— 162 —
oft an 500 000 Menschen selbst aus den fernsten Gegenden Asiens
zusammenströmen. — Tula mit 111 000 E. hat die größten
Waffen- und Metallwarenfabriken, das „russische Birmingham".
— Woronesch am Don (84000 E.) betreibt lebhasten Handel.
— Archangelsk mit 21 000 E., unfern der Dwinamündung ge-
legen, ist für Ausfuhr von Schiffsbauholz wichtig.
2. Kleinrußland (die Ukraine). K i j e w am Dnjepr (247 000 E.)
ist Mittelpunkt der Rübenznckerindustrie. Uuiversität. — Charkow
(175 000 E.) hat blühenden Handel, besonders mit Getreide und
Wolle. Universität.
3. Südrußland, das ehemals türkische Gebiet am Schwarzen
Meere. Kischinew (109 000 E.) im Bezirk des Wein- und Tabak-
baues. — Odessa, unweit der Mündung des Dnjeftr (405 000 E.),
ist die bedeutendste russische Handelsstadt am Schwarzen Meere, Stapel-
Platz und Hanptaussuhrort für Getreide. Universität. — Nikolajew
(92 000 E.) ist die Hauptstation für die russische Kriegsflotte im
Schwarzen Meere. In der Nähe viele deutsche Kolonien.
4. Westrußland. Wilna (160000 E.) ist die bedeutendste
Stadt Litauens.
5. Das Königreich Polen. Die Hauptstadt Warschau an der
Weichsel (638 000 E.) ist Mittelpunkt der Gewerbethätigkeit und des
Handels Polens. Festung. Russische Universität. — Lodz (mit Vor-
orten 315 000 E.) hat sehr bedeutende Leinen- und Baumwollindustrie.
6. Die Ostseeprovinzen. St. Petersburg an der Newa-
Mündung (mit Vororten 1 267 000 E.), die von Peter dem Großen
gegründete, großartig angelegte neue Hauptstadt, ist der erste Handels-
platz Rußlands. Universität. — Der Kriegshafen Kronstadt
(60 000 E.) ist die Schutzfestung für Petersburg. — Dorpat,
rusf. Jurjew (42 000 E.) mit (ehemals deutscher) Universität. —
Reval (65000 E.) ist ein lebhafter Handelsplatz am Finnischen
Meerbusen. — Riga an der Dünamündung (mit Vororten
283 000 E.) ist die zweite russische Handelsstadt an der Ostsee,
wichtig als Stapelplatz und Ausfuhrort für Holz, Getreide, Hanf
und Flachs. — Libau (65 000 E.), aufblühende Hafenstadt.
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Preußen, Pommern, Mecklenburg in sich gegliedert durch die
parallelen Durchbrüche der Weichsel und Oder und durch deren
und des Pregel und Niemen breite und fette Niederungen. Die
bedeutendste Entwicklung im deutschen Ordenslande*).
Sein Vorland an der Straße von Marienburg nach Königs-
berg und von da über Tilsit nach Livland reicher geschicht-
licher Boden, im Inneren noch nicht ausgeglichene Gegensätze der
Kultur zwischen den deutschen Städten und der lettischen und
slavischen (masurischeu) Landbevölkerung; ähnlicher Gegensatz an
der Grenze Pommerns (Kassuben) und Westpreußens, eine Nach-
Wirkung des der deutsch-evangelischen Kultur feindlich entgegen-
getretenen Thorner Friedens. Das übrige Küstenland vollständig
germanisiert.**) Im insularen***) Holstein und Schleswig
(Stecknitzkanal, Eiderkanal, Isthmus zwischen Schleswig und
Tondern, Dannewirk) begleitet die Seeplatte oft mit lieblichen
Waldlandschaften die Ostküste, dahinter die Geest, auf ihr die
Verbindung nach dem N., westlich zur Nordseeküste friesisches
Marschland bis Ditmarschen. Der Zusammenhang mit der
offenen Nordsee durch die Batten gehemmt, der Nordseehafeu
Altona neben Hamburg; der Schwerpunkt des Landes an
der den nahen dänischen Inseln ähnlichen Ostseeküste. Der durch
die Dynastie geförderte langdauernde Zusammenhang mit Däne-
mark durch Preußen gelöst. Stammland dieser Dynastie, die
auch in Rußland und Griechenland (eine Zeitlang auch in Schwe-
*) Die Bewohner des polnischen Sumpflandes kannten und nützten die
günstige Lage und Beschaffenheit ihres Mündungslandes Preußen nicht;
deutsche christliche Ritterschaft im Bunde mit den Seestädten zogen es in
das Bereich deutscher Kultur. Nach langer Störung durch die Polnische
Herrschaft wurde diese Aufgabe durch die Hohenzolleru wieder aufgenom-
men und auf das Hinterland ausgedehnt. Anfiedlung der evangelischen
Salzburger in Ostpreußen durch Friedr. Wilh. I., Kultur des Netzedistricts
durch Friedrich d. Gr.
