635
Vieh, Holz, Wachs, Blei und Salz, welche nach Deutschland gingen,
und eben so für die deutschen und levantiner Produkte, welche in Polen
eingeführt wurden. Schlesische Leinwand, Tuche und Eisenwaren hatten
in Polen eine ansehnliche Kundschaft und gingen über Krakau in die
südöstlichen Länder an der Donau. Für Polen konzentrirte sich der Handel
in Krakau, der bevölkertsten und reichsten Stadt des Landes, welcher die
Lage auf der Grenzscheide zwischen Norden und Süden förderlich war.
Den bedeutendsten Verkehr hatte Polen schon in früher Zeit mit Un.
gärn. Aus Ungarn kamen Weine, gedörrtes Obst, Wolle, Hanf, Sal-
peter, Potasche, Häute, Kupfer, Bauholz, Zwetschgenbranntwein und
anderes nach Polen, und Polen gab dagegen besonders Salz aus den
Werken von Wilicka. Mit Rußland trieb Polen schon Handel, als
die Großfürsten noch in Kiew residirten. Der Einbruch der Mongolen
und die Zerstörung Kiews unterbrachen diesen Handel; doch nach der
Abschüttelung deß mongolischen Joches brachten die polnischen Juden
den Handel mit Rußland wieder in Aufnahme,; und Moskau war der
Markt deffelben. Zum Einkauf von Manufakturwaren besuchten die pol-
nischen Juden die leipziger Messen, Die polnischen Erzeugnisse,
namentlich das wichtigste Erzeugniß, Getraide, holten sich die Ausländer, die
Engländer und Holländer, in Polen selbst. Eine regelmäßige und großartige
Ausfuhr von Getraide fand über Danzig und theilweise auch über Riga
statt. Danzig war auch die Hauptniederlage für die nach Polen einge-
führten englischen Waren. Je mehr sich die westlichen Länder bevölker-
ten und durch Industrie bereicherten, desto mehr bedurften sie fremdes
Getraide. Die baltischen Zufuhren waren fast die einzigen, die in den
großen Seehandel kamen, und polnischer Waizen wurde in Spanien wie
in Schweden verbraucht. Erst gegen das Ende dieses Zeitraums, nach-
dem Rußland die Kcimm erobert hatte, erhielten die Länder am schwar-
zen Meer wieder ihre frühere Bedeutung, eine Kornkammer Europas zu
sein. Außer dem Getraide wurde besonders Holz über Danzig aus Po-
len ausgeführt. Zur Einfuhr kamen Kolonialwaren, Weine, Südfrüchte,
Fabrikate und Seesalz. Von dem allerwärts üblichen Merkantilsystem
war in Polen keine Rede; aber die polnische Handelsfreiheit beschränkte
sich nur auf den Adel, der für seine Getraideausfuhr nach Danzig so-
wie für die dagegen empfangenen Retouren keine Zölle zahlte. Der
Kaufmann dagegen war Zöllen unterworfen. Unter diesen Umständen
waren Handel und Industrie unmöglich, da der Edelmann alles billiger
bekam als der Kaufmann, und der Adel es unter seiner Würde hielt,
Handel zu treiben.
Der Verfall des osmanischen Reiches, die Verweichlichung Dievsmancn.
der Sultane, die Entartung der Janitscharen und die allgemeine Er-
schlaffung der vormaligen Spannkraft traten immer mehr hervor. Außer
den Kriegen mit den christlichen Völkern Europas kämpften die Türken
wiederholt auch gegen Persien, wo Ismael Sofi, ein Abkömmling
Ali's, des gepriesenen Vetters und Schwiegersohnes des Propheten,
1500 ein neues persisches Reich gegründet hatte. Der Sultan
Osman Ii. wurde 1621 von den Janitscharen entthront, in die sieben
Thürme geführt und von dem Großvezier erwürgt. Seitdem gewöhnten
sich die Janitscharen, die Schneide ihres Schwertes, wie einst die Prä-
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Extrahierte Personennamen: Wilicka
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Polen Polen Donau Krakau Polen Polen Kiew Kiews Moskau Polen Danzig Riga Danzig Polen Spanien Schweden Europas Danzig Danzig Europas Persien
625
und Formen eines asiatischen Druckes unterworfen. Der Zar war un-
umschränkter Herrscher über Leben und Eigenthum der Unterthanen.
