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1. Bergers Erzählungen aus der Weltgeschichte - S. 215

1902 - Karlsruhe : Lang
— 215 Alles, was vom alten Frankreich noch übrig war, sollte vernichtet werden. Die alte Zeitrechnung wurde aufgehoben und eine neue begonnen mit dem 21. September 1792, als dem ersten Jahre der „einen ungeteilten Republik"; an die Stelle des christlichen Kalenders trat der republikanische, iu dem die einzelnen Tage nach Ackergeräten, Haustieren und Nutzpflanzen bezeichnet waren; die Kinder wurden mit römischen, griechischen, persischen Vornamen (Brutus, Aristides, Sadi) benannt. Die alten Münzen, Maße, Gewichte wurden durch ueue — in der Tat bessere — ersetzt. Die Kirchen wurden verwüstet und geschändet, endlich aus Betreiben des Pariser Gemeinderates die christliche Religion abgeschafft, der Gottesdienst untersagt und an die Stelle der Gottesverehrung die lächerliche Fratze einer Verehrung der Vernunft gesetzt. Das verderbliche Beispiel der Pariser, der Vernunft einen Tempel zu bauen, wirkte auch in anderen Städten des damaligen Frankreich nach. Mit großer Feierlichkeit wurde im November 1793 das Münster in Straßburg zum Vernunfttempel eingeweiht. Auch iu Colmar führte man die Verehrung der Göttin Vernunft ein. Die Feier fand da am Nikolaustage desselben Jahres in nachstehender Weise statt. Schon vier Wochen vorher richtete man die Martinskirche für die Festfeier her. Der Hauptaltar: die vier Seitenaltäre und die Kanzel wurden niedergerissen und in Stücke zerbrochen. Die großen Taussteine, die Weihwasserbecken, die Kirchenstühle und Bänke wurden fortgefchafft. Über dem Haupteingang der Kirche brachte man eine große, schwarze Tafel an, auf der mit goldenen Buchstaben geschrieben stand: „Temple de la raison. Tempel der Vernunft." Im Innern der Kirche hatte man an Stelle des weggeräumten Hochaltars ein hohes Gerüst ausgeschlagen, das einen Berg vorstellen sollte. Cben ans dem Gipfel loderte ein helles Fener. Das sollte den Verstand, der Berg das Erhabene der neuen Republik darstellen. Am Abhang des Berges standen die ans Holz gemalten Figuren der Freiheit und Gleichheit, der Tapserkeit und Industrie. Um den Tempel weiter auszuschmücken, flochten die Frauen Colmars Kränze ans Blumen. Unter solchen Vorbereitungen kam der Festtag heran. Hundert, nach anderen Angaben sogar fünfhundert junge Mädchen schmückten sich mit weißen Kleidern, trugen grüne Kronen auf dem Kopfe Sitten widersprach, benutzten feine Gegner und brachten ihn ans die Anklagebank. Vier Stunden lang wurde er ein der Guillotine aus dem Kleberplatze ausgestellt und vom Volke verhöhnt. Dann wurde» er nach Paris abgeführt. Monate lang schmachtete er im Kerker und büßte, nicht ganz 88 Jahre alt, am 1. April 1794 aus dem Schaffet feine schweren Verbrechen.

