Ludwig Xiv. und die Kirche. 171
Hause Habsburg, so daß es in Europa nur noch zwei Wahlreiche
gab, Polen, das an dieser Freiheit zu Grunde ging, und Deutschland,
das darüber seine nationale Einheit verlor. Unterdessen wurde auch
Siebenbürgen befreit und Michael Apasi huldigte dem Kaiser als Schirm-
herrn; 1688 den 6. September fiel Belgrad durch einen fürchterlichen
Sturm in die Gewalt des christlichen Heeres, wobei sich der bayerische
Kurfürst wieder besonders auszeichnete. Nach Karl von Lothringen führte
den Oberbefehl der wackere Markgraf Ludwig von Baden, der 1689
die Türken bei Patasch und Nissa schlug, diese Stadt sowie Semen-
dria und Widdin eroberte und 1691 den großen Sieg bei Salanke-
men erfocht, in welchem Mustafa Kiuprili blieb, der 1690 den Christen
Belgrad und Serbien wieder entrissen hatte. Zuletzt befehligte Prinz
Eugenius und vertrieb die Türken durch die Schlacht bei Zenta
(11. Sept. 1697) aus Ungarn. Zm Frieden von Karlowitz (1699)
trat der Sultan Ungarn bis auf das Banat von Temeswar und Sie-
benbürgen (der junge Michael 11. Apasi legte 1690 die fürstliche Würde
in die Hände des Kaisers nieder) an Oesterreich ab, an die Venetianer
Morea und einige Inseln, denn auch Venedig half die Roßschweife rupfen,
seit die kaiserlichen Waffen siegreich waren. So wurde Ungarn größten-
theils durch deutsches Blut den Türken entrissen und die Magyaren soll-
ten es nie vergessen, daß sie ohne deutsche Hilfe die Sklaven türkischer
Paschen wären.
Viertes Kapitel.
Ludwig Xiv. und die Kirche.
Aushebung des Edikts von Nantes (22. Vktober 1685).
Während der französische König Eroberungen über seine Nachbarn
machte und auf neue sann, setzte er den Uebergriffen seiner Vorfahren
gegen die Kirche die Krone auf und die Päpste mußten es bereuen, daß
sie in ihrem Kampfe gegen die deutschen Kaiser den französischen Königen
zu gefällig gewesen waren. Wie Philipp der Schöne Bonifacius Viii.
lohnte, wissen wir, und von dieser Zeit an geht ein Widerstreben gegen
den päpstlichen Stuhl durch die Geschichte Frankreichs, dem auch der hohe
Klerus nicht fremd blieb, der sich auf die alten Rechte der „galli-
kanischen Kirche" berief und die Bestimmungen des Konstanzer und
Basler Koncils über das Verhältniß der Päpste zu den Koncilien an-
führte; keine Rede davon, daß Rom gegen den französischen Klerus jene
Reservationen von Beneftcien, Erspektationen und Annaten geltend machen
durfte, über welche in Deutschland so viel geklagt wurde. Papst Leo X.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig Michael_Apasi Karl_von_Lothringen Karl Ludwig_von_Baden Ludwig Mustafa_Kiuprili Eugenius Karlowitz Michael_11._Apasi Ludwig_Xiv Ludwig Philipp_der_Schöne_Bonifacius Philipp Leo_X Leo
Extrahierte Ortsnamen: Europa Polen Deutschland Belgrad Serbien Zenta Ungarn Ungarn Temeswar Oesterreich Ungarn Nantes Frankreichs Rom Deutschland
Rußland unter Peter dem Großen.
205
Schlüssel des baltischen Meeres besitzt und dadurch Petersburg und seine
Städte an der Ostsee gegen jeden Angriff sicher stellt und kein englischer
Admiral mehr Petersburg in Grund zu schießen droht.
Andererseits wies Peter seine Nachfolger an das schwarze Meer.
Asow war ein zu kümmerlicher Antheil, als daß sich das russische Reich
damit begnügen konnte, und die zunehmende Schwäche der Pforte er-
leichterte die Eroberungen der Küsten des schwarzen Meeres ans eine
sehr einladende Weise. Seitdem ist das schwarze Meer bereits zu einem
russischen Landsee geworden, und wenn Rußland vollends die Meerenge
von Konstantinopel und die Dardanellen besitzt, so hat es ein zweites
geschlossenes Meer und ist auch im Süden unangreifbar.
Auch nach dem innern Asien richtete Peter seinen Blick. Auf dem
kaspischen See baute er Schiffe und fing darauf mit Persien Krieg
an, das ihm drei Provinzen: Masanderan, Asterabad und das seiden-
reiche Ghilan abtreten mußte. Jetzt befahren russische Dampfschiffe das
hyrkanische Meer der Alten und dringen den Orus und Jarartes hin-
auf in das Innere vor; der Handel mit dem Turan der alten Perser
ist in russischen Händen, Persien selbst an die russische Politik gekettet.
