— 162 —
oft an 500 000 Menschen selbst aus den fernsten Gegenden Asiens
zusammenströmen. — Tula mit 111 000 E. hat die größten
Waffen- und Metallwarenfabriken, das „russische Birmingham".
— Woronesch am Don (84000 E.) betreibt lebhasten Handel.
— Archangelsk mit 21 000 E., unfern der Dwinamündung ge-
legen, ist für Ausfuhr von Schiffsbauholz wichtig.
2. Kleinrußland (die Ukraine). K i j e w am Dnjepr (247 000 E.)
ist Mittelpunkt der Rübenznckerindustrie. Uuiversität. — Charkow
(175 000 E.) hat blühenden Handel, besonders mit Getreide und
Wolle. Universität.
3. Südrußland, das ehemals türkische Gebiet am Schwarzen
Meere. Kischinew (109 000 E.) im Bezirk des Wein- und Tabak-
baues. — Odessa, unweit der Mündung des Dnjeftr (405 000 E.),
ist die bedeutendste russische Handelsstadt am Schwarzen Meere, Stapel-
Platz und Hanptaussuhrort für Getreide. Universität. — Nikolajew
(92 000 E.) ist die Hauptstation für die russische Kriegsflotte im
Schwarzen Meere. In der Nähe viele deutsche Kolonien.
4. Westrußland. Wilna (160000 E.) ist die bedeutendste
Stadt Litauens.
5. Das Königreich Polen. Die Hauptstadt Warschau an der
Weichsel (638 000 E.) ist Mittelpunkt der Gewerbethätigkeit und des
Handels Polens. Festung. Russische Universität. — Lodz (mit Vor-
orten 315 000 E.) hat sehr bedeutende Leinen- und Baumwollindustrie.
6. Die Ostseeprovinzen. St. Petersburg an der Newa-
Mündung (mit Vororten 1 267 000 E.), die von Peter dem Großen
gegründete, großartig angelegte neue Hauptstadt, ist der erste Handels-
platz Rußlands. Universität. — Der Kriegshafen Kronstadt
(60 000 E.) ist die Schutzfestung für Petersburg. — Dorpat,
rusf. Jurjew (42 000 E.) mit (ehemals deutscher) Universität. —
Reval (65000 E.) ist ein lebhafter Handelsplatz am Finnischen
Meerbusen. — Riga an der Dünamündung (mit Vororten
283 000 E.) ist die zweite russische Handelsstadt an der Ostsee,
wichtig als Stapelplatz und Ausfuhrort für Holz, Getreide, Hanf
und Flachs. — Libau (65 000 E.), aufblühende Hafenstadt.
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Preußen, Pommern, Mecklenburg in sich gegliedert durch die
parallelen Durchbrüche der Weichsel und Oder und durch deren
und des Pregel und Niemen breite und fette Niederungen. Die
bedeutendste Entwicklung im deutschen Ordenslande*).
Sein Vorland an der Straße von Marienburg nach Königs-
berg und von da über Tilsit nach Livland reicher geschicht-
licher Boden, im Inneren noch nicht ausgeglichene Gegensätze der
Kultur zwischen den deutschen Städten und der lettischen und
slavischen (masurischeu) Landbevölkerung; ähnlicher Gegensatz an
der Grenze Pommerns (Kassuben) und Westpreußens, eine Nach-
Wirkung des der deutsch-evangelischen Kultur feindlich entgegen-
getretenen Thorner Friedens. Das übrige Küstenland vollständig
germanisiert.**) Im insularen***) Holstein und Schleswig
(Stecknitzkanal, Eiderkanal, Isthmus zwischen Schleswig und
Tondern, Dannewirk) begleitet die Seeplatte oft mit lieblichen
Waldlandschaften die Ostküste, dahinter die Geest, auf ihr die
Verbindung nach dem N., westlich zur Nordseeküste friesisches
Marschland bis Ditmarschen. Der Zusammenhang mit der
offenen Nordsee durch die Batten gehemmt, der Nordseehafeu
Altona neben Hamburg; der Schwerpunkt des Landes an
der den nahen dänischen Inseln ähnlichen Ostseeküste. Der durch
die Dynastie geförderte langdauernde Zusammenhang mit Däne-
mark durch Preußen gelöst. Stammland dieser Dynastie, die
auch in Rußland und Griechenland (eine Zeitlang auch in Schwe-
*) Die Bewohner des polnischen Sumpflandes kannten und nützten die
günstige Lage und Beschaffenheit ihres Mündungslandes Preußen nicht;
deutsche christliche Ritterschaft im Bunde mit den Seestädten zogen es in
das Bereich deutscher Kultur. Nach langer Störung durch die Polnische
Herrschaft wurde diese Aufgabe durch die Hohenzolleru wieder aufgenom-
men und auf das Hinterland ausgedehnt. Anfiedlung der evangelischen
Salzburger in Ostpreußen durch Friedr. Wilh. I., Kultur des Netzedistricts
durch Friedrich d. Gr.