2. Elsässische Geschichtsbilder - S. 68

1884 - Straßburg : Bull
logius Schneider war im Elsasse der öffentliche Ankläger. Von Straßburg aus machte er sogenannte Gerichtsgänge durch das Land, um es von den verdächtigen Personen zu reinigen. Überall hin begleitete ihn die Guillotine. Und doch verfuhr er in den Augen der Jakobiner noch zu mild. Es bildete sich eine Partei, die seinen Sturz beschloß. Unter seinen Gegnern war fje< sonders der Maire von Straßbnrg, ein eingewanderter Franzose, Namens Monet. Schneider befand sich in Barr, als er den Befehl zur schleunigen Rückkehr nach Straßburg erhielt. Er fuhr mit 6 Pferden in die Stadt ein. Dies wurde sofort als die gröbste Verletzung der Gleichheit aller Bürger ausgeschrieen und Schneider noch in derselben Nacht verhaftet. Am nächsten Tage wurde er 4 Stunden lang am Schandpfahl den höhnischen Bücken und Worten der Menge ausgestellt. Daun wurde er nach Paris geschafft und dort guillotiniert. Nach dem Sturze Schneiders schaltete der Maire Monet mit zügelloser Willkür. Man dachte daran, sämtliche Landbewohner des Elsasses in das Innere Frankreichs zu versetzen, um sie endlich einmal von ihrer „germanischen Barbarei" abzubringen. Monet erklärte unumwunden, sämtliche Deutsche müßten vernichtet werden. Man hatte den festen Plan, 6000 deutsche Gefangene im Rhein zu ersäufen, nur die Dazwi-scheukunst des Kommandanten verhinderte die Ausführung. Dieses zähe Festhalten der Elsässer an den Sitten und Anschauungen des Volkes, zu dem sie durch Jahrhunderte gehört haben, erregte bei den Franzosen den höchsten Groll. Auf alle mögliche Weise suchte mau sie zu bekehren, aber erst die Zeit Napoleons hat darin große Fortschritte gemacht und die deutschen Grundlagen des Elsasses aufs tiefste erschüttert. Schluß. Nirgends wurde dienapoleonischeherrschaftmit größerer Freude begrüßt, als im Elsasse. Mit ungeheurem Jubel wurde Napoleon bei seiner ersten Anwesenheit in Straßburg empfangen. Er gewann durch seinen Kriegsruhm die Herzen der Elsässer vollständig für Frankreich, so daß die deutschen Truppen, welche in den Freiheitskriegen das Elsaß besetzten, bei den Bewohnern durchaus keine Anhänglichkeit sür Deutschland mehr vorfanden. Beim erste n Pariser Frieden (1814) dachten preußische Staatsmänner

3. Handbüchlein der Weltgeschichte für Schulen und Familien - S. 196

1877 - Calw : Verl. der Vereinsbuchh.
196 Neue Geschichte. Crom well, so weit auf dieser Bahn vorgeschritten, konnte nur durch fortgesetzte Gewaltthaten sich halten. Da das Parlament ihm zuwider war, stellte er 300 Solba* ten vor den Saal, trat ein und hörte den Berathungen eine Zeit lang zu. Daun sprang er auf, stampfte mit dem Fuß und schrie: „Schämet euch und macht euch fort! Der Herr hat nichts mehr mit euch zu thun; Er hat andere Werkzeuge erwählt, Sein Werk auszuführen." Die Soldaten kamen und trieben sämmtliche Parlamentsglieder zum Saale hinaus (1653). Nun errichtete er aus lauter Heiligen ein neues Parlament, welches nach einem Lederhändler das Barebone-Parlament hieß. Hier wurde viel gebetet und gepredigt. Sie wollten dabei Alles biblisch treiben, und gaben sich neue Namen, z. B. Sinke-nicht, Machefriede, Stehefestinderhöhe, Tödtediesünde, Kämpfedengutenkampfdesglanbens, Hofseausdenherrn u.s.w. Cromwell sah bald ein, daß er mit diesen unfügsamen Leuten nichts ausrichten könne, kam abermals mit Soldaten und fragte sie: „Was wollt ihr hier?" — „Wir suchen den Herrn," war die Antwort. „So geht wohin ihr wollt," rief Cromwell; „benn ich weiß gewiß, daß der Herr feit vielen Jahren nicht mehr unter euch gewesen ist." Von nun an lenkte er die Wahlen auf feine Anhänger und herrschte mit wahrhaft königlichem Ansehen unter dem Namen eines Protektors von Großbritannien. Er entwickelte seltene Herrschertalente, traf gute Anordnungen im Innern des Reichs, tmfnn eine entschiedene Sprache gegen fremde Höfe an, namentlich wo es galt, Protestanteimerfolgimgen zu steuern, und war in den Kämpfen nach außen so glücklich, daß er die Bewunbernng von ganz Europa wurde. Aber fortwährenbe Verschwörungen der Republikaner wie der Königlichen ließen ihm Tag und Nacht wenig Ruhe. Selten schlief er brei Nächte nach einanber in Einem Zimmer. Mübe von innern und äußern Kämpfen warf er sich auf Gottes Erbarmen und starb den 3. Sept. 1658. Sein Sohn, Richarb Cromwell, folgte ihm im

