Der 13. März zu Wien und sein Gefolge rc.
635
serstadt von jungen Leuten und Fremdlingen zu wiederholten Aufständen
verleiten, um den letzten Nerv der Monarchie zu lähmen; arbeitet im
Dienste Mazzinis und Kossuths an der Zerstörung des großen Reichs,
dessen Hauptstadt sie ist, dem sie ihre Größe und ihren Ruhm verdankt,
mit dessen Zerfall ihr eigener verbunden wäre.
In Wien frevelten die Revolutionäre unter der Firma der deutschen
Nationalität, in Ungarn unter der Firma der magyarischen, in der Lombar-
dei mußte die italienische dieselben Dienste verrichten; den Ztalienern bot
Radetzky die Stirne; gegen das Unwesen aber, das sich mit den deutschen
Farben umkleidete, sowie gegen den magyarischen Uebermuth erhoben sich
die slavischen Stämme, die weder germanisiert noch magyarisiert sein
wollten. Anfangs schien es, als ob auch sie an der Zertrümmerung des
Reichs arbeiteten, indem sie auf dem Slavenkongresse zu Prag
(2. Juni) eine eigene Negierung, die Vereinigung Mährens und Schle-
siens mit Böhmen forderten, also ein slavisches Oesterreich dem nichtslavi-
schen gegenüber stellten, wie auch die Kroaten, Slavonier und Dalmatier
sich gleich den Magyaren ein eigenes Ministerium erbaten, die Slaven
kamen jedoch bald auf die rechte Bahn zurück und wurden zur Haupt-
stütze der Monarchie. In Böhmen geschah es nicht ohne Kampf; zu
Prag hatte sich der slavischen Bewegung eine demokratische angehängt,
die sich der Stadt bemächtigen wollte, wobei die Studentenlegion fast
ganz nach dem Muster der Wienerischen zu Werke ging. Aber der Gou-
verneur von Prag, Fürst Alfred von Windischgrätz, ließ sich weder
überlisten noch einschüchtern, und als am 12. Juni der Aufstand in der
Altstadt zum Barrikadenmittel griff, zeigte der Fürst durch das Spiel
seiner Batterieen auf dem Hradschin, daß er nur vollen Ernst zu machen
brauche, um den Straßenaufruhr zu zerschmettern. Dies wirkte, die
Bürgerschaft wollte die Stadt keiner nachdrücklicheren Beschießung aus-
setzen, sie entfernte die Barrikaden und zwang die Störenfriede nachzu-
geben, so daß Ruhe und Gehorsam fortan gesichert blieben, der Ultra-
slavismus aufhörte.
Zn Ungarn führte der Antagonismus der Nationalitäten schon im
April zu Blutscenen; die Serben (Raizen) an der unteren Donau (in
Sirmien, Bodrogh, Banat) widersetzten sich der Magyarisierung mit be-
waffneter Hand, Kroatien und Slavonien protestierten in einem Mani-
feste (31. Juli) gegen die Unterordnung unter die Magyaren und fän-
den in dem Banns Zellachich einen tüchtigen Führer. Der ungarische
Reichstag (am 5. Juli eröffnet) that nun die letzten Schritte zur Ein-
leitung der vollständigen Trennung; er schuf ein eigenes Papiergeld,
dekretierte die Organisierung einer massenhaften Landwehr und befahl
gegen die renitenten Slaven als gegen Aufrührer mit Waffengewalt ein-
zuschreiten. Der Kaiser konnte nicht zugeben, daß das ungarische Mini-
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung]]
TM Hauptwörter (200): [T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Radetzky Alfred_von_Windischgrätz Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Wien Wien Ungarn Oesterreich Prag Donau Sirmien Bodrogh Kroatien
246 Englische Revolution. Zeitalter Ludwigs Xiv. ,c.
satz nach außen zu verschaffen, und schloß deßwegen mit der Türkei einen
vorteilhaften Handelsvertrag; er ahnte, was aus der Donau werden
mußte, wenn Ungarn erst in freien Verkehr mit den andern Ländern
der Monarchie gebracht werde. Aber auch dies sollte der Kaiser nicht
erreichen; eben weil er zu viel auf einmal wollte, erreichte er fast nichts,
und weil er kein Recht bei anderen achtete, sobald er dasselbe für un-
vernünftig und schädlich hielt, kam seinem Befehle jener gute Wille nicht
entgegen, welcher allein den Anordnungen der Herrscher gedeihliche Fol-
gen schafft.