**) Die den Littanern verwandten, den Reußen anwohnenden Preußen
haben durch ihren ruhmvollen Widerstand ihren Namen verewigt; auch das
treue deutsche Pommerland ist stolz'auf seinen Namen (am Meere); Meck-
lenbnrg hat Slavisches in dem Dienstverhältniß der Landbevölkerung bewahrt,
Wagrien (östliches Holstein) selbst den Namen Stargard in Oldenburg über-
setzt. Ratzeburg-Ratibor.
***) Daher zum Theil der Partikularismus der Bewohner. Die Knicks
Erinnerungen an altsächsische Abgeschlossenheit. Altsächsisches auch im
Bau der Bauernhäuser, die wie in Westfalen auch das Vieh unter ihrem
Dache bergen: engste Concentration des freien Besitzes (weit verschieden
von den Wohnungen der slavischen Bauern).
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— 111 —
Gora)*) an die Karpathen anlehnend, im N. durch die Depression
des Narew von der baltischen Seenplatte geschieden, dazwischen
etwas gehoben der Getreide- und Waldboden, in dessen Mitte
Warschau.
b. Das Gebiet des schwarzen Meeres. Das Quell-
gebiet des Dnjepr (Borysthenes), den Pripät entlang (Rokit-
nofümpfe) bis zu deu höhern Sandufern der Beresina ein uuge-
heuerer waldiger Morast, dessen Wassermassen der Dnjepr durch
die niedere, aber hügelige Ukrain e (Pultawa) von Kijew, dem
hochgelegenen Mittelpunkte dieses Flußgebietes an über lange
und gefährliche Stromschnellen den pontischen Steppen und dem
Meere zuführt. Mit der Stadt Kijew steigt auf dem rechten
Ufer wieder der Landrücken an, der nun ohne Steppen durch
das fruchtbare Podolien und Wolyuieu in das verwandte
Galizien und Polen zieht. Zwischen Dnjester und Pruth
das walachische Bessarabieu (Bender), die äußerste Karpa-
theuterrasse bis zur Küste. Im Mündungsgebiet zwischen Dnje-
ster und Bug (mit deutschen Kolonieen) Odessa, die neue
politische Großstadt, und hinter dem Bug verdeckt der seit Seba-
stopols Fall gegründete Kriegshafen Nikolajew. — Die über
den schmalen Isthmus von Perekop durch die Krim (Cherson-
nesus Taurica) ziehende tanrisch e Steppe endigt im S. in
einer lieblichen, seit ältester Zeit besungenen, malerischen Gebirgs-
landschast, mit mehrern vor den pontischen Stürmen gesicherten
Häsen, den Emporien für das skythische Hinterland, daher von
Griechen, Gothen, Genuesen, Tataren und Russen**) besetzt, ein
farbenreiches Geschichtstableau in eintöniger Umgebung. — Der
Don (Tanais) fast ein Nebenfluß der Wolga; uur die schmale
Wolgahöhe in der Nähe der Herrnhuterkolouie Sarepta hin-
dert das Zusammenströmen und zwingt ihn, die palus Maeotis
immer weiter mit seinem Schlamme auszufüllen. Sein Ufer-
*) Höchster Theil des südlichen Landrückens überhaupt, bis 2000' auf-
steigend , mit wirklichem Gebirgscharakter. Er nöthigt die Weichsel zu der
großen östlichen Ausbiegung. Im Westen ^begrenzt ihn die Warta, im
Norden die Pilica.
