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356
162. Die deutsche Handelsflotte.
amerikanischen Landlinien und über die deutsch-atlantische
Kabelverbindung hergestellt worden ist.
6. eine erst kürzlich fertiggestellte, der Deutsch-Südamerikanischen
Telegraphengesellschaft in Köln gehörige Kabelverbindung
Emden—monrovia, die Deutschland unmittelbar mit Afrika
verbindet und voraussichtlich später nach Brasilien weiter-
geführt werden wird.
Die Gesamtlänge der reichseignen oder unter Aufsicht des
Deutschen Reichs benutzten Unterseekabel beträgt jetzt rund 33000 kni.
Die Entwicklung des Fernsprech Wesens ist kurz zu schildern.
Das von Philipp Reis 1860 erfundene Telephon kam nicht zur Ein-
führung. Das gelang erst der Erfindung des Schotten Graham Bell
im Jahre 1877. In demselben Jahre wurde der Fernsprecher dem
Generalpostmeister Stephan vorgeführt, der dessen große Bedeutung
für den Verkehr sofort erkannte und am 12. November eine Leitung
in der Nähe von Berlin legen ließ. Das Telephon diente zunächst
als Ersatz für den Telegraphen und wurde bei solchen Amtsstellen
eingeführt, bei denen die Aufstellung eines geschulten Telegraphisten
nicht angängig war. Im Jahre 1880 wurde der Fernsprecher für
den Verkehr zwischen den Bewohnern innerhalb eines Ortes nutzbar
gemacht; seit 1894 ist der Telephonverkehr zwischen verschiedenen
Orten aufgenommen worden, 1909 waren es bereits 35 638.
Eine Erfindung von noch nicht absehbarer Bedeutung ist die
sog. Telegraphie ohne Draht. Bahnbrechend war die Erfindung
des Italieners Marconi, die von den Deutschen Slaby und Graf
Arco vervollkommnet, von der deutschen Gesellschaft „Telefunken"
in Deutschland durch Errichtung von Stationen usw. in die Praxis
eingeführt worden ist und eine für die kurze Zeit des Bestehens
bedeutsame Entwicklung genommen hat. 1911 war es der Tele-
funkenstation Nauen gelungen mit einem nach Westafrika fahrenden
Woermanndampfer während der ganzen Fahrt bis zur Landung
in Kamerun (5500 km) in dauernder telegraphischer Verbindung
zu bleiben. Und doch bedeutet dieses Ergebnis erst den Anfang der
Entwicklung, die nach Fertigstellung des neuen 300 m hohen Turmes
noch überraschendere Erfolge verspricht. Nach m. Georg Neuhaus.
162. Die deutsche Handelsflotte.
Da Deutschland einen so bedeutenden Außen- und Seehandel
hat, so muß es auch eine entsprechend große Handelsflotte be-
sitzen, welche diesen Seeverkehr vermittelt. Schon zur Zeit der
Hansa hatte Deutschland eine große Handelsflotte, die fast den ge-
samten Handelsverkehr in der Nord- und Ostsee beherrschte. Damals
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158. Festlandssperre.
jetzt nur eine kümmerliche Küstenschiffahrt von der einst so stolzen
Handelsflotte Frankreichs übrig. Auch Spanien und Holland büßten
jetzt ihre überseeischen Länder ein; Dänemark wurde plötzlich über-
fallen, Kopenhagen während dreier Tage beschossen, bis die Dänen
ihre gesamte Flotte anslieferten. Während der Zeit der Kontinental-
sperre hatte England nicht weniger als 1110 Kriegsschiffe zerstört
und mehr als 4 000 Kauffahrteischiffe als gute Prise seiner Handels-
flotte einverleibt.
So fiel der ganze ungeheure Kolonialhandel den seebeherr-
schenden Briten zu. Als nach dem unglücklichen russischen Feldzug
der Kontinent das Joch Napoleons abwarf, da war die erste Fessel,
welche jedes Land sprengte, die Festlandssperre.