Josephs Anordnungen in Ungarn.
Ungarn sah damals in mancher Hinsicht dem Nachbarlande Polen
gleich; auch hier war der Adel die eigentliche Nation, kriegerisch, ver-
schwenderisch, zum Uebermuthe gegen die Schwächeren und zum Unge-
horsame gegen die Krone geneigt; dazu kam derselbe ungebärdige Natio-
nalstolz, der die Polen beseelte, so lange sie noch in ihrer Unordnung
und Freiheit lebten. Hätten die früheren Herrscher Ungarns nicht ein-
zelne Städte gegründet, deren Bevölkerung mehrentheils eine deutsche
war, nicht deutsche Kolonieen in den Karpathen und in Siebenbürgen
angesiedelt, so hätte es auch in Ungarn wie in Polen nur Adel und
Leibeigene gegeben. Der Bauer trug alle Lasten, der Adel keine, so daß
das gemeine Volk in der Landessprache ofstciell die „miseru oontribusns
pleds" (das arme steuernde Volk) genannt wurde. Zudem war Ungarn
nicht von einer einzigen Nation allein bewohnt; Maghparen, Slaven
verschiedenen Stammes, Griechen (Rumänen) und Deutsche hausten
neben und durcheinander mit verschiedenen Sprachen und verschiedenen
Rechten, einander vielfach feindselig; Ungarn war demnach der unaus-
gebildetste Staat des ganzen christlichen Europa. Was sein sollte, das
sah der Kaiser recht gut ein, aber indem er einen bessern Zustand nicht
anbahnen und zu ihm nicht die Grundsteine legen, sondern rasch schaffen
wollte, bereitete er sich unüberstcigliche Hindernisse. Gleich anfangs er-
bitterte er die Ungarn dadurch, daß er sich die Krone des hl. Stephan
nicht in Preßburg aufsetzen ließ; er wollte so den Krönungseid ver-
meiden, der ihn an die hergebrachten Gesetze unv Rechte Ungarns ge-
bunden hätte; indem er die Krone nämlich nach Wien bringen ließ,
schien er zu erklären, daß er als Erbe der Monarchie des Hauses Habs-
burg bereits auch König von Ungarn sei. Dann erhob er die deutsche
Sprache zur Geschäftssprache; drei Zahre wurden den Beamten zu ihrer
Erlernung gestattet; welcher sie bis dahin nicht erlernt hätte, sollte sein
Amt verlieren. Ebenso veränderte Zoseph die ganze Gerichtsverfassung
des Landes, welche allerdings einer durchgreifenden Verbesserung bedurfte.
Kroatien, Slavonien und das Banat wurden neu eingetheilt, deßgleichen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
TM Hauptwörter (100): [T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde]]
TM Hauptwörter (200): [T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land]]
Extrahierte Personennamen: Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Donau Josephs Ungarn Polen Siebenbürgen Ungarn Polen Europa Wien Ungarn Kroatien
874
Europa
— Ö st erreich-Ungarn.