4. Leitfaden für den Geschichts-Unterricht in Mittelschulen und den unteren Klassen höherer Lehranstalten - S. 342

1879 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
Ix. Das neue Deutschland. den Rittergutsbesitzern und den Abgeordneten der Städte und Landgemeinden gebildeten Proviuzialstäude zusammen, um iß re hermachen Angelegenheiten zu berathen und zu ordnen. 1833 gründete Preußen mit der Mehrzahl der deutschen-Staaten den Zollverein, durch welchen die so lästigen und den Handel und Berkehr erschwerenden Zollschranken beseitigt wurden/ Um den alten Zwiespalt zwischen den Lutheranern und Reformirteu auszugleichen, vereinigte der König durch die Union die beiden einander so uahesteheudeu Religionsgemeinschaften zu einer großen evangelischen Landeskirche. Am 7. Juni 1840 starb Friedrich Wilhelm Iii., und ihm folgte Sohn, der geistvolle und fromme Friedrich Wilhelm It., ~ * ein großmüthiger Beförderer der Kunst und Wissenschaft Er erkannte und würdigte das Streben seines Volkes nach größerer freiheitlicher Entwickelung und kam ihm entgegen, indem er im April 1847 den Vereinigten Landtag (aus den Abgeordneten der Provmzral-Landtage zusammengesetzt) nach Berlin berief und tl)m das Rechtler Steuerbewilligung und eine berathende Stimme bei der Gesetzgebung einräumte. Doch der Bewegung war nicht mehr Einhalt zu thun. Ueberall hatte sich der Zündstoff der Revolution angehäuft, und es bedurfte nur eines Funkens, um th.it zur Hellen Flamme emporlodern zu sehen. . J^u.f geringfügigen Ursachen brach im Febrnar 1848 zu Paris etn Aufstand aus, der in Folge falscher Maßregeln an Umfang zunahm und mit der Flucht des Königs endete. Frankreich wurde zur Republik erklärt. Die Kunde davon durchlief wie etn elektrischer Schlag ganz Deutschland. Aller Orten erhoben fcte Verfechter der Volksfreiheit und die heimlichen Republikaner ihr Haupt. Ihr Anhang mehrte sich von Tage zu Tage; eine unnatürliche Erhitzung bemächtigte sich der Geister; selbst sonst besonnene und gemäßigte Männer n-nrden von dem allgemeinen Schwindel ergriffen. Schreier, die bei dem Umsturz der bestehenden Ordnung ihre Leidenschaften zu befriedigen gedachten, beherrschten , die Volksversammlungen und regten die Menge auf; es kam zu 1848] gewaltsamen Auftritten und endlich zur offenen Revolution. Auch Preußen blieb diesmal nicht von den Stürmen der Zeit verschont. Zwar erklärte sich der König bereit, die Wünsche des Volkes zu befriedigen; aber der von Aufwieglern geleitete Pöbel ließ sich nicht beschwichtigen. Am 18. März entbrannte in Berlin ein fürchterlicher Straßenkampf, der bis zum andern Morgen währte. Die Truppen behielten die Oberhand; dennoch zog sie der König zurück, um weiteres Blutvergießen zu verhindern. Zugleich verhieß er die Einberufung einer constitnirenden (verfassunggebenden) Nationalversammlung, welche schon im Mai ihre Sitzungen begann. Wie kaum anders zu erwarten war, bestand sie zum größten Theile aus Leuten, denen es an gutem

