Die Bevölkerung und ihre Einrichtungen.
19
durch Branntweinbrennerei sind Nordhausen und Quedlinburg berühmt. — Von andern
Fabriken nennen wir solche für: Panzerplatten (Buckau), Tuche (Burg und Calbe). Kattun
(Eilenburg), Thonwaren und Porzellan (Neuhaldensleben, Ziesar, Buckau, Bitterfeld),
Papier (Kröllwitz, Calbe), Leder und Handschuhe (Halberstadt und Neuhaldensleben).
Eine so große Ergiebigkeit des Bodens und so reges Großgewerbe muß
notwendigerweise einen starken Handelsverkehr zur Folge haben.
Die Erzeugnisse gehen meistens aus der Provinz hinaus, wofür andere notwendige
Waren eingeführt werden. Hierunter sind zu nennen: Kolonialwaren aller Art, Tuche,
Leinwand, Seide, Kohlen aus Böhmen, Salz, Eisenwaren, Steinöl. Die Hauptmärkte
sind von alters her Magdeburg, Halle, Erfurt, welche durch ihre Lage zu dieser Bedeu-
tung schon in sehr srüher Zeit gelangten. Für Zucker und Zichorien ist Magdeburg der
Hauptmarkt in ganz Deutschland.
Die natürlichen Verkehrswege bilden von alters her die Elbe und die
Saale, dazu tritt das dichte Netz der Landstraßen und Eisenbahnen.
Jetzt durchschneiden eine Menge Eisenbahnlinien die Provinz in den verschie-
densten Richtungen; ihre Hauptknotenpunkte sind Stendal, Magdeburg, Halle. Die erste
Strecke wurde vor 50 Jahren (1839) zwischen Magdeburg und Schönebeck eröffnet. Es
giebt jetzt in der Provinz Sachsen 2077,25 km Eisenbahnen, also kommen bei 25249,97 qkm
Flächenraum 8,23 km auf 100 qkm Fläche und bei 2473533 Ew. 8,40 km aus 10000 Ew.,
während im Königreich Preußen, 6,72, im deutschen Reich 7,4 auf 100 qkm Fläche und
in elfterem 8,14, in letzterem 8,6 km auf 10000 Ew. fallen. Das Herzogtum Anhalt hat
247,57 km Eisenbahnen, also kommen bei 2347,35 qkm und 253959 Ew. 10,54 auf
100 qkm Fläche und 9,75 auf 10000 Ew.
Der Postverkehr wird geleitet von den Oberpostdirektionen zu Magdeburg (zu
der auch Anhalt gehört), Halle und Erfurt (die auch einen Teil der thüringischen Staaten
umfaßt).
In der Direktion Magdeburg kommt eine Postanstalt auf 27,4 qkm und 2444 Ew.;
eine Telegraphenanstalt aus 44,9 qkm und 3995 Ew.
In der Direktion Halle kommt eine Postanstalt auf 21,9 qkm und 2184 Ew.; eine
Telegraphenanstalt auf 46,2 qkm und 4615 Ew.
In der Direktion Erfurt kommt eine Postanstalt auf 24,2 qkm und 2441 Ew.; eine
Telegraphenanstalt auf 42 qkm und 4269 Ew.
4. Staatliche Einrichtungen.
A. Provinz Sachsen.
Die staatliche Verwaltung der Provinz wird geleitet vom Oberpräsidenten,
unter dem zunächst die Regierungspräsidenten die Leitung der Regierungsbezirke haben;
an der Spitze der Kreise stehen Landräte. Daneben Bezirksausschüsse und Kreisausschüsse.
Die nicht staatlichen Angelegenheiten (Straßenbau und Wohlthätigkeitsanstalten,
Kranken- und Erziehungswesen, wissenschaftliche Unternehmungen n. s. w.) werden vom
Provinzial-Landtag besorgt, der aus 116 Mitgliedern besteht. Dieser wählt den
Landesdirektor und den Provinzial-Ansschnß (15 Mitglieder). Die Altmark hat noch einen
eigenen Kommunal-Landtag zu Stendal.
Für die Rechtspflege sorgt das Oberlandesgericht zu Naumburg, Laudgerichte zu
2*
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe]]
6 Landeskunde der Provinz Sachsen und des Herzogtums Anhalt.
(nach der Zählung vom Jahre 1885). Während der Größe nach also Sachsen
die 9. Stelle unter den preußischen Provinzen einnimmt, hat es seiner Ein-
wohnerzahl nach die 4. Stelle (Schlesien, Brandenburg mit Berlin und die
Rheinprovinz sind stärker bevölkert). Die Provinz, an deren Spitze ein Ober-
Präsident steht, zerfällt in die 3 R.-B. Magdeburg, Merseburg und Erfurt;
au der Spitze eines jeden steht ein Regiernngs-Präsident, die R.-B. zer-
fallen in Kreise unter der Verwaltung eines Landrats.