Nun war Frankreich im zwanzigjährigen Riesenkampfe unter-
legen und England, dessen Industrie verdrängt, dessen Handel aus-
gerottet, dessen politische Macht durch jene Gewaltmaßregel unter-
graben werden sollte, triumphierte. So hat dieses System, an
welchem ihr Urheber mit ganz wunderbarer Hartnäckigkeit festhielt,
der britischen Handelsmacht nicht geschadet, sondern vielmehr Frank-
reich und namentlich den übrigen beteiligten Staaten schwere Opfer
auferlegt. Gerade nach dem Sturze des Kaisers zeigte es sich deutlich,
daß England nicht nur die Vorteile der See sich errungen sondern
auch jede ernsthafte Konkurrenz im industriellen und kommerziellen
Wirtschaftsleben der Völker niedergeworfen hatte. Alle Speicher
und Magazine, welche als Depots für den Schmuggelhandel gedient
hatten und die in Unmassen aufgestapelten Waren bargen, entleerten
sich jetzt schnell. Urplötzlich sah sich der Kontinent von einer unend-
lichenmengebritischer Kolonial-und Jndnstrieprodnkte überschwemmt,
welche der englische Händler um jeden Preis absetzen wollte. Die Folge
davon war ein allgemeines Sinken der Preise, was wiederum ver-
hängnisvolle Krisen im Geschüftsleben nach sich zog. Auch die fran-
zösische Industrie, welche zunächst durch den Ausschluß der englischen
Konkurrenz manche Vorteile davongetragen hatte, vermochte jetzt
der Sturmflut nicht standzuhalten, welche nach dem Niederreißen
des schützenden Walles über sie hereinbrach. Die Engländer dagegen
konnten in den folgenden Jahrzehnten im allgemeinen unter gün-
stigeren Verhältnissen und deshalb auch wohlfeiler fabrizieren. Denn
England war als einziger Staat Europas von den mehr als zwanzig-
jährigen Kriegsstürmen unberührt geblieben und während nun der
ganze Kontinent nach den schweren Erschütterungen der napoleoni-
schen Zeit zunächst ermattet die Arme sinken ließ, gewann England
durch rasche Ausbildung der Dampftechnik einen riesigen industriellen
Vorsprung und entwickelte sich so zur ersten Handelsmacht des neun-
zehnten Jahrhunderts. Dr. Max Georg Schmidt.
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164. Die Bedeutung der geographischen Lage Deutschlands
für die wirtschaftliche Entwicklung.
Deutschland gehört durch seine räumliche Ausdehnung
(540 000 qkm) und seine Bevölkerungszahl (65 Millionen) zu den
ersten Staaten Europas; durch seine Lage im Herzen von Mittel-
europa bildet es gleichsam den Mittelpunkt mächtiger und reicher
Staaten. Diese Reiche müssen als Schwerpunkt des heutigen Welt-
handels angesehen werden, weil hier die meisten und stärksten Fäden
aller Handels- und Verkehrsbewegungen zusammenlaufen. Wenn
Deutschland auch mit dem gegenwärtigen Hauptträger des Welt-
verkehrs, dem Atlantischen Ozean, nur durch zwei Nebenmeere in
Verbindung steht und darum von Natur mehr auf einen Binnen-
als Welthandel angewiesen erscheint, so hat es doch diesen Nachteil
durch hervorragende wirtschaftliche Tüchtigkeit und Rührigkeit
und beharrliches Verfolgen seiner Ziele wettgemacht und trotz seiner
im Vergleich zu anderen Ländern minderwertigeren Meereslage
Großes und Achtunggebietendes geleistet. Lange Zeit hindurch
hat die zentrale Lage unserem Vaterlande die größten Nachteile
gebracht; denn einmal machte sie es gerade durch ihre Vorzüge
anderen Nationen begehrlich, zum anderen bot sie ihnen einen
bequemen Tummelplatz für den Austrag ihrer Zwistigkeiten. Leider
waren wir früher zu ohnmächtig diese Kultur und Handel störenden
Einflüsse von uns fernzuhalten. Heute erwächst uns der Nachteil
der Lage zum Vorteil, indem er uns zwingt nie zu erlahmen, unab-
lässig auf der Hut zu sein und stets danach zu streben, unsere lmnmehr
geeinte Kraft immer mehr zu verstärken. In diesem Sinne gilt
Bismarcks Wort: „Gott hat uns in die Lage versetzt, in der wir
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europa Deutschland Atlantischen_Ozean Bismarcks
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168. Die Erwerbung der deutschen Kolonien.
