570 Die Kriege in Italien und das deutsche Reich
Kirche, der er ebenfalls trotzte. Bei einem Wechsel der höchsten Be-
amten, der Signorie, entging ihm die Stütze, die er bisher gehabt. Auf
Grund einer gegen ihn geführten Untersuchung wurde er in Rom für
einen Häretiker und Volksaufwiegler erklärt. Der Irrthum seines Lebens
war, daß er durch den Staat auf dem Wege der Gewalt die Kirche
reformiren wollte, und wenn er auch nicht von der kirchlichen Lehre
abgewichen ist, war er häretisch in dem weiteren Sinne, der auch den
Versuch, die Einheit der kirchlichen Regierung zu zerreißen, umfaßt.
4. An den beendeten Krieg schloß sich eine Reihe von Kriegen um
Italien mit einer Menge von Bündnissen, die nach augenblicklichem Vor-
theil die Parteistellung änderten, und einer Reihe von Friedensschlüssen,
die für kurze Zeit dem Versuche Raum machten, wie weit man die ein-
getretene Lage der Dinge ertragen oder wie bald man für ein Miß-
lingen sich entschädigen könne. Es war die in Italien längst ausgebil-
dete Staatskunst, welche jetzt nach großem Maßstabe geübt wurde, eine
Staatskunst, welcher der Betrug als hauptsächliches Mittel des Gewinnes
diente. Sie hat von der Nachwelt den Namen des damaligen floren-
tinischen Staatsschreibers Machiavelli erhalten, weil in dessen Buche vom
Fürsten ohne Rücksicht aus Recht und Sitte Regeln für Befestigung einer
neu gegründeten Macht zusammengestellt sind. Den nächsten Anlaß zur Fort-
setzung jener Händel gab Karls Nachfolger Ludwig Xu. (1498—1515),
der bisherige Herzog von Orleans, durch die Eroberung Mailands.
Im Jahre 1499 ward Ludwig Moro vertrieben, und im Jahre 1500
kam er bei dem Versuche der Wiedereroberung, da die Schweizer in
seinem Heere gegen die Schweizer im feindlichen nicht kämpfen wollten
und ihn nicht einmal schützten, in französische Gefangenschaft, in der er
auch sein Leben beschloß. Diese Eroberung war im Einverständnisse mit
Venedig und dem Papste gemacht. Die Venetianer bekamen einen An-
theil an derselben. Der Papst aber verfolgte jetzt einen Zweck, den er
mit französischer Hülfe zu erreichen hoffte. Er hatte schon in Ludwigs
ungerechtes Verlangen nach einer Ehescheidung gewilligt, daß derselbe
das von seinem Vorgänger gewonnene Herzogthum Bretagne durch
Verheirathung mit dessen Wittwe der Krone erhalten konnte. Seine
Absicht war, seinem Sohne Cäsar, der, eben so ungeistlich als er, die
Würde eines Cardinals bekleidete, ein Fürstenthum aus den nördlichen
Gebieten des Kirchenstaates zu bilden, wo einzelne Herren fast unab-
hängig regierten. Die Sache hatte auch Fortgang, indem hier von Kühn-
heit und List das Aeußerste, was man sich unter machiavellistischem Ver-
fahren denken kann, zur Anwendung gebracht wurde. Da der Papst
an Ludwig gebunden war, Florenz noch durch den Krieg mit Pisa be-
schäftigt wurde und Venedig sich in einem von Ludwig Moro gegen
dasselbe erregten Kriege mit dem osmanischen Sultan Bajazet U.
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Italien Italien Staatsschreibers_Machiavelli Karls Mailands Venedig Ludwigs Florenz Venedig
600 Kaiser Karl V. und die Kirchentrennung in Deutschland.
Hohn gegen alles Heilige trieben. Der Papst, der sich in die Engels-
burg geflüchtet, mußte den Abzug des Heeres durch eine große Geld-
summe erkaufen. Nun rückte ein französisches Heer unter Lautrec in
Italien ein, und dasselbe wurde auch nicht zurückgezogen, als Karl ein
früheres Erbieten des Gegners, für das Herzogthum Burgund eine Geld-
summe zu zahlen, annehmen wollte. Karl nannte im Hinblick auf den
Vertrag von Madrid den König einen Lügner und bestimmte demselben,
als er mit einer Herausforderung zum Zweikampfe antwortete, einen
Ort dazu, wo jedoch Franz nicht erschien. Das französische Heer drang
nun nach Neapel vor, wodurch das noch in Nom hausende kaiserliche
Heer ebenfalls dahin anfzubrechen veranlaßt wurde. Die französische
Unternehmung im Süden mißrieth. Zwar unterstützten die Belagerung
der Stadt venetianische und genuesische Schiffe, aber während im Heere
der Franzosen die Pest ausbrach, ging der Führer der Genuesen, der
um das Seewesen seines Staates verdiente Andreas Doria, der sich
von Franz gekränkt fühlte, zu dem Kaiser über, der die geforderte An-
erkennung Genua's als einer Republik gewährte. Nur Wenige aus
Lautrecs Heer sahen Frankreich wieder, und aus Mailand war ein an-
deres Heer schon vertrieben. Da begaben sich des Kaisers Vater-
schwester Margaretha, die Statthalterin der Niederlande, und des Königs
Mutter nach Cambrap, wo sie die Bedingungen des Friedens feststellten.
