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1. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 44

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
44 Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit. Weiler aber darf man nicht gehen; von einer wirklichen Verknechtung aller Römer im Reich ist nie, auch in den Stürmen der ersten Jahre nicht, die Rede gewesen. Auch geschahen die späteren Ausbreitungen nicht mehr gewaltsam. Es kam vielmehr jetzt zu einer geordneten Landteilung, wie sie auch bei Ost- und Westgoten und andern germanischen Völkern vorgenommen worden war, nach den Grundsätzen der sogenannten „Gastfreundschaft" (hospitalitas); d. H. jeder römische Grundbesitzer war als Wirt gezwungen, einem langobardischen selbständigen Freien als seinem Gast ein Dritt-teil seines Landbesitzes abzutreten. Doch auch diese Abtretung fand oft nicht wirklich statt; vielmehr begnügten sich die Langobarden, abgesehen von den ersten Eroberungen, bei ihrer späteren Ausbreitung damit, statt des Eigentums an Grund und Boden nur ein Drittel des Ertrags, der Früchte, zu erlangen; und da thatsächlich die römischen Großgrundbesitzer schon seit Jahrhunderten ihre Landgüter nicht selbst bewirtschafteten, sondern sie an Kolonen (persönlich freie, aber an die Scholle gebundene Zinspflichtige, die nur einen Teil des Ertrags für sich behielten, das Meiste dem Herrn ablieferten) zur Bewirtschaftung verliehen, so gestaltete sich das Verhältnis zwischen Wirt und Gast, Römer und Langobarde, meist so, daß der Römer dem Langobarden den dritten Teil seiner Kolonen, also auch den dritten Teil seiner Ansprüche gegen die Kolonen abtrat. Daher erklärt es sich auch, daß wir häufig Langobarden in den Städten lebend finden. Es war nicht notwendig für sie, auf dem Lande zu wohnen und selbst den Acker 31t bestellen; ihre Kolonen hatten ihnen den vertragsmäßigen Teil des Ertrags, in Früchten oder in Geld, abzuliefern. Freilich eignete sich der Langobarde solche Anteile an Früchten oder Kolonatsrechten oft noch außer dem Grundbesitz an, den er bei der ersten Ansiedelung als seinen ursprünglichen Anteil vom eroberten Lande erhalten hatte. Ging es auch sicher nicht ohne vielfache Bedrückung und Vergewaltigung der römischen Bevölkerung ab, so wurden doch nur die im Kriege gefangenen und nicht ausgelösten Römer verknechtet, alle übrigen blieben frei und lebten unter sich nach römischen und zwar justinianischen Gesetzen, während bei den Langobarden natürlich langobardisches Recht galt. In gemischten Fällen, d. h. überall, wo Verhältnisse zwischen Römern und Langobarden obwalteten, wurde, mit einigen notwendigen Änderungen und Zusätzen (die aber erst feit 584 festgestellt wurden), auch nach langobardischem Rechte verfahren. Daß inan den Römern ein Wergelt) zubilligte, das Recht der Fehde aber untersagte, ist selbstverständlich. Von einer Verschmelzung von Römern und Langobarden zu dem Mischvolke der Lombarden konnte natürlich erst die Rede fein, als die Einwanderer allmählich das katholische Bekenntnis annahmen, was erst im zweiten Viertel des siebenten Jahrhunderts geschah. Von den Schichten 6er langobardischen Bevölkerung stand der alte Volksadel oben an; ihm

2. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 179

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
Rückblick und Vorschau, zugleich Einleitung in die fränkische Geschichte. 179 manen zur römischen Bevölkerung, die ihre neuen Herren verhältnismäßig früh zu romanisieren wußte. Obgleich sich ihre Lage in den einzelnen Staaten verschieden gestaltete, so behielt sie doch allenthalben ihre persönliche Freiheit, ihr Recht und ihr bewegliches Vermögen. Und wenn sie sich auch eine Landteilung gefallen lassen mußte, so erfolgte diese doch im Anschluß an Grundsätze des römischen Verwaltungsrechtes, nämlich nach dem Vorbilde des römischen Einquartierungssystems, welches kennen zu lernen die Germanen im römischen Dienste reichliche Gelegenheit gefunden hatten. Und auch die innern Einrichtungen der neuen Reiche knüpfen in wesentlichen Punkten an die vorgefundenen römischen Institutionen an. Die Bur-gunden, Westgoten und Wandalen haben sie freilich bald in selbständiger Weise umzubilden begonnen. Dagegen fungierte in Italien die alte römische Verwaltungsmaschine bis zur langobardischen Eroberung ohne erhebliche Störungen fort. Odowakar ließ den Senat und den ganzen römischen Beamtenapparat bestehen, und Theoderich liebte es, die althergebrachten Formen fast mit Ängstlichkeit zu wahren. Sieht man aber nicht auf die Formen, sondern auf das Wesen der Dinge, so wird man sich freilich der Wahrnehmung nicht verschließen, daß sich nichtsdestoweniger mit dem Entstehen der ostgermanischen Staaten eine Veränderung von weltgeschichtlicher Tragweite vollzogen hat. Der springende Punkt ist, daß in ihnen zuerst der römische Westen neue Herren empfangen hat. Das haben die Römer lebhaft empfunden, und die Germanen haben es ihnen deutlich zum Bewußtsein gebracht. Und wenn der germanische König von jenen „der Herr des Staats" genannt wird, so haben sie damit eben den Widerspruch ausgedrückt, der zwischen dem wahren Sachverhalt und dem abgelebten Gedanken des römischen Imperiums obwaltete. Übrigens bildeten die Staaten der Ostgermanen nur den Übergang zu einer gründlichen Umformung der abendländischen Welt, welche durchzuführen den Franken befchieden war. In Italien wurde den Franken durch einen andern westgermanischen Stamm, die Langobarden, tüchtig vorgearbeitet, ein schneidiges Volk aus härterem Stoff als die bildsamen und duldsamen Ostgoten. (I) Die Langobarden. Die Langobarden, deren Geschichte, wie wir annehmen dürfen, noch frisch vor dem Gedächtnis unsrer Leser steht, sind das einzige westgermanische Volk, das sich, wie die gotisch-wandalischen, bei seiner Wanderung zuerst nach Südosten wandte,*) ja das einzige, das überhaupt völlig aus- *) Von den Markomannen abgesehen, die hier nicht in Betracht kommen, weil sie in viel frühem Zeit wanderten und ihre Wanderung aus ein viel kleineres Gebiet beschränkten. 12*

3. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 174

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
174 Die Franken bis zum Untergange der Merowinger. diese zweite Macht, der das römische Reich erlag. Die Religion Christi wich darin von allen heidnischen Religionen ab, daß sie sich keinen weltlichen Zwecken unterordnen wollte. Zwar waren die Christen die gehorsamsten Unterthanen, aber sie opferten nicht vor den Bildern der Kaiser und ließen sich zu nichts zwingen, was wider ihr Gewissen war. Die blutigsten Verfolgungen, die gräßlichsten Martern, mit denen man den treuen Bekennern Christi zusetzte, hatten keineswegs die Verbreitung des Evangeliums gehindert, sondern sie im Gegenteil nur gefördert. Es blieb dem römischen Staat nichts übrig, als den neuen Glauben anzuerkennen; und von dem Augenblick an, wo dies geschah, gab sich der antike Staat unwissentlich selbst verloren. Der Kamps der beiden sich grundsätzlich gegen- über stehenden Mächte dauerte zwar noch eine Zeitlang fort, aber der endliche Sieg mußte der lebensfrischen über die altersschwache, überlebte zufallen. Der antike Staat ruhte ganz und gar aus dem Grundsätze, daß der einzelne Mensch nur um des Staats willen da sei und daß sein Wert nach seiner Bedeutung für den Staat ausschließlich bemessen werden dürfe; daher das Egoistische, Tyrannische, Absolutistische des römischen Staats. Das Christentum mit seinen erhabenen Lehren von Nächstenliebe und Selbstentäußerung erkannte diese Tyrannei nicht an; es erkannte nicht mehr den Bürger allein, sondern den Menschen an sich und damit auch den Sklaven und den Barbaren als ein Kind Gottes an, das ebensoviel Recht auf Liebe und Schutz wie der Kaiser selbst beanspruchen darf, wenn es nur glaubt. Wohl blieb diese Lehre nicht rein von menschlichen Einflüssen, nämlich dann, wenn der Staat irgendwie der Religion obsiegte; die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion war zwar ein äußerer Sieg, aber im Grunde eine innere Niederlage des Christentums; und wenn in Byzanz Staat und Kirche sich enger verbanden, so mußten beide Einbuße erleiden; es konnte sich der alte Staat in widerlich entstellter Gestalt allerdings noch lange halten; aber dabei unterlag eben auch die wahre Religion, und unter der Despotie der griechischen Kaiser bildete sich ein neuer Kultus, der weit mehr Römisch-Heidnisches in sich barg, als seine Anhänger glaubten. Viel reiner erhielt sich die weströmische Kirche, aber sie konnte dies nur, weil sie aufstieg, während der weströmische Staat zusammensank. Seitdem das Christentum als Staatsreligion anerkannt war, brachen nun bekanntlich in seinem Innern heftige Streitigkeiten aus, die auch das römische Reich nicht wenig erschütterten. Vor allem war es der Streit über das Verhältnis der beiden Naturen in Christo, eine Frage, die eigentlich kein Menschenverstand lösen kann, die aber doch entschieden werden mußte, weil der Zweifel, den Arius an der Gottgleichheit Christi ausgesprochen hatte, eine Grundlage des christlichen Glaubens zu erschüttern drohte. Nachdem endlich die arianische Lehre als Ketzerei (325) verworfen

4. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 180

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
180 Die Franken bis zum Untergange der Merowinger. gewandert ist und die deutsche Erde ganz verlassen hat; denn die Alamannen blieben auf ursprünglich germanischem Boden, die Besetzung Britanniens geschah nicht auf einmal, durch ein Volk in seiner Gesamtheit, sondern allmählich, durch einzelne Scharen drei verschiedener Stämme, die größtenteils in ihren alten Sitzen verharrten, und die Franken haben wohl Gallien erobert, dabei aber ihre Stammländer am Rhein nicht aufgegeben und den Zusammenhang mit der deutschen Muttererde nie verloren. Zeigten die Langobarden sich darin den Ostgermanen ähnlich und hat ihr Reich in Italien mit den Reichen der Wandalen, Burgunden, Westgoten und Ostgoten auch das gemeinsame Merkmal, daß in ihm von Anfang an außer dem nationalen Gegensatz zwischen der germanischen und der ihr an Kopfzahl überlegenen römischen Bevölkerung auch ein folgenschwerer konfessioneller Zwiespalt obwaltete, so sind doch die Verschiedenheiten bedeutender als das Gemeinsame. Schon bei der Gründung des Reiches treten die widerstandskräftigen Langobarden ganz anders auf als z. B. die milden Oftgoten; das zeigt sich namentlich in ihrem Verhältnis zu den Römern und zu den römischen Institutionen. Wo die Langobarden festen Fuß fassen, da fegen sie das römische Verwaltungssystem und die römische Ämterverfassung hinweg; sie schaffen nicht einen Zwitterstaat, sondern ein rein nationales Staatswesen. Die Römer wurden nicht als gleichberechtigtes, sondern als unterjochtes Volk behandelt. Noch um die Mitte des siebenten Jahrhunderts ^ ist das Volksrecht frei von römischen Einflüssen. Erst als der Staat eine feste volkstümliche Grundlage gewonnen hatte, begann eine maßvolle Anlehnung an römische Einrichtungen und die staatsrechtliche Gleichstellung der römischen Bevölkerung sich anzubahnen. Die Reiche der Burgunden, der Wandalen und der Ostgoten sind als arianische Reiche im Kampfe mit katholischen Mächten untergegangen. Die Westgoten traten allerdings länger als ein Jahrhundert vor ihrem Untergang zum Katholizismus über; aber der Klerus gewann bei ihnen so weitgehenden Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten, daß er die Staatsgewalt untergrub und dem Reiche die Kraft raubte, sich gegen die Angriffe des Islam zu wehren. Dagegen war bei den Langobarden seit ihrem Übertritt zur römischen Kirche an die Stelle des überwundenen konfessionellen Zwiespaltes ein politischer Gegensatz^ getreten, nämlich der Gegensatz gegen die weltliche Machtsphäre des Papsttums; eine dritte Macht — das fränkische Königtum — mußte eingreifen, um diesen Konflikt zum Austrag zu bringen. Dabei kamen die Langobarden um ihre Selbständigkeit und wurden zu einem Gliede des großen Frankenreichs, womit sie das Schicksal aller westgermanischen Völker und der Burgunden teilten.

5. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 43

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
König Kleffo, etwas über langobardische Verfassung, Abzug der Sachsen rc. 43 Seitenzweig der im Mannesstamm ausgestorbenen Lethinge, welcher mit Audoin zur Herrschaft gelangt war, schon nach einem Vierteljahrhundert wieder ab. Bei der hohen Machtstellung der Herzoge lag die Gefahr nahe, daß das eben gegründete, aber noch nicht ausgebaute Reichsgebäude, dem auf einmal der Hausherr fehlte, in eine Anzahl Herzogtümer zerbröckle. Aber die Volksedlen und Freien erkannten selbst einmütig, daß der junge Staat einer einheitlichen Leitung, eines mächtigen Königtums bedurfte; deshalb traten sie in Pavia zusammen zur Wahl eines neuen Oberhauptes und erkoren einen aus ihrer Mitte. Kleffo. den Herzog von Bergamo, aus dem altedlen Geschlechte des Beleos, einen tapfern und thatkräftigen Mann. Die spärlichen Nachrichten, die uns über seine kurze^ Regierung überkommen sind, lassen erkennen, daß Kleffo irrt ganzen auf dem von Alboin betretenen Weg in äußerer Ausdehnung und innerer Ausgestaltung des Reiches fortschritt; doch war er rauher und willkürlicher als jener. Zweierlei wird aus seiner Regierungszeit besonders hervorgehoben: die harte Behandlung der römischen Bevölkerung und — damit zusammenhängend — die Ergreifung festen Grundeigentums durch die Langobarden. Die Langobarden in Italien waren, außer den Wandalen in Afrika, die einzigen Germanen, die ihr Reich auf altrömischem Boden ohne irgend welchen Vertrag mit einem Kaiser, einem Statthalter oder der Einwohnerschaft lediglich als Eroberer begründeten. So geschah denn das erste Eindringen und auch die erste Niederlassung sehr gewaltsam; gar viele vornehme, reiche Römer, welche sich durch die Flucht in den Süden nicht retten konnten oder wollten, wurden erschlagen, kriegsgefangen, also verfechtet, ihre ländlichen Besitzungen, wie selbstverständlich die des römischen Fiskus, als erobertes Land vom König und dem Volksheer angeeignet. Das gleiche Geschick traf aber auch die Stadtgemeinden; wohin die Eroberer drangen, da hoben sie die städtische Verfassung auf. Das war aber ein ganz besonders harter Schlag; denn die ganze antike, zumal römischitalische Kultur und das Kulturleben beruhte auf der Stadt, war ein städtisches. Auch die Ländereien der Stadtgemeinden verfielen der Verteilung, und schlimm erging es im Anfang auch den Kirchen und Klöstern, sowie den einzelnen Priestern bis gegen Mitte des stebenten Jahrhunderts. Die Einwandrer waren zum Teil noch Heiden, zum größern Teil Arianer, und als solche unzweifelhaft nicht ohne Erbitterung gegen die Katholiken, obgleich diese bei den Langobarden lange nicht so leidenschaftlich war wie etwa bei den Wandalen. Der Hauptgrund, daß vorzugsweise Klöster und Kirchen angegriffen und beraubt wurden, lag gewiß darin, daß hier die meisten Reichtümer geborgen waren. So wurden denn die Priester, wenn sie sich der Beutegier der Eroberer widersetzten, natürlich nicht geschont, die Kirchen geplündert, die Ländereien derselben von der Krone eingezogen oder verteilt.

6. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 61

1910 - Berlin : Singer
— 61 — den Preis, daß ihnen die arbeitenden Klassen des Volkes zur beliebigen Plünderung überlassen würden. Die Schmarotzer des Hofadels zerstörten für die unsinnigsten Verschwendungs-zwecke den erarbeiteten Wohlstand der Nation, unterstützt von den Schmarotzern des Hofpfaffentums, auf dessen Betrieb Ludwig Xiv. die gewerbfleihigsten Bewohner des Landes, die Hugenotten, ebenso vertrieb, wie Philipp Ii. die Mauren vertrieben hatte. Immer aber war Frankreich noch die vorherrschende Macht auf dem europäischen Kontinente; nur in Oesterreich, das sich von der Niederlage des Dreißigjährigen Krieges durch glänzende Siege über die Türken erholt hatte, besaß es einen ebenbürtigen Nebenbuhler; im Anfange des 18. Jahrhunderts zerfleischten sich beide Mächte in einer ganzen Reihe mörderischer Schlachten um das Recht, den spanischen Thron zu besetzen. Im Norden Europas sank Schweden schnell von der vorübergehenden Großmachtstellung herab, die es sich durch die Ausräubung Deutschlands geschaffen hatte, während Polen in feudaler Anarchie verkam. Polen war durch die Verlegung der Welthandelswege von den Ufern des Mittelländischen Meeres an die Gestade des Atlantischen Ozeans noch schwerer geschädigt worden als Italien und Deutschland; es war dann zwar die Kornkammer der westeuropäischen Völker geworden, allein die polnischen Junker hatten sich des Getreidehandels zu bemächtigen und die Ansammlung des Kaufmannskapitals zu hindern gewußt, das die historische Voraussetzung der modernen Entwickelung war. Sie würgten die polnischen Städte ab und hielten durch die tolle Verschwendung der in ihre eigenen Taschen fließenden Handelsprofite das Land gewaltsam im feudalen Sumpfe fest. Ueber Schweden und Polen aber erhob sich eine neue Macht in Rußland, einem barbarischen Erobererstaate, den der Zar Peter so weit europäisierte, daß er für ein eroberndes Vordringen nach Westen befähigt wurde. Zwischen Frankreich und Rußland, von beiden gleich schwer bedroht, lag nun das Deutsche Reich in seiner jämmerlichen Verfassung, ausgeraubt und verfault, zerrissen in dreihundert Souveränitäten. Alle Einrichtungen des Reichs waren in hoffnungslosem Verfall. Der Kaiser besaß fast nur noch das Recht, Adelstitel zu verleihen; der Reichstag in Regensburg war ein Gesandtenkongreß, der seine Zeit mit dem nichtigsten Klatsch und Kram vertrödelte, das Reichskammergericht in Wetzlar die berüchtigste Verschleppungsanstalt in Europa und das Reichsheer ein verlotterter Haufe von Vogelscheuchen.

7. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 11

1910 - Berlin : Singer
— 11 — moralisch geächtet. So ging das römische Weltreich im letzten Grunde an der Sklaverei unter. Es wurde immer hilfloser gegen die Einfälle der Barbaren, bis es im 5. Jahrhundert u. Z. in die Gewalt der germanischen Heere fiel, die, verhältnismäßig gering an Zahl, die ungeheuren Ländermassen überwältigten, um nunmehr eine absterbende Kultur zu verjüngen. 2. Die germanisch-romanischen Staaten. Die Aufgabe, die den germanischen Völkerschaften bei ihrem Einbruch ins römische Weltreich gestellt war, der Ostgoten in Italien, der Westgoten in Spanien, der Burgunder, später Franken in Gallien, der Vandalen in Afrika, bestand darin, mit den einfachen Mitteln ihrer Geschlechterverfassung eine Gesellschaft zu beherrschen, die auf einer ungleich höheren, wenn auch noch so verfallenen Stufe der Produktionsweise stand. Diese Aufgabe erwies sich als unlösbar, denn der altgermanischen Verfassung fehlten alle Organe der Herrschaft. Vielmehr stürzten die germanischen Völkerschaften aus einem Zustande durchgehender Gemeinfreiheit und gering entwickelten Adels unmittelbar in einen Abgrund uralter gesellschaftlicher Zersetzung. Diese Kluft verschlang die Klasse der Gemeinfreien, wie sie auf der kommunistischen Grundlage der Geschlechteroerfassung bestanden hatte. Die erobernden Germanen beanspruchten in Italien ein Drittel, in Gallien und Spanien zwei Drittel des gesamten Landes, und sie verteilten es zunächst ganz im Sinne ihrer bisherigen Verfassung. Sie waren so sehr an die kommunistische Wirtschaft gewöhnt, daß selbst im spanischen Westgotenreiche, wo sich das germanische Wesen am ehesten verflüchtigte, der germanische Eroberer seine zwei Drittel nur für die Aecker mit dem römischen Resteigentümer des letzten Drittels teilte, dagegen mit ihm im Gemeineigentum cm Wald,-Wasser und Weide blieb. Jedoch die verhältnismäßig geringe Zahl der Eroberer führte zu ihrer räumlichen Trennung über die ganzen Provinzen, wobei noch sehr große Strecken des Landes unbesetzt blieben; der verwandtschaftliche Charakter des Geschlechts lockerte sich mehr und mehr, und auch die Versammlung der Freien als entscheidende Instanz in allen gemeinsamen Angelegenheiten ging auf diese Weise unter. Dies wurde um so verhängnisvoller, als gleichzeitig der Schutz der neuen Reiche gegen auswärtige Feinde die schnelle

8. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 16

1910 - Berlin : Singer
— 16 — folgungen veranlaßten schon früh die einzelnen Gemeinden, durch Abgeordnete und Sendschreiben mit einander zu verkehren; gegen Ende des 2. Jahrhunderts bildeten die Kirchen einzelner Provinzen bereits festere Vereinigungen, deren oberste Instanzen Kongresse ihrer Vertrauensmänner, Synoden der Bischöfe, waren, und im Jahre 325 fand schon die erste Reichssynode in Nicäa statt. Innerhalb der Synoden selbst herrschten diejenigen Bischöfe, die die mächtigsten und reichsten Gemeinden vertraten, und so kam schließlich der Bischof von Rom an die Spitze der Christenheit. Diese ganze Entwickelung vollzog sich nicht ohne große Kämpfe gegen die Staatsgewalt, die den neuen Staat im Staate nicht aufkommen lassen wollte, Kämpfe zwischen den einzelnen Organisationen und innerhalb der einzelnen Organisationen, Kämpfe zwischen Geistlichkeit und Volk, bei denen gewöhnlich die Geistlichkeit den Sieg davontrug. Aber in diesen Kämpfen wurde die christliche Kirche diejenige Organisation im römischen Reiche, die alles in sich zusammenfaßte, was die antike Welt noch an Intelligenz und Tatkraft enthielt, und nachdem sie sich im Kampfe mit der Staatsgewalt als unbesiegbar erwiesen hatte, begann sie sich selbst die Staatsgewalt zu unterwerfen. Im Beginn des 4. Jahrhunderts fand bereits ein schlauer Kronprätendent, daß demjenigen der Sieg winke, der den Christengott sich günstig stimme, mit anderen Worten, der sich mit der christlichen Geistlichkeit verbände, und durch den Kaiser Konstantin wurde das Christentum zur herrschenden Religion im römischen Reiche. Von nun an wuchs das Kirchenvermögen erst recht an; die Kirche wurde enorm reich und die Geistlichkeit völlig unabhängig von der Masse der Gläubigen. Im gleichen Maße aber hörte die Geistlichkeit auf, das Kirchenvermögen im Interesse der Armen zu verwalten und vergeudete es für ihr Wohlleben. Damit diese Seelenhirten nicht das ganze Kirchengut für sich verpraßten, wuräe im 5. Jahrhundert festgesetzt, daß wenigstens der vierte Teil des kirchlichen Einkommens den Armen verbleiben solle, während von den anderen drei Vierteilen eines dem Bischöfe, das zweite seiner Geistlichkeit und das dritte den Kultusbedürfnissen zufallen solle. Gleichwohl galt im Prinzip und in der Theorie das Kirchengut als Eigentum der Armen, als patri-monium pauperum; der kommunistische Ideengehalt des Christentums ließ sich nicht völlig ersticken, so lange die sozialen Zustände dauerten, die ihn erzeugt hatten.

9. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 23

1910 - Berlin : Singer
Erster Abschnitt. Die deutsche Reformation und ihre Folgen. 1. Das Kaufmannskapital. In mehreren Städten entstand durch die besondere Gunst historischer und geographischer Umstände^der^^nde ' zunächst in Unteritalien durch den überseeischen Verkehr mit de Orient, mit Konstantinopel und Aegypten, von hrer aus aber nach dem Norden sich ausdehnend. Er brachte große Schatze in Umlauf, die der damaligen Zeit geradezu als unermeßlich erschienen und bald die Gier aller herrschenden Klassen m Europa erregten. . Das moderne Kapital erscheint hier zuerst, und zwar wesentlich noch als Kaufmannskapital. Doch übte es sofort eine zersetzende Wirkung auf die feudale Produktionsweise aus Je mehr der Warenaustausch sich entwickelte, eme desto größere Macht wurde das Geld, für das jeder jedes erhalten konnte, das jeder brauchte und jeder nahm. An der Quelle der kapitalistischen Produktionsweise stand nicht der handwerksmäßige Zunftmeister, der bei der beschrankten Anzahl seiner Gesellen nur zu mäßigem Wohlstände gelangen konnte, sondern der Kaufmann, dessen Kapital unbeschrankter Ausdehnung fähig und dessen Prositwut deshalb maßlos war. Mit dem Kaufmannskapital, der revolutionären Macht des 14., 15. und 16. Jahrhunderts, gelangte neues Leben m die mittelalterliche Gesellschaft, und neue Anschauungsweisen erwachten. An die Stelle des bornierten Partikularismus, der dem Mittelalter eigen war, trat ein Kosmopolitismus, der sich überall wohl fühlte, wo es etwas zu verdienen gab. Im Gegensatz zu dem Zunftbürger, der oft sein ganzes Leben lang nicht die Grenzen seiner Stadt überschritt, drängte der Kaufmann rastlos nach unbekannten Gegenden, überschritt die Grenzen Europas, eröffnete das Zeitalter der Entdeckungen, das in der Auffindung des Seewegs nach Indien und der Entdeckung Amerikas gipfelte. Auf der anderen Seite aber setzte

10. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 24

1910 - Berlin : Singer
— 24 — der Kaufmann der Universalität der mittelalterlichen Kirche die Nationalität entgegen, die im Mittelalter mit seinen kleinen selbstgenügsamen Gemeinwesen nur schwach entwickelt war. In dem Welthanbel entwickelte sich der Gegensatz von Käufer und Verkäufer zu einem nationalen Gegensatz; je mächtiger das Gemeinwesen war, dem der eine ober der anbere angehörte, um so größer für den einen ober den anberen die Ssussicht auf Prosit. So erwuchs aus dem Welthanbel ein mächtiges ökonomisches Interesse, das nach und nach das lockere Gefuge der mittelalterlichen Staaten festigte, aber sie auch schroffer von einanber abschloß, so daß sich die Christenheit in scharf geschiebene Nationen spaltete. 3n gleichem Maße wie der Welthanbel trug der Binnen-hanbel zur Erstarkung der nationalen Staaten bei. Es liegt im Wesen des Hanbels, sich in Knotenpunkten zu konzentrieren, wo sich die Waren des Auslanbes sammeln, um über das ganze Land durch ein weitverzweigtes Netz von Straßen und Wegen verbreitet zu werben, und wo sich auch die Waren des Jnlanbs sammeln, um nach dem Auslanbe vertrieben zu werben. Das ganze Gebiet, das ein solcher Knotenpunkt beherrscht, wirb ein wirtschaftlicher Organismus, der um so enger zusammenwächst und um so stärker von dem Knotenpunkt abhangt, je mehr die Warenprobuktion die Probuktion für den Selbftgebrauch verbrängt. Damit wirb er benn auch der Mittelpunkt für das geistige Leben des von ihm beherrschten Gebiets, und die nationale Sprache beginnt einerseits die lateinische Universalsprache der mittelalterlichen Kirche, anbe-rerseits die bäuerlichen Dialekte zu verbrängen. Nicht rntnber leuchtet ein, daß sich die Verwaltung des Staats btefer ökonomischen Organisation anpassen und die Gewalt der Lanbesherren stärken mußte, wo diese Gewalt noch einen Rest von Kraft bewahrt hatte. Der Handel beburfte eines zuverlässigen Felbherrn und eines starken Heeres, das, entsprechenb dem Charakter der ökonomischen Macht, der es bienen sollte, für Gelb gemietet würde, ein Sölbnerheer gegenüber dem seubalen Ritterheere. Der Handel brauchte ein solches Heer, um seine Interessen nach außen und innen zu wahren, um fonfurrierenbe Nationen nieberzumersen, neue Märkte zu erobern, die Schranken zu sprengen, die die kleinen Gemeinwesen innerhalb des Staates dem freien Verkehr entgegen-fetzten, die Straßenpolizei auszuüben gegenüber den großen und kleinen Feubalherren, die sich der Hanbelsgewinne auf oem einfachen Wege des Straßenraubes zu bemächtigen trach-
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