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„Warfen" oder „Warten") genannt werden und den Bewohnern
und allen ihren Habseligkeiten als Zufluchtsort bei Überschwemmungen
dienen. Vor diesen können die Marschländer nur durch einen Gürtel
breiter, flacher Wälle (Deiche) geschützt werden. Man uuterscheidet
Binnen- und Seedeiche. Mit dem letztern Namen wird der äußerste
Damm bezeichnet, der gegen das Meer schützt und meist unmittelbar
an der Küste hinläuft. Wenn das Land gegen das Meer hin an-
wächst, werden nene Deiche errichtet, wodurch die alten zu „Binnen-
deichen" werden. Die Höhe der Deiche beträgt 3—4 m, zwischen
der Weser- und Elbemündung sogar 12 m. Durch die Deiche wird
das den Fluten abgewonnene Land vor Überschwemmung und Ver-
heerung geschützt. Dankbar erkennt der Marschbewohner ihren hohen
Wert an und nennt sie „das güldene Band" des Landes. Aber
trotz der Sorgfalt und des großen Kostenaufwandes, mit denen für
Erhaltung und Verbesserung der Deiche gesorgt wird, vernichten hin
und wieder gewaltige Springfluten des Meeres, die Deiche zer-
reißend, den Fleiß mühevoller Jahre. In frühern Jahrhunderten
wurden selbst weite Laudstrecken von den schäumenden Wogen ver-
schlungen. Hiervon geben die Zuidersee wie der Dollartbusen Zeugnis,
ferner die vielen kleinen Inseln von der Mündung der Schelde bis
zur Küste Schleswigs, welche Überreste des früher zusammenhängen-
den Dünenzuges und des ehemals hinter diesem liegenden Marsch-
landes sind.
Atmenleben.
Wenu „unten" das Gras schon gemäht und als Heu eingebracht
ist, dann kommt in den Alpen der „Auftrieb" — das Vieh wird
auf die hochgelegeuen, saftigen Weiden geführt. Alle Vorbereitungen
zum Auszuge sind getroffen. Die Sennerin (auch Almeriu oder
Schwaigerin genannt) hängt der Leitkuh die Almglocke um, und
sobald diese ertönt, gerät alles Vieh in unruhige, aber freudige Be-
weguug. Es drängt in Hast nach der Thüre, um ins Freie zu
kommen, und brüllt aus voller Kehle. Das ist gleichsam der erste
Gruß an die fette Weide. Alle Hausbewohner sind versammelt; dem
Vater treten wohl Thränen in die Augen, weil er sich von den
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261 —
und nun erst darf die Sennerin an ihr Mittagsmahl denken, das
aus Brot, Milch, „Topfen", Butter oder dem beliebten „Schmarren"
besteht, selten einmal auch aus Fleisch, das man ihr „von unten"
heraufbringt; denn in Zwischenräumen erscheint ein Hausgenosse,
um die von der Sennerin bereitete Butter abzuholen. Abends findet
sich die Schar der Rinder zur Nachtruhe ein. Zum drittenmal
wird gemolken; Grünfutter bildet die Abendkost. Bald herrscht tiefe
Ruhe in der Hütte und auf der Alm; nur die Bergamfel flötet
im Busche.
Wohl ist es schön auf der Alm, „wenn's klare Tag hat und
's Vieh g'sund ist"; aber ängstlich wird es der einsamen Bewohnerin
der Hütte, weun die Sommerschwüle donnernde Gewitter erzeugt
und zuckende Blitze die Herde bedrohen. Und wenn erst die Nebel
hereingezogen kommen! Schwer und fröstelnd lagern sie tagelang
über der Alm und wollen gar nicht weichen, bis sie sich endlich in
kalten Regen auflösen, während dann auf den Berggipfeln Schnee
fällt und der Sturm Flocken und Wolken vor sich her treibt.
Dann läßt das Vieh den Kopf hängen, und die Sennerin ist
„völlig zag". Sie möchte lieber unten im Thale sein. Nur Ge-
duld! Der Michaelistag rückt immer näher heran, und mit ihm
geht die Almzeit zu Ende. Man denkt ans „Absödeln" und an
den Heimtrieb; geht es dann endlich thalein, so trägt jede Kuh
Blumenkränze auf den Hörnern. Allgemach breitet sich der Winter
ins Thal, und die Sennerin sitzt an den langen Abenden am Spinn-
rocken, oft in Gesellschaft befreundeter Almerinnen aus der Nachbar-
schast. Sie singen Almlieder und erzählen einander, was sie in der
Sommerzeit erlebten. (Nach Daniel.)