burger Handelskammer und Eingeborene aus Kamerun an die deutsche
Regierung heran mit der Bitte um Übernahme der Schutzherrschaft
über Kamerun. Das Reich sagte dies zu und versprach die Er-
nennung eines Regierungskommissars. Die Engländer versuchten
nun die Eingeborenen für das englische Protektorat zu gewinnen;
die Häuptlinge lehnten jedoch diese Zumutung ab. Als die Engländer
darauf mit der Zerstörung der Negerdörfer drohten, standen die
deutschen Kaufleute im Begriff auf eigne Faust die deutsche Flagge
zu hissen, als am 12. Juli 1884 der deutsche Generalkonsul Nachtigal
mit einem Kanonenboot die Küste anlief und die Oberhoheit des
Reiches über das bedrohte Land proklamierte (14. Juli 1884). Die
englischen Umtriebe hörten indessen nicht auf und führten zu manchem
Zwischenfalle, so daß deutsche Kriegsschiffe eingreifen mußten um
die Ruhe aufrechtzuerhalten. Nach langen Verhandlungen mit
England und Frankreich wurden die Grenzen der Kolonie fest-
gesetzt.
Gleich Kamerun ist auch Togo eine hanseatische Kaufmanns-
kolonie, die 1885 unter den Schutz des Reiches trat, nachdem Eng-
länder und Franzosen vergebens versucht hatten dieses Gebiet zu
erwerben.
Nach O st a f r i k a hatte der deutsche Handel schon um die Mitte
des 19. Jahrhunderts eingesetzt und daselbst eine bedeutende Aus-
dehnung genommen; im Jahre 1874, als der Sultan von Sansibar
erfolglos um den Schutz des Reiches für sein Land nachsuchte, war
daselbst der deutsche Handel dreimal so stark als der englische. Im
Jahre 1884 bildete sich in Berlin die Deutsch-Ostafrika-Gesellschaft,
deren Seele der damals 27jährige Dr. Karl Peters war, der auch
die erste Expedition der Gesellschaft behufs Erwerb von Land leitete.
Am 4. Dezember 1884 konnte Dr. Peters einen Vertrag mit dem
einflußreichsten Häuptling abschließen, der ganz Ufagara unter den
Schutz des Reiches stellte; am 27. Februar 1885 erhielt er von der
deutschen Regierung den kaiserlichen Schutzbrief für seine Gesellschaft.
Bestimmt durch das Erscheinen eines deutschen Geschwaders, erkannte
der durch englische Einflüsse verhetzte Sultan von Sansibar die
Oberhoheit des Reiches an. Die Grenzen der Kolonie wurden 1886-
festgelegt. Das Reich ging hierauf namentlich gegen die Sklaven-
händler und Sklavenjüger scharf vor, was zu dem Aufstand der
Araber führte, der jedoch bald niedergeschlagen wurde. Die Deutsch-
Ostafrika-Gesellschaft trat 1890 ihre Hoheitsrechte gegen eine Ent-
schädigung von 27 Millionen Mark (bis 1935 zahlbar) an das Reich
ab. Mit England wurde der seinerzeit viel beklagte Vertrag, der
Sansibar und Wituland gegen die Herausgabe von Helgoland an
England brachte, abgeschlossen; heute ist das Urteil über dieses Ab-
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392
176. Die Deutschen in Argentinien.
Seehandelsflotte der Vereinigten Staaten bisher zurückgeblieben.