**) Die den Littanern verwandten, den Reußen anwohnenden Preußen
haben durch ihren ruhmvollen Widerstand ihren Namen verewigt; auch das
treue deutsche Pommerland ist stolz'auf seinen Namen (am Meere); Meck-
lenbnrg hat Slavisches in dem Dienstverhältniß der Landbevölkerung bewahrt,
Wagrien (östliches Holstein) selbst den Namen Stargard in Oldenburg über-
setzt. Ratzeburg-Ratibor.
***) Daher zum Theil der Partikularismus der Bewohner. Die Knicks
Erinnerungen an altsächsische Abgeschlossenheit. Altsächsisches auch im
Bau der Bauernhäuser, die wie in Westfalen auch das Vieh unter ihrem
Dache bergen: engste Concentration des freien Besitzes (weit verschieden
von den Wohnungen der slavischen Bauern).
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Ludwig Xiv. und die Kirche. 171
Hause Habsburg, so daß es in Europa nur noch zwei Wahlreiche
gab, Polen, das an dieser Freiheit zu Grunde ging, und Deutschland,
das darüber seine nationale Einheit verlor. Unterdessen wurde auch
Siebenbürgen befreit und Michael Apasi huldigte dem Kaiser als Schirm-
herrn; 1688 den 6. September fiel Belgrad durch einen fürchterlichen
Sturm in die Gewalt des christlichen Heeres, wobei sich der bayerische
Kurfürst wieder besonders auszeichnete. Nach Karl von Lothringen führte
den Oberbefehl der wackere Markgraf Ludwig von Baden, der 1689
die Türken bei Patasch und Nissa schlug, diese Stadt sowie Semen-
dria und Widdin eroberte und 1691 den großen Sieg bei Salanke-
men erfocht, in welchem Mustafa Kiuprili blieb, der 1690 den Christen
Belgrad und Serbien wieder entrissen hatte. Zuletzt befehligte Prinz
Eugenius und vertrieb die Türken durch die Schlacht bei Zenta
(11. Sept. 1697) aus Ungarn. Zm Frieden von Karlowitz (1699)
trat der Sultan Ungarn bis auf das Banat von Temeswar und Sie-
benbürgen (der junge Michael 11. Apasi legte 1690 die fürstliche Würde
in die Hände des Kaisers nieder) an Oesterreich ab, an die Venetianer
Morea und einige Inseln, denn auch Venedig half die Roßschweife rupfen,
seit die kaiserlichen Waffen siegreich waren. So wurde Ungarn größten-
theils durch deutsches Blut den Türken entrissen und die Magyaren soll-
ten es nie vergessen, daß sie ohne deutsche Hilfe die Sklaven türkischer
Paschen wären.
Viertes Kapitel.
Ludwig Xiv. und die Kirche.
Aushebung des Edikts von Nantes (22. Vktober 1685).
Während der französische König Eroberungen über seine Nachbarn
machte und auf neue sann, setzte er den Uebergriffen seiner Vorfahren
gegen die Kirche die Krone auf und die Päpste mußten es bereuen, daß
sie in ihrem Kampfe gegen die deutschen Kaiser den französischen Königen
zu gefällig gewesen waren. Wie Philipp der Schöne Bonifacius Viii.