**) Der Besitz der Krim (Sinope gegenüber) eine Lebensfrage für Ruß-
lands Macht. — Von hier gieng die venetianische und genuesische Karawa-
neustraße über Sarepta (den Tragplatz) in die Steppen Asiens nach Indien
und China. Damals zahlte Kaffa um asowschen Meere 100000 Ew., in
derselben Zeit, wo auf der nördlichen Handelsstraße zwischen Byzanz und
der Ostsee Kijew 200000, Nowgorod 400000 Ew. hatte.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Selbstunterricht
Regionen (OPAC): Preußen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
15
fein« Nachkommen *) die Eroberung ihres Ahnherrn
nach Möglichkeit zu befestigen und zu erweitern such-
ten, bis endlich mit Heinrich Iii. die askanrschr Für-
stenlinie von Brandenburg ausstarb, ward das Be-
kehrungsgeschaft in Preußen allmahlkg von der Geist-
lichkeit im Verein mit den genannten Ordensrittern
in ein System gebracht. — Zuerst fanden sich Jo-
hanniter in den Gränzlanden ein; Herzog Gri-
mislav von Pommern räumte dem Orden sein
Schloß und den. Flecken Stargard nebst der Kirche
von Lubisow ein. Kauni waren die Ritter im Be-
sitze dieser Schenkung, als sie die Johanniskirche in
Stargard, das Städtchen Schöneck und eine Comthu-
rei zu Lubisow gründeten. Fast gleichzeitig mit die-
ser Begebenheit stiftete Bischof Alb recht, der Er-
bauer von Riga, den Schwertorden in Livland.
Diese.. Christusstreiter (milites Christi) verbreiteten
deutsche Herrschaft und christlicke Lehre längs der gan-
zen Küste über Livland und Esthland bis hinauf in
Karelien und Jngermanland. Sie theilten Gewalt
und Land mit dem jedesmaligen Erzbischöfe zu Riga.
Für die preußischen Bekehrer und Bekehrten war
bis jetzt von Seilen des päpstlichen Stuhls wenig ge-
schehen. Als aber der Benediktiner Christian, Abt
zu Oliva, der Abt Gottfried zu Lukina und dev
Cisterciensermönch Philipp von ihren Werbeplatzen
an der masovischen Granze aus mit Sanfhmuth
und Klugheit das Bekchrungswerk zu treiben ansin,
gen, als sie mit Erfolg wirkten, und Abt Chri-
stian, der in Begleitung mehrerer neubekehrter preu-
ßischer Szupanen wiederholt Resten nach Rom machte,
zuerst als Apostel in Preußen, dann als Bischof von
Preußen bestellt und ihm die Eroberung des Landes
zu Gunsten des römischen Stuhls durch geistliche und
weltliche Waffen aufgetragen wurde, — da fehlte
- auch die Kreuzpredigt nicht, und bald erhielten die
polnischen Namenchristen, die, seit der ersten Apostel
Ermordung bereits, fruchtlos an der Unterjochung ih-
rer heidnischen Bluts- und Sittenverwandten, der
rzrc»
H93
1201
1211
1215
*) C, Regentenverzeichniß.
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Schulformen (OPAC): Selbstunterricht
Regionen (OPAC): Preußen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
i6
regierte Preußen, arbeiteten, eine willkommene Verstärkung,
von 1216 Papst Honorius Hi. schrieb gleich nach seiner Er-
btsi22? Hebung auf den Stuhl Petri einen Kreuzzug aus, er-
1219 theilte dem Bischof Christum die Vollmacht des Ab-
lasses und das Recht Preußen in Sprengel und Bis-
thümer einzutheilen.