Viele große Städte und Handelsplätze sind mit der Zunahme der
Bevölkerung in kürzester Zeit („mit amerikanischer Geschwindig-
keit") emporgewachsen, zunächst im Osten, dann aber auch im Westen
mit dessen zunehmender Besiedelung. Der wichtigste Platz ist
Neuyork, zugleich der größte Hafen der Union; im Innern hat
sich Chicago am Michigansee zum großen Stapelort der korn-
und viehreichen Weststaaten entwickelt; durch die Gunst seiner Lage
ist es gewaltig emporgewachsen und hat sich auch von den beiden
großen Bränden der Jahre 1871 und 1874 bewunderungswürdig
schnell erholt; der Stapelplatz des Westens ist St. Louis geworden
und am Stillen Ozean vertritt besonders San Francisco die neuer-
dings dort zu großer Wichtigkeit gelangten Handelsinteressen der
Union durch einen äußerst lebhaften Seehandel. Freilich ist die
Entwicklung dieser seit den Goldfunden in Kalifornien fast ständig
gewachsenen Stadt im Jahre 1906 infolge einer schweren Erdbeben-
und Brandkatastrophe sehr beeinträchtigt worden.
Dr. Christian Eckert.
176. Die Deutschen in Argentinien.
Mit der Stellung, die sich deutsche Kaufleute und Deutsch-
lands Handel in der großen argentinischen Republik und ins-
besondere in Buenos Aires erobert haben, beschäftigt sich der Be-
richterstatter einer französischen Zeitung, Jules Huret, der vor
einiger Zeit in Südamerika weilte. Mit einem Unterton stillen
Neides muß der französische Beobachter einräumen, daß die Deut-
schen in Argentinien in den letzten 30 Jahren Frankreich weit über-
flügelt haben und sich mit Riesenschritten der bisher beherrschenden
Stellung Englands in diesem zukunftsreichen Lande Südamerikas
nähern. In dem schönen Villenort Belgrano leben die Deutschen
von Buenos Aires Seite an Seite mit ihren englischen Vettern.
Es ist, so meint Huret, fast wie im Grunewald, hier findet man
die gleiche einfache und herzliche Gastlichkeit, dieselben Dienst-
mädchen mit blonden Zöpfen, die einem nach dem Essen Salvator-
bier reichen. Die Zahl der in Argentinien lebenden Deutschen
hat bereits die der Engländer um 10 000 Köpfe überflügelt; 1909
zählten die Engländer 33 881, die Deutschen aber 43 320 Köpfe.
Und wenn man sich dabei nicht auf die Reichsdeutschen beschränkt,
wenn man die Österreicher und die Schweizer mit deutscher Mutter-
sprache in Betracht zieht, so erhöht sich die Zahl der Kaufleute
und Kolonisten deutschen Stammes in Argentinien auf 112 000
Menschen.
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20. Dem Handel und dem Handelsstand.
45
Denn mit Gott Hermes Hand in Hand
Von je die schönsten Genien wandeln:
Kultur und Sitte, Weltverstand,
Der kluge Rat, das kühne Handeln.
Im deutschen Volke fort und fort
Wachs er, der Macht, der Freiheit
Der Handel und der Han dels st and
Hort:
f
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134
77. Alfred Krupp.
konnte, um noch einmal Zahlen reden zu lassen, diese Konsum-
Anstalt nicht weniger als 795 000 Brote verkaufen und die mit
ihr verbundene Kaffeebrennerei röstete täglich 600 kg Kaffee.