Die ungarischen Wußten.
In Deutschlaud hat man von den ungarischen Pußten oft eine
Vorstellung, die ganz unrichtig ist. Man denkt sich unabsehbare
grüne Flächen, bedeckt mit prächtigen Viehherden, die im üppigen
Grase halb verschwinden. Und doch giebt es in der ganzen West-
Hälfte Europas keine Gegend, die den größten Teil des Jahres mehr
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— 270 —
an sich vorüberziehen lassen will, stellt man sich z. B. an die neue
Brücke (des Sultan Valide), die über das Goldene Horn führt, und
über welche täglich die halbe Stadt hinüberflutet. Tagelang könnte
man hier stehen und doch immer wieder Neues, Fremdes und Selt-
sames sehen. Da kommen vorüber die verschiedensten Verkäufer,
welche ihre Waren laut anpreisen — riesige Hamals (Lastträger),
die unglaubliche Lasten auf dem wagerecht abgebogenen Rücken fort-
schaffen (vgl. Bild 37, S. 123) —, Beamte und Offiziere auf Miet-
Pferden, hinter denen der Treiber keuchend einherläuft, — Kaufleute,
welche europäisch gekleidet sind und nnr ans dem Kopfe das rote
Fes tragen, — Frauen, deren Gesicht durch den Schleier verhüllt
ist. Dann kommen häßliche Neger, faulenzende Derwische, griechische
Popen, hin und wieder erscheint wohl auch ein branner Kapuziner.
So geht es weiter in stetem, buntem Wechsel den ganzen Tag, bis
die Brücke abgeschlossen wird. Diese Menschen gehören den ver-
schiedensten Rassen der Welt an. Da sind vor allein die Türken
oder Osmanen, dann Araber, Neger, Kurden, Armenier, Tscherkessen,
Perser, Georgier, Griechen, Albanesen, Slaven, Walachen, Inden
und Zigeuner. Und inmitten dieses Völkergemisches stehen wir und
fühlen, daß wir in diese Welt nicht gehören; aber niemand beachtet
uns; denn in Konstantinopel erregt niemand Aufsehen. Wer den
Propheten bekennt, trägt das Fes — vom Sultan herunter bis zum
Bettelmann; nnr die Priester und die Nachkommen des Propheten
haben farbige Binden turbanartig um das Fes geschlungen; außerdem
tragen die Derwische hohe, kegelförmige Kopfbedeckungen aus Filz. —
Wagen sind selten; denn die krummen, schlecht gepflasterten, steilen
Straßen machen meistenteils das Befahren mit Fuhrwerken unmög-
lief). Alles wird durch Hamals oder auf Pferden und Eseln trans-
portiert. — Die meisten Geschästsläden sind im Freien; hier wird
auch das Brot gebacken, das in großen, runden Bretzeln oder in
Gestalt von Honigkuchen fleißig Abnehmer findet. — Die Häuser
sind — wenigstens in den obern Stockwerken — in der Regel aus
Holz und mit einem rotbraunen Anstrich versehen; fast jedes Haus
hat auch einen Erker mit dreieckigem Grundrisse; viele Fenster sind
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mit hölzernen Stäben enge vergittert und zeigen die Wohnungen für
die Frauen an.
Eine besondere Eigentümlichkeit der Straßen sind die Herren-
losen Hunde, welche sich in ungezählter Menge (man schätzt sie
auf 50 000) in den Gassen herumtreiben. Diese Tiere, fast alle
einander gleich und von braungelber Farbe, sind von einer ganz
eigenen Rasse und stehen mit den Wölfen und namentlich mit den
Schakalen der Umgebung in naher Vetterschaft. Es giebt keine Gasse,
die nicht von Hunden bewohnt wäre, und zwar hat jede Straße
ihre bestimmte Anzahl. Wehe, wenn sich ein Hund in ein fremdes
Quartier verirrt; er wird sofort zerrissen! Diese Hunde liegen des
Tags faul auf dem Bürgersteig oder auch mitten auf dem Wege.