Selbst die grundbesitzenden Klaffen konnten das freie Eigenthum in kei-
ner Weise geltend machen. Der Zar war auch gewissermaßen der ein-
zige Kaufmann, er übte ein Verkaufsrecht über sämmtliche in- und aus-
ländische Waren. Kein fremder Kaufmann durfte seine Waren an Andere
verkaufen, wenn der Zar erklärt hatte, daß er sie kaufen wolle. Der
Zar ließ in den einzelnen Provinzen die Waren, die in denselben pro-
ducirt wurden, zu niedrigen Preisen aufkaufen und verkaufte sie dann
mit ansehnlichem Aufschlag an die einheimischen wie fremden Handels,
leute. Außer den Regalien auf Branntwein, Meth, starkes Bier und
Getraide pflegte der Zar zu Zeiten auch solche Produkte seinem Monopol
zu unterwerfen, die für .ihn als Abgabe eingenommen wurden, wie Pelz-
werk, Wachs, tatarische Pferde, Leinwand u. s. w., so daß von diesen
Gegenständen niemand etwas verkaufen durfte, bis die kaiserlichen Vor-
räthe zu erhöhten Preisen abgesetzt waren. Da im Handel der red-
liche Gewinn geradezu unmöglich gemacht wurde, so waren unmorali-
sche Mittel und Wege bald allgemeine Nothwehr, und der Russen Trug
und Arglist war weltbekannt.
Der Stapelplatz des russischen Binnenhandels war Moskau, zu-
gleich auch der Markt für die südlichen Einfuhren, die zu Lande kamen.
Dahin brachten Greichen orientalische Luxuswaren, sie übergaben diesel-
den dem Zar als Geschenk, und dieser ließ sie abschätzen und gab ihnen
dafür Zobel und anderes Pelzwerk.
Der Barbarei, in welcher sich die russische Nation befand, wurde
sie durch den aufgeklärten Despotismus Peters I. entrissen. Die Ver-
bindung mit der Außenwelt über das weiße Meer war eine unnatürliche
Beschränkung, und deshalb strebte Peter nach dem Besitz der Ostsee-
länder. Durch Vermittlung holländischer Kaufleute in Moskau wurden
tüchtige Zimmerleute herbeigeschafft, Schiffswerften zuerst auf Flüs-
sen und Binnenseen, dann in Archangel errichtet. Brennende Wißbe-
gierde und unermüdliche Strebsamkeit trieben den jungen Fürsten, eine
Reise nach Holland und England zu unternehmen. In Begleitung aus-
gezeichneter Lehrkräfte, für deren Gewinnung er kein Opfer scheute,
kehrte er in sein Reich zurück, um mit ihnen das Werk der Reform zu
beginnen. Um den Russen die Ostsee zu öffnen, begann Peter den
Krieg mit Karl Xii. An der äußersten westlichen Grenze des Reiches,
gewissermaßen noch auf fremdem Grund und Boden baute er die neue
Hauptstadt; sie sollte die Bildungssormen des Westens annehmen und
gleichsam das Thor sein, durch welches europäische Bildung und Ge-
sittung in Rußland einzögen. Die Schlacht bei Pultawa (1709)
entschied das Schicksal des Nordens, sie befestigte die Schöpfung Peters
und stürzte die Größe Schwedens. In kurzer Zeit war Petersburg
nicht nur die glänzende Residenz, sondern auch die blühendste Handels-
stadt Rußlands. Um den Handel in Petersburg zu konzentri-
ren, erging der Befehl, daß alle Kaufleute aus den umliegenden Pro-
vinzen ihre Waren nach der neuen Hauptstadt führen sollten. Hanf und
Juchten durften nur über Petersburg ausgeführt werden. Die angese-
hensten Kaufleute von Archangel erhielten den Befehl nach Petersburg
überzusiedeln. Von sämmtlichen russischen Produkten sollten zwei Drittel
40
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Zobel Peter Peter Karl_Xii Karl Peters
Extrahierte Ortsnamen: Moskau Moskau Holland England Schwedens Petersburg Petersburg Petersburg Petersburg
378
aus dem mittelländischen Meere, ja selbst in ihre bisher ausschließ-
liche Domäne, in das schwarze Meer, verfolgten sie die Italiener.
Die Schwäche und Schlechtigkeit der griechischen Regierung, die sitt-
liche Entwürdigung des Volkes traten jetzt bei Berührung mit dem
Auslande mehr und mehr hervor. Die Griechen verloren den Zwi-
schenhandel, und das unheilvolle Monopolsystem hatte ihnen auch
den Eigenhandel und den Binnenverkehr geraubt; sie mußten es er-
tragen, daß die Venetianer von Erlegung der Zölle sowohl von ein-
als ausgehenden Waaren befreit wurden und andere Handelsprivi-
legien erhielten. In voller Blüthe entfaltete sich der italienisch-by-
zantinische Handel in Folge der Kreuzzüge.
