— 304
Mit Bethanien übersieht das Auge den Ölberg, die Stätte der
heiligen Erinnerungen. Nahe am Ölberge liegt Gethsemane, unten
an seinem Fuße der Olivengarten und oben auf dem Gipfel die
Himmelfahrtskirche. Ich konnte mein Auge fast nicht wenden von
den heiligen Hügeln. Noch einmal trank ich in vollstem Zuge das
heilige Schauspiel und wandte mich dann mit dem Wunsche des
heimatlichen Dichters ab:
„Bleibt mir nah mit eurem heil'gen Walten,
Hohe Bilder, himmlische Gestalten!"
(Nach F. W. Hackländer u. a.)
Die Überschwemmungen des Wits.
Schon im Altertum wurde Ägypten ein „Geschenk des Nils"
genannt, und das mit Recht; denn der Nil ist es, der das Land
bewässert und fetten Schlamm auf demselben ablagert, dadurch unter
einem fast regenlosen Himmel üppige Fruchtbarkeit erzeugeud. Zwar
haben auch andere Ströme jährliche Überschwemmungen; aber bei
keinem derselben treten diese mit solcher Regelmäßigkeit auf und lassen
sich so genan und so weit zurück verfolgen. Wir wissen, daß der
Nil von den mächtigen Wassermassen angeschwellt wird, welche zur
Zeit der tropischen Regen in seinem Quellgebiet, besonders in Abessinien,
herabstürzen. Gegen Schluß des Juni verrät der steigende Strom
den gewaltigen Zuwachs des Wassers. Diese Schwellung nimmt
nun in gleichmäßiger Folge so zu, daß um die Mitte des Augusts
der Fluß iu Ägypten seine Ufer überschreitet und allmählich das
ganze Thal bis zum Fuße der Berge überflutet, um während des
Oktobers in seine Grenzen zurückzukehren und ebenso gleichmäßig, wie
er gewachsen, auf den niedrigsten Wasserstand herabzusinken. Das
höchste, aber gewöhnliche Maß der Steigung beträgt für das Delta
heute noch wie schon im Altertum 5 m, und die Wassermenge, welche
der Strom in dieser Zeit dem Meere zuwälzt, ist zwanzigmal größer
als zuvor. Zuweilen bleibt er auch uuter dem angegebenen Maße
zurück. Dann aber trifft Hungersnot oder doch Mangel die Be-
völkeruug, welche eben den Überschwemmungen allein ihre reichen
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: F._W._Hackländer Augusts
— 162 —
oft an 500 000 Menschen selbst aus den fernsten Gegenden Asiens
zusammenströmen. — Tula mit 111 000 E. hat die größten
Waffen- und Metallwarenfabriken, das „russische Birmingham".
— Woronesch am Don (84000 E.) betreibt lebhasten Handel.
— Archangelsk mit 21 000 E., unfern der Dwinamündung ge-
legen, ist für Ausfuhr von Schiffsbauholz wichtig.
2. Kleinrußland (die Ukraine). K i j e w am Dnjepr (247 000 E.)
ist Mittelpunkt der Rübenznckerindustrie. Uuiversität. — Charkow
(175 000 E.) hat blühenden Handel, besonders mit Getreide und
Wolle. Universität.
3. Südrußland, das ehemals türkische Gebiet am Schwarzen
Meere. Kischinew (109 000 E.) im Bezirk des Wein- und Tabak-
baues. — Odessa, unweit der Mündung des Dnjeftr (405 000 E.),
ist die bedeutendste russische Handelsstadt am Schwarzen Meere, Stapel-
Platz und Hanptaussuhrort für Getreide. Universität. — Nikolajew
(92 000 E.) ist die Hauptstation für die russische Kriegsflotte im
Schwarzen Meere. In der Nähe viele deutsche Kolonien.
4. Westrußland. Wilna (160000 E.) ist die bedeutendste
Stadt Litauens.