lohnte, wissen wir, und von dieser Zeit an geht ein Widerstreben gegen
den päpstlichen Stuhl durch die Geschichte Frankreichs, dem auch der hohe
Klerus nicht fremd blieb, der sich auf die alten Rechte der „galli-
kanischen Kirche" berief und die Bestimmungen des Konstanzer und
Basler Koncils über das Verhältniß der Päpste zu den Koncilien an-
führte; keine Rede davon, daß Rom gegen den französischen Klerus jene
Reservationen von Beneftcien, Erspektationen und Annaten geltend machen
durfte, über welche in Deutschland so viel geklagt wurde. Papst Leo X.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig Michael_Apasi Karl_von_Lothringen Karl Ludwig_von_Baden Ludwig Mustafa_Kiuprili Eugenius Karlowitz Michael_11._Apasi Ludwig_Xiv Ludwig Philipp_der_Schöne_Bonifacius Philipp Leo_X Leo
Extrahierte Ortsnamen: Europa Polen Deutschland Belgrad Serbien Zenta Ungarn Ungarn Temeswar Oesterreich Ungarn Nantes Frankreichs Rom Deutschland
Rußland unter Peter dem Großen.
205
Schlüssel des baltischen Meeres besitzt und dadurch Petersburg und seine
Städte an der Ostsee gegen jeden Angriff sicher stellt und kein englischer
Admiral mehr Petersburg in Grund zu schießen droht.
Andererseits wies Peter seine Nachfolger an das schwarze Meer.
Asow war ein zu kümmerlicher Antheil, als daß sich das russische Reich
damit begnügen konnte, und die zunehmende Schwäche der Pforte er-
leichterte die Eroberungen der Küsten des schwarzen Meeres ans eine
sehr einladende Weise. Seitdem ist das schwarze Meer bereits zu einem
russischen Landsee geworden, und wenn Rußland vollends die Meerenge
von Konstantinopel und die Dardanellen besitzt, so hat es ein zweites
geschlossenes Meer und ist auch im Süden unangreifbar.
Auch nach dem innern Asien richtete Peter seinen Blick. Auf dem
kaspischen See baute er Schiffe und fing darauf mit Persien Krieg
an, das ihm drei Provinzen: Masanderan, Asterabad und das seiden-
reiche Ghilan abtreten mußte. Jetzt befahren russische Dampfschiffe das
hyrkanische Meer der Alten und dringen den Orus und Jarartes hin-
auf in das Innere vor; der Handel mit dem Turan der alten Perser
ist in russischen Händen, Persien selbst an die russische Politik gekettet.
Peter war es aber auch, welcher die unbeschränkte Macht der rus-
sischen Herrscher seinen Nachfolgern fertig hinterlicß. Nach dem Frieden
von Nystädt, den Schweden 1721 eingehen mußte, legte er sich mit
gegründetem Stolze den Kaisertitel und den Beinamen des Großen bei.
Er nahm dem Adel seinen Einfluß auf die Negierung des Landes, er-
richtete statt des Bojarenhofes einen Senat, dessen Mitglieder der Kai-
ser ernennt, als obersten Gerichtshof des Reiches, für die Provinzen
aber Regierungskollegien. Die kaiserlichen Erlasse, Ukase, hatten auch
gesetzliche Geltung ohne die Beistimmung der Bojaren, und eine euro-
päisch-organisierte Polizei mit der geheimen Jnquisitionskanzlei wachte
über die öffentliche Sicherheit und über das Treiben unzufriedener Rus-
sen. Der russisch-griechischen Kirche war bisher ein Patriarch mit so
großen Rechten vorgestanden, daß er mit dem Kaiser die erste Person
des Reiches war; letzteres wurde besonders durch den Gebrauch ange-
deutet, daß der Zar und der Patriarch am Neujahrstage sich öffentlich
umarmten und küßten. Als (1700) der Patriarch Adrian starb, ließ
Peter keinen neuen mehr wählen und ernannte während 20 Jahren nur
Stellvertreter, so daß das Volk allmählig des sonst so hoch angesehenen
Patriarchen vergaß; dann setzte er 1720 eine heilige dirigierende Synode
ein, welche von ihm ihre Verhaltungsbefehle erhielt und wurde so auch
das Haupt der russischen Kirche. Ausdrücklich bemerkte er der Geistlich-
keit, er wolle nicht, daß das Volk neben dem Kaiser einen Patriarchen
sehe, dessen Worte es wie eine Stimme Gottes anhöre und ihm viel-
leicht gehorche, wenn er gegen die Verordnungen des Kaisers spreche.
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Extrahierte Personennamen: Peter Peter Peter Adrian Peter
Dissidenten und Konföderierte in Polen. Erste Theilung Polens. 229
ihnen das Feld bauten, oder ihnen die Heerden der Rosse, Rinder und
Schafe weideten; die Herren selbst vergnügten sich auf der Jagd in den
ungeheuren Wäldern, praßten bei Gelagen oder reisten im Auslande, die
wenigsten befaßten sich mit der Verbesserung des Zustandes ihrer Bauern.