1. Der Regierungsbezirk Magdeburg hat! 11512,86 qkm mit
989716 Ew. — 859 auf 10 qkm — und zerfällt in 15 Kreise.
2 Der Regierungsbezirk Merseburg hat' 10207,06 qkm mit
1027228 Ew, — 1006 auf 10 qkm — und zerfällt in 17 Kreise.
3. Der Regierungsbezirk Erfurt hat! 3529,61 qkm mit 411379ew.
— 1166 auf 10 qkm — und zerfällt in 11 Greife.
Das Herzogtum Anhalt hatl 2294,36 qkm mit 248166 Ew. — 1080
auf 10 qkm —, übertrifft also die Provinz Sachsen sehr an Volksdichte. Es
zerfällt in 5 Kreise, an deren Spitze Kreisdirektoren stehen.
Ii. Landschaftskunde.
Die Provinz Sachsen ist von allen preußischen Provinzen die am meisten
zerrissene. Der nördliche Teil, welcher den R.-B. Magdeburg umfaßt, bildet
allerdings ein zusammenhängendes Ganze, aber er ist im S. durch das Her-
zogtum Anhalt vielfach eingezackt und hängt nur durch einen schmalen Streifen
(bei Aschersleben), der wiederum Anhalt in 2 große Teile scheidet, mit dem
R.-B. Merseburg zusammen. Ein Stück von Anhalt (Grafschaft Mühlingen)
liegt als Enklave^) im R.-B. Magdeburg, wogegen kleine preußische Gebietsteile
von Anhalt umschlossen sind. Auch eine Braunschweigische Enklave (Calvörde)
findet sich innerhalb dieses R.-B. Noch mehr fremde Gebietsteile umschließen
die beiden südlichen R.-B.: Teile von Weimar (Allstedt) und Schwarzburg-
Rudolstadt (Frankenhausen), sowie die Hauptmasse vou Schwarzburg-Souders-
hausen. Dafür liegen die Kreise Schleusiugeu und Ziegenrück gesondert weit
nach S. vorgeschoben.
Im W. werden die Provinz Sachsen und Anhalt vom Harz berührt.
Dieser ist ein in sich fest abgeschlossenes Massengebirge von etwa eiförmiger
Gestalt mit der größten Ausdehnung von N.w. nach S.o. (110 km); der
Querdurchmesser beträgt nur 30 km.
■sen, Jtappboile. Selke. mppra, jtusieoen.
Längsschnitt durch den Harz von Seesen bis Eisleben. (Nach R. Aßinann.)
Nach N.w. hin hat das Gebirge mehrere Vorstufen; es verflacht sich im
*) Exklave nennt man ein von der Hauptmasse eines Landes getrenntes, in einem
andern Staate liegendes Stück Land. Von jenem anderen Lande aus würde man es
als Enklave bezeichnen.
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
TM Hauptwörter (100): [T44: [Sachsen Provinz Preußen Königreich Hannover Bayern Staat Hessen Baden Land], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T130: [Elbe Stadt Sachsen Provinz Saale Kreis Schlesien Elster Neiße Magdeburg], T174: [Preußen Sachsen Hannover Holstein Provinz Königreich Staat Oldenburg Braunschweig Dänemark], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser]]
Landschaftskunde.
7
S.o. nach der Saale, während der S.w. gegen das Thüringische Hügelland
:md der N.o. gegen das Tiefland scharf abgeschnitten sind. Das Gebirge bildet
ein großes Hochland, dessen obere Platte sich allmählich in seiner ganzen Län-
genausdehnung von N.w. nach S.o. sehr beträchtlich senkt. Dieser Umstand
hat die gewöhnliche Scheidung in Ober- und Unterharz herbeigeführt, in-
dem das Gebiet westlich vom Brocken dem Oberharz (Flußgebiet der Weser;
Nadelholz überwiegend), östlich davon dem Unterharz (Flußgebiet der Elbe)
zugerechnet wird. Hier überwiegt das Laubholz. In dieses Hochlaud sind die
Thäler der Bäche tief eingeschnitten, während gewaltige Berge auf demselben
emporragen. Am höchsten ist der Bro cken (Blocksberg), nahe dem Nordrande
mit 1141 m über dem Meeresspiegel über die Grenze des Baumwuchses auf-
steigend, der höchste Berg Mitteldeutschlands; er bildet mit einigen kleineren
Bergen eine besondere Gruppe. Der Ramberg (Viktorshöhe) ebenfalls im
Unterharz, 537 m, besteht wie der Brocken aus Granit, während sonst das Ge-
birge meist aus Grauwacke besteht. Auch der Auersberg (Josephshöhe) ist
ein Granitkegel von 575 in Höhe.
