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tes Thal zwischen den transylvanischen Alpen und dem Balkan,
dessen Nordfnß der Strom in noch behaglicherer Breite als in
der ungarischen Ebene begleitet, bis er, der Küste des schwarzen
Meeres nahe (Landschwelle Dobrndscha) nach langer nördlicher
Ausbiegung sein Sumpfdelta erreicht (Snlinamündnng). — Der
Boden unter der Herrschaft des Continentalklimas; in den weiten
Ebenen (trotz des Steppencharakters in Niederungarn) und in
den Flußthäleru des äußern Bogens reich an Getreide und
Weide; an den Niedern Gebirgshängen der obern Theiß (Toka y),
Oberungarns (Ödenburg) und Syrmiens an Wein, in den höhern
Theilen *) an Wäldern, in den Bergen der Centralkarpathen und
des Siebenbürgischen Erzgebirges an edeln Metallen (Kremnitzer
Dukaten), Salz vor allem in den Beskiden (Wieliezka). Da-
her eben so geeignet für die skythischen Steppenbewohner wie für
die deutschen arbeitsamen Ansiedler. In den Ebenen und Abhän--
gen Ackerleute und Viehzüchter (Magyaren, Rumänen, Slaven),
in den Bergthälern die deutschen Bergleute, in den spärlichen
Zrößern Städten geistiges Leben nur wo deutscher Einfluß. Der
Handel meist in den Händen der Juden **).
Als Passageland lange Jahrhunderte hindurch seit der
Völkerwanderung ein Kampsobjeet, zuletzt der mit den Kräften
der unterjochten Bulgaren und Albaueseu vordringenden Os-
manen. Nachdem deren Uebermacht durch den nachhaltigen
Widerstand der Deutschen, Polen und Russen gebrochen, die
„orientalische Frage" vertagt, sind bei aller Unruhe im Innern
die politischen Grenzen fester und den Naturgrenzen entsprechender.
1. Die außerdeutschen Kronländer der östreichisch-
ungarischen Monarchie. Ihre Mitte das Königreich Un-
garn, das karpathische Donanland, wenig größer als die deut-
heute mit römischen Alterthümern), das östliche fette Tiefland der Daker zur
Bereicherung des Staats. Seitdem in Siebenbürgen wie in der Walachei
die lateinische Sprache, deren Tochter das Rumänische.
*) Neben den klimatischen Gegensätzen tritt auf kleinem Räume der
Gegensatz von Feuchtigkeit und Dürre auffällig hervor. Furchtbare, fast
tägliche Sommergewitter in den Centralkarpathen von Ende Mai bis An-
fang August.
**) In den unter der Herrschaft der Türken stehenden Ländern ist der
Jüdische Stamm spärlich vertreten. Der Türke verachtet den Juden, und
die Griechischen und Armenischen Handelsleute übertreffen noch die Jü-
dischen an Schlauheit. — Auf der bunten Völkertafel find auch die Zigeuner
vertreten. Ihr musikalischer Einfluß auf das Stillleben der Hirten.
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Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Balkan Landschwelle_Dobrndscha Niederungarn Oberungarns Wieliezka Polen
282
Dritte Periode der neueren Geschichte.
Der Krieg der venetianische Königreich von Oestreich abgefallen und hatte die Truppen
derlombardet unter ^er Führung des greisen Feldniarschalls Radetzky zurückgedrängt.