Wahrend der geistlichen und weltlichen Rüstung
zum Kreuzzuge rief der von den wiederholten Ein-
fällen der Preußen hart bedrängte Herzog Konrad
von Masovien die livländischen Schwertritter zum
Schirm seiner Gränzen auf, und versprach dem Orden
die Hälfte aller von den Preußen zu machenden Er-
oberungen. Vinno, der erste Ordensmeister, sandte
dem Herzoge sofort 50 Ritterbrüder mit ihren Knech-
ten, denen das Land Dobrziü eingeräumt und eine
Burg gleiches Namens erbaut wurde. Diese Käm-
pfer, von nun an Ritter des Ordens von Dobrzin
genannt, erlitten bald nach ihrem Einzuge eine Nie-
derlage durch die Preußen, aus der nur fünf Ritter
in die Burg zurückkehrten, welche sie dem Herzoge
wieder übergaben und sich zugleich von der Verbin-
dung mir ihm lossagten. Masovien, Culm und
Lobau wurden durch die Preußen verheert, und nur
von dem Kreuzzuge konnte dem Herzog Hülfe kommen.
i2zi Wirklich rückte auch Ehristian an der Spitze eines
zahlreichen Kreuzheers, in dessen Reihen Herzog Hein-
rich von Schlesien, mehrere polnische Magnaten und
Bischöfe sich befanden, in des Herzogs von Maso-
vien Gebiet. Als aber den Heerführern, besonders
dem Herzog Heinrich kund ward, nie Bischof Chri-
stian im Namen der Kirche Schenkungen und Erobe,
rungen an und in Besitz nahm, da erkaltete der Ei-
fer bald; die Führer zogen sich allmählig zurück, die
übrigen aus Deutschland, Böhmen, Mähren, Polen,
Pommern und Ungarn zusammen gelaufenen Streiter
litten in dem verheerten Lande Mangel an allem,
konnten wider die in ihren Wäldern und Sümpfen
verborgenen Preußen nichts ausrichten, und hatten
1224 kaum ihren Rückzug aus des Herzogs Landen voll-
führt, als diese den erbitterten Feinden ein Raub
wurden. «Viele Klöster*, berichtet der Chroniken-
schreiber Lucas David, «250 Pfarrkirchen, selbst Ploczk,
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Selbstunterricht
Regionen (OPAC): Preußen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
i7
Konrads Fürst enfltz, nebst der Domkkrche plünderten
und verbrannten die Preußen."
Für den Augenblick entfernten endlich Geschenke
den Feind, worauf ein Landtags-Beschluß, theils auf
Bischof Christians Rath, theils durch eine Von den
Lkthauern erlittene Niederlage der Kreuzfahrer bestimmt, 1ä*5
die Absendung einer Gesandtschaft an Herrmann v.
Salza, Hochmeister des deutschen Ordens, mit
der Bitte um Beistand, unter Anerbietung wichtiger
Landbesitzungen zur ersten Niederlassung der Ordens-
ritter bewilligte. Der Hochmeister schloß mit dem
Herzoge einen Vergleich, in welchem er seines Ordens
Vortheil nach Möglichkeit berücksichtigte, ließ densel-
den durch ein Diplom vom Kaiser Friedrich Ii. zu- »228
gleich mit der Schenkung des zu erobernden Preußens
bestätigen, und erhielt endlich noch eine genehmigende
Bulle vom Papste Gregor Ix., in der die fle* *^3 ^I2.27
sammte Christenheit zum Beistände des Ordens er- 1223
mahnt wurde. In dem genannten Vergleiche trat der
Herzog Konrad das kulmische Land, die Stadt
Orlau in Cujavien, chas Schloß Dobrzin und dessen
Gebiet für sich und seine Nachkommen an den Orden
ab, und ertheilte diesem die Zollfreiheit zu Wasser und
zu Lande. Auch Bischof Christian brachte den Ähnlichst
erwarteten Rettern das Opfer des Zehntens in den
abgetretenen Bezirken.