Sie weichen nicht aus; man ist gezwungen, über sie hinwegzusteigen,
ja selbst Wagen müssen ausbiegen. Es wäre nicht ratsam, vor den
Augen eines Türken einen Hund zu stoßen oder gar zu überfahren.
In den nicht türkischen Stadtteilen geht es den Hunden freilich
schlimmer. Viele derselben tragen auch Spuren nächtlicher Straßen-
kämpfe an sich und sind über und über zerbissen und zerschunden.
Wuuderbarerweise ist die Hundswut selten und greift nie weit um
sich. Obwohl die Hunde nicht bösartig find, so ist es doch geraten,
zur Nachtzeit einsame und abgelegene Gäßchen zu vermeiden. Die
Huude leben von dem, was in Schlächterläden abfällt, was auf
die Straße geworfen wird u. s. w. Da der Türke gegen die Tiere
überhaupt sehr mitleidig ist, so haben diese herrenlosen Geschöpfe in
der Regel wenig zu hungern. Eine wichtige Aufgabe fällt deu
Hunden zu — die Straßenreinigung. Sie fressen nämlich
gierig alles auf, was nur irgeudwie genießbar erscheint, und so ist
es eine wahre Wohlthat, daß sie namentlich alle Arten von ver-
endeten Tieren, selbst Pferde und Esel nicht ausgenommen, buch-
stäblich mit Haut und Haar verzehren.
Zu den Sehenswürdigkeiten Konstantinopels gehört in
erster Linie die alte Sophienkirche, die jetzige Hagia Sofia.
Diese Kirche, das großartigste Bauwerk des byzantinischen Stils,
gipfelt in einer flach gewölbten Knppel, welche von acht niedrigem
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Das Westende ist der feinste Stadtteil, der Wohnsitz des
Adels und der ganzen vornehmen Welt.
Im Ostende sind die bewundernswerten Anlagen für die
Marine. Hier liegen die großartigen Docks, in welche die Schiffe
aus der Themse geleitet und wo sie ans- und eingeladen werden.
300 große Seeschiffe haben hier gleichzeitig Platz. Eingefaßt sind
die Docks von einer ununterbrochenen Reihe 5 bis 7 Stockwerke hoher
Warenhäuser, in welchen Produkte aus allen Ländern der Erde in
unglaublicher Menge aufgestapelt sind. Welch uugeheuern Wert haben
die großartigen Lager von Tabak, Thee, Kaffee, Zucker, Indigo,
Gewürzen, Häuten, Baumwolle, Holz, Seide, Wein, Branntwein
n. dgl.! Und welch uuvergleichliche Thätigkeit herrscht iu und vor
den Warenhäusern! Hunderte von eisernen Kränen ächzen unter
ihrer Last; Tausende von Arbeitern, Maklern und Docksbeamten
eilen geschäftig hin und her, und im großen Bassin liegen dicht bei
einander die Schiffe, anf denen Matrosen und Lastträger mit Ameisen-
fleiß thütig sind, Waren ans Land oder an Bord zu bringen. In
keinem andern Hafen der Welt sieht man so viele verschiedenartige
Nationalitäten wie hier. Neben dem Holländer ankert der Kauf-
fahrer aus Brasilien mit Kaffee und Farbhölzern; der Däne bringt
sein Hornvieh ans Land; belgische und französische Schiffe laden
Glas, Leder, Eier, Obst und Gemüse aus; der Amerikauer wälzt
seine Tabakfässer imb Baumwollenballen ans Ufer; russische und
deutsche Ostseefahrer haben ihre Getreideladungen bereits in den
Magazinen untergebracht und warten nun auf Rückfracht. Englische
Fahrzeuge aus Indien, Australien, Canada und vom Kap ziehen
durch die geöffneten Schlensenthore, und was eben keine Arbeit hat,
vergnügt sich in seiner Weise, kocht, ißt, trinkt, sitzt oder träumt
auf Verdecken und in Mastkörben, flickt am Segel- oder Tauwerk
und denkt der fernen Heimat.
Schon an dem Leben und Treiben in seinem Hafen zeigt es
sich, daß London die erste Handelsstadt der Welt ist. 2/5 des ge-
samten außerordentlich großen britischen Handels treffen allein auf
London. Jährlich laufen in feinen Hafen Über 15 000 Seeschiffe
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Extrahierte Ortsnamen: Brasilien Indien Australien Canada Mastkörben London London
— 290 —
im Jahre 140—150 Millionen Mark für Wohlthätigkeitszwecke
verwendet werden; aber die Zahl der Bedürftigen ist so groß, daß
auch diese gewaltigen Summen zur Unterstützung derselben nicht
hinreichen. (Nach Daniel, Pütz u. a.)