Sardinische, römische und toskanische Freischaaren strömten den Lom-
barden zu, und der König Karl Albert von Sardinien, welcher zum
Herrscher des einigen freien Italiens ausersehen war, rückte ebenfalls
mit 100,000 Mann heran. Inzwischen hatte Radetzky bedeutende
Verstärkungen an sich gezogen, und durch seinen Sieg bei Mortara und
Novara lieferte er nicht nur Mailand wieder in die Hände des Kaisers,
sondern nöthigte auch den König von Sardinien zum Rückzüge in sein
Land. Nach der Eroberung von Brescia wurde der Aufstand in
der Lombardei von Haynau mit blutiger Strenge unterdrückt; Ve-
nedig, welches die Republik proklamirt hatte, wurde eng eingeschlossen
und mußte sich nach einer schwierigen Belagerung endlich ergeben. Auch
in Mittel- und Süditalien gab es Unruhen. Pius Ix., seit 1846
Papst, mußte in: November 1848 nach Gaeta fliehen, und Rom ward
für eine Republik erklärt; aber ein französisches Heer unter Oudinot
eroberte die Stadt, und der Papst konnte 1850 zurückkehren. Tos-
cana hatte sich für eine Republik erklärt, aber der geflüchtete Groß-
herzog kehrte in Folge einer Gegenrevolution zurück. Auch Sicilien,
und:» das sich von Neapel losgerissen, ward wieder unterjocht. In Böh-
Ungarn. men unk ¡n uit£arn waren gefährliche Unruhen ausgebrochen. Die
ersteren hatte Fürst Windifchgrätz bald gedämpft, die letzteren nahmen
einen so großartigen Charakter an, daß Oestreich allein sich außer Stand
sah, die Ruhe wieder herzustellen. Hier war nämlich der Gedanke an-
geregt worden, den Ungarn die alten Privilegien wieder zu erzwingen,
deren sie sich von je her zu erfreuen hatten, und darum verlangten die
Stände eine selbständige Natioualregierung unter dem Erzherzog Palatin,
eine Reforn: ihrer Verfassung, Minderung der Steuern und für das
ungarische Militär das Vorrecht, nicht außerhalb ihres Königreichs dienen
zu müssen. Kaiser Ferdinand I. hatte diese Forderungen nicht alle
unbedingt gewähren können, aber die Einsetzung eines besonderen ver-
antwortlichen ungarischen Ministeriums bewilligt, dessen Seele der
Finanzminister Ludwig Kossuth wurde. Zwischen den Magyaren und
Slavoniern und Kroaten bestand schon längst Uneinigkeit, und den
Augenblick, wo die Ungarn dem Kaiser jene Vorrechte im Drange der
Zeitverhältnisse abgenölhigt hatten, benutzte der Banus Iellachich von
Kroatien, um sich von Ungarn loszureißen und das kaiserliche An-
sehen wieder auszurichten. Zwar mußte der Kaiser die Absetzung des
ungehorsamen Banus verhängen, allein derselbe reiste nach Innsbruck,
wo Ferdinand weilte, und fand daselbst freundliche Aufnahme. Iellachich
TM Hauptwörter (50): [T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Radetzky Karl_Albert_von_Sardinien Karl Radetzky Mortara Ferdinand_I. Ludwig_Kossuth Ludwig Banus_Iellachich Ferdinand Ferdinand
Von der ersten französischen Revolution bis zur Gegenwart. 283
eine Republik erklärt; aber ein französisches Heer unter Dubinot eroberte die Stadt, und der Papst konnte 1850 wieber einziehen. Toscana hatte sich ebenfalls für eine Republik erklärt, aber der geflüchtete Großherzog kehrte in Folge einer Gegenrevolution zurück. Auch Sicilien, das sich von Neapel losgerissen, warb wieber unterjocht. In Böhmen und in Ungarn waren gefährliche Unruhen ausgebrochen. Die ^”b l”n ersteren hatte Fürst Winbischgrätz balb gebämpst, die letzteren nahmen einen so großartigen Charakter an, daß Oesterreich allein sich außer Stanbe sah die Ruhe wieber herzustellen. Hier war nämlich der Gebanke angeregt worben, den Ungarn die alten Privilegien wieber zu erzwingen, bereit sie sich von jeher zu erfreuen hatten, und barum verlangten die Stänbe eine selbstänbige Nationalregierung unter einem Erzherzog (Palatin), eine Reform ihrer Verfassung, Minberung der Steuern und für das ungarische Militär das Vorrecht, nicht außerhalb des Königreiches bienen zu müssen. Kaiser Ferbinanb I. hatte diese Forberungen nicht alle unbebingt gewähren können, aber die Einsetzung eines befonberett verantwortlichen ungarischen Ministeriums bewilligt, besten Seele der Finanzminister Ludwig Kossuth würde. Zwischen den Magyaren und Slavoniern und Kroaten bestanb schon längst Uneinigkeit, und den Augenblick, wo die Ungarn dem Kaiser jene Vorrechte im Drange der Zeitverhältnisse abgenöthigt hatten, benutzte der Banus Jellachich von Kroatien, um sich von Ungarn loszureißen und das kaiserliche Ansehen wieber auszurichten. Zwar mußte der Kaiser die Absetzung des ungehorsamen Banus verhängen, allein berselbe reiste nach Innsbruck, wo Ferbinanb weilte, und fanb baselbstsreunbliche Aufnahme. Jellachich überschritt alsbalb die ungarische Grenze, mußte sich aber wieber zurückziehen. Kurz baraus ernannte der Kaiser, nachdem er die ungarische Nationalversammlung aufgehoben hatte, den Banus zu feinem Stell- ^tiotutiontn Vertreter in Ungarn und bekleibete ihn mit unumschränkter Gewalt. 2bien 1848-Die Wiener «übersetzten sich sofort dem Abmärsche der österreichischen Truppen, welche zu Jellachichs Armee nach Ungarn aufzubrechen Befehl erhalten hatten, und das gefammte Proletariat der Kaiserstabt bewaffnete sich- Der Kriegsminister Latour würde vom Volke grausam ermorbet.