Sobald die indeß vom Hochmeister auf Kund-
schaft nach Preußen abgesandten Ritter heimgekehrt,
die Vertragsurkunden sammt allen Bestätigungen aus-
gewechselt waren, sandte derselbe den H e r rm a nn v 0 n ^ 2„0
Balk als ersten Landmeister, in Begleitung eines 0
Marschalls, Comthurs und Spittlers mit hundert
Rittern nach Preußen. Von da vergingen drei und
fünfzig Jahre in stetem Kampf und blutigen Gräueln
von beiden Seiten, bis zuletzt, unter dem dreizehnten
Landmeister, Konrad von Thorberg d. j., die 1255
Eroberung Preußens vollbracht wurde. -Der Orden
ward unumschränkter Herr; die Errichtung von Bis-
thümern, die Gründung von festen Städten und Bur-
gen, die Einwanderung vieler deutscher Einwohner
sicherten ihm die Herrschaft. Die Colonisten brachten
ihren Gewerbfleiß in die von ihnen ausschließlich be-
2
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Extrahierte Personennamen: Konrads Christians_Rath Herrmann Friedrich_Ii Friedrich Gregor_Ix. Gregor_Ix. Konrad Konrad Schloß_Dobrzin Christian Konrad_von_Thorberg Konrad
Ludwig Xiv. und die Kirche. 171
Hause Habsburg, so daß es in Europa nur noch zwei Wahlreiche
gab, Polen, das an dieser Freiheit zu Grunde ging, und Deutschland,
das darüber seine nationale Einheit verlor. Unterdessen wurde auch
Siebenbürgen befreit und Michael Apasi huldigte dem Kaiser als Schirm-
herrn; 1688 den 6. September fiel Belgrad durch einen fürchterlichen
Sturm in die Gewalt des christlichen Heeres, wobei sich der bayerische
Kurfürst wieder besonders auszeichnete. Nach Karl von Lothringen führte
den Oberbefehl der wackere Markgraf Ludwig von Baden, der 1689
die Türken bei Patasch und Nissa schlug, diese Stadt sowie Semen-
dria und Widdin eroberte und 1691 den großen Sieg bei Salanke-
men erfocht, in welchem Mustafa Kiuprili blieb, der 1690 den Christen
Belgrad und Serbien wieder entrissen hatte. Zuletzt befehligte Prinz
Eugenius und vertrieb die Türken durch die Schlacht bei Zenta
(11. Sept. 1697) aus Ungarn. Zm Frieden von Karlowitz (1699)
trat der Sultan Ungarn bis auf das Banat von Temeswar und Sie-
benbürgen (der junge Michael 11. Apasi legte 1690 die fürstliche Würde
in die Hände des Kaisers nieder) an Oesterreich ab, an die Venetianer
Morea und einige Inseln, denn auch Venedig half die Roßschweife rupfen,
seit die kaiserlichen Waffen siegreich waren. So wurde Ungarn größten-
theils durch deutsches Blut den Türken entrissen und die Magyaren soll-
ten es nie vergessen, daß sie ohne deutsche Hilfe die Sklaven türkischer
Paschen wären.
Viertes Kapitel.
Ludwig Xiv. und die Kirche.
Aushebung des Edikts von Nantes (22. Vktober 1685).
Während der französische König Eroberungen über seine Nachbarn
machte und auf neue sann, setzte er den Uebergriffen seiner Vorfahren
gegen die Kirche die Krone auf und die Päpste mußten es bereuen, daß
sie in ihrem Kampfe gegen die deutschen Kaiser den französischen Königen
zu gefällig gewesen waren. Wie Philipp der Schöne Bonifacius Viii.