5. Das Königreich Polen. Die Hauptstadt Warschau an der
Weichsel (638 000 E.) ist Mittelpunkt der Gewerbethätigkeit und des
Handels Polens. Festung. Russische Universität. — Lodz (mit Vor-
orten 315 000 E.) hat sehr bedeutende Leinen- und Baumwollindustrie.
6. Die Ostseeprovinzen. St. Petersburg an der Newa-
Mündung (mit Vororten 1 267 000 E.), die von Peter dem Großen
gegründete, großartig angelegte neue Hauptstadt, ist der erste Handels-
platz Rußlands. Universität. — Der Kriegshafen Kronstadt
(60 000 E.) ist die Schutzfestung für Petersburg. — Dorpat,
rusf. Jurjew (42 000 E.) mit (ehemals deutscher) Universität. —
Reval (65000 E.) ist ein lebhafter Handelsplatz am Finnischen
Meerbusen. — Riga an der Dünamündung (mit Vororten
283 000 E.) ist die zweite russische Handelsstadt an der Ostsee,
wichtig als Stapelplatz und Ausfuhrort für Holz, Getreide, Hanf
und Flachs. — Libau (65 000 E.), aufblühende Hafenstadt.
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): koedukativ
Der Bettler hatte es unerträglich gefunden, seine Kräfte anzu-
strengen, ohne daß ein nützlicher Erfolg dadurch erzielt wurde.
Im Dorfe unterhielt man sich lange über diese Geschichte, und jeder-
mann war der Ansicht, daß Arbeiten etwas anderes ist, als nur Beine
und Arme bewegen. Man kann beim Spielen, namentlich wenn es sich
um Kunststücke handelt, große und ermüdende Anstrengungen ebenfalls
machen, die eigentliche Arbeit aber ist immer auf einen nützlichen
Zw eck gerichtet- sie will schaffen, erzeugen, produzieren. Die
einen schaffen, indem sie den Boden bearbeiten und Bodenprodukte ein-
ernten, andere bearbeiten das Eisen, das Holz, spinnen, weben oder
erzeugen Gegenstände der Industrie auf tausenderlei Wegen; andere ver-
wenden ihre Arbeit auf den Transport dieser Gegenstände, auf ihre
Verpackung und Sortierung u. s. w., und für alle diese Dinge müssen
sie bezahlt werden. Wie würden wir Kaffee aus Brasilien, Pfeffer aus
den Kolonien, warmes Pelzwerk aus Rußland haben, wenn es keinen
Handel gäbe?
Auch wer lernt, arbeitet. Er schafft sich Kenntnisse und Einsichten,
wodurch er zu einem unterrichteten und guten Menschen wird, dem es
leichter werden wird, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und in ehr-
licher Arbeit sich und seinen Nebenmenschen nützlich zu sein. Der Lehrer
arbeitet, indem er unterrichtet, der Arzt, indem er heilt. Ja, man
arbeitet sogar, indem man Gegenstände herstellt, die zum bloßen Ver-
gnügen anderer dienen und von diesen gekauft werden, weil es jedem
erlaubt ist und gut thut, sich Erholung zu verschaffen, wenn er fleißig
gearbeitet hat.
Das sogenannte goldene Zeitalter, in welchem die Menschen mühe-
los und herrlich zugleich lebten, ist eine Fabel. Zwar wachsen die
Bäume von selbst, aber ihre Früchte sind dann klein und ohne Geschmack.
Wenn sie gute Früchte tragen sollen, muß man sie pfropfen, beschneiden
und auf sie achten. Alles dies erfordert aber Arbeit. Nie wuchs und
schnitt das Korn sich von selbst, wurde das Brot von selbst gebacken.
Man muß den Boden pflügen, Dünger aufbringen und guten Samen
ausstreuen; man muß den Acker in verschiedener Weise bearbeiten, damit
die Ähren groß und die Körner schwer werden, um Brot daraus für
viele Menschen zu machen. Es bedarf nur weniger Überlegung, um zu
finden, daß wir Nahrung, Kleidung, Wohnung und die tausenderlei
Bedürfnisse, die unser Leben angenehm gestalten, nur der Arbeit verdanken.
