
Dissidenten und Konföderierte in Polen. Erste Theilung Polens. 229
ihnen das Feld bauten, oder ihnen die Heerden der Rosse, Rinder und
Schafe weideten; die Herren selbst vergnügten sich auf der Jagd in den
ungeheuren Wäldern, praßten bei Gelagen oder reisten im Auslande, die
wenigsten befaßten sich mit der Verbesserung des Zustandes ihrer Bauern.
In den Städten konnte der Bürgerstand niemals aufkommen, die Handels-
geschäfte waren daher in den Händen der Juden, deßwegen hatte Polen
auch keinen Gewerbsfleiß und blieb ein armes Land. Durch das Aussterben
der Jagellonen wurde es 1572 ein förmliches Wahlreich. Der Adel
wählte den König, dem alle Macht entrissen und nur der Name gelassen
war; denn der König mußte vor allem die pacta conventa unterschreiben,
welche es ihm verboten, einem Prinzen von Geblüte eine Würde zu ver-
leihen, wodurch dieser Sitz und Stimme in dem Reichstage erhalten hätte;
er durfte keine Ländereien kaufen und sich keine konfiscierten Güter aneignen.
Die höchste Gewalt blieb bei dem Reichstage, der aus den höhern geist-
lichen und weltlichen Würdeträgern und den adeligen Deputierten der ein-
zelnen Distrikte bestand; da galt das unsinnige Recht des liberum veto,
dem zufolge das „Nein" eines einzigen Edelmannes jeden Beschluß ungiltig
machte; der polnische Reichstag ist durch seine stürmischen Auftritte in
Deutschland sprichwörtlich geworden. Das liberum veto hatte der Reichs-
tag dem Könige Johann Ii. Kasimir (1648—1672) abgedrungen,
welcher demselben vergebens den Untergang des Staates als nothwendige
Folge einer derartigen Anarchie voraussagte. Dem liberum veto gegenüber
hatte der Adel das Recht zur Durchführung eines Beschlusses Konfödera-
tionen oder Bündnisse zu machen, welche in der Regel zu Bürgerkriegen
führten. So mußte Polen untergehen, obwohl es auf ungefähr 14,000
Geviertmeilen 16 Millionen Einwohner zählte, der Adel kriegerisch war
und eine treffliche Reiterei stellte, die rohen Bauern den besten Stoff
zu einem Fußvolk darboten. Schon manchmal hatte Polen das Unheil-
volle einer solchen Verfassung erfahren; mit Mühe erwehrte es sich der
Schweden von Gustav Adolf bis auf Karl Xii., und unter Peter 1. hatte
es bereits brutale russische Einmischung dulden müssen, nichtsdestoweniger
blieb es bei seiner Verfassung. Selbst der edle Johannes Sobieski
(1674 — 1696), der in ganz Europa gefeierte Held, vermochte über die
Parteien nicht so viel, daß ihn während seiner Feldzüge gegen die Türken
und Tataren nicht ganze Heeresabtheilungen unter der Anführung eines
Großen, z. B. des Grafen Pac, verließen, und daß Polen (1699) seine
verlorenen Landstriche in Podolien und der Ukraine von den Türken zu-
rückerhielt, verdankte es nur dem Siege der österreichischen Waffen. Wie
verderblich Polen die Theilnahme Augusts Ii. (1696 —1733) an dem
nordischen Kriege war, ist oben bereits erzählt worden; unter dem glei-
chen Könige erfuhren die Rechte der Dissidenten 1717 eine beträcht-
liche Schmälerung, was sich 1737 unter seinem Nachfolger August Iii.
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Extrahierte Personennamen: Johann Kasimir_( Gustav_Adolf Gustav Adolf Karl_Xii Karl Peter_1. Johannes_Sobieski Augusts August
Extrahierte Ortsnamen: Polen Polens Deutschland Europa Polen Podolien
Die Revolutionen und Aufstände in der europäischen Türkei.
561
lution 1848 vom Baume fiel. (Seitdem haben die Fürstenthümer bekannt-
lich die Stellung Serbiens und einstweilige Union errungen.)
Die Träume oder Plane der dacischen Partei in den beiden Hospo-
dariaten scheinen wie das Spinngewebe, das man den fliegenden Som-
mer nennt, sich nicht ganz auf ihre Geburtsstätte beschränkt zu haben,
doch blieben sie ohne sichtbare Einwirkung auf den Gang der Dinge jen-
seits der Gränze, und noch weniger Bedeutung hatten die wiederkehren-
den Unruhen der muselmännischen Albanesen oder Arnauten, die von
den türkischen Pascha noch jedesmal durch Gewalt und Hinterlist be-
zwungen wurden. Die Häuptlinge der Albanesen gewähren bei ihrer
gegenseitigen Feindschaft und ihrer Geldgier den Pascha ein leichtes
Spiel; sind einige Köpfe gefallen, so ist wieder Ruhe und die Pforte
kann gegen Sold so viele dieser irregulären Krieger anwerben, als sie
für gut findet, lauft aber freilich Gefahr, daß dieselben auf türkischem
Boden ihr räuberisches Gelüsten befriedigen und sich um großherrliche
Befehle erst bekümmern, wenn dieselben von einer gehörigen Anzahl re-
gulärer Truppen Nachdruck erhalten.
So geschah es z. B. 1841 in Bulgarien. Die Bulgaren haben
das Lob treuer, mäßiger und fleißiger Leute, welche nicht nur zum Acker-
bau, sondern auch zu der Industrie und dem Handel viel Neigung und
Geschick zeigen, aber unkriegerisch sind; sie bewohnen nicht bloß die nach
ihnen benannte Provinz, sondern haben sich südwärts bis gegen Thessa-
lien und Epirus ausgebreitet. In dem russisch-türkischen Kriege von
1828 und 29 zeigten sie für die Russen keine bcsondern Sympathieen
und verhielten sich auch nach dem Kriege ruhig; 1836 jedoch, als in
Bosnien und Türkisch-Kroatien vereinzelte Aufstände stattfanden, hörte
man auch von Unruhen in Bulgarien, welche jedoch von keiner Bedeu-
tung sein konnten, denn sie waren bald verschollen und wahrscheinlich nur
die Folge einzelner Gewaltthaten, die sich der eine oder andere Türke
erlaubte. Planmäßig angelegt scheint jedoch ein bulgarischer Aufstand
im Jahre 1841 gewesen zu sein, möglicherweise war er eine verspätete
Folge der Einverständnisse, die Mehemet Ali von Aegypten gegen den
Sultan auf dessen europäischem Gebiete angesponnen oder veranlaßt hatte.
Einige bulgarische Bezirke griffen zu den Waffen, es genügten aber we-
nige Bataillone Arnauten zur Unterdrückung des Aufstandes, die hierauf
nach altem Brauche so lange mordeten und plünderten, bis sie durch
reguläres türkisches Militär zu einer andern Bestimmung abgeführt wur-
den. Damals erschien ein poetischer Aufruf der Bulgaren an das christ-
liche Europa, was den Verdacht wenigstens entschuldigt, der Aufstand
sei eine fremde Machination gewesen, um die öffentliche Meinung Euro-
pas gegen die Türken wieder aufzustacheln, denn die Katastrophe von
Navarin so gut als der russisch-türkische Krieg von 1828/29 wären un-
Duinüncr, Neue Zeit. Oc
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Extrahierte Personennamen: Ali_von_Aegypten
Extrahierte Ortsnamen: Serbiens Bulgarien Epirus Bosnien Bulgarien Europa