Überschreiten wir von dem S.o.-Abhänge des Harzes ans die fruchtbare
Thalebene der Helme, die goldene Aue, so kommen wir in das aus Trias
(Buntfandstein, Muschelkalk, Keuper) bestehende Thüringische Hügelland,
eine wellenförmige Senkung zwischen Harz und Thüringer Wald. Den nord-
westlichen Teil bildet die rauhe Hochplatte des Eichsfeldes, welches der
waldreiche Düu in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt zerlegt. Vom
Eichsfelde aus laufen 5 Höhenzüge mit einer Durchschnittshöhe von 162 bis
227 m, unter sich und mit dem Harz und Thüringer Walde parallel bis zur
Saale, welche bald eine festgeschlossene Kette bilden, bald nur einen losen
Zusammenhang haben und vielfach von Flüssen durchbrochen sind. Die be-
dentendsten dieser Züge sind der von Mühlhausen ausgehende, 470 in errei-
chende Hainich, der bei Erfurt der Steiger (345 rn) heißt. Die Hainleite
zwischen Wipper und Helbe, über 30 km lang und bis 461 m ansteigend,
nimmt nach dem Durchbruch der Unstrnt (Sachsenburger Pforte) den Namen
die Schmücke (326 m) an und heißt später die Finne (470 m) bis zur Saale
bei Naumburg. Der dem Harz am nächsten liegende Zug, die Windlaite, hat
feine höchste Erhebung im Kisfhäufer (470 m). Zwischen diesen Höhen-
zügen find Mulden und Becken, mit Lehm und humusreichem Schlamm bedeckt,
eingesenkt, von denen das thüringische Zentralbecken nördlich von Erfurt am
Zusammenfluß der Gera und Unstrnt das bedeutendste ist. Erfurt verdankt
der Lage in dieser weiten fruchtbaren Niederung zum großen Teil seine Be-
deutung als Hauptort von Thüringen. Außerdem sind noch besonders frucht-
bar die Unstrnt-Niederung bei Artern und die goldene Aue an der Helme.
In den S.o.-Zipfel der Provinz, den Kreis Zeitz, sendet das sächsische
Bergland seine letzten Ausläufer.
Das ganze Gebiet östlich der Saale und nördlich vom Harz gehört dem
Tieflande an, welches, wie der meist nach N.w. gerichtete Lauf der Flüsse
beweist, sich in dieser Richtung senkt. Aus diesem ragen nur vereinzelte kleine
Erhebungen hervor, wie die Porphyrfelfen an der Saale bei Halle (135 in),
die Höhen bei Wettin (174 m), am höchsten der Petersberg bei Halle (240 in
Seehöhe). Auf dem rechten Elbufer zieht ein Teil des Südlichen Land-
rückens, der rauhe i ud wasserarme Rücken des Flä-
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil]]
8 Ii. Heimatkunde der Provinz Ostpreußen.
auf der Nurischen Nehrung und in der Nähe des Haffes wohnten. Es hat die
Zorm eines Dreiecks. Seine Länge beträgt 100 km, seine Breite, die nach Norden
hin allmählich abnimmt, im Süden 45 Km. Das Nurische Haff hat viele flache
Stellen, die man Untiefen nennt. Daher ist es für die Schiffahrt gefährlicher
als das Zrische Haff,- besonders an der Windenburger Ecke, gegenüber der Memel-
mündung, kommen oft Schiffsunfälle vor. Dort ist deshalb ein Leuchtturm erbaut,
von der Ostsee ist das Nurische Haff durch die Nurische Nehrung getrennt.
Diese bildet einen etwa 100 Km langen und zumeist nicht mehr als l.>—1 km
breiten sandigen Landstrich mit gewaltigen Dünen, welche zu den höchsten
der Erde zählen. Das Nehrungsgebiet macht den Eindruck einer Wüste-
daher nennt man die Nurische Nehrung auch wohl die „ostpreußische Sahara".
Einst war diese reich bewaldet und besaß fruchtbares Wiesen- und Ackerland.
Kbb. 9. vünenlandschaft.