In den Städten konnte der Bürgerstand niemals aufkommen, die Handels-
geschäfte waren daher in den Händen der Juden, deßwegen hatte Polen
auch keinen Gewerbsfleiß und blieb ein armes Land. Durch das Aussterben
der Jagellonen wurde es 1572 ein förmliches Wahlreich. Der Adel
wählte den König, dem alle Macht entrissen und nur der Name gelassen
war; denn der König mußte vor allem die pacta conventa unterschreiben,
welche es ihm verboten, einem Prinzen von Geblüte eine Würde zu ver-
leihen, wodurch dieser Sitz und Stimme in dem Reichstage erhalten hätte;
er durfte keine Ländereien kaufen und sich keine konfiscierten Güter aneignen.
Die höchste Gewalt blieb bei dem Reichstage, der aus den höhern geist-
lichen und weltlichen Würdeträgern und den adeligen Deputierten der ein-
zelnen Distrikte bestand; da galt das unsinnige Recht des liberum veto,
dem zufolge das „Nein" eines einzigen Edelmannes jeden Beschluß ungiltig
machte; der polnische Reichstag ist durch seine stürmischen Auftritte in
Deutschland sprichwörtlich geworden. Das liberum veto hatte der Reichs-
tag dem Könige Johann Ii. Kasimir (1648—1672) abgedrungen,
welcher demselben vergebens den Untergang des Staates als nothwendige
Folge einer derartigen Anarchie voraussagte. Dem liberum veto gegenüber
hatte der Adel das Recht zur Durchführung eines Beschlusses Konfödera-
tionen oder Bündnisse zu machen, welche in der Regel zu Bürgerkriegen
führten. So mußte Polen untergehen, obwohl es auf ungefähr 14,000
Geviertmeilen 16 Millionen Einwohner zählte, der Adel kriegerisch war
und eine treffliche Reiterei stellte, die rohen Bauern den besten Stoff
zu einem Fußvolk darboten. Schon manchmal hatte Polen das Unheil-
volle einer solchen Verfassung erfahren; mit Mühe erwehrte es sich der
Schweden von Gustav Adolf bis auf Karl Xii., und unter Peter 1. hatte
es bereits brutale russische Einmischung dulden müssen, nichtsdestoweniger
blieb es bei seiner Verfassung. Selbst der edle Johannes Sobieski
(1674 — 1696), der in ganz Europa gefeierte Held, vermochte über die
Parteien nicht so viel, daß ihn während seiner Feldzüge gegen die Türken
und Tataren nicht ganze Heeresabtheilungen unter der Anführung eines
Großen, z. B. des Grafen Pac, verließen, und daß Polen (1699) seine
verlorenen Landstriche in Podolien und der Ukraine von den Türken zu-
rückerhielt, verdankte es nur dem Siege der österreichischen Waffen. Wie
verderblich Polen die Theilnahme Augusts Ii. (1696 —1733) an dem
nordischen Kriege war, ist oben bereits erzählt worden; unter dem glei-
chen Könige erfuhren die Rechte der Dissidenten 1717 eine beträcht-
liche Schmälerung, was sich 1737 unter seinem Nachfolger August Iii.
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Extrahierte Personennamen: Johann Kasimir_( Gustav_Adolf Gustav Adolf Karl_Xii Karl Peter_1. Johannes_Sobieski Augusts August
Extrahierte Ortsnamen: Polen Polens Deutschland Europa Polen Podolien
Die Revolutionen und Aufstände in der europäischen Türkei.
561
lution 1848 vom Baume fiel. (Seitdem haben die Fürstenthümer bekannt-
lich die Stellung Serbiens und einstweilige Union errungen.)