Die Fabrik schien, so sagt ein berufener Schilderer des Lebens
unseres Helden, damals bereits gleich unserem geliebten deutschen
Kaiserreich selbst mit Macht dem Höhepunkt ihres Ansehens zuzu-
streben. Von keinem Mitbewerber in oder außer Deutschland hatte
die Güte der Kruppschen Gußstahlerzeugnisse erreicht, geschweige
denn übertroffen werden können. Auf dem Gebiete des Friedens-
gewerbes, in seinen Schienenlieferungen, seinen Radreifen, seinen
gewaltigen Schiffsschrauben, stand Krupp ebenso einzig da wie
in seinen artilleristischen Leistungen, um deren Erlangung sich fast
die gesamte Welt bemühte. Welcher Militärstaat bedurfte — wenn
man von Frankreich oder England absieht — denn nicht der
Kruppschen Geschütze, von denen allmählich gegen 30 000 Stück,
zum Teil von den riesigsten Abmessungen, das Essener Werk ver-
ließen.
Gewiß war Alfred Krupp stolz auf das durch eigene Tatkraft,
mit echt deutscher Beharrlichkeit Errungene. Aber immer ließ er
auch die weniger erfreulichen Bilder aus der Zeit der Entstehung
seiner Werke, aus der Zeit des Ringens wieder vor seinem gei-
stigen Auge vorüberziehen. Ein leuchtendes Beispiel dafür, wie
er diese Erinnerungen hegte und pflegte, bietet die rührende Sorg-
falt, die er gerade im Anfang der 70 er Jahre auf die Erhaltung
des unscheinbaren Elternhüuschens verwandte, das jetzt inmitten
der ungeheuren Fabrikablagen wie eine Reliquie aus längst ver-
gangenen Zeiten steht. Für ewige Zeiten, so bestimmte er, solle
dies denkwürdige Haus in seinem schlichten, alten Zustande erhalten
bleiben, seine Geschichte „mag dem Zaghaften Mut geben und
ihm Beharrlichkeit einflößen, sie möge jeden warnen das Ge-
ringste zu verachten, jeden vor Hochmut bewahren." Und als er
im Jahre 1876 in bescheidener Zurückgezogenheit den Festtag seiner
50 jährigen Geschüftsübernahme beging, da kündete ein An-
schlag an diesem Häuschen seinen Arbeitern folgende goldenen
Worte:
„Vor fünfzig Jahren war diese ursprüngliche Arbeiterwohnung
die Zuflucht meiner Eltern. Möchte jedem unserer Arbeiter der
Kummer fernbleiben, den die Gründung dieser Fabrik über uns
verhängte. 25 Jahre lang blieb der Erfolg zweifelhaft, der seitdem
allmählich die Entbehrungen, Anstrengungen, Zuversicht und Be-
harrlichkeit der Vergangenheit endlich so wunderbar belohnt hat.
Möge dies Beispiel andere in Bedrängnis ermutigen, möge es
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116. Worte Kaiser Wilhelms Ii. über Deutschlands Weltstelluug u. Seemacht. 239
königlichen Jagdherrn Messe gelesen. Da herrscht andachtsvolle
Stille in dem Tann, der sonst vom fröhlichen Halali widerhallt.
Daß der Regent stets der erste ist, wenn es gilt eine Trane zu
stillen, ein ernstes Leid zu lindern, ist allbekannt.
Und so steht denn unser Prinzregent als nimmermüder Vater
seines treuen Bayernvolkes in erhabener Größe vor uns und das
Gebet, das sich uns auf die Lippen drängt, ist ein inniges
„Gott erhalte den Regenten !"
Hans Baier.
116. Worte Kaiser Wilhelms Ii. über Deutschlands Welt-
stellung und Seemacht.
Nach dem Stapellauf des Linien-
schiffes „Kaiser Karl der Große" in Ham-
burg hielt Kaiser Wilhelm bei dem ihm
von der freien Stadt Hamburg im pracht-
vollen Kaisersaale des Rathauses ge-
gebenen Festmahl folgenden Trinkspruch:
Es gereicht mir zur besonderen Freude an dem heutigen histo-
rischen Gedenktage wieder in Ihrer Mitte weilen zu können. Ich
fühle mich gleichsam erfrischt und neu gestärkt, so oft ich von den
Wogen des frisch sprudelnden Lebens einer Hansastadt umspült
werde.