Nach dem Abholzen des Waldes aber nahm der Sand überhand. Die See warf
ungeheuere Sandmassen aus, welche der zumeist wehende Nordwestwind land-
einwärts trieb. Es entstanden die heutigen Dünen, welche namentlich bei
Nossitten und Nidden ihre bedeutendste höhe erreichen. Vom §uße der Düne
treibt der Wind die Sandkörnchen bis zum Gipfel hinauf, wo sie dann auf der
Haffseite in die Tiefe stürzen. So bewegen sich die Dünen im Jahre 5—10 m
vorwärts von der See dem Haffe zu. Nlan sagt, sie wandern. Die Wander-
dünen begraben alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Nicht allein einzelne
Häuser, ganze Dorfschaften mußten abgebrochen werden, sollte sie der Sand
nicht begraben. Nuf diese Weise sind die Dörfer Nunzen und Narweiten von
Wanderdünen verschüttet worden. In neuerer )eit versucht man die Dünen,
welche fruchtbarem 5lckerlande oder Ortschaften gefährlich werden, wiederum fest-
zulegen. Solches geschieht in der Weise, daß man Zlächen von der Größe eines
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil]]
D. Das preußische Oberland. 35
der Zrau davon und machte sie zu einem schwarzen Gaul, Oann ritt er auf ihr nach
Schwarzstein vor die Schmiede. Es ist aber zu derselben Zeit sehr glatt gewesen, daß
man mit unbeschlagenen Pferden nicht hat können fortkommen. Da ritt er vor das
Zenster der Schmiede und fing an den Schmied zu rufen: „Hufschmied, schläfst du?
Stehe auf und beschlage mir mein Pferd!" Oer Schmied aber hat sich nicht sogleich
ermuntern können, Oa rief der Teufel ihm zum andern Male zu, er solle aufstehen
und sein Pferd beschlagen. Oer Schmied aber antwortete: „Ich habe schon das Zeuer
ausgelöscht und muß mit meinem Gesinde ruhen!" Oer Teufel aber hat nicht ab-
gelassen, sondern zum dritten Male gesprochen: „Stehe auf, Schmied, ich werde es
dir doppelt bezahlen!" Als der Schmied solches hörte, stand er auf und fing an mit
seinem Gesellen zu arbeiten. Oer Teufel aber sprach zu ihm: „Beeile dich nur, ich will
dir dreifachen Lohn geben." Und so redete er weiter auf den Schmied ein. Als nun
zwei Eisen fertig waren, sprach der Teufel zum Schmied, er solle hingehen und die Eisen
dem Pferde aufmessen. Darauf ging der Schmied mit seinem Gesellen hin. 5lls sie
aber dem Pferde die Eisen anlegen wollten, da fing dasselbe an zu reden und sprach:
„Sachte, sachte, mein Gevatter! Ich bin die Krügerfrau aus Eichmedien."
Als der Schmied solches hörte, erschrak er, daß ihm die Zange mitsamt dem Eisen
aus der Hand fiel, und er lief mit seinem Gesellen in das Haus. Oer Teufel aber hat
immerfort geredet, er möge sich beeilen. Als aber die Hähne anfingen zum ersten Male
zu krähen, da ist das Pferd wiederum zum Menschen geworden. Oer Teufel aber war
sehr zornig, ging hinaus und hat der Zrau zu dreien Malen auf den Mund geschlagen,
daß man alle Teufelsfinger und Clauen in den Backen abgedrückt fand. Oer Teufel
aber ist sodann verschwunden. Oie Zrau hat danach noch ein halbes Jahr gelebt, ist
aber wie ein unsinniger Mensch herumgelaufen, und wenn man sie in ihr Haus gebracht,
hat sie nicht können darin bleiben, und wenn man sie noch so fest angebunden, so hat
sie sich doch losgerissen.
Solches ist geschehen im Iahre 1473. Oer Schmied hat die beiden Eisen dem Pfarrer
gegeben, welcher sie in der Kirch? zu Schwarz stein aufgehangen. Oas eine davon haben
im Jahre 1657 die Polen geraubt, das andere ist 1701 dem Könige Zriedrich I. geschenkt.
I). Oas preußische Oberland.
a) Grenzen. Das Oberland bildet den westlichen Teil unserer Provinz
und stößt im Westen an Westpreußen. Im Osten wird es durch die passarge
vom Ermland abgeschlossen.
b) Das Landschaftsbild. Das Oberland ist ein anmutiges Hügelgelände,
das eine Zülle von landschaftlichen Schönheiten besitzt, von den Rernsdorfer
höhen dacht es sich nach Norden allmählich ab, um sich dann noch einmal in
den an der Haffküste gelegenen westpreußischen Trunzer höhen bedeutender
zu erheben. Wie in Masuren, so verleihen auch im Oberlande zahlreiche Seen,
„die Augen der Landschaft", dem Gebiete ein eigenartiges Gepräge von be-
sonderer Lieblichkeit. Bewaldete Höhenzüge, verschwiegene Täler, blauleuchtende
Wasserflächen und wogende Getreidefelder wechseln miteinander ab, und es gibt
nichts Schöneres, als zur lieben Sommerszeit die ausgedehnten Vuchenwaldungen
zu durchwandern und in einer der zahlreichen schmucken Ortschaften einzukehren.