Aas Wergwerk von Aannemora.
Dieses berühmte Bergwerk (Bild 99) liegt ungefähr 37 km
nördlich von Upsala und bietet ein ganz anderes Bild, als man
gewöhnlich von einem Bergwerke erwartet. Ich wenigstens war ganz
verwundert, als ich keinen Schacht fand, sondern in ebener Gegend
einen weiten offenen Abgrund, von dessen Rand aus man bis auf
den Boden sehen kann. Dieser Abgrund gleicht einer becherartigen
Grube oder dem ausgebrannten Krater eines feuerspeienden Berges.
Die schwarze Farbe des Gesteins erhöht noch das Schauerliche des
Eindruckes, den der plötzlich vor den Füßen gähnende Abgrund her-
vorruft. Es sind im ganzen etwa 80 Gruben, von denen jedoch
nur der fünfte Teil in Betrieb ist. Mehrere Gruben siud von uu-
geheurer Ausdehnung und Tiefe; so ist z.b. die Junggesellen- und
Jungfrauengrube an 160 m tief. Unerschöpflich ist der Reichtum
an vortrefflichem Eisenerz, woraus 40—50 Prozent Roheisen ge-
wonnen werden. Schon seit 1532 beutet man die Gruben aus;
durchschnittlich sind 350 Arbeiter in der Tiefe beschäftigt. Sie
tragen nicht die deutsche Bergmannstracht, sondern die gewöhnliche
des gemeinen Mannes in Schweden: Jacken von grobem Tuch,
leinene Beinkleider, plumpe Schuhe. Einige Stollen gehen von der
Tiefe aus seitwärts in wagerechter Richtung fort. Uni den Rand
der Gruben sind Schuppen erbaut, in denen Pferde die Räder
drehen, durch welche Eimer in die Tiefe hinabgelassen und wieder
emporgewuuden werden, wenn die Arbeiter sie mit Erz gefüllt haben.
Leitern von Ketten hängen von einem Vorsprung und von einer
Klippe zur andern; daran klettern die Arbeiter behende hinauf und
hinab. Gewöhnlich fahren sie aber in den Eimern zur Tiefe. Aus
den Schuppen kann man bequem eine Grube mit allen Einzelheiten
überschauen. Es überfällt einen ein Gruseln, wenn man bedenkt,
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— 297
deutende Summen umgesetzt. — Einen noch auffallendem Gegensatz
zwischen dem äußern Ansehen und dem innern Gehalt liefern die
Perlenbuden. Da sitzt in einer bretternen, mit Matten ausgeschlagenen
schlechten Bude ein Mann, der auf einem Tischchen vor sich einige
Bogen gelbes und graues Papier hat, worauf für mehr als
100 000 Rubel (1 Rubel = 3,24 Mark) Perlen liegen. Ein sehr
wichtiger Handelsartikel sind die kostbaren indischen Shawls, deren
viele verkauft werden. Unter den von den Europäern (fast aus-
schließlich den Russeu) ausgestellten Waren nehmen Baumwollfabrikate
die erste Stelle ein. (Nach Andree und Daniel.)
Km chinesisches Kastmahl.
Die Gebrüder Minqua, bei denen wir eingeladen waren, gehören
zu den reichsten Kaufleuten. Am 2. März erhielten wir die chinesisch
auf rotes Papier geschriebene Einladung, und am 4. um 6 Uhr
abends begaben wir uns in das Haus, wo die beiden Brüder
Minqua uns empfingen. Der englische Kaufmann Dent stellte uns
vor. Es waren unser acht Offiziere der Fregatte, außerdem noch
fünf andere Personen. Die beiden Minqua sowie die von ihnen
eingeladenen chinesischen Freunde waren in Festtagskleidung erschienen,
nämlich in langen Gewändern von blauem Seidenstoff mit prächtigen
Stickereien. Ein kegelförmiger Strohhut mit einer Quaste aus Seiden-
Plüsch bedeckte den Kopf. Bei ihrer Jugeud und vorteilhaften Gestalt
stand den Chinesen der Anzng recht gut und hatte trotz des spitzigen
Hutes und des laugen Zopfes etwas Würdevolles.