Tie Arbeit ist eine Notwendigkeit.
99. Vom Kapital.
Kapital nennt man bald das ganze Vermögen eines Menschen,
bald nur denjenigen Teil desselben, der zur Beschaffung neuen Vermögens
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): koedukativ
und bemalt wurden. Sein Beispiel fand Nachahmung und so verbreitete
sich die Bürstenbinderei immer mehr.
Als der Preis der Borsten und Haare infolge der vermehrten
Nachfrage zu einer ungewöhnlichen Höhe stieg, fand man in Reiswurzeln,
Kokos, Piassave u. s. w. billigere Ersatzstoffe. Dieselben werden teils
allein, teils mit weichen Borsten vermischt verarbeitet. Die meisten und
schönsten Borsten kommen aus Rußland, China, Indien und den Donau-
ländern. Für die Holzteile kommen außer Buchenholz auch Ahorn, Erle,
Linde und Kirschbaum in Betracht; zu feineren Sorten und namentlich
auch zu Bürstenplättchen verwendet man ausländische Hölzer wie Maha-
goni, Palisander, Ebenholz u. s. w.
Früher wurden die Bürsten ausschließlich durch Handarbeit herge-
stellt. In neuerer Zeit sinden wir überall Maschinen, die mit Wasser-
kraft oder Dampf getrieben werden. Es giebt Säg-, Hobel-, Bohr-^
Fräs-, Schleif-, Polier-, Einzieh- und Stanzmaschinen. In der Arbeit
ist eine Teilung eingetreten, woher es kommt, daß der einzelne Arbeiter
bei der gleichen Verrichtung bleibt, darin aber auch eine staunenswerte
Fertigkeit erlangt. So bohrt z. B. ein Hölzlebohrer täglich 40000 und
mehr Löcher.
Gegenwärtig sinden sich in Todtnau eine Reihe von Fabriken und
namhaften Geschäften. Auch in fast jeder Familie wird Bürstenmacherei
getrieben; man befaßt sich dabei hauptsächlich mit dem Einziehen. Die
Fabrikate werden nach fast allen europäischen Staaten, ja nach Afrika
und Australien versandt. Die Bürstenindustrie hat sich zu solcher Voll-
kommenheit emporgeschwungen, daß sie der Wettbewerbung die Spitze
bieten kann, wie sich z. B. auf den Weltausstellungen in Paris, Wien,
Sydney, Chicago u. s. w. gezeigt hat.
147. So soll es sein.
Tausend sieiß'ge Hände regen,
Helsen sich in munterm Bund,
Und in feurigem Bewegen
Werden alle Kräfte kund.
Meister rührt sich und Geselle
In der Freiheit heil'gcm Schutz.
Jeder freut sich seiner Stelle,
Bietet dem Verächter Trutz.
Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis.
Ehrt den König seine Würde,
Ehret uns der Hände Fleiß.
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Extrahierte Ortsnamen: China Indien Todtnau Afrika Paris Wien Sydney Chicago
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Berufsbildung
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 210 —
Summen schenkte zur polytechnischen Schule, zum Armenhaus und zum
Waisenhaus. Man hat's ausgerechnet, daß er in allem 363 400 Franken
gestiftet hat! Das mar ein edler Mensch! Als Schneiderlein ist er in
die Welt gezogen, blutarm, aber reich am Herzen. Da hat Gottes
Segen Früchte getragen! Der Name Georg Stulz wurde und wird
nicht nur von dankbaren Menschen, sondern von Gottes Engeln liebend
und segnend genannt!
Sein Landesherr, der Großhcrzog von Baden, der geme das Ver-
dienst seines Landeskindes ehren wollte, hat seine Brust mit dem Orden
des Zähringer Löwen geschmückt und ihn nachmals mit vielen Ehren in
den Freiherrnstand erhoben.