Unter den Seen, welche in ihrer Natur denen von Niasuren gleichen, sind der
Drewenz-, Geserich-, Rötloff-, Schilling- und Nariensee die bedeutendsten.
Schön auch sind Bärting- und Eilingsee mit ihren herrlichen Ufergehängen.
Auch ein Teil des mehr nördlich gelegenen vrausensees gehört noch dem
preußischen Gberlande an.
3*
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T135: [Haff Stadt Stettin Weichsel Ostsee Insel Memel Königsberg Danzig See], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See]]
E. Das Ermland. 45
ihre Wohnung. Sie erschienen den tranken, sonderlich zur Nachtzeit bei Hellem
Mondenschein und hegten und pflegten sie. Auch trugen sie dem, welchem sie gut
waren, Korn zu aus den Scheunen und Speichern anderer Leute, die sich undankbar
gegen sie bewiesen hatten. Ihren freunden waren diese Barstucken getreue Haus-
männlein und oerrichteten allerlei Arbeit für sie. Es wurde ihnen, um sie zu ver-
ehren, des Abends ein Tisch gesetzt,- den bedeckte man mit einem säubern Tischtuche,
setzte darauf Brot, Lutter, Käse und Bier und bat sie zur Mahlzeit, wurde nun am
andern Morgen auf dem Tische nichts mehr gefunden, dann war dieses ein gutes Zeichen,
war aber über Nacht die Speise unberührt geblieben, so war das ein Zeichen, datz die
guten Hausgeister aus dem Hause des Opfernden gewichen waren.
Späterhin ist heiligelinde ein christlicher Wallfahrtsort geworden, und es wird
dort die Mutter Gottes verehrt. Dieses ist also gekommen: vor vielen hundert Jahren
war zu Kastenburg ein Übeltäter ins Gefängnis gesetzt, der mit dem Tode bestraft
werden sollte. Am Tage vor der Hinrichtung erschien ihm die Jungfrau Maria in seiner
Abb. 35. Heiligelmde,
Zelle, redete ihn mit tröstlichen Worten an und gab ihm ein Stück holz und ein Messer
mit dem Befehl, auf dem holze zu schnitzen, was er wolle. Dieses tat er auch. Als nun
der Morgen herankam und der arme Sünder vor das Gericht gestellt ward, zeigte er das
holz vor, an dem er während der Nacht geschnitzt hatte. Und siehe, auf ihm zeigte sich
ein wunderbar schönes Marienbild, in dem Arme das Jesuskindlein haltend.
Als man dieses sah und der Missetäter dabei erzählte, wie ihm die heilige Jungfrau
erschienen wäre, da erkannte man das geschehene Wunderwerk, und das Gericht liefe
den armen Sünder los. Darauf ging er, wie ihm die Jungfrau Maria befohlen,
von Nastenburg gen Nöjzel, um das Bild auf die erste Linde zu setzen, die er auf seinem
Wege antreffen würde. So ging er vier Tage in die Irre, bis er endlich unweit Nößel
eine solche fand. Auf sie setzte er sein Bild, das fortan große Wunder tat. Es blieb
nämlich die Linde von Stund an Sommer und Winter über grün. Bald darauf reiste
ein blinder Mann an ihr vorüber. Als er an die Linde kam, sah er plötzlich ein hell-
glänzendes Licht. Er faßte danach. Es kam aber von dem Bilde, und sobald er das
letztere berührt hatte, wurde er sehend.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Maria Maria Maria Maria Nastenburg
50 Ii. Heimatkunde der Provinz Ostpreußen.
besitzt eine Unteroffiziervorschule. Schippenbeil liegt am gllefluß- es ist ein
kleines Ackerstädtchen, vomnau ist noch kleiner als das vorige.
Gerdauen liegt im Lartenerlande. In der Umgegend befinden sich große
Güter. Nordenburg ist ein kleines Landstädtchen.
Rastenburg ist, wie die vorigen, in Lorten gelegen. Es hat eine Zucker-
fabrik. In der Nähe liegt die flrbeiterfolonie Narlshof. Drengfurt und Barten
sind zwei kleine Städtchen von ungefähr gleicher Größe.
h) Sagen.