Da verhängte der Kaiser den Belagerungszustanb über Wien, schloß die Stadt ein und ließ sie durch den Fürsten Winbischgrätz beschießen, den Reichstag aber nach Kremster in Mähren verlegen. Wien konnte sich nicht lange halten und fiel bett Truppen in die Hänbe. Ein blutiges Strafgericht warb über die Räbelsführer „der Wiener Oktoberrevolution" verhängt. Robert Blum, ein Mitglieb des Frankfurter Parlaments, welcher auf die Kunbe von biefen Vorgängen nach Wien geeilt war,
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Kossuth Ludwig Latour Robert_Blum
Extrahierte Ortsnamen: Sicilien Neapel Ungarn Oesterreich Ungarn Kroatien Ungarn Ungarn Ungarn Wien Wien
636
Die Zeit von 1815 bis 1857.
sterium, das ihn noch immer seinen Souverän nannte, auf eigene Faust
gegen Unterthanen, welche an ihren Kaiser und König appellierten, einen
Krieg beginne, er mußte sich der Slaven annehmen, wenn er sich nicht
tatsächlich der Rechte des Souveräns entschlagen wollte. Der ungarische
Reichstag verlangte aber umgekehrt, daß der Kaiser und König die
Unterordnung der Slaven unter die Magyaren, was Gehorsam gegen
die Verfassung genannt wurde, befehlen und die ministeriellen Maßregeln
sanktionieren solle, so daß die Spannung immer größer wurde und der
Kaiser das ungarische Ministerium zuletzt nicht anerkannte. Kossuth hatte
dem Banns bei dessen Abschied in Pesth erklärt, der Streit zwischen Magya-
ren und Kroaten werde an der Drau entschieden werden; an der Donau,
antwortete ihm Iellachich aus Kroatien, und in der That rückte er am 11.
Sept. mit einem ansehnlichen Korps in Ungarn ein und drang über Stuhl-
weißenburg bis in die Nähe von Ofen vor. Bei Velencze jedoch erlitt
er am 29. ziemlichen Verlust an Gefangenen, worauf er sich gegen
Oesterreich wandte und durch das Bakonyer Waldgebirge an die Raab
und an Preßburg vorbei gegen Wien marschierte, wo er nöthiger als
vor Ofen war. Der Kaiser hatte nämlich gegen das Treiben des un-
garischen Reichstags und Ministeriums entscheidende Schritte gethan: am
25. September schickte er den Grafen Lamberg als Kommissär und
Oberbefehlshaber nach Pesth, derselbe wurde am 29. durch eine Rotte
am Hellen Tage auf offener Straße ermordet; der Reichstag erklärte
Iellachich in die Acht, der Kaiser aber ernannte ihn zu seinem
alter ego, befahl die Auflösung des Reichstags und bevollmächtigte
den Grafen Reksey als Präsidenten eines neuen ungarischen Mini-
steriums (3. Oktober); zwischen offener Rebellion und Gehorsam blieb
demnach für den Reichstag Kossuths kein Mittelweg mehr. Kossuth war
längst vorbereitet und schwankte keinen Augenblick, er hatte in Wien
seine Leute und mit diesen führte er gegen die kaiserliche Regierung die
gefährlichsten Schläge. Dort hatten sich am 22. Juli die frei gewähl-
ten Reichsstände versammelt und auf ihre Bitte kehrte der Kaiser am
12. August nach Wien zurück, mußte aber von der Versammlung, die
sich als souverän gebärdete, Forderungen anhören, die über alles Maß
hinausgingen. Es schien oft, als ob dieselbe zu sich komme, aber hand-
umkehrt begann der Taumel aufs neue; sie war so unpatriotisch, daß
sie für den Heldengreis Radetzky und seine herrliche Armee kein Wort
des Dankes und des Lobes hatte, als die Siegesberichte von Kustozza
und Mailand einliefen, um so weniger durfte man ihr zumuthen, daß
sie die ungarischen Trennungsgelüfte einsehe und würdige, oder dem
Treiben jugendlicher Phantasten und Tollköpfe, italienischer, polnischer
und ungarischer Revolutionsagenten, dazu einer Sippschaft verkaufter oder
auf allerlei, nur nichts Gutes, spekulierender Juden ein Ziel setze. Am
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Extrahierte Personennamen: Kossuth Lamberg Kossuth August Heldengreis_Radetzky
Extrahierte Ortsnamen: Magya- Donau Kroatien Ungarn Oesterreich Wien Wien Wien Mailand
Schlacht bei Temeswar. Kapitulation bei Vilagos. 653
im Südosten fiel Arad durch Hunger bezwungen am 30. Juni, aber
schon am 1. Mai hatte der Kaiser von Oesterreich mit Rußland einen
Jnterventionsvertrag geschlossen, der im Juni zur Ausführung kam.