Constantinopel war durch seine Lage nicht nur sehr geeignet,
zum Seehandel, sondern die Natur hatte durch die großen in das
schwarze Meer sich ergießenden Flüsse, durch die Stromgebiete der
Donau, des Dnieper und des Don, auch den Landhandel des nord-
europäischen und asiatischen Kontinents in seine Hände gelegt. Al-
lein zu schwach, um die Donauprovinzen gegen die andrängenden
Völkerstämme zu behaupten, gab das griechische Reich die auf dem
linken Ufer der Donau gelegenen Provinzen Pannonien (Niederun-
garn und Siebenbürgen) und Dacien (Moldau und Wallachei) völ-
lig Preis und suchte die Donau als feste Grenze zu behaupten.
Doch bereits im 6. Jahrhundert gingen die Awaren über die Do-
nau, unterwarfen sich die Provinzen Serbien und Bosnien und
gründeten auf beiden Ufern des Flusses ein mächtiges Reich, welches
bis zum Anfang des 9. Jahrhunderts bestand, wo es von den Bul-
garen erobert und bis in das 11. Jahrhundert behauptet wurde.
Um diese Zeit löste es sich auf, ein Theil trennte sich unter dem
noch jetzt üblichen Namen Bulgarien, den anderen Theil nahmen
die Ungarn in Besitz. Diese drei Völker, Awaren, Bulgaren
und Ungarn, vermittelten den Handel Constantinopels und der
nordwestlichen Länder. Der deutsch-byzantinische Handel gelangte
erst mit Karl dem Großen zu einigem Aufschwung und Passau wird
in dieser Zeit als Stapelplatz dieses Handels bezeichnet (S. 233).
Die Awaren scheinen auch mit den Ostseeländern verkehrt zu haben.
Lebhafter wurden die Verbindungen durch die Bulgaren, welche
durch den Handel mit Constantinopel Reichthümer erwarben. Den
Bulgaren folgten die Ungarn, welche wahrscheinlich in Constantino-
pel feste Niederlassungen und Faktoreien hatten. Der heilige Ste-
phan ließ ihnen wenigstens daselbst eine prächtige Kirche bauen (1038)
und erwirkte eigene Gerichtsbarkeit für sie. Griechische Goldmün-
zen cirkulirten zahlreich in Ungarn, dessen Wohlstand ansehnlich zu-
nahm. Hauptort dieses Transitohanbels war Semlin. Für den
Donauhandel brachen die Kreuzzüge weitere Bahnen.
Schon Byzanz hat mit den im Norden des schwarzen Meeres
wohnenden Völkern Handel getrieben; auch als Residenz der grie-
chischen Kaiser erhielt die Stadt diese Verbindungen, und ein nicht
geringer Betrag der Lebensmittel, wie Schlachtvieh, gesalzene Fische,
bisweilen auch Getraide kam aus der Krimm nach Constantinopel.
Weniger bedeutend erscheint die Ausfuhr nach den nordischen Län-
dern, wo bei den Bulgaren und Chafaren die Araber den Vorrang
hatten (S. 369). Erst als im 9. Jahrhundert das arabische Reich
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Constantinopel_Reichthümer
612
Schmuck, sondern bewog auch die Soldaten und Officiere alles, was
dieselben an Werth besaßen, herzugeben.
Nach seiner Rückkehr aus Bessarabieu verlegte Peter I. den Sitz
des Senates von Moskau nach Petersburg, folgte seinem von Menzi-
kow gegen die Schweden geführten Heere nach Pommern und Holstein
und eilte von hier nach Petersburg, um als Viceadmiral unter dem
Grafen Apraxin eine Flotte von 200 Schiffen gegen Helsingfors
zu führen. Armfelt, welcher daselbst befehligte, ließ, als er der feind-
lichen Uebermacht nicht länger zu widerstehen vermochte, die ihm anver-
traute Feste in Flammen aufgehen. Abo, die Hauptstadt Finnlands,
wurde von den Ruffeu besetzt und die Bibliothek der dortigen Universität
nach Petersburg gebracht. Europa staunte über die Schnelligkeit, mit
welcher Rußland aus der Nacht aufstieg und sich eine einflußreiche Stel-
lung unter den europäischen Staaten zu erringen wußte. Die Verbün-
deten des Zaren wurden von Argwohn wegen seines Strebeus nach
Vergrößerung erfüllt, als Peter den Herzog von Mecklenburg zu bewe-
gen suchte, ihm sein Land gegen große Besitzungen in Kurland und Liv-
land abzutreten. Der Beherrscher eines Landes, welches noch vor kurzem
dem größeren Theile der gebildeten Welt unbekannt war, ging auf die
riesigen Pläne von Görz ein, welche halb Europa umfaßten. Da fand
Karl Xii. vor Friedrichs hall seinen Tod. Der Vertrag von Aland
wurde von Ulrike Eleonore nicht bestätigt und deshalb von dem
Zaren der Krieg fortgesetzt, bis ihm der Friede von Nystädt (1721)
den Besitz der Landschaften sicherte, welche den Grund zur Herrschaft
Rußlands auf der Ostsee gelegt haben. Nach dem Frieden von Nystädt
nahm Peter den Titel des Kaisers an.