lohnte, wissen wir, und von dieser Zeit an geht ein Widerstreben gegen
den päpstlichen Stuhl durch die Geschichte Frankreichs, dem auch der hohe
Klerus nicht fremd blieb, der sich auf die alten Rechte der „galli-
kanischen Kirche" berief und die Bestimmungen des Konstanzer und
Basler Koncils über das Verhältniß der Päpste zu den Koncilien an-
führte; keine Rede davon, daß Rom gegen den französischen Klerus jene
Reservationen von Beneftcien, Erspektationen und Annaten geltend machen
durfte, über welche in Deutschland so viel geklagt wurde. Papst Leo X.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig Michael_Apasi Karl_von_Lothringen Karl Ludwig_von_Baden Ludwig Mustafa_Kiuprili Eugenius Karlowitz Michael_11._Apasi Ludwig_Xiv Ludwig Philipp_der_Schöne_Bonifacius Philipp Leo_X Leo
Extrahierte Ortsnamen: Europa Polen Deutschland Belgrad Serbien Zenta Ungarn Ungarn Temeswar Oesterreich Ungarn Nantes Frankreichs Rom Deutschland
Rußland unter Peter dem Großen.
205
Schlüssel des baltischen Meeres besitzt und dadurch Petersburg und seine
Städte an der Ostsee gegen jeden Angriff sicher stellt und kein englischer
Admiral mehr Petersburg in Grund zu schießen droht.
Andererseits wies Peter seine Nachfolger an das schwarze Meer.
Asow war ein zu kümmerlicher Antheil, als daß sich das russische Reich
damit begnügen konnte, und die zunehmende Schwäche der Pforte er-
leichterte die Eroberungen der Küsten des schwarzen Meeres ans eine
sehr einladende Weise. Seitdem ist das schwarze Meer bereits zu einem
russischen Landsee geworden, und wenn Rußland vollends die Meerenge
von Konstantinopel und die Dardanellen besitzt, so hat es ein zweites
geschlossenes Meer und ist auch im Süden unangreifbar.
Auch nach dem innern Asien richtete Peter seinen Blick. Auf dem
kaspischen See baute er Schiffe und fing darauf mit Persien Krieg
an, das ihm drei Provinzen: Masanderan, Asterabad und das seiden-
reiche Ghilan abtreten mußte. Jetzt befahren russische Dampfschiffe das
hyrkanische Meer der Alten und dringen den Orus und Jarartes hin-
auf in das Innere vor; der Handel mit dem Turan der alten Perser
ist in russischen Händen, Persien selbst an die russische Politik gekettet.
Peter war es aber auch, welcher die unbeschränkte Macht der rus-
sischen Herrscher seinen Nachfolgern fertig hinterlicß. Nach dem Frieden
von Nystädt, den Schweden 1721 eingehen mußte, legte er sich mit
gegründetem Stolze den Kaisertitel und den Beinamen des Großen bei.
Er nahm dem Adel seinen Einfluß auf die Negierung des Landes, er-
richtete statt des Bojarenhofes einen Senat, dessen Mitglieder der Kai-
ser ernennt, als obersten Gerichtshof des Reiches, für die Provinzen
aber Regierungskollegien. Die kaiserlichen Erlasse, Ukase, hatten auch
gesetzliche Geltung ohne die Beistimmung der Bojaren, und eine euro-
päisch-organisierte Polizei mit der geheimen Jnquisitionskanzlei wachte
über die öffentliche Sicherheit und über das Treiben unzufriedener Rus-
sen. Der russisch-griechischen Kirche war bisher ein Patriarch mit so
großen Rechten vorgestanden, daß er mit dem Kaiser die erste Person
des Reiches war; letzteres wurde besonders durch den Gebrauch ange-
deutet, daß der Zar und der Patriarch am Neujahrstage sich öffentlich
umarmten und küßten. Als (1700) der Patriarch Adrian starb, ließ
Peter keinen neuen mehr wählen und ernannte während 20 Jahren nur
Stellvertreter, so daß das Volk allmählig des sonst so hoch angesehenen
Patriarchen vergaß; dann setzte er 1720 eine heilige dirigierende Synode
ein, welche von ihm ihre Verhaltungsbefehle erhielt und wurde so auch
das Haupt der russischen Kirche. Ausdrücklich bemerkte er der Geistlich-
keit, er wolle nicht, daß das Volk neben dem Kaiser einen Patriarchen
sehe, dessen Worte es wie eine Stimme Gottes anhöre und ihm viel-
leicht gehorche, wenn er gegen die Verordnungen des Kaisers spreche.