Ucbermüthig gemacht durch Bems und Görgeys Erfolge, von den
deutschen und italienischen Revolutionären um großartige Maßregeln be-
stürmt und von gränzenlosem Ehrgeize angeftachelt, beredete Kossuth den
Reichstag am 14. April das Haus Habsburg des Thrones verlustig und
Ungarn als Republik zu erklären, deren Regierungspräsident Kossuth
wurde. Damit war die so lange getragene Maske weggeworfen, die
Revolution zeigte ihr Gesicht, die Täuschung hörte auf. Doch konnte
der Kaiser die Wirkung der Maßregeln Kossuths, den Widerstand der
Generale und der angesehensten Männer gegen das Treiben des revolu-
tionären Emporkömmlings, die nationale Reaktion gegen die Polen, denen
Kossuth die höchsten Posten übergab, die Auflehnung des Volks gegen
die republikanische Staatsform, von der es nie etwas wissen wollte, nicht
abwarten, denn während dieser Zeit hätte der Kampf Ströme Bluts
gekostet und unsäglichen Schaden angerichtet. Eine schnelle Entscheidung,
welche durch die Intervention Rußlands gesichert war, lag im Interesse
des ganzen Reichs und in dem Ungarns am meisten, Rußland selbst
aber fand es seinetwegen nothwendig, zur schnellen Dämpfung der Re-
volution beizutragen, weil dieselbe den Brand nach Polen zu verbreiten
drohte; waren doch polnische Flüchtlinge nicht nur Befehlshaber und Ober-
offiziere, sondern dienten auch massenhaft als gemeine Soldaten. Außer-
dem drohte eine längere Dauer der ungarischen Revolution mit einer
Erschütterung des türkischen Reichs, die der russischen Politik damals sehr-
ungelegen gekommen wäre; die Walachei hatte versucht, ohne Rücksicht
auf Rußland ihre Regierung über den Haufen zu werfen, die Serben
zeigten ein Gelüsten ihre Stammgenossen an sich zu ziehen, und die Tür-
kei selbst konnte zuletzt doch noch durch Kossuth und Bern in den Strudel
hineingezogen werden, was wieder eine englische Einmischung und eine
europäische Verwicklung herbeigeführt hätte.
Die russische Hauptarmee unter Paskewitsch rückte anfangs Juni
durch die Pässe der Karpathen dem Kampfplatz zu, auf dem eine Divi-
sion unter Paniutin, die durch Mähren dirigiert wurde, schon früher
angekommen war; sie drängte mit General Wohlgemuth am 21. Juni
Görgey an der Waag zurück, am 22. erstürmten die Oesterreicher Raab,
am 2. Juli wurde Görgey bei Ko morn, vom 15. bis 17. Juli bei
Waitzen in einer Reihe von blutigen Treffen geschlagen, worauf er
sich durch ein geschicktes Manöver einen Weg durch die Russen öffnete,
das Thal der Eupel hinaufmarschierte, von dort in das der Theiß hinüber-
ging und in der Nähe von Arad erschien. Paskewitsch folgte in gemes-
senen Märschen, schlug ein ungarisches Korps unter Nagy Sandor den
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Extrahierte Personennamen: Kossuth Kossuth Raab Paskewitsch Nagy_Sandor
Europa —
Öst er reich-Ungarn.