Peter suchte auch die Lage der Bauern zu verbessern. Der
Grundbesitz war in den Händen des Adels, welcher dem Bauer die
Aecker aus fünf Jahre überließ und dafür den größten Theil des Feld-
ertrags erhielt. Da nun nach Ablauf dieses Zeitraums beiden Theilen
die Kündigung frei stand, so litt dadurch der Landbau, und die Steuer-
erhebung wurde erschwert. Es war deshalb 1595 eine Verordnung ge-
geben worden, daß kein Bauer die Stätte, wo er ansässig sei, wieder
verlassen solle. Hieraus war im Verlaufe der Zeit die Leibeigen-
sch äst der Bauern entstanden. Der Bauer galt als Eigenthum, wurde
von dem Bojaren hart behandelt und ging durch Kauf und Schenkung
aus einer Hand in die andere. Peter hielt die Aufhebung der Leibei-
genschaft für zu gewagt; aber er suchte der Bedrückung der Leibeigenen
durch häufig angestellte Untersuchungen gegen ihre Unterdrücker zu steuern.
Deshalb priesen ihn die Bauern als ihren Vater.
Mit seiner Gemahlin unternahm Peter 1716 eine Reise. Er be-
gab sich über Danzig, Stettin und Hamburg nach Kopenhagen, besuchte
dann Amsterdam und Saardam, wo er bei einem reichen Schiffszimmer-
mann speiste. Von Amsterdam reiste ec über Antwerpen und Brüssel
nach Paris. Man beeiferte sich ihm alles zu zeigen, was einem so
wißbegierigen Reisenden interessant sein konnte. In der Münze ließ vor
seinen Augen der Münzmeister eine in der Eile geschnittene Denkmünze
prägen, die sein wohlgetroffenes Bildniß enthielt. Bei Richelieus mar-
mornem Grabmal rief er aus: „Großer Mann, dir wollte ich die Hälfte
meiner Staaten geben, könntest du mich die andere regieren lehren."
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Extrahierte Personennamen: Peter Karl_Xii Karl Friedrichs Ulrike_Eleonore Nystädt Peter Peter Peter Peter
Extrahierte Ortsnamen: Moskau Petersburg Schweden Pommern Holstein Petersburg Finnlands Petersburg Europa Kurland Europa Friedrichs Danzig Stettin Hamburg Kopenhagen Amsterdam Amsterdam Antwerpen Paris
— 162 —
oft an 500 000 Menschen selbst aus den fernsten Gegenden Asiens
zusammenströmen. — Tula mit 111 000 E. hat die größten
Waffen- und Metallwarenfabriken, das „russische Birmingham".
— Woronesch am Don (84000 E.) betreibt lebhasten Handel.
— Archangelsk mit 21 000 E., unfern der Dwinamündung ge-
legen, ist für Ausfuhr von Schiffsbauholz wichtig.
2. Kleinrußland (die Ukraine). K i j e w am Dnjepr (247 000 E.)
ist Mittelpunkt der Rübenznckerindustrie. Uuiversität. — Charkow
(175 000 E.) hat blühenden Handel, besonders mit Getreide und
Wolle. Universität.
3. Südrußland, das ehemals türkische Gebiet am Schwarzen
Meere. Kischinew (109 000 E.) im Bezirk des Wein- und Tabak-
baues. — Odessa, unweit der Mündung des Dnjeftr (405 000 E.),
ist die bedeutendste russische Handelsstadt am Schwarzen Meere, Stapel-
Platz und Hanptaussuhrort für Getreide. Universität. — Nikolajew
(92 000 E.) ist die Hauptstation für die russische Kriegsflotte im
Schwarzen Meere. In der Nähe viele deutsche Kolonien.
4. Westrußland. Wilna (160000 E.) ist die bedeutendste
Stadt Litauens.