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Extrahierte Personennamen: Peter Peter Peter Adrian Peter
Dissidenten und Konföderierte in Polen. Erste Theilung Polens. 229
ihnen das Feld bauten, oder ihnen die Heerden der Rosse, Rinder und
Schafe weideten; die Herren selbst vergnügten sich auf der Jagd in den
ungeheuren Wäldern, praßten bei Gelagen oder reisten im Auslande, die
wenigsten befaßten sich mit der Verbesserung des Zustandes ihrer Bauern.
In den Städten konnte der Bürgerstand niemals aufkommen, die Handels-
geschäfte waren daher in den Händen der Juden, deßwegen hatte Polen
auch keinen Gewerbsfleiß und blieb ein armes Land. Durch das Aussterben
der Jagellonen wurde es 1572 ein förmliches Wahlreich. Der Adel
wählte den König, dem alle Macht entrissen und nur der Name gelassen
war; denn der König mußte vor allem die pacta conventa unterschreiben,
welche es ihm verboten, einem Prinzen von Geblüte eine Würde zu ver-
leihen, wodurch dieser Sitz und Stimme in dem Reichstage erhalten hätte;
er durfte keine Ländereien kaufen und sich keine konfiscierten Güter aneignen.
Die höchste Gewalt blieb bei dem Reichstage, der aus den höhern geist-
lichen und weltlichen Würdeträgern und den adeligen Deputierten der ein-
zelnen Distrikte bestand; da galt das unsinnige Recht des liberum veto,
dem zufolge das „Nein" eines einzigen Edelmannes jeden Beschluß ungiltig
machte; der polnische Reichstag ist durch seine stürmischen Auftritte in
Deutschland sprichwörtlich geworden. Das liberum veto hatte der Reichs-
tag dem Könige Johann Ii. Kasimir (1648—1672) abgedrungen,
welcher demselben vergebens den Untergang des Staates als nothwendige
Folge einer derartigen Anarchie voraussagte. Dem liberum veto gegenüber
hatte der Adel das Recht zur Durchführung eines Beschlusses Konfödera-
tionen oder Bündnisse zu machen, welche in der Regel zu Bürgerkriegen
führten. So mußte Polen untergehen, obwohl es auf ungefähr 14,000
Geviertmeilen 16 Millionen Einwohner zählte, der Adel kriegerisch war
und eine treffliche Reiterei stellte, die rohen Bauern den besten Stoff
zu einem Fußvolk darboten. Schon manchmal hatte Polen das Unheil-
volle einer solchen Verfassung erfahren; mit Mühe erwehrte es sich der
Schweden von Gustav Adolf bis auf Karl Xii., und unter Peter 1. hatte
es bereits brutale russische Einmischung dulden müssen, nichtsdestoweniger
blieb es bei seiner Verfassung. Selbst der edle Johannes Sobieski
(1674 — 1696), der in ganz Europa gefeierte Held, vermochte über die
Parteien nicht so viel, daß ihn während seiner Feldzüge gegen die Türken
und Tataren nicht ganze Heeresabtheilungen unter der Anführung eines
Großen, z. B. des Grafen Pac, verließen, und daß Polen (1699) seine
verlorenen Landstriche in Podolien und der Ukraine von den Türken zu-
rückerhielt, verdankte es nur dem Siege der österreichischen Waffen. Wie
verderblich Polen die Theilnahme Augusts Ii. (1696 —1733) an dem
nordischen Kriege war, ist oben bereits erzählt worden; unter dem glei-
chen Könige erfuhren die Rechte der Dissidenten 1717 eine beträcht-
liche Schmälerung, was sich 1737 unter seinem Nachfolger August Iii.