zergangen wie entstanden; und das nicht allein, auch die Rechte und Freiheiten, welche
die Nation Jahrhunderte lang besessen, wurden der Gnade des obsiegenden Herrn völlig
preisgegeben. Während der Revolntions poche hatte Ungarn versucht, die sogenannten
Nebenländer — Siebenbürgen, Kroatien und Slavonien, die Militärgrenze — die bis
dorthin faktisch von ihm ganz unabhängig gewesen waren, sich anzugliedern und zu
einem großen Reiche zu vereinigen; allein die Bevölkerung derselben hatte dieser Per-
einigung, von der man eine Unterdrückung der heimischen Nationalitäten durch die
Magyaren fürchtete, widerstrebt und wesentlich znm Siege Oesterreichs ü8er Ungarn
beigetragen. Zum Danke für die gebrachten Opfer wurden sie nun nicht nur als
selbständige Kronländer eingerichtet, sondern es wurde auch, zur Belohnung der Serben,
aus dem Banat und der Woiwodina ein neues Kronland, die serbische Woiwod-
schaft, errichtet. In Ungarn aber herrschte von nun an die österreichische Regiernng
mit unumschränkter Gewalt. Es bestand eine geordnete Verwaltung, gute Justiz,
rasches Gedeihen auf allen wirtschaftlichen Gebieten. Die Germanisirnng machte un-
glaubliche Fortschritte, die Magyaren aber trauerten und stählten sich in passivem
Widerstande.
Infolge der Ereignisse von 186ß kam Ungarn in die glückliche Lage, diese Verhält-
nifse wieder zu ändern und die Gleichberechtigung mit dem cisleithanischen Kerne wieder
zu erringen. Ungarn und Siebenbürgen wurden unter einem gemeinsamen Ministerium
vereinigt und erhielten im ungarischen Reichstag eine gemeinsame Vertretung; Kroatien-
Slavonien wurde auch wieder mit Ungarn verbunden, behielt aber daneben noch eine
Sonderregiernng und einen Sonderlandtag. Die Militärgrenze verblieb vorläufig unter
dem Reichskriegsministerium. Diesen Ausgleich von 1867 haben eigentlich die Magyaren
allein, ohne die 10 Mill. der andern Nationalitäten Ungarns gemacht; denn sie allein
bildeten damals eine rührige, politisch geschulte Masse von mehr als 5 Mill., jede der
andern Völkerschaften betrug weniger, keine war gewappnet und entschlossen. So er-
langten sie eine Herrschaft, die in keinem Verhältnisse zu ihrer Volkszahl, zu ihrer Kultur
und Bildung steht. Wie haben nun die Magyaren bis jetzt die Probe ihrer Regierungsfähig-
keit bestanden? In politischer Beziehung unzweifelhaft glänzend; sie haben in dieser kurzen
Zeit ein magyarisches Ungarn fertig gebracht, welches magyarischen Interessen dient und von
magyarischen Verbindnngssäden durchzogen ist. Auch sonst wurde manches Gute ge-
fördert (z. B. durch Anlage von Eisenbahnen.) Aber Ungarn ist ein erbarmungsloser
Centralisationsstaat geworden, Siebenbürgen ist in Comitate zerschlagen und jeder Spur
provinzieller Selbständigkeit, die Woiwodina sogar ihres Namens beraubt. Gründliche
Kenner der Verhältnisse entwerfen ein trübes Bild von den innern Zuständen des
Landes. *) Zwei Dinge, sagen sie, schlagen dem Reisenden, sowie er den Fuß über die
ungarische Grenze setzt, im Gegensatze zur früheren deutschen Verwaltung sofort ins
Gesicht: die schlechte Rechtspflege und der Völkerhader. Sofort nach er-
langter Herrschaft warf sich die ganze Energie der Magyaren, ihr politisches Talent, ihr
wildes Ungestüm, ihre tiefe Angst vor der Zukunft auf das eine große Ziel, ans Ungarn
einen magyarischen Staat zu machen. Um nicht selbst in den Wogen des Slaventhnms
unterzugehen, werden sie dämonisch getrieben, andere Nationen zu erwürgen; sie ahnen
*) Dr. von Löher, die Magyaren und cndcre Ungarn. Leipzig 1874.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]