Es ist ein feierlicher Akt, dem wir soeben beigewohnt haben,
als wir ein neues Stück schwimmender Wehrkraft des Vaterlandes
seinem Element übergeben konnten. Ein jeder, der ihn mitgemacht
hat, wird wohl von dem Gedanken durchdrungen gewesen sein,
daß das stolze Schiff bald seinem Berufe übergeben werden könne;
wir bedürfen seiner dringend und bitter not i st uns eine
starke deutsche Flotte.
Sein Name erinnert uns an die erste glanzvolle Zeit des alten
Reiches und seines mächtigen Schirmherrn. Und auch in jene
Zeit fällt der allererste Anfang Hamburgs, wenn auch nur als Aus-
gangspunkt für die Missionstütigkeit im Dienste des gewaltigen
Kaisers. Jetzt ist unser Vaterland durch Kaiser Wilhelm den Großen
neu geeint und im Begriff sich nach außen hin herrlich zu entfalten.
Und gerade hier inmitten dieses mächtigen Handelsemporiums
empfindet man die Fülle und Spannkraft, die das deutsche Volk
durch seine Entschlossenheit seinen Unternehmungen zu verleihen
imstande ist. Aber auch hier weiß man es am höchsten zu schätzen,
wie notwendig ein kräftiger Schutz und die unentbehrliche Stärkung
unsrer Seestreitkräfte für unsre auswärtigen Interessen sind . . .
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240 116. Worte Kaiser Wilhelms Ii. über Deutschlands Weltstellung u. Seemacht.
Blicken wir um uns her! Wie hat seit einigen Jahren die Welt
ihr Antlitz verändert! Alte Weltreiche vergehen und neue sind
im Erstehen begriffen. Nationen sind plötzlich im Gesichtskreis
erschienen und treten in ihren Wettbewerb mit ein, von denen kurz
zuvor der Laie noch wenig bemerkt hatte. Ereignisse, die umwälzend
wirken auf dem Gebiete internationaler Beziehungen sowohl wie auf
dem Gebiete des national-ökonomischen Lebens der Völker und die
in alten Zeiten Jahrhunderte zum Reifen brauchten, vollziehen
sich in wenigen Monden. Dadurch sind die Aufgaben für unser
Deutsches Reich und Volk in mächtigem Umfange gewachsen und
erheischen für mich und meine Regierung ungewöhnliche und schwere
Anstrengungen, die nur dann von Erfolg gekrönt sein können, wenn
einheitlich und fest, den Parteiungen entsagend, die Deutschen
hinter uns stehen.
Es muß dazu aber unser Volk sich entschließen Opfer zu bringen.
Vor allem muß es seine Sucht ablegen, das Höchste in immer schärfer
sich ausprägenden Parteirichtungen zu suchen. Es muß aufhören
die Partei über das Wohl des Ganzen zu stellen. Es muß seine alten
Erbfehler eindämmen alles zum Gegenstand ungezügelter Kritik
zu machen, und es muß vor den Grenzen haltmachen, die ihm seine
eigensten, vitalsten Interessen ziehen. Denn gerade diese alten
politischen Sünden rächen sich jetzt schwer an unsern Seeinteressen
und unsrer Flotte.
Wäre ihre Verstärkung mir in den ersten acht Jahren meiner
Regierung trotz inständigen Bittens und Warnens nicht beharrlich
verweigert worden, wobei sogar Hohn und Spott mir nicht erspart
geblieben sind, wie anders würden wir dann unsern blühenden
Handel und unsre überseeischen Interessen fördern können!
Doch meine Hoffnungen, daß der Deutsche sich ermannen
werde, sind noch nicht geschwunden. Denn groß und mächtig schlägt
die Liebe in ihm zu seinem Vaterlande. Davon zeugen die Oktober-
feuer, die er heute noch auf Bergeshöhen anzündet und mit denen
er auch das Andenken an die herrliche Gestalt des heute geborenen
Kaisers in der Erinnerung mitfeiert. Und in der Tat, einen wunder-
vollen Bau hat Kaiser Friedrich mit seinem großen Vater und dessen
großen Paladinen errichten helfen und uns als Deutsches Reich
hinterlassen. In herrlicher Pracht steht es da, ersehnt von unsern
Vätern und besungen von unsern Dichtern.