873
Solyman, ein Kroat gewesen! Und als ihnen früher einmal gegen ihre Zustimmung
etwas aufgenöthigt werden sollte, protestirte der Banus Erdödy mit dem stolzen Worte:
regnum regno noxi dat leges. Der Gebrauch des Lateins war allerdings den Kroaten
lästig wie den Magyaren, allein sie sahen sich dabei gleich gestellt. Nun trat eine starke
Ungleichheit ein. Und der Verdruß stieg, als die Magyaren Verlegung des Reichs-
tags von Presburg nach Pest*), also nach der alten Residenz magyarischer Könige,
begehrten.
Die Verlegenheit, in welche der plötzliche Ausbruch des achtnndvierziger Revo-
lutionssturmes zu Wien, Prag und in der Lombardei das Wiener Kabinet versetzte,
machte die Magyaren kühner, ihre Forderungen steigerten sich und die Reform nahm
den Charakter der Revolution an. Schon wurde, zum großen Schrecken der Sachsen,
die Notwendigkeit erörtert, den Landtag Siebenbürgens — das seit Jahrhundertenein
besonderes Land unter österreichischer Oberhoheit gebildet — mit dem nngarisch-kroatischen
zu vereinigen, damit man ein Centrum für das altungarische Reich habe. Bald forderte
man auch ein eigenes königliches Ministerium, das zu Pest, am Orte des Reichs-
tags, seinen Sitz nehmen sollte. Der kaiserliche Hos, in seiner Bedrängnis, mußte nach-
geben und verlangte nnr, daß Ungarn bei solcher Absonderung wenigstens einen Theil
der kaiserlichen Staatsschuld übernehme. Dies ward verweigert. Ja man ging so
weit, den Rückmarsch der beim Heere in der Lombardei befindlichen ungarischen Regi-
menter zu fordern, da Ungarn ihren Beistand nicht verwilligt habe. Die Leidenschaft
stieg und mit ihr die Erbitterung. Was die Feder nicht vermochte, fiel endlich dem
Degen anheim, und konnte ihm, wenn man wollte, ohne Zaudern anheim fallen, da
eben Prag bezwungen, Oesterreich durch Berufung eines Parlaments vorläufig zufrieden-
gestellt, das Kriegsvolk in Italien durch Radetzkys Siege auf kaiserliche Seite ge-
bracht und Kroatien zu vollem Abfall von den Magyaren bewogen war.
Das letztere war die Folge eines politischen Fehlers, den die Herrn in Pest ge-
macht; sie hatten nämlich in das erlangte eigne Ministerium lauter Magyaren gewählt
und Kroatien dabei vergessen. Der Banus Jellachich trat sofort, erst im stillen, dann
offen aus kaiserliche Seite. Mit ihm im Verein konnte General Windischgrätz die zu
Gunsten der Ungarn plötzlich aufs neue (im Oktober 1848) empörte Stadt Wien be-
zwingen und dann gegen Pest aufbrechen.
So begann der Krieg, der zu Anfang die Magyaren noch wenig gerüstet fand,
jedoch zehn Monate lang mit wachsender Anstrengung von beiden Seite geführt wurde,
bis er — als ein gewaltiges Russenheer dem Kaiser zu Hilfe eilte — zum Verderben
der tapfern Magyaren ausschlug. Mit der Ergebung Görgeys bei Vilkgos
am 13. August 1849 brachen ihre Kräfte zusammen, und die Führer des Aufstandes
und der Armee suchten entweder ihre Rettung in der Flucht oder fielen unter dem
harten Ausspruche des Standrechts. So ist das selbständige Magyarenreich **) schnell
*) Pest hängt mit Buda oder Ofen durch eine Brücke zusammen.
**) Am 2. Dec. 1848 hatte Kaiser Ferdinand die Krone an seinen Neffen Franz
Joseph abgetreten. Der ungarische Reichstag versagte seine Zustimmung und erklärte
sogar', am 14. Apnl 1849. Ungarn für einen selbständigen Staat, von dessen Regierung
das Haus Habsburg-Lothrmgen auf immer ausgeschlossen sein solle.