Die Träume oder Plane der dacischen Partei in den beiden Hospo-
dariaten scheinen wie das Spinngewebe, das man den fliegenden Som-
mer nennt, sich nicht ganz auf ihre Geburtsstätte beschränkt zu haben,
doch blieben sie ohne sichtbare Einwirkung auf den Gang der Dinge jen-
seits der Gränze, und noch weniger Bedeutung hatten die wiederkehren-
den Unruhen der muselmännischen Albanesen oder Arnauten, die von
den türkischen Pascha noch jedesmal durch Gewalt und Hinterlist be-
zwungen wurden. Die Häuptlinge der Albanesen gewähren bei ihrer
gegenseitigen Feindschaft und ihrer Geldgier den Pascha ein leichtes
Spiel; sind einige Köpfe gefallen, so ist wieder Ruhe und die Pforte
kann gegen Sold so viele dieser irregulären Krieger anwerben, als sie
für gut findet, lauft aber freilich Gefahr, daß dieselben auf türkischem
Boden ihr räuberisches Gelüsten befriedigen und sich um großherrliche
Befehle erst bekümmern, wenn dieselben von einer gehörigen Anzahl re-
gulärer Truppen Nachdruck erhalten.
So geschah es z. B. 1841 in Bulgarien. Die Bulgaren haben
das Lob treuer, mäßiger und fleißiger Leute, welche nicht nur zum Acker-
bau, sondern auch zu der Industrie und dem Handel viel Neigung und
Geschick zeigen, aber unkriegerisch sind; sie bewohnen nicht bloß die nach
ihnen benannte Provinz, sondern haben sich südwärts bis gegen Thessa-
lien und Epirus ausgebreitet. In dem russisch-türkischen Kriege von
1828 und 29 zeigten sie für die Russen keine bcsondern Sympathieen
und verhielten sich auch nach dem Kriege ruhig; 1836 jedoch, als in
Bosnien und Türkisch-Kroatien vereinzelte Aufstände stattfanden, hörte
man auch von Unruhen in Bulgarien, welche jedoch von keiner Bedeu-
tung sein konnten, denn sie waren bald verschollen und wahrscheinlich nur
die Folge einzelner Gewaltthaten, die sich der eine oder andere Türke
erlaubte. Planmäßig angelegt scheint jedoch ein bulgarischer Aufstand
im Jahre 1841 gewesen zu sein, möglicherweise war er eine verspätete
Folge der Einverständnisse, die Mehemet Ali von Aegypten gegen den
Sultan auf dessen europäischem Gebiete angesponnen oder veranlaßt hatte.
Einige bulgarische Bezirke griffen zu den Waffen, es genügten aber we-
nige Bataillone Arnauten zur Unterdrückung des Aufstandes, die hierauf
nach altem Brauche so lange mordeten und plünderten, bis sie durch
reguläres türkisches Militär zu einer andern Bestimmung abgeführt wur-
den. Damals erschien ein poetischer Aufruf der Bulgaren an das christ-
liche Europa, was den Verdacht wenigstens entschuldigt, der Aufstand
sei eine fremde Machination gewesen, um die öffentliche Meinung Euro-
pas gegen die Türken wieder aufzustacheln, denn die Katastrophe von
Navarin so gut als der russisch-türkische Krieg von 1828/29 wären un-
Duinüncr, Neue Zeit. Oc
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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Extrahierte Personennamen: Ali_von_Aegypten
Extrahierte Ortsnamen: Serbiens Bulgarien Epirus Bosnien Bulgarien Europa
Europa —
Nußland.
983
man jährlich an 500000 Ctr. Auch der lebhafte Bergbau und Hütteubetrieb im Ural
gehört diesem mittleren Landgürtel an. — Im Junern sind Moskau und Nischnej
Nowgorod (wohin die ehemalige Makariew-Messe verlegt ist), Kasan, Oreuburg und
Charkow die bedeutendsten Handelsplätze; an der See: Petersburg und R'.ga,
Odessa, Astrachan, Archangel. Die meiste Ausfuhr besteht in Flachs und Flachs-
sameu, Häuf und Hanfsamen, Getreide, Nutzholz, Wolle, Talg,
Häuten, Pelzwerk, Schlachtvieh, Pferden, Graphit u. a. Rohprodukten,
ferner (besonders nach Asien hin) in Metall-, Webe- und S eilerw a aren,
Seifen und Kerzen, sowie Leder, letzteres vorzüglich als Saffian und als Insten,
das seinen Geruch durch Gerbung mit Birkentheer erhält. Der Handel zur See ist
übrigeus noch zum großen Theil in den Händen der Ausländer; die Haudelsstotte zählt
ca. 2600 Schiffe (hievon 750 Seeschiffe, 114 Dampfer) mit 230000 Tonnen (ä 1000
Kilogramm) Tragfähigkeit. Die Gesammtansfnhr von Rußland und Polen hat einen
Werth von 410, die Einfuhr von 384 Mill. vr. Thalern; dazu kommt noch Finnland