Peter war es aber auch, welcher die unbeschränkte Macht der rus-
sischen Herrscher seinen Nachfolgern fertig hinterlicß. Nach dem Frieden
von Nystädt, den Schweden 1721 eingehen mußte, legte er sich mit
gegründetem Stolze den Kaisertitel und den Beinamen des Großen bei.
Er nahm dem Adel seinen Einfluß auf die Negierung des Landes, er-
richtete statt des Bojarenhofes einen Senat, dessen Mitglieder der Kai-
ser ernennt, als obersten Gerichtshof des Reiches, für die Provinzen
aber Regierungskollegien. Die kaiserlichen Erlasse, Ukase, hatten auch
gesetzliche Geltung ohne die Beistimmung der Bojaren, und eine euro-
päisch-organisierte Polizei mit der geheimen Jnquisitionskanzlei wachte
über die öffentliche Sicherheit und über das Treiben unzufriedener Rus-
sen. Der russisch-griechischen Kirche war bisher ein Patriarch mit so
großen Rechten vorgestanden, daß er mit dem Kaiser die erste Person
des Reiches war; letzteres wurde besonders durch den Gebrauch ange-
deutet, daß der Zar und der Patriarch am Neujahrstage sich öffentlich
umarmten und küßten. Als (1700) der Patriarch Adrian starb, ließ
Peter keinen neuen mehr wählen und ernannte während 20 Jahren nur
Stellvertreter, so daß das Volk allmählig des sonst so hoch angesehenen
Patriarchen vergaß; dann setzte er 1720 eine heilige dirigierende Synode
ein, welche von ihm ihre Verhaltungsbefehle erhielt und wurde so auch
das Haupt der russischen Kirche. Ausdrücklich bemerkte er der Geistlich-
keit, er wolle nicht, daß das Volk neben dem Kaiser einen Patriarchen
sehe, dessen Worte es wie eine Stimme Gottes anhöre und ihm viel-
leicht gehorche, wenn er gegen die Verordnungen des Kaisers spreche.
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Extrahierte Personennamen: Peter Peter Peter Adrian Peter
Dissidenten und Konföderierte in Polen. Erste Theilung Polens. 229
ihnen das Feld bauten, oder ihnen die Heerden der Rosse, Rinder und
Schafe weideten; die Herren selbst vergnügten sich auf der Jagd in den
ungeheuren Wäldern, praßten bei Gelagen oder reisten im Auslande, die
wenigsten befaßten sich mit der Verbesserung des Zustandes ihrer Bauern.
In den Städten konnte der Bürgerstand niemals aufkommen, die Handels-
geschäfte waren daher in den Händen der Juden, deßwegen hatte Polen
auch keinen Gewerbsfleiß und blieb ein armes Land. Durch das Aussterben
der Jagellonen wurde es 1572 ein förmliches Wahlreich. Der Adel
wählte den König, dem alle Macht entrissen und nur der Name gelassen
war; denn der König mußte vor allem die pacta conventa unterschreiben,
welche es ihm verboten, einem Prinzen von Geblüte eine Würde zu ver-
leihen, wodurch dieser Sitz und Stimme in dem Reichstage erhalten hätte;
er durfte keine Ländereien kaufen und sich keine konfiscierten Güter aneignen.
Die höchste Gewalt blieb bei dem Reichstage, der aus den höhern geist-
lichen und weltlichen Würdeträgern und den adeligen Deputierten der ein-
zelnen Distrikte bestand; da galt das unsinnige Recht des liberum veto,
dem zufolge das „Nein" eines einzigen Edelmannes jeden Beschluß ungiltig
machte; der polnische Reichstag ist durch seine stürmischen Auftritte in
Deutschland sprichwörtlich geworden. Das liberum veto hatte der Reichs-
tag dem Könige Johann Ii. Kasimir (1648—1672) abgedrungen,
welcher demselben vergebens den Untergang des Staates als nothwendige
Folge einer derartigen Anarchie voraussagte. Dem liberum veto gegenüber
hatte der Adel das Recht zur Durchführung eines Beschlusses Konfödera-
tionen oder Bündnisse zu machen, welche in der Regel zu Bürgerkriegen
führten. So mußte Polen untergehen, obwohl es auf ungefähr 14,000
Geviertmeilen 16 Millionen Einwohner zählte, der Adel kriegerisch war
und eine treffliche Reiterei stellte, die rohen Bauern den besten Stoff
zu einem Fußvolk darboten. Schon manchmal hatte Polen das Unheil-
volle einer solchen Verfassung erfahren; mit Mühe erwehrte es sich der
Schweden von Gustav Adolf bis auf Karl Xii., und unter Peter 1. hatte
es bereits brutale russische Einmischung dulden müssen, nichtsdestoweniger
blieb es bei seiner Verfassung. Selbst der edle Johannes Sobieski
(1674 — 1696), der in ganz Europa gefeierte Held, vermochte über die
Parteien nicht so viel, daß ihn während seiner Feldzüge gegen die Türken
und Tataren nicht ganze Heeresabtheilungen unter der Anführung eines
Großen, z. B. des Grafen Pac, verließen, und daß Polen (1699) seine
verlorenen Landstriche in Podolien und der Ukraine von den Türken zu-
rückerhielt, verdankte es nur dem Siege der österreichischen Waffen. Wie
verderblich Polen die Theilnahme Augusts Ii. (1696 —1733) an dem
nordischen Kriege war, ist oben bereits erzählt worden; unter dem glei-
chen Könige erfuhren die Rechte der Dissidenten 1717 eine beträcht-
liche Schmälerung, was sich 1737 unter seinem Nachfolger August Iii.