Am 17. November 1832 starb in Hyeres im südlichen Frankreich
der Freiherr Georg Stulz von Ortenberg, wie ihn sein Landesherr
benannte, und an seinem Grabe flössen reiche Thränen der Liebe; denn
er starb als Vater der Armen und Bedrängten. In Kippenheim steht
sein Denkmal; aber das zerfällt mit der Zeit. Größer und schöner ist
dagegen das, welches er sich gründete durch Wohlthätigkeitsanstalten, die
fortdauern zum Segen der leidenden Menschen.
137. Dirs Gerben des Leders.
Jede tierische Haut kann durch ein Gerbverfahren in Leder um-
gewandelt werden. Man verwendet insbesondere die Häute der Ochsen,
Kühe, Pferde, Schweine, Büffel, Flußpferde u. s. w.; ferner die Felle
der Kälber, Schafe, Ziegen, Hirsche, Rehe, Gemsen, Seehunde u. s. w.
Die Felle der Füchse, Biber, Zobel u. s. w. sind nur als Pelzwerk
wertvoll und unterliegen einer besonderen Konservierung.
Die Haut besteht, von außen nach innen betrachtet, aus 3 Schichten,
aus der mit Haaren oder Wolle besetzten Oberhaut, der Lederhaut und
der Unterhaut. Nur die mittlere Schicht, die Lederhaut, eignet sich zur
Herstellung des Leders. Es wird nun zunächst die „grüne", d. h. direkt
von der Schlachtung kommende und ebenso die zum Zwecke der Konser-
vierung gesalzene Haut in Wasser eingeweicht und durch tüchtiges Rein-
spülen von Kot, Schleim u. s. w. befreit. Alsdann wird vermittelst
des sog. Schmitzens eine Lockerung der Haarwurzeln herbeigeführt und
mit einer Maschine oder einem stumpfen Messer die Oberhaut nebst den
Haaren entfernt. Schließlich wird die innere Seite (Aasseite) mit dem
Schermesser bearbeitet und die Unterhaut entfernt, so daß nur die Leder-
haut, von den Gerbern nunmehr „Blöße" genannt, übrig bleibt.
Beim Gerben der „Blöße" können verschiedenartige Verfahren an-
gewendet werden.
Die Loh - oder Rotgerberei, die am häufigsten angewendet wird,
liefert ein festes, widerstandsfähiges und mildes Leder. Als Gerbsubstanz
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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§ 38. Schillers Werke. — Die lyrischen und epischen Dichtungen. 225
Der Natur furchtbare Stimme siege.
Und der Freude Wange werde bleich,
Und der heil'gen Sympathie erliege
Das Unsterbliche in euch!
Aber in den heitern Regionen,
Wo die reinen Formen wohnen,
Rauscht des Jammers trüber Sturm nicht mehr.
Hier darf Schmerz die Seele nicht durchschneiden,
Keine Träne fließt hier mehr dem Leiden,
Nur des Geistes tapfrer Gegenwehr.
Lieblich, wie der Iris Farbenfeuer
Auf der Donnerwolke duft'gem Tau,
Schimmert durch der Wehmut düstern Schleier
Hier der Ruhe heitres Blau.
Ties erniedrigt zu des Feigen Knechte,
Ging in ewigem Gefechte
Einst Alcid des Lebens schwere Bahn,
Rang mit Hydern und umarmt' den Leuen,
Stürzte sich, die Freunde zu befreien.
Lebend in des Totenschiflers Kahn.
Alle Plagen, alle Erdenlasten
Wälzt der unversöhnten Göttin List
Auf die will'gen Schultern des Verhaßten,
Bis sein Lauf geendigt ist —
Bis der Gott, des Irdischen entkleidet,
Flammend sich vom Menschen scheidet
Und des Äthers leichte Lüfte trinkt.
Froh des neuen, ungewohnten Schwedens,
Fließt er aufwärts, und des Erdenlebens
Schweres Traumbild sinkt und sinkt und sinkt.