5. Das Königreich Polen. Die Hauptstadt Warschau an der
Weichsel (638 000 E.) ist Mittelpunkt der Gewerbethätigkeit und des
Handels Polens. Festung. Russische Universität. — Lodz (mit Vor-
orten 315 000 E.) hat sehr bedeutende Leinen- und Baumwollindustrie.
6. Die Ostseeprovinzen. St. Petersburg an der Newa-
Mündung (mit Vororten 1 267 000 E.), die von Peter dem Großen
gegründete, großartig angelegte neue Hauptstadt, ist der erste Handels-
platz Rußlands. Universität. — Der Kriegshafen Kronstadt
(60 000 E.) ist die Schutzfestung für Petersburg. — Dorpat,
rusf. Jurjew (42 000 E.) mit (ehemals deutscher) Universität. —
Reval (65000 E.) ist ein lebhafter Handelsplatz am Finnischen
Meerbusen. — Riga an der Dünamündung (mit Vororten
283 000 E.) ist die zweite russische Handelsstadt an der Ostsee,
wichtig als Stapelplatz und Ausfuhrort für Holz, Getreide, Hanf
und Flachs. — Libau (65 000 E.), aufblühende Hafenstadt.
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— 96 —
von den Jonischen Inseln im W. entfernt, der Mittelpunkt der alten
griechischen Welt. Athen, Hauptstadt und Mittelpunkt eines neu
geschaffenen, nur das eigentliche Hellas nebst dem Spercheioschal
und den Peloponnes nebst Euböa, den Kykladen und Jonischen
Inseln umfassenden Königreichs, 910 Qm. mit kaum 1500000
Ew. (nur dreimal so viel, als Attika zur Zeit der Blüte hatte),
mehr der Sprache als der Nationalität nach Griechen (vgl. das
neue Königreich Italien und die Hauptstadt Rom.).
Ueberhaupt ist die Balkanhalbinsel die bunteste Völkertafel,
soweit der Sultan herrscht, voller Gegensätze der Sprache, Sitte,
Religion, ohne innere Einheit, nur äußerlich zusammengehalten durch
die herrschenden Muhamedaner, die überall zerstreut die Zwietracht
der Christen fördern. Vorherrschend, nur von den Küsten des
ägäischen Meeres zurückgehalten, die Slaven des Serbischen
und Bulgarischen Stammes. Beides Binnenvölker, am Alten
festhaltend: daher noch heute der Bulgar Ackerbauer, der Serbe ^
Viehzüchter, der Handel meist in fremden (besonders Griechen)
Händen. — Die Serben die hauptsächlichste Bevölkerung im Nw.,
die Bulgaren im O. bis tief in Maeedonien und Thraeien
hinein*). jjhueu zunächst die Albanesen, dann die Bevöl-
keruug im Königreich Griechenland; die Griechen in der Türkei
(auf Festland und Inseln) eben so zahlreich wie die herrschenden
Osmanen (1 Million). Dazwischen Armenische Handels-
lente, Zigeuner, Tscherkessen und Juden. Durch den
Uebertritt einer großen Zahl Bulgaren und Albanesen zum Islam
haben die Türken des Uebergewicht behauptet. Ihr Gebiet außer
den Vasallenstaaten Serbien, Rumänien und Montenegro: 6700
Qm. mit 9000000 Ew.
Das Türkische Reich umfaßt in Asien 35000 Qm.mit
nur 13000000 Ew.: Kleinasien, Syrien, Armenien, Mesopotamien
und die Außenseiten von Arabien. In Afrika erkennen die
Vasallenstaaten Aegypten, Tripolis und Tunis bis jetzt noch die
Oberhoheit des Sultans an. — Die europäische Kultur beginnt
auch in diesen unter der Türkenherrschast erstarrten Ländern
neues Leben zu wecken, nicht bloß die alten Ruinen mit ihren
scheu Kleinasien verbunden, die Grenzmarke der griechischen Welt. — Vergeb-
liche Versuche der schwachen christlichen Bevölkerung, sich an das verwandte
selbständige Griechenland anzuschließen.
*) Ueber die Slaven haben unter dem Schutze der Türken die Griechen
die geistige und geistliche Macht.