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Extrahierte Personennamen: Johann Kasimir_( Gustav_Adolf Gustav Adolf Karl_Xii Karl Peter_1. Johannes_Sobieski Augusts August
Extrahierte Ortsnamen: Polen Polens Deutschland Europa Polen Podolien
Die Revolutionen und Aufstände in der europäischen Türkei.
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lution 1848 vom Baume fiel. (Seitdem haben die Fürstenthümer bekannt-
lich die Stellung Serbiens und einstweilige Union errungen.)
Die Träume oder Plane der dacischen Partei in den beiden Hospo-
dariaten scheinen wie das Spinngewebe, das man den fliegenden Som-
mer nennt, sich nicht ganz auf ihre Geburtsstätte beschränkt zu haben,
doch blieben sie ohne sichtbare Einwirkung auf den Gang der Dinge jen-
seits der Gränze, und noch weniger Bedeutung hatten die wiederkehren-
den Unruhen der muselmännischen Albanesen oder Arnauten, die von
den türkischen Pascha noch jedesmal durch Gewalt und Hinterlist be-
zwungen wurden. Die Häuptlinge der Albanesen gewähren bei ihrer
gegenseitigen Feindschaft und ihrer Geldgier den Pascha ein leichtes
Spiel; sind einige Köpfe gefallen, so ist wieder Ruhe und die Pforte
kann gegen Sold so viele dieser irregulären Krieger anwerben, als sie
für gut findet, lauft aber freilich Gefahr, daß dieselben auf türkischem
Boden ihr räuberisches Gelüsten befriedigen und sich um großherrliche
Befehle erst bekümmern, wenn dieselben von einer gehörigen Anzahl re-
gulärer Truppen Nachdruck erhalten.
So geschah es z. B. 1841 in Bulgarien. Die Bulgaren haben
das Lob treuer, mäßiger und fleißiger Leute, welche nicht nur zum Acker-
bau, sondern auch zu der Industrie und dem Handel viel Neigung und
Geschick zeigen, aber unkriegerisch sind; sie bewohnen nicht bloß die nach
ihnen benannte Provinz, sondern haben sich südwärts bis gegen Thessa-
lien und Epirus ausgebreitet. In dem russisch-türkischen Kriege von
1828 und 29 zeigten sie für die Russen keine bcsondern Sympathieen
und verhielten sich auch nach dem Kriege ruhig; 1836 jedoch, als in
Bosnien und Türkisch-Kroatien vereinzelte Aufstände stattfanden, hörte
man auch von Unruhen in Bulgarien, welche jedoch von keiner Bedeu-
tung sein konnten, denn sie waren bald verschollen und wahrscheinlich nur
die Folge einzelner Gewaltthaten, die sich der eine oder andere Türke
erlaubte. Planmäßig angelegt scheint jedoch ein bulgarischer Aufstand
im Jahre 1841 gewesen zu sein, möglicherweise war er eine verspätete
Folge der Einverständnisse, die Mehemet Ali von Aegypten gegen den
Sultan auf dessen europäischem Gebiete angesponnen oder veranlaßt hatte.
Einige bulgarische Bezirke griffen zu den Waffen, es genügten aber we-
nige Bataillone Arnauten zur Unterdrückung des Aufstandes, die hierauf
nach altem Brauche so lange mordeten und plünderten, bis sie durch
reguläres türkisches Militär zu einer andern Bestimmung abgeführt wur-
den. Damals erschien ein poetischer Aufruf der Bulgaren an das christ-
liche Europa, was den Verdacht wenigstens entschuldigt, der Aufstand
sei eine fremde Machination gewesen, um die öffentliche Meinung Euro-
pas gegen die Türken wieder aufzustacheln, denn die Katastrophe von
Navarin so gut als der russisch-türkische Krieg von 1828/29 wären un-
Duinüncr, Neue Zeit. Oc
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TM Hauptwörter (200): [T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk]]
Extrahierte Personennamen: Ali_von_Aegypten
Extrahierte Ortsnamen: Serbiens Bulgarien Epirus Bosnien Bulgarien Europa