5. Deutsche Sozialgeschichte - S. 111

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
Gang der französischen Revolution. Erster Eindruck in Deutschland. 111 gebracht, so daß das Volk schließlich gern auf die Freiheit verzichtete, wenn nur eine straffe Staatseinheit auf Grund der bürgerlichen Rechtsgleichheit bestehen blieb. Und der an der Spitze des Heeres emporgekommene Artillerieoffizier Napoleon wußte als Kaiser der Franzosen solche segensreichen Errungenschaften der Revolution sehr geschickt mit dem Absolutismus zu verbinden. In Deutschland entstand auf die Kunde vom Ausbruch der Revolution, namentlich vom sog. Bastillesturme (14. Juli 1789), ein förmlicher Rausch der Begeisterung in vielen Kreisen. In den allgemeinen Menschenrechten aber sahen manche Deutsche ein überhaupt noch nicht erreichtes Ideal der Gesetzgebung. Selbst Kant (s. S. 98) glaubte, daß seine Lehre, allein der sittlich vernünftige Mensch sei wahrhaft frei, in Frankreich verwirklicht werde. Jedem Deutschen — so sagt Goethe — erhob sich das Herz, „als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei, von der begeisternden Freiheit und von der löblichen Gleichheit." Der fünfundsechzigjährige Klopftotf*) jubelte: „Hätt' ich tausend Stimmen, ich feierte Galliens Freiheit" und rühmte Galliens „Bürgerkranz, wie keiner war, schöner als Lorbeer, dem Blut ent- schimmert." Auf der Frankfurter Messe wurden Taschentücher verkauft, die mit den Menschenrechten bedruckt waren. Jetzt erwachte das Interesse für politische und soziale Fragen, Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen besonders im Bürgertum, im gebildeten Mittelstände, der der Hauptträger der Ausklärung ge- *) Ihm und Schiller wurde das französische Bürgerrecht verliehen (1792). Der Bürgerbrief an Schiller irrte fünf Jahre in Deutschland umher, weil er die Aufschrift trug: „A Monsieur Gille“. Erster Eindruck in Deutschland. Revolutio- näre Stimmung.

6. Deutsche Sozialgeschichte - S. 188

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
188 1868 —1870. anschlossen. Vorsitzender des Leipziger Arbeiterbildungsvereins war seit 1864 der geschickte und thatkräftige Drechslermeister August Bebel. Er ließ sich nun durch einen Schüler von Karl Marx, durch den 1848 geflohenen, 1861 infolge der Krönungsamnestie zurückgekehrten Schriftsteller und Journalisten Wilhelm Liebknecht immer mehr zu sozialdemokratischen und kommunistischen Anschauungen verleiten. Deshalb entbrannte in den Arbeitervereinen ein Kampf zwischen den bürgerlichen Arbeitersreunden und den ausgereizten Arbeitern. Auf dem Nürnberger Verbandstage— 14000 Arbeiter waren vertreten — ging 1868 mit 68 gegen 48 Stimmen Bebels Antrag auf Annahme des von Liebknecht in marxistischem Sinne verfaßten Programms durch. Die an Schulze-Delitzschs Ansichten festhaltende Minderheit machte sich nun als „Deutscher Arbeiterbund" selbständig. Die Mehrheit aber erklärte sich im allgemeinen mit Marxens Lehren einverstanden und bezeichnete eine demokratische Bewegung als unbedingt nötig zur Lösung der Arbeiterfrage. 1869 ward noch einmal vergeblich versucht, zwischen den national gesinnten Lassalleanern und den internationalen Kommunisten auf dem Arbeiterkongreß in Eisenach zu vermitteln: von jenen waren 110 Abgeordnete erschienen, von diesen aber 262. Sie behaupteten 150000 Auftraggeber hinter sich zu haben und gewannen die Oberhand. Eine sozialdemokratische Arbeiterpartei wurde gegründet, zu der etwa 10 000 Mitglieder gehörten. Ihr Programm begann mit den Sätzen: „Die sozialdemokratische Partei in Deutschland erstrebt den freien Volksstaat; jede Klassenherrschaft ist abzuschaffen; die jetzige Produktionsweise ist durch genossenschaftliche Arbeit zu ersetzen." Vom weltbürgerlichen Kommunismus und von der Republik war weiter nicht die Rede, aber politische Freiheit wurde gefordert. Der nächste sozialdemokratische Parteitag fand 1870 in Stuttgart statt. Die Lassalleaner verschwanden, aber auch Bebels und Liebknechts