1. Die zwölf Ritter und zwölf Nonnen zu Creuzburg. Als auf dem Markte
des Städtchens Creuzburg noch das uralte Rathaus stand, hat sich dort an jedem Neu-
mond eine gar seltsame Erscheinung wiederholt. Sobald die zwölfte Stunde ertönt
war, kam aus der nach den Trümmern der alten Ordensburg auf dem Schloßberge
führenden Kirchenstraße ein Zug von vier Wagen, die besonderer Art und unverdeckt
waren, so daß man die darin Sitzenden deutlich erkennen konnte. Jeder Wagen war
mit vier Pferden, zwei Schimmeln und zwei Rappen, bespannt. Jene schritten ruhig
einher, diese aber schnoben Zunken aus Maul und Nüstern. In den beiden ersten
Wagen saßen, je zu sechs, zwölf Nonnen, im weißen Ordenskleide mit Kreuz und Rosen-
kränz, aber ohne Haupt. In jedem der beiden letzten Wagen befanden sich sechs Ritter,
die ihren Kopf mit dem Helme unter dem 5km hielten. Dreimal hat der Zug die Runde
um den Markt gemacht, doch ohne'daß von dem Rollen der Räder etwas zu vernehmen
gewesen wäre. 5mt-.de? Kutschers Hat auf dem Wagen der Nonnen ein weißes
Lamm, auf dem der Ritter ein schwarzer Ziegenbock gesessen, der gleich den von ihm
gelenkten Rossen Kunken sprühte.
In dem alten Rathause ist der Zug verschwunden, und man hat dann aus
diesem eine gar wilde, lustige Musik mit abwechselnden, rauhen Männerstimmen und
feinem weiblichen Gesänge gehört, zwischen denen es oft wie Orgeltöne und Choral
geklungen. Mit dem Ende der Mitternachtsstunde ist der Zug der Wagen wieder aus
dem Rathause herausgekommen, hat von neuem dreimal die Runde um den Markt
gemacht, ist aber nicht zur Kirchenstraße, sondern zur Hof- oder Schloßstraße wiederum
hinausgefahren. Nun haben aber auf den geharnischten Leibern der Ritter die ver-
schleierten Nonnenköpfe gesessen, während die Nonnen mit Helmbusch und geschlossenen
visieren angetan gewesen sind.
Also ist die Erscheinung von den Wächtern und den Marktbewohnern an jedem
Neumonde gesehen worden, bis zum pfingstfeste 1818, wo Markt und Rathaus durch
eine Zeuersbrunst zerstört wurden. Nur ein einziges altes Gebäude war stehen geblieben.
5lm nächsten Neumonde nach dem Brande erschienen auch die Nonnen und Ritter wieder,
nun aber nicht mit vertauschten, sondern mit ihren eigenen Köpfen. Neunmal haben
sie die Runde um den rauchenden Markt gemacht und sind dann in das stehengebliebene
Haus eingezogen, in welchem sich der frühere Zubel wiederholte. Doch sanfter hat
die Musik geklungen, und Orgelton und Ehoralgesang haben den wilden, rauschenden
Reigen niedergehalten, so daß er je länger je mehr verhallte.
Als nun auch jenes Haus in Trümmer zerfallen und abgetragen ist, sind die Ritter
und Nonnen nicht mehr erschienen. Aber am ersten Neumonde, nachdem der Markt
frei gewesen, hat sich an der Stelle des alten Gebäudes eine gar liebliche, sanfte Musik
hören lassen, aus der man hat entnehmen wollen, daß die Ritter und Nonnen nun
endlich zur ewigen Ruhe eingegangen wären.
2. Oer Bruder Glöckner auf Burg Bartenstein. Während des großen Preußen-
aufstandes Hatten die heidnischen Preußen versucht, die siegreichen Ritter wieder aus ihrem
Lande zu vertreiben. Manche Ritterburg war von ihnen schon erobert und mancher Sieg
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz]]
TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe]]
54 Ii. Heimatkunde der Provinz Ostpreußen.
gegen den Kurfürsten zu empören. Er reiste nach Polen und bat den dortigen
König gegen Friedrich Wilhelm um Hilfe. Man wollte denselben wiederum
aus dem Lande treiben und Preußen erneut unter polnische Herrschaft bringen.
Als das der Kurfürst hörte, ließ er Kalckstein in Warschau, der Hauptstadt Polens,
aufgreifen und nach Preußen führen, hier wurde er zum Tode verurteilt und
später in Memel hingerichtet, von jetzt ab beugten sich auch die preußischen
Adligen unter den starken Arm des Großen Kurfürsten, und seitdem hat das
Land treu zu seinen Herrschern gestanden.
2. Simon Vach. Simon Vach ist einer der bekanntesten ostpreußischen
Dichter. Sein Geburtsort ist die Stadt Memel. Er war ein Zeitgenosse des
Großen Kurfürsten, vieser fand an seinen Liedern solche Zreude, daß er ihn
vom Lehrer an der vomschule zum Professor an der Königsberger Universität
machte. Auch schenkte er ihm auf seine Litte später das unfern von Königsberg
gelegene Gütchen Kuikeim, auf dem Vach den letzten Teil seines Lebens sorgen-
frei zubringen konnte.