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Extrahierte Ortsnamen: Attika Italien Rom Bulgarischen_Stammes Maeedonien Griechenland Serbien Montenegro Asien Kleinasien Syrien Armenien Mesopotamien Afrika Tripolis Tunis Griechenland
erlag er diesem in der großen Schlacht bei Tannenberg, wo der Hochmeister Ulrich von Jnngingen und mit ihm die Blüte der Ritterschaft fiel (1410). Mit Mühe hielt sich Heinrich von Plauen in der Marienburg und hatte nur einer schweren Seuche, die im polnisch-litthauischen Belagerungsheere ausbrach, einen glimpflichen Frieden zu verdanken. Als er darauf die gesunkene Zucht wieder herstellen wollte, warf man ihn ins Gefängnis, wo er nach 15 Jahren starb. Unter seinen Nachfolgern lehnten sich die unzufriedenen Vasallen immer mehr an Polen an; die gegen dieselben geworbenen Söldner konnten nicht bezahlt werden, obwohl man die Neumark an den zweiten hohen-zollerschen Kurfürsten Brandenburgs verkaufte. Eine Ordensburg nach der andern mußte daher den Soldaten verpfändet werden, sogar die Marienburg. Um Geld zu erhalten, verkauften sie dieselbe an Polen, das 1457 in die Hauptstadt des Ordens einzog. Diesem langsamen Aussaugen machte der Friede von Thorn 1466 ein Ende, durch welchen Westpreußen und Erme-land in das volle Eigentum Polens übergieng, Ostpreußen dagegen mit der Hauptstadt Königsberg Ordensland unter polnischer Oberherrlichkeit blieb.
Ungarn war nach Albrechts Ii. Tode durch Wahl der Magnaten dem polnischen Könige Wladislav Iii. übergeben worden; nachdem aber dieser bei Varna 1444 gegen den türkischen Sultan Mnrad gefallen war, ließ man den nachgeborncn Sohn Albrechts, Ladislaus Posthumus, die Krone erben und gab ihm deu siebenbürgischen Großfürsten Johauu Hanyad zum Vormund, der, als Constantinopel 1453 in türkische Hände gerathen, durch seine Tapferkeit das Land schützte. Nach seinem und des jungen Königs Tode erhielt Matthias Corvinns, Hunyads Sohn, die Königswürde. Er bedrängte den trägen deutschen Kaiser-Friedrich Iii., der selber Ansprüche auf den ungarischen Thron erhob, in Wien und erweiterte und schützte die Grenzen seines Reichs auf Kosten Böhmens und gegen die um sich greifende Türkenherrschaft. So hat er, des Kaisers Feind, Deutschlaud dennoch wesentliche Dienste geleistet
Ju Böhmen, wo die Lehre des Hns noch immer festen Boden hatte, war der strengkatholische Albrecht nur dem Namen nach König gewesen. Nach seines Sohnes Tod gedachte auch hier Friedrich 111. sein Erbrecht geltend zu machen, die Böhmen aber wählten den Hussiten Georg Podiebrad und nach ihm einen polnischen Prinzen. So verachtet und zugleich so verhaßt war der Kaiser und das Hans Habsburg.
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Extrahierte Personennamen: Ulrich_von_Jnngingen Heinrich_von_Plauen Heinrich Albrechts Albrechts Albrechts Albrechts Ladislaus_Posthumus Ladislaus Johauu_Hanyad Matthias_Corvinns Albrecht Friedrich Georg_Podiebrad Hans_Habsburg
618 Unsre Zeit.
Verfügung, die sich als Werkzeuge brauchen ließen, ihre Befehle zu vollstrecken.
4. Ju der neuesten Zeit geht Rußland so weit, sogar auf die in polnischer Sprache gedruckten Gebetbücher Jagd zu machen. Polizei-Offizianten dringen in die Kirchen, untersuchen die Gebetbücher und konfiszieren die in polnischer Sprache verfaßten. Aus allen Lehranstalten ist die polnische Sprache verbannt, aus allen Kreisen verdrängt. Nur wer der russischen Sprache vollkommen mächtig ist, kann eine Anstellung in Polen erhalten und darf nur dieser Sprache sich in seinen Amtshandlungen bedienen.
8 222.
Griechenland.
(Seit 1821.)