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Extrahierte Personennamen: Johann Kasimir_( Gustav_Adolf Gustav Adolf Karl_Xii Karl Peter_1. Johannes_Sobieski Augusts August
Extrahierte Ortsnamen: Polen Polens Deutschland Europa Polen Podolien
Die Revolutionen und Aufstände in der europäischen Türkei.
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lution 1848 vom Baume fiel. (Seitdem haben die Fürstenthümer bekannt-
lich die Stellung Serbiens und einstweilige Union errungen.)
Die Träume oder Plane der dacischen Partei in den beiden Hospo-
dariaten scheinen wie das Spinngewebe, das man den fliegenden Som-
mer nennt, sich nicht ganz auf ihre Geburtsstätte beschränkt zu haben,
doch blieben sie ohne sichtbare Einwirkung auf den Gang der Dinge jen-
seits der Gränze, und noch weniger Bedeutung hatten die wiederkehren-
den Unruhen der muselmännischen Albanesen oder Arnauten, die von
den türkischen Pascha noch jedesmal durch Gewalt und Hinterlist be-
zwungen wurden. Die Häuptlinge der Albanesen gewähren bei ihrer
gegenseitigen Feindschaft und ihrer Geldgier den Pascha ein leichtes
Spiel; sind einige Köpfe gefallen, so ist wieder Ruhe und die Pforte
kann gegen Sold so viele dieser irregulären Krieger anwerben, als sie
für gut findet, lauft aber freilich Gefahr, daß dieselben auf türkischem
Boden ihr räuberisches Gelüsten befriedigen und sich um großherrliche
Befehle erst bekümmern, wenn dieselben von einer gehörigen Anzahl re-
gulärer Truppen Nachdruck erhalten.
So geschah es z. B. 1841 in Bulgarien. Die Bulgaren haben
das Lob treuer, mäßiger und fleißiger Leute, welche nicht nur zum Acker-
bau, sondern auch zu der Industrie und dem Handel viel Neigung und
Geschick zeigen, aber unkriegerisch sind; sie bewohnen nicht bloß die nach
ihnen benannte Provinz, sondern haben sich südwärts bis gegen Thessa-
lien und Epirus ausgebreitet. In dem russisch-türkischen Kriege von
1828 und 29 zeigten sie für die Russen keine bcsondern Sympathieen
und verhielten sich auch nach dem Kriege ruhig; 1836 jedoch, als in
Bosnien und Türkisch-Kroatien vereinzelte Aufstände stattfanden, hörte
man auch von Unruhen in Bulgarien, welche jedoch von keiner Bedeu-
tung sein konnten, denn sie waren bald verschollen und wahrscheinlich nur
die Folge einzelner Gewaltthaten, die sich der eine oder andere Türke
erlaubte. Planmäßig angelegt scheint jedoch ein bulgarischer Aufstand
im Jahre 1841 gewesen zu sein, möglicherweise war er eine verspätete
Folge der Einverständnisse, die Mehemet Ali von Aegypten gegen den
Sultan auf dessen europäischem Gebiete angesponnen oder veranlaßt hatte.
Einige bulgarische Bezirke griffen zu den Waffen, es genügten aber we-
nige Bataillone Arnauten zur Unterdrückung des Aufstandes, die hierauf
nach altem Brauche so lange mordeten und plünderten, bis sie durch
reguläres türkisches Militär zu einer andern Bestimmung abgeführt wur-
den. Damals erschien ein poetischer Aufruf der Bulgaren an das christ-
liche Europa, was den Verdacht wenigstens entschuldigt, der Aufstand
sei eine fremde Machination gewesen, um die öffentliche Meinung Euro-
pas gegen die Türken wieder aufzustacheln, denn die Katastrophe von
Navarin so gut als der russisch-türkische Krieg von 1828/29 wären un-
Duinüncr, Neue Zeit. Oc
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Extrahierte Personennamen: Ali_von_Aegypten
Extrahierte Ortsnamen: Serbiens Bulgarien Epirus Bosnien Bulgarien Europa