Wir wurden in einen langen, durch Laternen von verschiedenster
Form und Farbe erleuchteten Saal geführt; hier standen eine Reihe
kleiner Theetische, deren jeder von zwei Lehnstühlen aus Bambus
umstellt war. Ich nahm einen Schluck Thee, um das wunderbare
Getränk einmal in seiner vollen Reinheit zu genießen, konnte ihm
aber, obwohl der Geruch vortrefflich war, keinen sonderlichen Ge-
schmack abgewinnen; durch den Mangel an Zucker schien mir der
Thee scharf und trocken. Auch die andern europäischen Gäste teilten
meine Ansicht.
13**
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Nach einigen Minuten kam Herr Dent mit einer Liste, rief
fünf der Eingeladenen zu sich und verließ mit ihnen den Saal;
dann kam er noch zweimal, um die übrigen Gäste — immer je
fünf — abzuholen. In kurzer Zeit waren wir alle im Speisesaal
versammelt, wo uns die Gastgeber erwarteten. Der Speisesaal war
reich geschmückt und ebenfalls mit Laternen erleuchtet, die voll
glänzender Zeichnungen und mit seidenen Quasten behängt waren.
Ungeheure Rahmen mit farbigen Gläsern bildeten den Hintergrund
des Zimmers, das auf der andern Seite mit Papierrollen behängt
war, auf denen Sinn- und Lehrsprüche geschrieben standen. Ein
prächtiger Teppich bedeckte den Boden. Die aus grün gefirnißten!
Holze gefertigten Stühle waren mit Decken von blauem Tuche über-
zogen, in welches mit Seide feine Blumen eingestickt waren. In
der Mitte des Saales waren Tische in Dreieckform — jedoch von-
einander getrennt — aufgestellt. An jedem derselben sollten fünf
Gäste mit einem der Herren des Hauses Platz nehmen. Hierbei
blieb die eine Seite der Tische leer. Ein Freund der Minqua machte
den Wirt an dem Tische, wo ich saß. Jeder von uns hatte eine
Untertasse von Porzellan und zwei kleine Stäbchen aus Ebenholz
vor sich, welche unten mit Silber verziert waren; ferner lag vor
jedem in einem dreieckigen, roten und weißen Papier ein Zahnstocher
ans dem Flügelglied einer Fledermaus, endlich eine ganz kleine Tasse
zum Trinken des Kamschu. Ein großer Teil des Tisches war von
einem Dutzend blau geblümter Schüsseln bedeckt, welche die delikat
zubereiteten, uns aber ganz unbekannten Speisen enthielten. Auf
dem noch übrigen Platze des Tisches standen eine Menge von Schüs-
seln, welche mit Blnmen, Früchten und Kuchen gefüllt, aber nur zur
Augeuweide bestimmt waren. — Nuu begann das Mahl. Anfangs
hatte ich meine liebe Not mit den Stäbchen; endlich gelang es mir
aber doch, aus einem wunderlichen Gemische, worin ich Gurken-
schnitte, Würste u. dgl. erkannte, einige Brocken herauszufischen. Das
Gericht, in dem sich anch geräucherte Haifischflossen befanden, war
gerade nicht schlecht. Hierauf kostete ich etwas Gebratenes, das aus
Schwalben bereitet war. Auch dieses Gericht war gut, nur fand
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oft an 500 000 Menschen selbst aus den fernsten Gegenden Asiens
zusammenströmen. — Tula mit 111 000 E. hat die größten
Waffen- und Metallwarenfabriken, das „russische Birmingham".
— Woronesch am Don (84000 E.) betreibt lebhasten Handel.
— Archangelsk mit 21 000 E., unfern der Dwinamündung ge-
legen, ist für Ausfuhr von Schiffsbauholz wichtig.
2. Kleinrußland (die Ukraine). K i j e w am Dnjepr (247 000 E.)
ist Mittelpunkt der Rübenznckerindustrie. Uuiversität. — Charkow
(175 000 E.) hat blühenden Handel, besonders mit Getreide und
Wolle. Universität.