Schacht, Lehrb. d. Geographie 3. Aufl. 5ß
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TM Hauptwörter (200): [T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T26: [Kaiser Luther Papst König Wort Gott Tag Sache Fürst Schrift], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Banus_Erdödy Windischgrätz August Buda Ferdinand Franz
Joseph Franz
Extrahierte Ortsnamen: Europa Wien Prag Sachsen Ungarn Oesterreich Italien Kroatien Kroatien Ungarn Wien Haus_Habsburg-Lothrmgen
874
Europa
— Ö st erreich-Ungarn.
zergangen wie entstanden; und das nicht allein, auch die Rechte und Freiheiten, welche
die Nation Jahrhunderte lang besessen, wurden der Gnade des obsiegenden Herrn völlig
preisgegeben. Während der Revolntions poche hatte Ungarn versucht, die sogenannten
Nebenländer — Siebenbürgen, Kroatien und Slavonien, die Militärgrenze — die bis
dorthin faktisch von ihm ganz unabhängig gewesen waren, sich anzugliedern und zu
einem großen Reiche zu vereinigen; allein die Bevölkerung derselben hatte dieser Per-
einigung, von der man eine Unterdrückung der heimischen Nationalitäten durch die
Magyaren fürchtete, widerstrebt und wesentlich znm Siege Oesterreichs ü8er Ungarn
beigetragen. Zum Danke für die gebrachten Opfer wurden sie nun nicht nur als
selbständige Kronländer eingerichtet, sondern es wurde auch, zur Belohnung der Serben,
aus dem Banat und der Woiwodina ein neues Kronland, die serbische Woiwod-
schaft, errichtet. In Ungarn aber herrschte von nun an die österreichische Regiernng
mit unumschränkter Gewalt. Es bestand eine geordnete Verwaltung, gute Justiz,
rasches Gedeihen auf allen wirtschaftlichen Gebieten. Die Germanisirnng machte un-
glaubliche Fortschritte, die Magyaren aber trauerten und stählten sich in passivem
Widerstande.
Infolge der Ereignisse von 186ß kam Ungarn in die glückliche Lage, diese Verhält-
nifse wieder zu ändern und die Gleichberechtigung mit dem cisleithanischen Kerne wieder
zu erringen. Ungarn und Siebenbürgen wurden unter einem gemeinsamen Ministerium
vereinigt und erhielten im ungarischen Reichstag eine gemeinsame Vertretung; Kroatien-
Slavonien wurde auch wieder mit Ungarn verbunden, behielt aber daneben noch eine
Sonderregiernng und einen Sonderlandtag. Die Militärgrenze verblieb vorläufig unter
dem Reichskriegsministerium. Diesen Ausgleich von 1867 haben eigentlich die Magyaren
allein, ohne die 10 Mill. der andern Nationalitäten Ungarns gemacht; denn sie allein
bildeten damals eine rührige, politisch geschulte Masse von mehr als 5 Mill., jede der
andern Völkerschaften betrug weniger, keine war gewappnet und entschlossen. So er-
langten sie eine Herrschaft, die in keinem Verhältnisse zu ihrer Volkszahl, zu ihrer Kultur
und Bildung steht. Wie haben nun die Magyaren bis jetzt die Probe ihrer Regierungsfähig-
keit bestanden? In politischer Beziehung unzweifelhaft glänzend; sie haben in dieser kurzen
Zeit ein magyarisches Ungarn fertig gebracht, welches magyarischen Interessen dient und von
magyarischen Verbindnngssäden durchzogen ist. Auch sonst wurde manches Gute ge-
fördert (z. B. durch Anlage von Eisenbahnen.) Aber Ungarn ist ein erbarmungsloser
Centralisationsstaat geworden, Siebenbürgen ist in Comitate zerschlagen und jeder Spur
provinzieller Selbständigkeit, die Woiwodina sogar ihres Namens beraubt. Gründliche
Kenner der Verhältnisse entwerfen ein trübes Bild von den innern Zuständen des
Landes. *) Zwei Dinge, sagen sie, schlagen dem Reisenden, sowie er den Fuß über die
ungarische Grenze setzt, im Gegensatze zur früheren deutschen Verwaltung sofort ins
Gesicht: die schlechte Rechtspflege und der Völkerhader. Sofort nach er-
langter Herrschaft warf sich die ganze Energie der Magyaren, ihr politisches Talent, ihr
wildes Ungestüm, ihre tiefe Angst vor der Zukunft auf das eine große Ziel, ans Ungarn
einen magyarischen Staat zu machen. Um nicht selbst in den Wogen des Slaventhnms
unterzugehen, werden sie dämonisch getrieben, andere Nationen zu erwürgen; sie ahnen
*) Dr. von Löher, die Magyaren und cndcre Ungarn. Leipzig 1874.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