Des Olympus Harmonien empfangen
Den Verklärten in Kronions Saal,
Und die Göttin mit den Rosenwangen
Reicht ihm lächelnd den Pokal.
6. Las Glück.
(1798.)
Selig, welchen die Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon
Liebten, welchen als Kind Venus im Arme gewiegt,
Welchem Phöbus die Augen, die Lippen Hermes gelöset,
Und das Siegel der Macht Zeus aus die Stirne gedrückt!
Ein erhabenes Los, ein göttliches ist ihm gefallen,
Schon vor des Kampfes Beginn sind ihm die Schläfen bekränzt.
Hense, Lesebuch. Ii. 4. Aufl. 15
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236
Siebte Periode ober zweite Blüteperiode, von 1748 ab.
2.
(1799.)
Dreifach ist des Raumes Maß:
Rastlos fort ohiu Unterlaß
Strebt die Länge; fort ins Weite
Endlos gießet sich die Breite;
Grundlos senkt die Tiefe sich.
Dir ein Bild find sie gegeben:
Rastlos vorwärts mußt du streben,
Nie ermüdet stille stehn.
Willst du die Vollendung sehn;
Mußt ins Breite dich entfalten,
Soll sich dir die Welt gestalten;
In die Tiefe mußt du steigen,
Soll sich dir das Wesen zeigen.
Nur Beharrung führt zum Ziel,
Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahr-
heit.
20. örrite und Liefe.
(1795.)
Es glänzen viele in der Welt,
Sie wissen von allem zu sagen,
Und wo was reizet und wo was gefällt,
Man kann es bei ihnen erfragen;
Man dächte, hört man sie reden laut.
Sie hätten wirklich erobert die Braut.
Doch gehn sie aus der Welt ganz still,
Ihr Leben war verloren.
Wer etwas Treffliches leisten will,
Hätu gern was Großes geboren,
Der sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die höchste Kraft.
Der Stamm erhebt sich in die Lust
Mit üppig prangenden Zweigen;
Die Blätter glänzen und hauchen Duft,
Doch können sie Früchte nicht zeugen;
Der Kern allein im schmalen Raum
Verbirgt den Stolz des Waldes, den Baum.
21. 8cr Kaufmann.
(1795.)
Wohin segelt das Schiff? Es trägt sidonische Männer,
Die von dem frierenden Nord bringen den Bernstein, das Zinn.
Trag es gnädig, Neptun, und wiegt es schonend, ihr Winde,
In bewirtender Bucht rauscht ihm ein trinkbarer Quell!
Euch, ihr Götter, gehört der Kaufmann. Güter zu suchen
Geht er, doch an sein Schiff knüpfet das Gute sich an.
22. Oie Johanniter.
(1795.)
Herrlich kleidet sie euch, des Kreuzes furchtbare Rüstung,
Wenn ihr, Löwen der Schlacht, Akkon und Rhodus beschützt.
Durch die syrische Wüste den bangen Pilgrim geleitet
Und nlit der Cherubim Schwert steht vor dem heiligen Grab.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
346
Achte Periode.
Was schreibest. Dichter, du? „In Glutbuchstabeu
Einschreib' ich mein' und meines Volkes Schande,
Das seine Freiheit nicht darf denken wollen."
5.
Wer sind die Jünglinge, die mit unwilligen
Glutblicken über ihren Feind, den Buben,
Von ihren Sitzen plötzlich sich erhuben,
Dem Vaterland sich bietend zu Freiwilligen?
Sie kommen, o ein Tausch setzt hoch zu bill'gen,
Sie kommen aus der Musen stillen Stuben,
Wo sie in ernster Weisheit Schachten gruben,
Und wollen setzt im Feld sich pflücken Liligen.
O würd'ges Schauspiel, o erhabne Szenen,
O wahrhaft feierliche Katastrophe,
Wie nur sie sah das Land einst der Hellenen!