Vach war zu seiner Zeit als Dichter weit und breit berühmt. Mit mehreren
gleichgesinnten Freunden schloß er sich zu einem kleinen Kreise zusammen, den
man die „musikalischei Kürbislaube" nannte, da einzelne Mitglieder zu den
Gedichten sogleich die Melodien machten und häufig in einer Laube zusammen-
kamen, die mit Kürbislaub umrankt war.
Dach war trotz seiner Berühmtheit ein bescheidener und freundlicher Mann.
Daher hatte ihn jeder Hern, und kein Königsberger ging an ihm vorüber, ohne
ihn besonders ehrfürchtig und warm zu begrüßen. Die Zrauen und Mädchen
blieben stehen und knicksten ehrerbietigst, während ihm die Kinder unbefangen
nachliefen und sich auch wohl an seine Arme hängten. Neben zahlreichen Kirchen-
liedern klingen vor allem sein „Annchen von Tharau" und das „Lied der Freund-
schaft" noch heute wieder.
3. Schreckensbilder aus der Pestzeit während der Regierung Friedrichs I.
Schon zur Ordenszeit hören wir oft vom Auftreten der Pest in Preußen, die
ungezählte Opfer forderte. Damals und auch später noch bezeichnete man jede
ansteckende Krankheit, die ein großes Sterben im Gefolge hatte, als Pest,
vielfach mögen auch Hunger, Typhus und ähnliche Seuchen das Ihrige zu
den großen Volksverheerungen beigetragen haben, ven wahrhaft grauen-
vollen Abschluß dieser furchtbaren Volkskrankheiten bildet die große Pest der
Jahre 1709/10. Noch heute lebt die Erinnerung an sie im Gedächtnis der
Bevölkerung fort.
Bereits im herbste des Jahres 1708 hatte sich die Pest spüren lassen. Wie
fast immer, so hatte sie sich auch diesmal wieder von Polen her den preußischen
Grenzen genähert, vergeblich hatte man diese bewacht, die Brücke der Grenz-
gewässer abgebrochen und die Wege gesperrt- die furchtbare Krankheit hatte
sich nicht aufhalten lassen. Aber erst im folgenden Jahre begann ihr eigent-
licher Siegeszug durch die Gaue Ostpreußens. Masuren und vor allem Litauen
wurden fast gänzlich entvölkert und auch in Natangen und Samland die Be-
wohner zu Tausenden dahingerafft. Königsberg verlor ein viertel seiner
Bevölkerung.
Zurchtbar sind die Tage, welche die Bevölkerung einer von der Pest
bedrohten Stadt durchlebten, vie Stadttore sind geschlossen und von be-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Simon_Vach Simon_Vach Friedrichs_I. Königsberg
Bilder aus Ostpreußens Vergangenheit. 55
waffneten Wachen besetzt. Niemand darf ohne Erlaubnis der Polizei aus
noch ein gehen. Oer Besuch verpesteter Ortschaften ist bei Todesstrafe ver-
boten, vie vielfach noch ungepflasterten Straßen und Kinnsteine werden vom
Schmutz gereinigt, die herrenlosen Hunde vom Scharfrichter und seinen Unechten
erschlagen, da man meint, daß ihre langen haare das Pestgift leicht übertragen
könnten. Pestärzte und Totengräber werden in Bereitschaft gehalten und das
abgelegene Pesthaus, das die tranken aufnehmen soll, instand gesetzt.
Doch alle diese Vorkehrungen sind vergeblich, vielleicht war es ein kranker
Wanderbursche, der die Pest eingeschleppt hat, ein Kesselflicker oder ein Spiel-
mann. Schwarzblau angelaufen und mit Beulen bedeckt, hatte man ihn am
Morgen irgendwo in der Stadt aufgefunden. Mit Windeseile verbreitet sich
unter den Bürgern der Schreckensruf: „Die Pest ist da!" Bürgermeister und Nat
halten Sitzungen ab und besprechen, was zu tun sei. Man läßt das Unglücks-
Haus, in welchem die Pestleiche gefunden wurde, vernageln, versieht es mit
einem großen, weißen kreuze und verbietet den andern Bewohnern, dasselbe
bei Todesstrafe zu verlassen, verängstigt stehen die Bürger auf den Straßen
zusammen und frischen die Erinnerungen an die letzterlebte Pestepidemie aus
oder besprechen die zu ihren Ohren gekommenen bösen Nachrichten aus dem
verpesteten Nachbarorte. Auf Märkten und freien Plätzen brennen mächtige
Kaddikhaufen, deren (Hualm die Luft reinigen soll. In den Krämerläden,
beim Bäcker und Fleischer, sind Schalen mit Pestessig aufgestellt, welche die Geld-
münzen aufnehmen, ehe sie von einer-Hand in die andere gelangen. Zn den
überfüllten Kirchen werden besondere Bittgottesdienste abgehalten. Sonst sind
alle Zusammenkünfte verboten. Eine unheimliche Stille ist über die ganze Stadt
ausgebreitet, in der noch vor kurzem Freude und Lebenslust herrschten.