570 Deutscher B u nv — Oestreich (Geschichte v. Ungarn).
ihre Steuerfreiheit und auf ihre p r iv i l e g ir te u Gerichtshöfe, der
glänzendste Beweis. Wären sie nur in dieser segensreichen Reformenbahn ge-
blieben! und sie hätten noch manches Jahrzehend darin bleiben können, da der
Uebelstände, und der Hindernisse gegen deren Abhülfe immer mehrere hervor-
traten. Allein, die Parthei, welche die Reformen hauptsächlich betrieb, hatte nicht
Stätigkeit und Umsicht genug; ihr Vaterlandsgefühl mit schwärmerischer Er-
innerung an alte Großthaten verbunden, riß sie allmählig von der betretenen
Bahn seitwärts und zu Schritten hin, die nicht aus Beachtung der gegenseitigen
Stellung der verschiedenen Volksstämme hervorgingen. Warum — sagten ihre
Redner — soll unsre nunmehr gebildete Sprache nicht auch Staatssprache
sein? — An sich ein natürlicher Wunsch, wenn er im 15. Jahrhundert aus-
gesprochen und die jetzige magyarische Literatur ihm vorangegangen wäre. In
unsrer Zeit jedoch war er bedenklich, denn auch Kroatien hatte Althergebrachtes
abzustreifen begonnen und erfreute sich auch bereits einer gewissen literarischen
Bildung seines eignen Idioms. Zwar ging die Abschaffung des Lateins
als Staatssprache ans den Landtagen durch, doch mit Widerwillen der
Kroaten. Die Kroaten, niemals wie Slowaken und Walachen als unterjocht
betrachtet blos durch fr e i e n Vertrag (schon 1089) und mit Gleichberechti-
gung dem ungrischen Reiche verbunden, mußten sich verletzt fühlen. Sie hatten
Helden gehabt wie die Magyaren; war doch der berühmte Zriny, Szigeths
Vertheidiger gegen Solyman, ein Kroat gewesen! Und als ihnen früher einmal
gegen ihre Zustimmung etwas aufgenöthigt werden sollte, prolestirte der Banus
Erdödy mit dem stolzen Worte: regniim regno non dal leges. Der Gebrauch
des Latein war allerdings den Kroaten lästig wie den Magyaren, allein sie1
sahen sich dabei gleich gestellt. Nun trat eine starke Ungleichheit ein, das
setzte übles Blut. Und der Verdruß stieg, als die Magyaren Verlegung
des Landtags von Preßbnrg nach Pesth*), also nach der alten Resi-
denz inagyarischer Könige, begehrten. Offenbar — klagte der Kroat — gehe
das Trachten der Landtags - Majorität nach Vergrößerung des Uebergewichts
über die Slawen.
Dem Wiener Kabinet, das eben solche und noch größere Besorgniß hegte
als die Kroaten, lag es nahe, die wachsende Uneinigkeit zu benutzen. Es war
auch bereits damit beschäftigt, als unerwartet der acht und vierziger Revolunons-
sturm in Wien, Prag und der Lombardei, ausbrach und den ganzen unförmlichen
Bau des östreichischen Kaiserstaats zu sprengen drohte. Dies beflügelte die Hoff-
nungen der Parthei, die auf dem nngrischen Landtage herrschte. Ihre Rede
ward kühner, ihre Forderungen steigerten sich, die Reform nahm den Charakter
der Revolution an. Kossuth, unter den Sprechern der einflußreichste, hatte
schon, zu großem Schreck der Sachsen, die Nothwendigkeit erörtert, den sieben-
bürgischen Landtag mit dem ungrisch - kroatischen zu vereinigen, damit man ein
Centrum für das gesammte alt-ungrische Reich habe. Ehe sich dies ausführen
ließ, ward zu gletchem Zwecke der Beschluß gefaßt, statt der ungrischen Hof-
*) Pesth hängt mit Buda oder Ofen durch eine Brücke zusammen.
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