mit einer Ausfuhr von 10 und einer Einfuhr von 11 Mill. Thlr. Der innere
Verkehr hebt sich, da man die Flußsysteme durch Kanäle, besonders die Wolga mit
der Newa und Dwina, den Dnjepr mit Riemen und Düna in Verbindung gesetzt hat,
und gegenwärtig Schienenwege baut. Die kleine Eisenbahn von Petersburg nach
den nahen kaiserlichen Schlössern war der Anfang, worauf die von Libau zum Riemen
folgte; in den Jahren von 1867 bis 1872 hat sich das russische Eisenbahnuetz um
1255 Mln. verlängert, und der größte Theil dieser Linien entfällt auf die Verbindung
mit Südrußland. Deutlich bekundet Rußland durch diese Bahubanten das Streben,
durch die Verbindung des Westens und Nordens mit dem Süden seine politische und
wirtschaftliche Entwicklung immer mehr gegen das schwarze Meer hin zu verlegen und
anf diesem Wege die orientalische Frage in Europa, die kaukasische in Asien einer Lösung
entgegenzuführen. Durch diese Bahubauteu steht einerseits Petersburg mit Königsberg
und (über Warschau) mit Krakau in Verbindung, anderseits führt eine Hauptlinie von
Libau und Riga nach Odessa, eine andere von Finnland und Petersburg uach Moskau
und von da nach Odessa, nach Sewastopol und auch zur Wolga und nach Astrachan.
(Selbst jenseit des Kaukasus wird zur Verbindung von Poli und Baku, also des
schwarzen und des kaspischeu Meeres eiue Bahu gebaut und ist durch dieselbe bereits
Tiflis mit dem Pontus verbunden). Die Länge der russischen Bahnen betrug schon
1872 ca. 1900 Mln. — Obwohl die Zahl der Schulen sich vergrößert, ist der Volks-
Unterricht (mit Ausnahme der Ostseeproviuzeu und Finnlands) doch noch sehr Mangel-
Haft, da vonseiten der griechischen Kirche gar nichts für Hebung desselben geschieht.
Kaum Vio der Bevölkerung des Reiches genießt Elementarunterricht; i. I. 1869 konnten
von der Gesammtzahl der eingestellten Rekruten 30^o °/o weder lesen noch schreiben. Es
gibt unter den Grundbesitzern und Kanflenten Millionäre, die nicht lesen und nicht
schreiben können. Gymnasien sind zwar jetzt in jedem Gouvernement; doch werden
nurv gewisse Stände zum höhern Unterricht zugelassen, und es herrscht (wie auch an
andern Mittelschulen und an den Universitäten) an den meisten großer Lehrermangel.
Universitäten hat das Reich 8: zu Moskau, Petersburg, Dorpat, Kiew, Kasan, Char-
kow, Odessa, Helsingfors. Sehr hart war es, daß Kaiser Nikolaus die 1816 gestiftete
Warschauer Universität 1832 wieder aufhob und den Polen nur die medicinifch-chirur-
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Nikolaus Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Europa Moskau Kasan Oreuburg Charkow Petersburg Odessa Astrachan Asien Webe- Polen Finnland Petersburg Libau Europa Asien Petersburg Königsberg Warschau Krakau Libau Riga Odessa Finnland Petersburg Moskau Odessa Sewastopol Astrachan Baku Tiflis Ostseeproviuzeu Finnlands Moskau Petersburg Dorpat Kiew Kasan Odessa Helsingfors
988
Europa —
Nußland.
fchisarai Tschnfut-Kaleh, zionartig auf einem malerischen Fels gelegen, nach Demi-
dow die einzige Stadt der Erde, welche ausschließlich von Israeliten bewohnt ist, und
zwar von Karäern (Karaiten, d. i. Schriftforschern, Textlern), welche den Talmud ver-
werfen und. sich streng an den Buchstaben des mosaischen Gesetzes halten. Die im
Mittelalter wichtige Handelsstadt Feodosia oder Kaffa hat heutzutage wenig Be-
deutung. An die älteste Zeit, wo es griechische Niederlasfungen in Taurien gab,
und an den pontifchen König Mithridat erinnern noch Ruinen und ausgegrabene
schätzbare Nlterthümer; die Uferstelle, wo unweit Balaklava das Gebirgskloster liegt,
hält man für den Platz, wo Jphigenia den Tempel der Diana bediente. Panti-
kapäum lag unweit des jetzigen Städtchens Kertsch. Nach der kleinen Feste Jeni-
kale wird die Meerenge genannt, welche die Krim von Asien trennt. Der Ort Or-
kapi oder Perekop am Isthmus ist jetzt völlig unbedeutend. — Die Bevölkerung
Südrußlands, namentlich in den Städten, nimmt sichtbar zu, und die Benutzung der
unlängst entdeckten Steinkohlenlager im Kosakenlande am Donez wird den
Steppenbewohnern, die bisher gedörrten Mist als Brennmaterial gebrauchten, sehr zu
gut kommen.