Doch das Unglück läßt sich nicht mehr aufhalten. Die pestfälle mehren sich
mit unheimlicher Geschwindigkeit. Bald sind ganze Häuser, ja ganze Straßenzüge
ausgestorben, vor dem Tore muß ein besonderer Pestkirchhof angelegt werden,
da der alte Gottesacker schon überfüllt ist. Längst hat das Sterbegeläute der
Glocken aufgehört, und wenn sich die Schatten der Nacht auf die unglückliche
Stadt herniedersenken, dann gehen die Totengräber und Pestkerle ihrem furcht-
baren Gewerbe nach. In wachsleinene Mäntel gehüllt, die mit Pestessig
getränkt sind, durchsuchen sie die verseuchten Häuser, laden die im Laufe des
Tages verstorbenen auf ihre pestkarren und bestatten sie gemeinsam in schnell
ausgehobenen Gruben. Einsam und hilflos bleiben die Kranken auf ihrem
Schmerzenslager zurück. Niemand darf sich ihnen nähern. Nur der Geistliche
reicht ihnen das letzte, heilige Mahl. Erst nachdem die stark gelichteten Reihen
der Bevölkerung dem Tode kaum noch eine lohnende Ernte versprechen, läßt
dieser die furchtbare Sichel sinken, um an einem andern Orte das Würgen von
neuem zu beginnen.
4. tvie Friedrich Wilhelm I. einen adligen Dieb bestrafte. Als
Friedrich Wilhelm I. zur Negierung kam, war Ostpreußen durch die Pest
furchtbar entvölkert. Namentlich in Litauen lagen weite Landstrecken wüste und
unbebaut, da es an Menschen mangelte, den Acker zu bestellen. Oer fürsorg-
liche König hat weder den weiten Weg von Berlin nach Ostpreußen noch Arbeit
und Kosten gescheut, um das furchtbar verarmte Land wieder in Ordnung zu
bringen, viele Millionen Taler hat der sonst so sparsame Negent hingegeben,
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Wilhelm_I. Friedrich Wilhelm_I.
A. Samlanö. 15
Die Lernsteingewinnung war von jeher ein Vorrecht des Staates. Von
den Strandbewohnern gefundener Lernstein mußte an die Bernsteinämter
abgeliefert werden. Jeder Strandbewohner nutzte einen Eid schwören und
sich verpflichten, nichts davon für sich zu behalten, wer auf Diebstahl ertappt
wurde, den hing man an einem am Strand errichteten Galgen auf. Später wurde
die Gewinnung an einzelne Personen verpachtet. Seit dem Jahre 1898 hat
der Staat wiederum selbst die Verwaltung der Bernsteinwerke übernommen.
Oer Lernstein ist schon vor mehr als 3000 Jahren bekannt gewesen und ge-
schätzt worden. Bereits die Ureinwohner Preußens verwerteten ihn zu Schmuck-
gegenständen, vie Römer holten ihn auf dem Landwege und traten mit unsern
Kbb. 15. Paradeplatz mit Universität.
vorfahren seinetwegen in Handelsbeziehungen. Dem Lernstein haben wir die
ältesten geschichtlichen Nachrichten über unsere Heimat zu verdanken.
k) Natürliche Verkehrswege besitzt Samland nur an seinen Grenzen.
Im Süden ist der pregel die belebteste Wasserstraße, die von zahlreichen Last-
schiffen und vampfern befahren wird, holz, Getreide, Zlachs, Hanf, Heu,
Nartoffeln, Ziegelsteine u. dgl. gelangen auf ihm in großen Massen nach Königs-
berg. Über das Nurische Haff nehmen aus Nußland durch die veime mächtige
holzflöße und leicht gezimmerte Getreidekähne, sogenannte Wittinnen, ihren
Weg den pregel stromabwärts nach der Hauptstadt der Provinz. Lebhaft
auch ist der Verkehr auf den beiden Haffen. Über See kommen von pillau her
gewaltige vampfer durch den Seekanal die pregelmündung stromaufwärts und
bringen Nohlen und andere Naufmannsgüter aus fremden Ländern zu uns,
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