Dieser im Zahre 1529 geschlossene Friede, der Damenfriede genannt,
ließ den König gegen die angebotene Zahlung im Besitze von Burgund,
schloß die Verzichtleistung auf Italien in sich, verschaffte den Anhängern
Bourbons Zurückgabe ihrer Güter und bestimmte die Vermählung von
Karls Schwester Eleonore mit dem Könige. Es folgte der Friede mit
König Heinrich, sowie mit dem Herzoge Franz Sforza und den Vene-
tianern, die beide Geldzahlungen zu leisten hatten. Der darauf folgen-
den Regelung der Verhältnisse in Italien blieb nur Florenz fremd, das
sich von Neuem gegen das Haus Medici erhoben hatte. Der Kaiser,
der aus Spanien nach Italien kam, versöhnte sich mit dem Papste und
empfing von demselben in Bologna im Zahre 1530 an seinem Ge-
burtstage die Kaiserkrönung, die letzte, die ein deutscher Kaiser von
einem Papste erhalten. Da fanden auch die Angelegenheiten von Florenz
ihre Erledigung, weil Clemens Vh. die Wiedereinsetzung seines Hauses
sich von dem Kaiser ausbedungen hatte. Es ward erobert, und Alexan-
der, der Sohn Lorenzo's Ii., ward erbliches Oberhaupt des Staates
mit dem Titel eines Herzogs. Noch von Bologna aus hatte der Kaiser,
dessen Anwesenheit in Deutschland die Protestanten und die Türken er-
forderten, einen Reichstag nach Augsburg, den er selbst halten wollte,
ausgeschrieben.
13. Karls Auftreten in Deutschland war voll Würde und Milde
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Burgund Madrid Neapel Frankreich Mailand Niederlande Königs Cambrap Burgund Italien Italien Haus_Medici Spanien Italien Bologna Bologna Deutschland Karls Deutschland
Die Kirchentrennung in England, im Norden und in Polen. 619
solchen Neigung hervortraten, gegen dieselben sofort jene Wachsamkeit,
welche gegen Inden und Mauren geübt worden war. Italien konnte
sich bei dem vielfacheren Verkehr mit Deutschland nicht gegen die neue
Lehre verschließen, und die Schaaren deutscher Kriegsleute höheren und
niederen Standes mußten das Land mit Kunde von den neuen Bestre-
bungen erfüllen. Doch ein Zerwürfniß mit den Ordnungen der Kirche
führte hier nicht zu Ausbildung neuer Lehre und neuen Kirchenthums,
sondern riß diejenigen, bei denen es eintrat, auf die Bahn des Unglau-
bens und des unkirchlichen Lebens, auf welcher sich ein Bedürfniß nach
verändertem Glauben und verändertem Kirchenthum ebensowenig ent-
wickelte, als es einst in den Kreisen der gibellinischen oder der antiken
Bildung geschehen war. Im Osten Europas blieb Rußland, wie es
von der abendländischen Kirche getrennt war, auch der in ihr ausge-
brochenen Bewegung fremd. In Polen drang dieselbe, wie in Ungarn,
vermöge der Nachbarschaft und des von der deutschen Bildung auf jene
Länder ausgeübten Einflusses frühzeitig ein, brachte es aber in Polen
noch weniger als in Ungarn zu einer Umgestaltung des Staatswesens.
Dagegen fand der Protestantismus in England, sowie in den Staaten des
Nordens, in Schottland, Dänemark, Norwegen, Schweden und Lifland
vermöge der dort obwaltenden staatlichen Verhältnisse einen Boden, wo
er nicht bloß Wurzel faßte, sondern durch Verdrängung der katholischen
Religion schon zur Herrschaft gelangt war, als er in Deutschland noch
um sein Bestehen kämpfte«
2. In England ging die kirchliche Umwälzung von König Hein-
rich Viii. aus, und sein Beginnen wurzelte in der Leidenschaft. Eine
Hinneigung zu Luthers Lehre hatte er nicht, da er gegen denselben nicht
lange nach dem Anfänge des Streites die kirchliche Lehre vertheidigte,
wofür ihm Papst Leo den Titel eines Vertheidigers des Glaubens bei-
legte. Das Verlangen nach Trennung einer eingegangenen Ehe, das schon
früher oft dem päpstlichen Stuhle Veranlassung zum Widerstande gegen
fürstliche Willkühr gegeben, versetzte den König von England bei dem
Schutze, den gegen ihn das Recht zu Rom fand, in eine Verlegenheit,
in welcher der schon geläuflg gewordene Gedanke einer Lossagung von
der kirchlichen Hoheit des Papstes einen Ausweg zeigte. Der Wunsch
nach einer neuen Verbindung bewog ihn, Zweifel gegen die Rechtmäßig-
keit seiner Ehe mit Katharina zu äußern, die er als die Wittwe eines
älteren Bruders nur mit besonderer Erlaubniß des Papstes Julius Ii.
hatte heirathen können. Seine diesfälligen Vorstellungen langten in
Rom zu der Zeit an, als Clemens Vii. nach der Eroberung Roms an
seiner Versöhnung mit dem Kaiser arbeitete und, da er diesen durch
einen seine Tante kränkenden Ausspruch zu verletzen ganz besonders
scheuen mußte, sich um so mehr zur Vorsicht aufgefordert sah. Da es auf
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Extrahierte Ortsnamen: England Polen Italien Deutschland Europas Polen Ungarn Polen Ungarn England Schottland Dänemark Norwegen Schweden Deutschland England England Rom Rom