7. Deutsche Sozialgeschichte - S. 161

1898 - Halle a.S. : Buchh. des Waisenhauses
Marx. Kommunistisches Manifest. 161 Industriellen der Rheinprovinz in Verbindung und war kurze Zeit in Köln Leiter der 1843 wegen ihrer rücksichtslosen Sprache unterdrückten Rheinischen Zeitung. Er ging dann nach Paris, trat mit Proudhon (s. S. 142) und den Führern des Kommunistenbundes in nähere Beziehung und lernte 1844 den 2 Jahre jüngeren Friedrich Engels kennen. Dieser war Sohn eines Barmer Fabrikanten, hatte in England unter dem Eindruck der Chartistenbewegung (s. <5.139) Studien über die Lage der arbeitenden Klassen gemacht und ward durch ein Buch darüber (1845) mit einem Schlage ein berühmter Mann. Mit ihm zusammen lebte Marx, aus Paris ausgewiesen, einige Zeit in Brüssel. Beide trieben geschichtliche Studien und gründeten einen deutschen Arbeiter-Bildungsverein. Ihre Thätigkeit erregte die Aufmerksamkeit der Kommunisten, und diese richteten an sie die Aufforderung, ein für die Öffentlichkeit bestimmtes Parteiprogramm zu verfassen. Sie entledigten sich dieser Aufgabe mit großem Geschick, und so entstand das berühmte — oder berüchtigte — kommunistische Manifest. „Ein Gespenst geht um in Europa", so beginnt es, „das Ge- Kommu-spenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben iasfjft! sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet. Der Kommunismus wird bereits von allen europäischen Mächten als eine Macht anerkannt." Das Manifest erörtert dann zum ersten Male die kapitalistische Produktionsweise im geschichtlichen Zusammenhange. Folgendes sind die leitenden Gedanken. Alle Einrichtungen und Vorstellungen eines Zeitalters sind nur aus der jedesmaligen „ökonomischen Struktur der Gesellschaft" zu erklären, also für alles menschliche Thun entscheidend sind nur die wirtschaftlichen Verhältnisse. Seit Auflösung des uralten Gemeinbesitzes an Grund und Boden ist alle Geschichte die Geschichte von Klassenkämpfen, Kämpfen zwischen ausgebeuteten und ausbeutenden, beherrschten und beherrschenden Klassen aus verschiedenen Stufen der menschlichen Entwicklung. Jetzt hat dieser Stutzer, Sozialgeschichte. 11

8. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 264

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
264 Großherzog zurückgenommen werden. In den Kammern verlor die liberale Partei wieder die Majorität und hielt sich in behutsamer Defensive, um nicht neue Gewaltschritte des Bundes hervorzurufen. Aber nur um so tiefer fraß sich der Groll in die Herzen ein. Viele Tausende, die 1830 bei den Aufläufen in Kassel und Dresden den Pöbelexeessen gewehrt oder 1832 auf dem Hambacher Feste harmlos gejubelt hatten, gelobten sich jetzt, wenn es wieder losginge, selbst mit kräftigem Handeln dabei zu sein. Neun Zehntel der deutschen Bürger erfüllten sich im Angesichte der Reaktion mit demokratischen Gedanken, die Gemäßigten mit Begeisterung für den parlamentarischen Staat, wo ein Beschluß der Volksvertretung die Minister aus dem Amte entfernt oder in dasselbe einsetzt, die Heißblütigen mit dem Ideale der Republik, wo der Wille des gesamten Volkes über Gesetzgebung und Exekutive in unbeschränkter Freiheit entscheidet. Noch hatte keine Erfahrung darüber belehrt, wie notwendig jedem großen Gemeinwesen ein mächtiges Organ der Stetigkeit in seiner Politik ist, ein Organ, für welches keine andere Staatsform gleiche Aussicht wie die Erb-monarchie darbeitet. Auch darüber war man begreiflicherweise damals noch nicht klar, daß die parlamentarische Regierung in England nur deshalb einen sichern und gedeihlichen Gang hatte behaupten können, weil sowohl die Volksvertretung als die Verwaltung von zwei fest organisierten und politisch geschulten Adelsgruppen geleitet wurde, die sich im Besitz der Ministerien ohne Störung der Geschäfte ablösten. Außer aller Beachtung blieb die für die Beurteilung eines demokratischen Staatswesens entscheidende Thatsache, daß die Festigkeit der nordamerikanischen Regierung ganz und gar aus der wesentlichen Unabhängigkeit ihres Präsidenten von dem Parlamente beruht. Auch über das schöne Bild der demokratischen Gleichheit waren die Vorstellungeiwenig entwickelt. Nur wenige machten es sich deutlich, daß die Forderung gleiches Rechtes edel und sittlich ist, wenn sie gleichen Rechtsschutz und gleiche Rechtsfähigkeit oder mit einem Worte Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet, daß sie aber in ihr Gegenteil umschlägt, sobald sie zum Begehren gleichen Genusses und gleicher Macht ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Einzelnen sich steigert und damit die schiefe Ebene zur kommunistischen Gewalt betritt. Ganz thöricht zeigte sich jetzt übrigens die Meinung, daß die Censur der Zeitungen und kleinern Druck-

9. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 273

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
273 Benehmens in den Vortagen beim Volke beliebt war, während einer kurzen Abwesenheit seines Postens enthoben und durch den General von Prittwitz ersetzt worden sei, welch letzterer zu größerer militärischer Strenge nötigte. Ausschlaggebend für die verhängnisvolle Wendung des Tages wurden zwei Schüsse, die inmitten des bereits begonnenen Einund Herdrängens zwischen Militär und Volk plötzlich losgingen. Daß diese Schüsse aus den Reihen des Militärs gekommen, ist in der königlichen Proklamation vom 19. März früh ausdrücklich anerkannt; ebenso ist aber anerkannt, daß niemand dadurch getroffen worden. Sie wurden das Signal zu einer gänzlichen Veränderung der Scene. Das Volk schrie: „Verrat! Man mordet uns!" Der Ruf nach Waffen ertönte, und rasch erhoben sich in den nächsten Straßen um das Schloß herum Barrikaden. Vergebens ließ der König, sobald er davon erfuhr, eine große Fahne mit dem Wort: „Mißverständnis" aufpflanzen; vergebens boten einzelne Wohlgesinnte alles auf, um die hocherregten Gemüter zu beruhigen und einen blutigen Kampf zu verhüten. Eben so vergeblich waren aber auch die Be-mühungen sehr loyaler Bürger, unter anderem einer Deputation, an deren Spitze sich der Bischof Neander befand, den König zu bewegen, daß er dem Einschreiten des Militärs Halt gebiete. Der König hatte schon da, als die Entfernung des Militärs aus dem Schloßhofe gefordert ward, gesagt: „Die Berliner werden doch nicht einen unehrenvollen Rückzug der Truppen verlangen?" Jetzt, nach entbranntem Kampfe, erklärte er es für völlig unmöglich, die Truppen zurückzuziehen, wenn nicht zuvor die Barrikaden geräumt würden. Und so hatte der blutige Kamps seinen traurigen Fortgang; seine Heftigkeit steigerte sich, da eiu größerer Teil der Bevölkerung in denselben eintrat, der Barrikadenbau sich immer weiter ausdehnte. Die eigentlichen Barrikadenkämpfer waren meist jüngere Leute, Studenten, Künstler, junge Kaufleute, Handwerker und Arbeiter, teilweise auch jene Hefe der Bevölkerung, die bei solchen Gelegenheiten immer ans Tageslicht kommt, daneben Fremde, z. B. Polen; zum Teil aber waren es auch Bürger, wie beim namentlich die Schützengilde als lebhaft beim Schießen beteiligt erwähnt wird. Der Kampf war um so heißer, als hüben und drüben in der Führung der Waffen Geübte einander gegenüberstanden, der Landwehrmann dem Liniensoldaten, der Ausgediente dem noch Diencn- Deutsche Kulturgeschichte. Iv. -10

10. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 230

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
230 und sagen von des deutschen Volkes Kraft und Heldentum? Mit Bewunderung und Neid blickten jetzt die Sieger von 1815 auf das besiegte Frankreich, wo unter einer freien Verfassung glänzende parlementarische Parteikämpfe die Aufmerksamkeit Europas fesselten und die Begeisterung der deutschen Jugend entzündeten. Man konnte bedauern, daß damit manche irrige und bedenkliche Anschauung auf den deutschen Boden verpflanzt wurde; aber was half es? Auch der wärmste deutsche Patriot tonnte nicht in Abrede stellen, das; die französische Charte eine bessere Verfassung als die deutsche Bundesakte war, und die Pariser Kammerdebatten eine anziehendere Lektüre als die der Bundestags-Protokolle darboten — deren Veröffentlichung Metternich übrigens 1824 wegen ihrer Inhaltslosigkeit einstellen ließ. Mit innerer Freude begrüßte man jede flammende Rede, welche Foy oder Manuel gegen die feudalen und klerikalen Ultras in Frankreich schleuderten; die schneidenden Worte trafen ja dieselbe Staatsweisheit, welcher Metternich und seine Berliner Verehrer mit prunkender Andacht huldigten. Vollends hingerissen aber nahm man für den großen George Canning Partei, als er den reaktionären Mächten das stolze Wort entgegenrief, daß England berufen sei, für die Freiheit der Völker einzutreten und über die Schläuche des Aeolus verfüge, um noch Gutdünken die Stürme her Revolution über die Gegner' Englands loszulassen. Ein solches Entzücken über die Angriffe des Auslandes auf die leitenden Bundesstaaten setzte das Absterben des patriotischen Gefühls in trauriges Licht; wie hätte es aber anders fein können nach dem Vernichtungskrieg, den Metternich und feine Helfer über den deutschen Nationalgedanken verhängt Hatten ? Es war ihrer Staatskunst gelungen, das deutsche Publikum wieder einmal zugleich partikularistisch und kosmopolitisch zu machen. Zu dem Bilde jener trüben Zeit gehört nun schließlich noch der Zug, daß aller liberaler Eifer, alle Verehrung für Canning, aller Groll gegen die Revolution in den weitesten Kreisen zwar eine gründliche pessimistische Stimmung, keineswegs aber den Drang zu politischer Thätigkeit hervorrief. Man las die Zeitungen, ärgerte sich über die englischen Tories, freute sich 1829 über die Niederlage der türkischen Heere und der österreichischen Diplomatie, ballte die Faust gegen Polignac, besprach das alles mit den guten Freunden und ging dann wieder an das Geschäft
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