6) Kasan und Astrachan. (S. S. 514 u. ff.) — a) Das ehemalige Königreich
Kasan wird im südlichen Theile von der Wolga, im nordöstlichen von der Kama durch-
flössen. Kasan nahe der Wolga mit 79000 E., wichtig durch Gewerbe und durch
den Handel, den die Tataren besorgen, die in den Sloboden oder Vorstädten wohnen.
Die Universität ist für das Studium der nordasiatischen Sprachen von Bedeutung.
Von den andern Städten sind zu merken: das hübsche Pensa mit behäbigen Dörfern
und adligen Gütern umher; sie liegen im schon erwähnten Schwarzboden. Sim-
birsk a. d. Wolga. Perm in knpfer» und eisenreicher Gegend an der Kama mit
23000 E>, Hauptort Permiens, wozu jetzt der 60 Meilen lange Metalldistrikt an beiden
Seiten des mittleren Ural, nördlich bis Werchoturje, südlich bis Slatust gehört. Je-
katerinburg mit 25000 E. ist vornehmste Bergstadt und Sitz des kaiserlichen Ober-
bergamts. Auch Private sind im Besitz von Gruben, Hütten, Gold- und Platina-
Wäschen. So ist die Familie Demidoff dort sehr reich geworden; der große Hütten-
ort Nischnej Tagilsk, wo 1752 der Schmied Nikita Demidoff — er war aus Tula —
zuerst Erze entdeckte, ist ihr Eigenthum. Außer den Erzeu noch andre werthvolle
Minerale, wie Marmor, Markasit :c. — b) Im Reiche Astrachan, das meistens ans
ungeheuren Steppen besteht, gibt es an der Ufa und Wolga auch fruchtbare Landstriche.
Das ganze linke Ufer dieses Stromes, das sogen. Wiesenufer, von Kasan über 150 Meilen
abwärts, ist unübersehbare Grasfläche. Seit der Kaiserin Katharina hat man auch hieher
deutsche Kolonisten gezogen, deren Zahl jetzt in und um Saratow (Philippsfeld,
Alexandersdorf, Weizenfeld :c.) allein 150000 beträgt; au beiden Seiten des
Stroms ziehen sich die Koloniedörfer hin. Der vornehmste Sitz deutscher Herrnhuter ist der
saubere gewerbthätige Ort Sarepta (Zarizyn), am Zusammenflusse von Sarpa und
Wolga, 1765 gegründet und malerisch schön gelegen; 12000 E, Die von Paul I. 1797
verliehene Selbstverwaltung hat man ihnen jetzt genommen und dadurch ihre Blüte be-
deutend geschädigt. Der Hauptort im westlichen Theile Astrachans ist aber Saratow
an der Wolga mit 93000 E. und steigendem Handel. Samara mit 34000 am
Znsammenflnsse der Samara und der Wolga und zwar gerade da, wo diese in raschester
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173
Fig. 27. Der Kreml zu Moskau.
nales Heiligtum der Nüssen. — Charkow (160000 Einwohner)
hat blühenden Handel, besonders mit Pferden und Wolle. Jähr-
lich vier große Messen. Universität.
3. Süd- oder Neurußland, das ehemals türkische Gebiet am
Schwarzen Meere. Kischinew (130000 Einwohner) wichtiger
Getreidemarkt. — Odessa unweit der Mündung des Dnjestr
(217 000 Einwohner) mit einem den größten Seeschiffen zugänglichen
Hafen, ist die bedeutendste russische Handelsstadt am Schwarzen
Meere, Stapelplatz und Hauptausfuhrort für Getreide. Universität.