613) Mit ebenso großem Freiheitssinn, wie die Polen, aber mit mehr Unterstützung der Großmächte kämpften die Griechen 1770. wider die Türken um ihre Unabhängigkeit. L-chon 1770 waren sie, von den Russen verleitet, aufgestanden, aber im Stiche gelassen und der Rache der Pforte preisgegeben worden. Diese ließ Griechenland durch geworbene Albanesen furchtbar verwüsten. Aber immer wieder wurden die Hoffnungen der Griechen von den Russen genährt, da diese aus der Schwächung der Türkei für
sich selbst Vorteil zogen. Es entstand unter auswärtigen Griechen ein Verein (Hetärie), welcher sich zur Aufgabe machte, Hilfsmittel zum Kriege herbeizuschaffen. An den Klephten, den Bewohnern der Gebirgsgegenden, die stets mit den Türken im Kampfe lagen und in ihren Schlupfwinkeln nie^ unterworfen werden konnten, hatten die Griechen kriegsgeübte Häupter. S>o brach uach langer Vorbereitung der Anfstand an zwei Punkten zugleich aus. Der russische Generalmajor Alexander Apsilanti^, welcher sich (ohne Wissen der russischen Regierung) an die Dpitze der Hetärie gestellt hatte, versuchte in der Walachei mit griechischen Freiwilligen die Bevölkerung gegen die Türken aufzureizen. Aber sein Unternehmen mißglückte, und er geriet sogar in österreichische
i82i. Gefangenschaft. In Morea rief der Erzbischof German os
die Griechen zu den Waffen. Der Anführer der Mainoten,
der Nachkommen der Spartaner, Petro Manromichalis, erließ eine Proklamation an die europäischen Höfe, in der er um Hilfe bat. Da wurde in Konstantino'pel eine Verschwörung entdeckt. Der Sultan sollte ermordet, das Arsenal und die türkische Flotte in Brand gesteckt werden. Nun rief Mahmud Ii. alle Muselmänner wider die Griechen ans. Wo sich Griechen fanden, wurden dieselben von den Türken niedergemetzelt. In einer dreimonatlichen Schlächterei verloreu über 30 000 Griechen das Leben.
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Apsilanti^ Alexander Petro_Manromichalis
620 Unsre Zeit.
1867. Otto ging nach Bayern zurück, rvo er 1867 starb. Nachdem sechs fürstliche Personen die erledigte Krone, die man ihnen anbot, abgewiesen hatten, nahm sie der Prinz Wilhelm von Dänemark an. Er trat zur griechischen Kirche über und 1863. regiert seit 31. Oktober 1863 als Georg I. über die Hellenen.
Anmerkungen.
1. Die Griechen standen gerade in der Zeit auf, als die Häupter der heiligen Allianz auf dem Kongresse von Laibach versammelt waren, um Maßregeln zu ergreifen, die überall auftauchende Revolution zu bändigen. Zu diesem Geschäfte* paßte der griechische Aufstand schlecht, und darum wurde Npsilauti von Alexander I. verleugnet, und als er nach der unglücklichen Schlacht von Dragotschon (1821), wo „die heilige Scha r", welche 800 Mann stark war, größtenteils fiel, sich nach Siebenbürgen begab, wurde er von der österreichischen Regierung 6v2 Jahre lang zuerst auf der ungarischen Festung Mnn katsch, daun zu Theresienstadt „interniert". Er starb 1828 in Wien. Sein Bruder, Demetrius Npsilanti, ebenfalls in russischen Kriegsdiensten, war zuerst Oberbefehlshaber der griechischen Truppen und leistete, ungeachtet mannigfacher Parteiverfolgungen, als General wie als Staatsmann wichtige Dienste. Er starb 1832 zu Athen. Die Schwester, Maria Apsilanti, schenkte den Griechen ihre ganze Mitgift im Betrage von 160 000 Gulden.
2. Die Türken hatten auf der Insel Sc io gegen 40 000 Einwohner niedergemetzelt. Als die Leichname die Luft verpesteten, schafften die Türken von dem benachbarten Smyrna eine große Anzahl Juden hinüber, um die Leichname zu beerdigen. Auch die Eroberung von Misso-lunghi war von ähnlichen Greuelszenen begleitet.
3. Zuerst wurde Griechenland von den Großmächten für unabhängig, aber tributpflichtig erklärt. Es sollte jährlich 160000 Thaler an die Pforte zahlen. Allein nachdem die Russen über die Türken in Armenien und am Balkan gesiegt, wurde Griechenland auch mit dem Bezahlen eines Tributes verschont.
4. Die Personen, welchen nach der Entthronung Ottos die griechische Krone angeboten wurde, sind: Ferdinand von Kobnrg-K oh ary, Gemahl der verstorbenen portugiesischen Königin Maria da Gloria; Herzog Ernst Ii. von Kobnrg-Gotha; der englische Prinz Alfred; der Fürst von Lein ingen ; Erzherzog Maximilian von Österreich; Prinz Leopold von H o h e nz ol ler n-S igm ari n g e n.
5. Prinz Otto. geb. 1. Juni 1815, war der zweite Sohn König Ludwigs I. von Bayern. Er hatte nur den Fehler, daß er den Griechen die Schulden nicht bezahlen und sie auch nicht untereinander einig machen konnte.