Mit in die Reihin gestellt gehn Philosophen,
Und vor den Reihin, trunken von Hippokrenen,
Gehn auch die Dichter her und wirbeln Strophen.
6.
Frau'n Preußens, nehmt für eure Opfergaben
Das Opfer an des Lieds, das ich euch bringe;
Ihr, die ihr gabt vom Finger eure Ringe,
So wie ihr gabt vom Busen eure Knaben
Dem Vaterland! In Erzschrift sei gegraben
Eu'r Preis, daß ihn kein Mund der Zeit bezwinge!
Des Ruhms, den eurer Männer blut'ge Klinge
Erfechten wird, sollt ihr die Hälfte haben.
Denn wenn sie selbst, im Sturm des Feindes, Wunden
Erbeuteten, so habt ihr mit dem Kleide
Von euren Schultern ihnen sie verbunden;
Und wenn der Freiheit Tempel aus dem Leide
Nun steigt durch sie, so soll's die Welt erkunden,
Daß ihn zu schmücken ihr gabt eu'r Geschmeide.
7.
Es steigt ein Geist, umhüllt von blankem Stahle,
Des Friedrich Geist, der in der Jahre sieben
Einst tat die Wunder, die er selbst beschrieben.
Er steigt empor aus seines Grabe Male
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Geist Friedrich
§ 23. Walther von der Bogelweide.
193
er- trat vil lise, im was niht gäch,
im sleich ein hôcligeborniu küniginne näch
rôs’ âne dorn, ein tube sunder gallen,
diu zuht was mener anderswä:
die Düringe und die Sahsen dienden also da,
daz ez den wîsen muoste wol gevallen.
Gemesfnen Schritts ging er dahin.
Ihm folgte sacht die hochgeborne Königin,
Rost ohne Dorn, ein Täublein sonder Gallen.
Solch Fest noch sah man nirgendwo:
Es dienten ihm die Thüringer und Sachsen so.
Daß es den Weisen mußte Wohlgefallen. (Simrock.)
Oer Pfaffen Wahl.
Hüne Constantin 1 2 * der gap so vil,
als ich ez iu bescheiden wil,
dem stuol ze Rome: sper, kriuz’
unde kröne s.
Zehant der engel lute schre:
„öwe, öwe, zem dritten we!
e stuont diu kristenheit mit zühten
schöne.
Der ist nü ein vergift gevallen,
ir honec ist worden z’einer galten:
daz wirt der werlt her näch vil leit.“
alle fürsten leb ent nü mit eren,
wan der hoehest’4 ist geswachet.
daz hat der pfaffen wal gemachet.
daz si dir, süezer got, gekleit.
die pfaffen wellent leien reht ver-
hören :
der engel hat uns wär geseit.
Es hat der König Konstantin
Dem Stuhl zu Rom so viel verliehn,
Speer, Kreuz und Krone, daß er Macht
erlangte.
Da rief der Engel laut: „O weh.
Und aber weh, zum dritten weh!
Die Christenheit, die setzt so herrlich
prangte.
Der ist ein Gift herabgefallen,
Ihr Honig wandelt sich zu Gallen;
Einst steht die Welt darob verzagt."
Alle Fürsten leben nun mit Ehren,
Indes der Höchste Schmach erduldet.
Das hat der Pfaffen Wahl verschuldet.
Das sei dir, süßer Gott, geklagt!
Die Pfaffen wollen Laienrecht ver-
kehren :
Der Engel hat uns wahr gesagt.
(Simrock.)
In den nächsten Jahren, die sich für Philipp von 1204 ab günstiger
gestalteten, indem er seinen Gegner Otto schlug und am 6. Januar 1205
zu Aachen zum zweitenmale gekrönt wurde, schweigt das politische Lied
Walthers. Er hielt sich während dieser Zeit bald an dem Hofe des frei-
1 Die Königin Irene, Tochter des Kaisers Alexius von Konstantinopel.
2 Die sog. Schenkung Konstantins an Papst Silvester I., die sagenhafte Grund-
lage des späteren Kirchenstaates.
b Speer und Krone bezeichnen die weltliche, Kreuz die geistliche Herrschaft.