Nun wohlan! Statt wie bisher in ödem Zank sich darüber zu
streiten, wie die einzelnen Kammern und Säle dieses Gebäudes
aussehen oder eingerichtet werden sollen, möge unser Volk in idealer
Begeisterung, wie die Oktoberfeuer auflodernd, seinem idealen
zweiten Kaiser nachstreben und vor allem an dem schönen Bau sich
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TM Hauptwörter (200): [T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelms Wilhelms Friedrich Friedrich
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Kaufmännische Schule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): Jungen
272
131. Gute Beispiele.
die Hunderte von Einsendungen unserer Mitarbeiter, die bereits
nach mancherlei Gesichtspunkten hin bearbeitet werden müssen,
nun auch noch auf entbehrliche Fremdwörter zu prüfen und an die
Stelle des Fremden das Deutsche zu setzen. Wir ersuchen Sie des-
halb h ö f l i ch st und dringend reines und gutes Deutsch
zu schreiben. Eine kleine Wahl von Verdeutschungen, wie sie im
täglichen Zeitungsdienst anwendbar sind, geben wir umstehend,
ohne selbstverständlich damit die entbehrlichen fremden Ausdrücke
zahlenmäßig begrenzen zu wollen.
Unsere Herren Mitarbeiter werden es begreiflich finden, wenn
wir für die Folge solchen Einsendungen, die unseren oben ausge-
sprochenen Wünschen entsprechen, den Vorzug gebe n."
Die „Rheinisch-Westfälische" gehört zu den großen Zeitungen
des Reiches und hat ihr Verbreitungsgebiet in einem der Teile
deutschen Landes, wo das Leben der Gegenwart in Handel, Gewerbe,
Schiffahrt wohl am stärksten und sichtbarsten flutet. Und wenn das
den Wert der Kundgebung erhöht, so trifft dasselbe für den zweiten
Fall zu, das Rundschreiben, das ein Hamburger Handels-
haus, B r ü e l & K o., bei Einrichtung einer neuen Briefablage
dem betr. Geschäft zugehen läßt. Es lautet:
„In der Voraussetzung, daß wir in dauernder Geschäftsver-
bindung stehen werden, haben wir in unserer Briefablage für sie die
Mappe Nr. . . . angelegt. Wir bitten Sie diese Nummer in Ihren
Briefen stets anzuführen.
Gleichzeitig teilen wir Ihnen mit, daß wir uns den Bestrebungen
nach einer Vereinfachung des kaufmännischen Briefstils
angeschlossen haben. Wir werden demgemäß versuchen unsere
Briefe kurz und einfach zu fassen. Auch werden wir darin alle
Höflichkeitsformeln fehlen lassen, da uns eine gegensei-
tige Achtung unter Geschäftsfreunden als selbstverständlich erscheint.
Endlich werden wir uns bemühen die nicht mehr zeit-
gemäßen Fremdwörter da zu vermeiden, wo wir einen
guten deutschen Ausdruck haben.
Wir bitten Sie daher es uns nicht zu verübeln, daß in Zukunft
in unsern Briefen alle Höflichkeitsformeln und auch am Schluffe
die besondere Versicherung unserer Hochachtung fehlen werden.
Sollten Sie geneigt sein sich unserem Vorgehen anzuschließen, so
würden wir dies freudig begrüßen."
Der zuletzt ausgesprochenen Bitte haben sich schon viele Emp-
fänger angeschlossen; auch dies ein Beweis dafür, daß die deutsche
Kaufmannschaft mehr und mehr die Pflicht erkennt den stolzen
Aufschwung, den sie genommen hat, auch in Sprache und Schrift-
verkehr zu beweisen. Allg. Deutscher Sprachverein.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]