6. Prinz Wilhelm ist der zweite Sohn des Königs Christian von Dänemark, ans dem Hanse Schleswig-Holstein - Sonderburg-Glücksburg. Er ist geboren am 24. Dez. 1845, und war demnach bei seiner Thronbesteigung so alt, wie Otto bei der feinigen. Ehe er in Griechenland ankam, fanden (am 30. Juni 1863) Szenen großer Unordnung und der Auflehnung gegen das Ministerium in der Nationalversammlung statt. Die Parteianführer wollten nämlich noch vor Ankunft des Königs sich der besten Ämter bemächtigen.
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Extrahierte Personennamen: Otto Wilhelm_von_Dänemark Wilhelm Alexander_I. Demetrius_Npsilanti Maria_Apsilanti Maria Ottos Ferdinand_von_Kobnrg-K Ferdinand Maria_da_Gloria Maria Ernst_Ii Ernst Kobnrg-Gotha Alfred Maximilian_von_Österreich Maximilian Leopold_von_H Leopold Otto König_Ludwigs_I._von_Bayern Ludwigs_I. Wilhelm Christian_von_Dänemark Otto
Extrahierte Ortsnamen: Laibach Theresienstadt Wien Athen Smyrna Griechenland Armenien Balkan Griechenland Ottos Griechenland
264
Dritte Periode der neueren Geschichte.
Der Aufstand
der Griechen
1821-1827.
Die
Befreiung
Griechen,
lands vom
türkischen
Joche
Bundestag zu Frankfurt den 13. Artikel der Bundesacte von der Ein-
führung landständischer Verfassungen zur Berathung empfahl. Dieser
letzte schwierige Punkt veranlaßte noch im nämlichen Jahre einen be-
sonderen Ministereougreß sämmtlicher deutscher Bundesstaaten zu Wien,
dessen Beschlüsse als die Schlußakte des deutschen Bundes einstimmig
angenommen wurden. Sie zielten hauptsächlich dahin, den Landständen
der einzelnen Staaten, welche allmählich ins Leben traten, jegliche Ein-
mischung in allgemeine deutsche Angelegenheiten zu entziehen, sowie die
Souverainität den Ständen gegenüber durch Verheißung der Bundes-
hülfe zu heben.
Schon seit der Eroberung Constantincpels schmachteten unsere
Glaubensbrüder, die Griechen, unter dem Joche der Türken, des Erb-
feindes des Christenthums. 1814 war zu Wien zur Zeit des Congresses
von dem russischen Staatssecretär Grafen Capodistrias und dem in
Pisa lebenden Erzbischof Ignatius unter dem Namen Hetäria ein ge-
heimer Bund gestiftet worden, welchem nicht nur die angesehensten
Griechen, sondern auch einflußreiche Männer anderer Nationen ange-
hörten. Dem ursprünglichen Zwecke, das griechische Volk durch wissen-
schaftliche Lehranstalteu und Volksschulen zu bilden, gesellte sich bald
ein anderer bei, das türkische Joch von Griechenland abzuschütteln.
Man baute auf Hülfe von Rußland und auf die Ohnmacht der Türken.
Der Aufstand begann unter den Griechen in der Moldau und
Wallachei, wo der Sohn eines ehemaligen Hospodars der Wallache!,
Alexander Apsilanti, ein russischer Generalmajor, die Griechen zur Ab-
werfung des türkischen Joches aufforderte. Vou allen Seiten stürmten
heldenmüthige Schaaren zu seinen Fahnen, mit denen Npsilauti die
Türken zu bezwingen hoffte. Im Peloponnes, in Hellas und Thessalien,
auf den Inseln entbrannte zu gleicher Zeit der Aufruhr. Allein die
Griechen fanden nirgends Beistand, im Gegentheil erklärten die auf
dem Congresse zu Laibach versammelten Monarchen auf Metternichs
Rath, daß sie die revolutionäre Bewegung der Griechen nicht unter-
stützen würden. Bei Galacz und bei Dragaschau ward die heilige
Schaar der Hetäristen aufgerieben; Npsilauti floh nach Siebenbürgen,
wo er verhaftet wurde und vier Jahre in östreichischer Gefangenschaft
schmachtete. Der Sultan richtete nach diesen Vorgängen unter den zu
Constantinopel wohnenden Griechen ein furchtbares Blutbad an, weil
er sie mit den revolutionären Bewegungen ihrer Glaubensbrüder ein-
verstanden erklärte. Viele Familien wurden ermordet oder beraubt und
verbannt, der 72jährige Patriarch von Constantinopel am Ostertage
vom Hochaltare gerissen und mit seinen Bischöfen am Haupteingange
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Extrahierte Personennamen: Constantincpels Capodistrias Ignatius Hetäria Alexander_Apsilanti Alexander Metternichs
Rath