— Sewastopol auf der Halbinsel Krim ist durch die Belage-
rung 1854—1855 bekannt. — Taganrog am Asowschen Meere
(63 000 Einwohner) verliert infolge zunehmender Versandung seines
Hafens immer mehr seine Bedeutung als hervorragender Getreide-
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656
Russisches Reich. — Jetziger Bestand.
Metropolitanen, 28 Erz- und 38 Bischöfen, wird vom Kaiser durch die heilige
Synode oder obern Kirchenrath regiert. Im I. 1831 zählte man in Rußland
58000 orthodoxe (d. h. griechisch - katholische) Priester und 68000 Kirchendiener,
mit ihren Familien 330000 Köpfe; eben so groß war die Kaufmannschaft mit
ihren Familien. Der gesummte Adel aber bestand aus 375000 Männern und
345000 Frauen, und die Bürgerschaft (den Kausinannsstand abgerechnet) ans
3,200000 Köpfen. In Polen ist mau mehrentheils römisch-katholisch, unter den
Deutschen und Finnländern lutherisch, im Süden hängen viele (Tartaren n. a.)
noch am Islam und ganz im Norden (Lappen u. a.) am Heidenthum. Der
römisch-katholischen und armenischen Christen sollen 8 und der Protestanten
2 Millionen sein, Juden l4/s, Mnhamedaner über 23/10 Millionen und
Buddhisten 300000. —
Das Gewerbwesen ist sichtbar im Steigen, besonders im Gouvernement
Moskau, wo neben der älteren Stahlfabrikation die Bearbeitung der Baumwolle
so in Schwung gekommen ist, daß Rußland jetzt nur noch y6 feines Bedarfs an
Banmwollwaaren ans der Fremde bezieht. Die Fabrikation von Wollewaaren
konnte aber bedeutender sein als sie ist, denn immer noch geht eine große
Quantität (164000 Ctr.) der inländischen Wolle roh ins Ausland. Zucker aus
Runkelrüben verfertigt man jährlich fast 350000 Ctr. — Im Innern sind
Moskau und Nischnei Nowgorod (wohin die ehmalige Makariew - Messe verlegt
ist) Kasan und Orenbnrg die bedeutendsten Handelplätze; an der See:
Petersburg und Riga, Odessa, Archangel. Die meiste Ausfuhr besteht in Talg,
Flachs, Hanf, Getraide (über 57 Mill. Scheffel) Nutzholz für 2% Mill.
Silberrubel, Pelzwerk und Leder, letzteres vorzüglich als Saffian uno als
Jnfleu, das seinen Geruch durch Gerbung mit Birkentheer erhält. Der Handel
zur See ist übrigens noch meist in den Händen der Ausländer, wirft aber,
Ein- und Ausfuhr gegen einander gerechnet, einen jährlichen Gewinn von 6
Mill. Silberrubel ab. Der innere Verkehr hebt sich seit einiger Zeit, da
man die Flußsysteme durch Kanäle, besonders die Wolga mit der Newa und
Dwina, den Dnepr mit Niemeu und Duna, in Verbindung gesetzt hat, und
gegenwärtig Schienenwege baut. Die kleine Eisenbahn von Petersbnrg uach
den nahen kaiserlichen Schlössern war der Anfang, worauf die von Libau zum
Niemen, von Warschau bis zur Ferdinands Nordbahn, von Morschansk im
Gouvernement Tambow bis zur Mündung der Zna in die Mokscha, und zuletzt
als die wichtigste die von Petersbnrg nach Moskau folgte. — Der Volks-
unterricht ist noch sehr mangelhaft, obwohl sich die Zahl der Schulen ver-
größert. Gymnasien sind jetzt in jedem Gouvernement, doch werden nnr gewisse
Stände zum höhern Unterricht zugelassen; es gibt neue und strenge Vorschriften
darüber. Universitäten hat das Reich 7, zu Moskau, Petersburg, Dorpat, Kiew,
Kasan, Charkow, Helsingfors. Sehr bedeutsam ist es, daß der jetzige Kaiser die
1816 gestiftete Warschauer Universität 1832 wieder aufgehoben und den Polen
nur die medicinisch-chirurgiiche Facultät zu Wilna gelassen hat. — Die Finanzen
sind wenig bekannt; die Staatsansgabe beträgt in Friedenszeit etwa 162 Mill.
Thaler preußisch. Zu Anfang 1853 ward die Staatsschuld auf 400 Mill. Sil-
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