4 Der Kaiser.
Heuse, Lesebuch. I. 4. Ausl.
13
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb]]
Extrahierte Personennamen: Walther Simrock Hüne_Constantin Constantin Simrock Philipp Philipp Otto Alexius_von_Konstantinopel Silvester_I.
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Rom Aachen Walthers
23. Walther von der Vogelweide.
191
velt unde walt, loup, rôr und gras ;
swaz kriuchet unde fliuget
und bein zer erden biuget,
daz sach ich unde sage iu daz :
der keinez lebet âne haz.
daz wilt und daz gewürme
die strîtent starke stürme,
sam tuont die vogel under in;
wan daz sie habent einen sin :
sie diuhten sich ze nihte,
sie schüefen starc gerihte :
sie kiesent künege unde reht,
sie setzent hêrren unde kneht.
sô wê dir, tiuschiu zunge,
wie stêt dîn ordenunge,
daz nü diu mugge ir künec hat,
und daz dîn ère also zergât!
bekêrâ 1 dich, bekêre !
die zirken sint ze hère,
die armen künege* 2 3 dringent dich :
Philippe setze en weisen üf und
heiz sie treten hinder sich !
Wald, Laub und Rohr und Gras und
Was kriechet oder flieget, sfeld,
Was Bein zur Erde bieget,
Das sah ich, und ich sag' euch das:
Da lebt nicht eines ohne Haß.
Das Wild und das Gewürme,
Die streiten starke Stürme,
So auch die Vögel unter sich;
Doch tun sie eins einmütiglich:
Sie schassen stark Gerichte,
Sonst würden sie zunichte;
Sie wählen Kön'ge, ordnen Recht
Und unterscheiden Herrn und Knecht.
So weh dir, deutschem Lande,
Wie ziemet dir die Schande,
Daß nun die Mücke hat ihr Haupt,
Und du der Ehren bist beraubt!
Bekehre dich! Vermehre
Nicht noch der Fürsten Ehre.
Die armen Kön'ge drängen dich:
Philippen setz den W a i s e n ^ ans, so
weichen sie und beugen sich.
(Simrock.)
Freilich wird Philipp, dessen Rechte Walther kräftig vertritt, am
8. September 1198 zu Mainz mit den Reichskleinodien durch die Erz-
bischöfe von Tarantaise und von Trier gekrönt und hält zu Weihnachten
1199 zu Magdeburg einen glänzenden Hoftag, doch schon bald, im März
1201, trifft ihn der Bannstrahl des nach Walthers Meinung durch den
Besitz der weltlichen Macht übermütig gewordenen Papstes Innozenz Iii.
Der Bann trieb viele der Anhänger Philipps in das Lager des vom
Papste begünstigten Otto, der bereits am 12. Juli 1198 zu Aachen durch
den Erzbischof von Köln, aber mit falschen Reichsinsignien, gekrönt war und
kurz darauf geschworen hatte, „seinem Herrn, dem Papste Innozenz Iii.,
und dessen Nachfolgern alle der römischen Kirche zustehenden Besitzungen
zu sichern und nötigenfalls wiederherzustellen". Aus tiefstem Herzens-
gründe beklagt der Dichter des Reiches Zerrüttung.
* Siehe S. 181, A. 1.
2 Die mittellosen Kronbewerber.
3 Der Hauptedelstein in der deutschen Königskrone, den Herzog Ernst von
Schwaben (f. S. 31) vom Karfunkelberge mitgebracht haben sollte, und die Krone
selbst. Der Edelstein heißt der Waise, weil er seinesgleichen nicht hat.
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht]]
TM Hauptwörter (200): [T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Philippe Simrock Philipp Philipp Walther Innozenz_Iii Philipps Philipps Otto Innozenz_Iii Ernst_von
Schwaben Ernst