3. Südrußland, das ehemals türkische Gebiet am Schwarzen
Meere. Kischinew (109 000 E.) im Bezirk des Wein- und Tabak-
baues. — Odessa, unweit der Mündung des Dnjeftr (405 000 E.),
ist die bedeutendste russische Handelsstadt am Schwarzen Meere, Stapel-
Platz und Hanptaussuhrort für Getreide. Universität. — Nikolajew
(92 000 E.) ist die Hauptstation für die russische Kriegsflotte im
Schwarzen Meere. In der Nähe viele deutsche Kolonien.
4. Westrußland. Wilna (160000 E.) ist die bedeutendste
Stadt Litauens.
5. Das Königreich Polen. Die Hauptstadt Warschau an der
Weichsel (638 000 E.) ist Mittelpunkt der Gewerbethätigkeit und des
Handels Polens. Festung. Russische Universität. — Lodz (mit Vor-
orten 315 000 E.) hat sehr bedeutende Leinen- und Baumwollindustrie.
6. Die Ostseeprovinzen. St. Petersburg an der Newa-
Mündung (mit Vororten 1 267 000 E.), die von Peter dem Großen
gegründete, großartig angelegte neue Hauptstadt, ist der erste Handels-
platz Rußlands. Universität. — Der Kriegshafen Kronstadt
(60 000 E.) ist die Schutzfestung für Petersburg. — Dorpat,
rusf. Jurjew (42 000 E.) mit (ehemals deutscher) Universität. —
Reval (65000 E.) ist ein lebhafter Handelsplatz am Finnischen
Meerbusen. — Riga an der Dünamündung (mit Vororten
283 000 E.) ist die zweite russische Handelsstadt an der Ostsee,
wichtig als Stapelplatz und Ausfuhrort für Holz, Getreide, Hanf
und Flachs. — Libau (65 000 E.), aufblühende Hafenstadt.
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Kühen trennen muß, auf welchen sein Wohlstand beruht; schluchzend
hört die Sennerin die guten Lehren und Weisungen ihres Dienstherrn
an. Endlich wird die ungeduldige Herde mit Dreikönigswasser be-
sprengt und zieht wunter auf die Alm. Im Bauernhofe kehrt nun
tiefe Ruhe ein; die Ställe sind leer.
Um so regsamer wird es auf der Alm, wo das Vieh auf
weiter Weide sich die würzige Kost sucht. Hier herrscht die Sennerin.
Sie ist wohl derb und von kräftigem Gliederbau, hat aber einen
gutmütigen Ausdruck im Gesicht. Dem Fremden giebt sie bei Sturm
und Gewitter gerne ein Unterkommen; freundlich bietet sie die ein-
fache Almkost dar, und bereitwillig zeigt sie jedem den Weg. Die
Sennerin versteht sich auf die Almwirtschaft aus dem Grunde, sorgt
für die ihr anvertrauten Geschöpfe, ist zuverlässig, dem Hause treu
ergeben und sehr genügsam. Die Almhütte steht immer an einer
Stelle, wo sie vor Wind und Wetter möglichst geschützt ist. Da
sehen wir ein Viereck aus behaueuen Baumstämmen, die über- und
ineinander gefügt sind. Die Lücken hat man mit Moos gefüllt, das
Bretterdach mit Steinen beschwert. Nur eine einzige Thüre ist vor-
Händen; die Almerin und die Kühe wohnen nicht nur unter demselben
Dache, sondern oft auch zwischen denselben Wänden; gewöhnlich aber
hat die Hirtin doch ein Kämmerchen mit einem Herde in der Mitte;
an einer Seite befindet sich die Bettstatt, an den Wänden hängen
einige Heiligenbilder.
Den ganzen Tag über hat die Almerin vollauf zu arbeiten.
Der Morgen graut; die Tiere verlangen nach frischem Tau, der
auf den Höhen sehr reichlich fällt. Sie werden von der Sennerin
nacheinander aus dem Stalle gelassen und gemolken; dann tummeln
sie sich auf der Weide. Die Almerin sammelt nuu auf geeigneten
Grasplätzen Grünfutter. So kommt der Mittag heran, und die
„Rinderschaft" ist allmählich der Hütte wieder näher gerückt. „Hirschel
und Gamsel, Braunäugerl und Leberl, die schwarze Mahm, das
Dockerl und Wachtl", und wie die Kühe weiter heißen, liegen
wiederkäuend im Schatten und gehen zur Melkerin, sobald diese
ihren Namen ruft. Der volle Milchkübel wird zur Hütte gebracht,
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